William M. Thackeray
Die Geschichte von Pendennis, Band 1
William M. Thackeray

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zwölftes Kapitel

Eine Herausforderung erfolgt

Vordem ist schon in dieser Geschichte Herr Garbetts, der erste Heldenspieler, ein vielversprechender und athletisch gebauter junger Schauspieler von jovialen Gewohnheiten und leichtsinnigen Neigungen, erwähnt worden, zwischen dem und Herrn Costigan eine große Vertrautheit herrschte. Sie waren die Hauptzierde des Saufklubs im Gasthof zur »Elster«; sie halfen einander bei verschiedentlichen Wechselgeschäften, in die sie verwickelt waren, damit aus, daß sie sich gegenseitig ihre wertvolle Namensunterschrift liehen. Sie waren mit einem Worte: Freunde; und Herr Garbetts wurde sofort nach dem Weggange des Majors Pendennis zu Kapitän Costigan gerufen, um als guter Freund bei dem vorliegenden Sachverhalt um seine Meinung befragt zu werden.

Er war ein großer, starker Mann mit lauter Stimme und von trotzigem Aussehen, der die schönsten Beine von der ganzen Gesellschaft besaß und ein Schüreisen zum bloßen Spaß über seinem stahlharten Arme zerbrechen konnte.

»Lauf, Tommy,« sagte Herr Costigan zu dem kleinen Botengänger, »und hole Herrn Garbetts aus seiner Wohnung über dem Krämerladen, du weißt schon, und dann sage denen in der »Traube«, daß sie mir zwei Gläser Whisky und Wasser, aber heiß, schicken.« 207

So lief denn Tommy fort, und sogleich kamen Herr Garbetts und der Whisky.

Kapitän Costigan eröffnete ihm nicht alles, was sich vordem zugetragen hatte und was der Leser weiß; aber mit Hilfe von Branntwein und Wasser verfertigte er einen Brief drohender Art an Major Pendennis' Adresse, in dem er diesen Gentleman aufforderte, der zwischen Herrn Arthur Pendennis und seiner Tochter, Fräulein Fotheringay, beabsichtigten Heirat kein Hindernis in den Weg zu legen und einen baldigen Tag zu ihrer Ausführung zu bestimmen oder anderenfalls ihm die Genugtuung zu geben, die zwischen Männern von Ehre üblich sei. Und sollte Major Pendennis zu dieser Alternative nicht geneigt sein, so gab ihm der Kapitän zu verstehen, daß er ihn mit der Reitpeitsche, die der Major fühlen sollte, zur Annahme derselben zwingen werde. Die genauen Ausdrücke dieses Briefes können wir aus Gründen, die gleich klargelegt werden sollen, nicht angeben; aber er war zweifellos im feinsten Stile des Kapitäns geschrieben und sorgsam mit dem großen silbernen Siegel derer von Costigan gesiegelt – dem einzigen Reste von dem Familiensilberzeuge, das der Kapitän noch besaß.

Garbetts wurde hierauf mit diesem Auftrage und Briefe abgesandt, der Kapitän drückte mit einem Segenswunsch die Hand seines Gesandten und sah ihn fortgehen. Dann nahm er seine altehrwürdigen mörderischen Duellpistolen, die mit Steinschlössern versehen waren und manchem hübschen Burschen in Dublin das Lebenslicht ausgeblasen hatten; nachdem er sie untersucht und in befriedigendem Zustande gefunden hatte, 208 holte er aus der Schublade alle Briefe und Gedichte Pens hervor, die er dort aufbewahrte und die er stets selbst studierte, ehe er seiner Emilie den Genuß des Durchlesens gestattete. In etwa zwanzig Minuten kam Garbetts mit einem verstörten und niedergeschlagenen Gesichte zurück.

»Haben Sie ihn gesehen?« fragte der Kapitän.

»Ei, jawohl,« antwortete Garbetts.

»Und wann geht's vor sich?« fragte Costigan, der das Schloß einer der alten Pistolen probierte, und sie in gleiche Höhe mit seinem Auge brachte, wie er den blutunterlaufenen Kreis zu nennen pflegte.

