William M. Thackeray
Die Geschichte von Pendennis, Band 1
William M. Thackeray

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Elftes Kapitel

Unterhandlung

Der Major und Kapitän Costigan waren alte Soldaten und daher gewohnt, dem Feinde ins Auge zu sehen, so daß wir voraussetzen können, daß sie ihre vollkommene Geistesgegenwart behielten; aber der übrige Teil der in Costigans Besuchszimmer versammelten Gesellschaft war vielleicht ein wenig verlegen bei Pendennis' Erscheinen. Fräulein Fotheringays Herz begann ohne Zweifel zu schlagen, denn ihre Wangen überzogen sich mit einer tiefen gesunden Röte, als Leutnant Sir Derby Oaks sie mit scheeler Miene ansah. Der kleine krumme alte Mann am Fenster, der Zeuge von dem Gefecht der beiden Herren gewesen war (deren Stampfen und Springen derart gewesen, daß er alle Versuche aufgegeben, die Abschrift der Theatermusik, mit der er beschäftigt gewesen, fortzusetzen), blickte neugierig auf den neuen Ankömmling, als der Major mit den schöngeputzten 190