»Wann was vor sich geht?« fragte Herr Garbetts.

»Das Stelldichein, mein guter Bursche.«

»Sie wollen damit doch keinen Kampf auf Tod und Leben bezeichnen, Kapitän?« sagte Garbetts leichenblaß.

»Was Teufel meine ich anders, Garbetts? Ich will den Mann totschießen, der meine Ehre befleckt hat, oder selbst als Opfer zu Boden stürzen.«

»Verd– will ich sein, wenn ich Herausforderungen übermittele,« entgegnete Herr Garbetts. »Ich bin ein verheirateter Mann, habe Kinder und mag nichts mit Pistolen zu tun haben – da, nehmen Sie Ihren Brief zurück;« und zur Verwunderung und Entrüstung Kapitän Costigans warf sein Bote den Brief mit seiner breitgespreizten Aufschrift und dem dickgeklecksten Siegel hin.

»Sie wollen damit doch nicht sagen, daß Sie ihn gesehen und ihm den Brief nicht gegeben haben?« schrie der Kapitän wütend. 209 »Ich sah ihn, aber ich konnte ihn nicht sprechen, Kapitän,« sagte Herr Garbetts.

»Und warum zum Teufel nicht?« fragte der andre.

»Es war jemand dort, den ich und Sie nicht gern treffen mögen,« antwortete der Tragödienspieler mit Grabesstimme. »Unser Freundchen Tatham war dort, Kapitän.«

»Der feige Schuft!« brüllte Costigan. »Er fürchtet sich und will sich über mich beklagen.«

»Ich will nichts mit Duellen zu tun haben, merken Sie sich das,« sagte der Schauspieler bissig, »und ich wünschte, ich hätte weder diesen Tatham, noch diesen Wisch von – –«

»Halten Sie Ihr Maul, Bob Acres! Ich glaube, Sie sind um nichts besser, als ein Feigling,« sagte Kapitän Costigan, indem er Sir Lucius O'Trigger zitierte, welche Rolle er sowohl auf der Bühne als auch im Leben mit Geschick gespielt hatte, und nach einigem weiteren Wortwechsel zwischen dem Paare trennten sie sich nicht in bester Laune.

Ihr Gespräch ist hier nur allgemein mitgeteilt worden, da der Leser die Hauptpunkte weiß, auf die es ankam. Aber der letztere wird nun einsehen, daß es eine Unmöglichkeit ist, einen genauen Bericht über den Brief zu geben, den der Kapitän an Major Pendennis schrieb, da er niemals von diesem Gentleman geöffnet wurde.

Als Fräulein Costigan aus der Probe nach Hause kam, die sie in Gesellschaft des treuen Herrn Bows hatte, fand sie ihren Vater sehr erregt im Zimmer auf- 210 und abgehen, inmitten eines furchtbaren Schnapsduftes, der, wie es schien, sein verstörtes Gemüt zu beruhigen nicht imstande gewesen war. Die Papiere von Pendennis lagen auf dem Tische um die leeren Groggläser und jetzt nutzlosen Teelöffel herum, welch letztere dazu gedient hatten, des Kapitäns und seines Freundes Whisky auszuschöpfen und umzurühren. Als Emilie eintrat, schloß er sie in seine Arme und schrie ihr mit der Stimme eines Verzweifelnden und mit vor Tränen überfließenden Augen zu: »Bereite dich vor, mein Kind, mein Kind, das der Herr segnen möge.«

»Sie sind wieder einmal –, Papa,« sagte Fräulein Fotheringay, indem sie ihren Herrn Papa von sich wegschob. »Sie versprachen mir doch, keinen Branntwein mehr vor Tisch zu sich zu nehmen.«

»Nur um meinen Kummer zu vergessen, mein armes Mädchen, habe ich noch einen Tropfen getrunken,« schrie der hoffnungslose Vater – »nur um meine Sorgen zu ertränken, nahm ich zum Whisky meine Zuflucht.«

»Ihre Sorgen bedürfen eines guten Teiles Flüssigkeit, um ertränkt zu werden, lieber Kapitän,« sagte Bows, seines Freundes Sprechweise nachahmend; »was ist denn aber eigentlich geschehen? Hat der sanfte Mann mit der Perücke Sie geärgert?«

»Der ruchlose Schuft! Ich muß sein Blut haben!« brüllte Costigan. Fräulein Milly – das müssen wir vorausschicken – war vor seiner Umarmung in ihr Zimmer geflüchtet und nahm ihren Hut und ihren Schal dort ab.

»Ich dachte es mir gleich, daß er Böses im Schilde 211 führte. Er war so ungemein höflich,« sagte der andere. »Was wollte er denn eigentlich?«

»O Bows! Er hat mich ganz niedergedrückt,« sagte der Kapitän. »Eine höllische Verschwörung ist gegen mein armes Mädchen im Gange, und meine Meinung ist, daß alle beiden Pendennis, Neffe und Onkel, zwei teuflische Verräter und Schurken sind, die von der Erde vertilgt werden müßten.«

»Was ist denn los? Was ist denn geschehen?« sagte Herr Bows, der etwas aufgeregt wurde.

Costigan erzählte ihm nur die Behauptungen des Majors, daß der junge Pendennis weder zweitausend, noch auch nur zweihundert Pfund Jahreseinkommen besäße, und drückte seine Wut darüber aus, daß er solchem Betrüger erlaubt hätte, um sein unschuldiges Mädchen herumzuwedeln und herumzuschwänzeln, und daß er solch eine Viper an seinem eigenen Busen genährt hätte. »Ich habe aber das Reptil von mir geschleudert,« sagte Costigan, »und was seinen Onkel betrifft, so will ich mich derart an dem alten Mann rächen, daß er den Tag bereuen wird, an dem er je einen Costigan beleidigte.«

»Was meinen Sie damit, Kapitän?« fragte Bows.

»Ich meine damit, daß ich sein Leben haben will, Bows, sein schuftiges Heuchlerleben, mein Junge;« und er klopfte in einer unheilverkündenden wilden Weise an das abgenützte alte Pistolenkästchen. Bows hatte ihn oft auf diesen todbringenden Kasten anspielen hören, mit dem er seine Feinde zu opfern sich vorgenommen; aber der Kapitän sagte ihm nicht, daß er 212 tatsächlich schon geschrieben und an Major Pendennis eine Herausforderung geschickt hatte, und Herr Bows kümmerte sich darum im gegenwärtigen Fall eben nicht zu sehr um die Pistolen.

So standen die Sachen, als Fräulein Fotheringay aus ihrem eignen Stübchen in das gemeinschaftliche Wohnzimmer zurückkehrte, vollkommen gesund, glücklich und unbekümmert aussah und einen scharfen und wohltuenden Gegensatz zu ihrem Vater bildete, der vor Kummer, Aerger und Aufregung fieberte und zitterte. Sie brachte ein Paar weißgewesene Atlasschuhe mit sich, die sie so rein als möglich mit Brotkrumen abzureiben sich vorgenommen hatte, da sie am nächsten Dienstag abend die wahnsinnige Ophelia damit spielen sollte, in welcher Rolle sie an diesem Abend wieder aufzutreten hatte.

Sie sah auf die Papiere, die auf dem Tische lagen, schien etwas fragen zu wollen, besann sich aber eines Besseren, indem sie zum Wandschrank ging und sich ein passendes Stück Brot aussuchte, womit sie die Atlasschuhe bearbeiten könnte; dann kehrte sie zum Tische zurück, setzte sich dort bequem mit den Schuhen hin und fragte ihren Vater in ihrem ehrlichen irischen Akzent: »Warum haben Sie die Briefe und Verse und den ganzen Unsinn von Master Arthur vorgeholt, Pa? Sie wollen doch wahrscheinlich das dumme Zeug nicht durchlesen?«

»O Emilie!« schrie der Kapitän, »der Junge, den ich wie das Kind meines Herzens liebte, ist bloß ein Schuft, ein Betrüger, mein armes Mädchen!« Und er sah in der tragischsten Weise Herrn Bows an, der 213 ihm gegenüber saß und seinerseits etwas ängstlich auf Fräulein Costigan blickte.

»Ha, bah! Sicher ist der arme Bursche so einfältig, wie ein Schulknabe,« sagte sie. »All diese Kinder schreiben Verse und Unsinn.«

»Er hat an diesem Herde die Rolle einer Viper und in dieser Familie die eines Verräters gespielt,« schrie der Kapitän. »Ich sage dir, daß er nicht besser als ein Betrüger ist.«

»Was hat denn der arme Mensch gemacht, Papa?« fragte Emilie.

»Was er gemacht hat? Er hat uns in der schrecklichsten Weise getäuscht,« sagte Fräulein Emilies Papa. »Er hat mit deinem Herzen gespielt und mein eignes Zartgefühl beleidigt. Er hat sich als einen Mann von Vermögen hingestellt, und nun kommt es so heraus, daß er nicht mehr als ein Bettler ist. Habe ich dir nicht oft erzählt, daß er zweitausend Pfund jährlich hätte? Er ist ein armer Teufel, muß ich Ihnen jetzt sagen, Fräulein Costigan, er hängt von der Güte seiner Mutter ab, einer guten Frau, die noch wieder heiraten kann, die wahrscheinlich ewig leben wird und die nur fünfhundert Pfund jährlich hat. Wie darf er es wagen, dich in eine Familie hineinheiraten zu lassen, die nicht die Mittel hat, für deinen Unterhalt sorgen zu können? Du bist abscheulich betrogen und auf den Sand gesetzt worden, Milly, und ich glaube, daß dieser alte Schuft von einem Onkel mit der Perücke in dem Komplott gegen uns ist.«

»Dieser sanfte alte Gentleman? Was hat der denn 214 verbrochen, Papa?« fuhr Emilie immer noch unerschütterlich ruhig fort.

Costigan teilte Milly mit, daß ihm nach ihrem Weggange Major Pendennis in seiner doppelzüngigen höflichen Pall-Mall-Art erzählt hätte, daß der junge Arthur überhaupt kein Vermögen besäße, und daß der Major ihn (Costigan) gebeten habe, sich zu dem Advokaten zu bemühen (»wobei er wußte, daß die Schurken einen Wechsel auf mich haben und ich mit ihnen nicht zusammentreffen kann,« bemerkte der Kapitän in Parenthese), um das Testament des Vaters des Knaben sich anzusehen; endlich, daß ihm die beiden einen höllischen Betrug gespielt hätten und daß er entschlossen wäre, entweder Heirat oder das Blut beider zu sehen.

Milly sah sehr ernst und gedankenvoll aus und rieb dabei die weißen Atlasschuhe ab. »Wahrhaftig, Papa, wenn er kein Geld hat, nützt es nichts, ihn zu heiraten,« sagte sie nachdenklich.

»Warum sagte aber der Schurke, daß er Vermögen hätte?« fragte Costigan.

»Der arme Junge hat stets gesagt, daß er arm sei,« antwortete das Mädchen. »Sie waren es, Papa, der durchaus behauptete, er sei reich, und mich beredete, ihn zu nehmen.«

»Er hätte uns sein Einkommen auseinandersetzen und davon erzählen müssen, Milly,« antwortete der Vater. »Ein junger Mensch, der eine Vollblutstute reitet und Schals und Armbänder verschenkt, ist ein Betrüger, wenn er kein Geld hat; und was seinen Onkel betrifft, so werde ich ihm, weiß Gott, die Perücke vom 215 Kopf abreißen, wenn ich ihn sehe. Bows hier soll ihm die Botschaft bringen und ihm das sagen: entweder Heirat oder er stellt sich mir im Feld als ein Mann gegenüber; sonst ziehe ich ihn vor den Fenstern seines Hotels oder auf den Kieswegen von Fairoaks Park vor der ganzen Grafschaft an der Nase herum, bei Gott.«

»Bei Gott, Sie mögen jemand anderes mit dieser Botschaft schicken,« sagte Bows lachend. »Ich bin ein Fiedler und kein Fechter, Kapitän.«

»Bah, Sie haben keinen Verstand, Herr,« brüllte Costigan. »Ich werde selbst mein Sekundant sein, wenn niemand mir Beistand leisten will, wo man mich beleidigt. Und ich werde meinen Pistolenkasten nehmen und ihn im Kaffeezimmer des »Georg« totschießen.

»So hat der arme Arthur also kein Geld?« seufzte Fräulein Costigan ziemlich kläglich. »Armer Bursche, er war auch noch ein guter Junge dazu, wild und Unsinn schwatzend mit seinen Versen und Gedichten und so weiter; aber ein braver, großmütiger Junge, den ich wirklich liebte und der mich auch liebte,« fügte sie ziemlich leise hinzu, indem sie an dem Schuh weiter rieb.

»Warum heiraten Sie ihn denn nicht, wenn Sie ihn so sehr lieben?« fragte Herr Bows ziemlich tückisch. »Er ist bloß zehn Jahre jünger als Sie. Seine Mutter kann nachgeben, und Sie können dann ruhig hingehen und in Fairoaks Park leben und daran genug haben. Warum nicht eine Lady werden wollen? Ich könnte von der Fiedel und der Kapitän von seinem Halbsold weiter leben. Warum heiraten Sie ihn nicht? Sie wissen ja, daß er Sie liebt.« 216

»Andere Leute sind mir ebenso lieb, Bows, die auch kein Geld haben, aber wenigstens alt genug sind,« sagte Milly salbungsvoll.

»Ja verd–,« sagte Bows mit einem bitteren Fluche – »die alt, arm und in jeder Weise Narren genug waren.«

»Es gibt alte Narren und auch junge. Sie haben oft so gesagt, Sie einfältiger Mann,« sagte die gebieterische Schönheit mit einem Blicke, der dem alten Gentleman ins Gewissen redete. »Wenn Pendennis nicht genug Geld hat, um davon zu leben, so ist es Torheit, von einer Heirat mit ihm zu sprechen, das ist der langen Rede kurzer Sinn.«

»Und der Junge?« sagte Herr Bows. »Donnerwetter! Sie werfen ja einen Mann wie einen alten Handschuh weg, Fräulein Costigan.«

»Ich weiß nicht, was Sie meinen, Bows,« sagte Fräulein Costigan gelassen und rieb dabei am zweiten Schuh. »Wenn er die Hälfte der zweitausend Pfund jährlich, die Papa ihm andichtete, oder davon wieder auch nur die Hälfte gehabt hätte, würde ich ihn heiraten. Aber was kommt Gutes dabei heraus, wenn man einen Bettler nimmt? Wir sind schon arm genug. Es ist auch nutzlos, wenn ich mit einer alten Dame zusammenlebe, die vielleicht mürrisch und zänkisch ist und mir jeden Bissen Fleisch in den Mund zählen würde, (doch es ist ja bald Essenszeit und Suky hat den Tisch noch nicht gedeckt), und dann,« fügte Fräulein Costigan ganz einfach hinzu, »wenn wir Familie bekämen? – ei, Papa, da würden wir uns nicht mal so wohl befinden wie jetzt.« 217

»Du hast wirklich recht, liebe Milly,« antwortete der Vater.

»Und so hat es denn ein Ende mit all dem schönen Gerede über Frau Arthur Pendennis von Fairoaks Park – der Lady des Parlamentsmitgliedes,« sagte Milly lächelnd. »Schöne Wagen und Pferde zum Ausfahren sollten wir haben! Davon redest du immer, Papa. Aber es ist immer dasselbe. Sowie ein Mann mich ansah, dachtest du gleich, er würde mich heiraten, und wenn er einen guten Rock anhatte, bildetest du dir gleich ein, daß er reich wäre, wie ein Krösus.«

»Wie ein Krösus,« echote Herr Bows.

»Gut, gut, reden Sie von ihm, wie Sie wollen. Aber es ist jetzt Tatsache, daß Papa mich in diesen acht Jahren an zwanzig Mal verheiratet hat. Sollte ich nicht Mylady Poldoody von Oystherstown Castle werden? Dann war der Seekapitän zu Portsmouth da und der alte Chirurg zu Norwich und der Methodistenprediger hier im letzten Jahre und wer weiß wie viele noch? Nun, ich wette einen Penny darauf, daß ich bei all Ihrem Pläneschmieden noch zuletzt als Fräulein Costigan sterbe. Also der arme kleine Arthur hat kein Geld? Bleiben Sie doch zum Essen da, Bows, wir haben einen wunderschönen Beefsteakpudding.«

»Ich möchte wissen, ob sie mit Sir Derby Oaks weiter ist,« dachte Bows, dessen Augen und Gedanken sie immer beobachteten. »Die Ränke der Weiber gehen über alle Begriffe, und ich bin sicher, sie würde den jungen Menschen nicht so leicht aus dem Garne lassen, 218 wenn sie nicht irgendein anderes Plänchen zur Hand hätte.«

Man wird bereits bemerkt haben, daß Fräulein Fotheringay, obwohl gewöhnlich schweigsam und nicht im entferntesten von glänzender Unterhaltungsgabe, wo Poesie, Literatur oder die schönen Künste in Betracht kommen, doch mit der Sprache recht gut fort konnte und dazu recht verständig redete, wenn sie in ihrem eignen Familienkreise war. Sie kann durchaus nicht als romantische Person bezeichnet werden, auch waren ihre literarischen Errungenschaften nicht so groß, denn niemals schlug sie von dem Tage an, wo sie die Bühne verließ, den Shakespeare auf, noch verstand sie ihn überhaupt während der ganzen Zeit, wo sie die Bretter zierte; aber über einen Pudding, eine Näherei oder ihre eignen häuslichen Angelegenheiten war sie eine so gute Richterin, wie überhaupt nur gefunden werden konnte, und da sie nicht durch starke Einbildungskraft oder ein leidenschaftliches Temperament irregeleitet wurde, war sie viel besser als andre befähigt, sich ein kaltblütiges Urteil zu bewahren. Als während des Essens Costigan sich und den anderen einzureden versuchte, des Majors Angaben über Pens Finanzen seien nicht glaubwürdig und eine bloße List von seiten des alten Heuchlers, um sie ihrerseits zum Abbruch der Verbindung zu veranlassen, wollte Fräulein Milly auch nicht einen Augenblick lang die Möglichkeit eines Betrugs ihres Gegners zugeben und setzte klar und deutlich auseinander, daß ihr Vater sich selbst getäuscht habe, und nicht ihn der kleine arme Pen, der es sogar mit ihnen zu halten versucht habe. Was 219 den armen Burschen beträfe, so sagte sie, daß sie ihn von ganzem Herzen bemitleide. Und sie ließ sich ihr Mittagessen außerordentlich wohlschmecken, zur Verwunderung des Herrn Bows, der dieses Frauenzimmer außerordentlich schätzte und zugleich verachtete. – Während und nach dieser Mahlzeit beriet die Gesellschaft die besten Mittel und Wege, um diese Liebesgeschichte zum Abschlusse zu bringen. Was Costigan betrifft, so schwand seine Idee, den Major an der Nase herumzuziehen, mit seiner Whiskygrognachhilfe nach dem Mittagessen; er unterwarf sich seiner Tochter und war zu jedem Plan bereit, zu dem sie sich zur Beilegung der Krisis, die, wie sie sah, bevorstand, entscheiden würde. Solange der Kapitän meinte, es sei ihm Unrecht geschehen, war er begierig, Pen und seinem Onkel gegenüberzustehen und ihnen den Hals zu brechen; jetzt aber schrak er vielleicht sogar vor der Idee zurück, dem ersteren zu begegnen, und fragte, was zum Teufel sie wohl sagen würden, wenn der junge Mensch seiner Verpflichtung treu bliebe, während sie die ihre bräche?

»Was? Wissen Sie nicht, wie man einen Mann über Bord wirft?« sagte Bows; »fragen Sie ein Frauenzimmer, die wird es Ihnen gleich sagen,« und Fräulein Fotheringay zeigte, wie sich das einfach genug abtun ließe; nichts wäre leichter als das. »Papa schreibt an Arthur, er wünsche zu wissen, welche Beschlüsse er im Falle einer Heirat zu tun gedenke, und fragt, wie es mit seinen Mitteln steht. Arthur schreibt zurück und sagt, was er hat, und Sie werden sehen, es ist, wie der Major sagt, dafür verbürge ich mich. 220 Dann schreibt Papa wieder und sagt, es sei nicht genug, und das Verhältnis wird gütlich so aufgehoben.«

»Und Sie legen natürlich ein Abschiedszeilchen ein, in dem Sie sagen, daß Sie ihn immer als Bruder betrachten werden,« sagte Herr Bows, indem er sie in seiner verächtlichen Art ansah.

»Natürlich werde ich das tun,« antwortete Fräulein Fotheringay. »Er ist ein sehr wackerer junger Mann, wahrhaftig. Wollen Sie so gut sein, mir das Salz reichen? Die Haselnüsse sind wunderschön.«

»Und so wird auch niemand an der Nase herumgezogen, Cos, mein Junge? Es tut mir leid, daß Sie damit hereingefallen sind,« sagte Herr Bows.

»Gott, ich denke nicht,« sagte Cos, indem er seine eigne Nase rieb. – »Was willst du aber mit den Briefen und Versen und Gedichten machen, liebe Milly? – Du mußt sie zurücksenden.«

»Wigsby würde hundert Pfund dafür geben,« sagte Bows mit einem Grinsen.

»Wirklich, sollte er?« sagte Kapitän Costigan, der sich leicht etwas vormachen ließ.

»Papa!« sagte Fräulein Milly. – »Du kannst über die Zurücksendung der Briefe des armen Jungen gar nichts bestimmen. Die Briefe und Gedichte sind mein. Sie waren sehr lang und von allem möglichen dummen Zeug voll, von Latein und Dingen, von denen ich nicht die Hälfte verstehen konnte; und ich habe sie auch wirklich nicht alle gelesen; aber wir wollen sie ihm zurücksenden, wenn die rechte Zeit dazu gekommen ist.« Damit ging Fräulein Fotheringay zu einer Schublade, nahm eine Nummer der 221 Grafschaftschronik und des Chatteris Champion heraus, in dem Pen die flammenden Verse, die ihr Auftreten in der Rolle der Imogen feierten, veröffentlicht hatte, und indem sie das Blatt, in dem das Gedicht erschienen (denn wie alle Damen ihres Berufes bewahrte sie die Kritiken, die ihr Spiel lobten, auf), darumschlug, packte sie Pens Briefe, Dichtungen, leidenschaftliche Ergüsse und Phantasien hinein und band sie sauber mit einem Bindfaden zu, wie sie es etwa mit einem Zuckerhut getan haben würde.

Auch war sie nicht im geringsten ergriffen, als sie diesen Akt vollzog. Was für Stunden hatte der Knabe über diesen Papieren verbracht! Von was für Liebe und Sehnen, von welch edlem Glauben und männlicher Hingabe, von was für durchwachten Nächten und einsamen Fieberstunden mochten sie erzählen! Sie band sie wie ebenso viele Gewürztüten zusammen, setzte sich dann nieder und bereitete den Tee mit vollkommen ruhigem und zufriedenem Herzen, während Pen zehn Meilen davon nach ihr schmachtete und ihr Bild in seiner Seele liebkoste.



 << zurück weiter >>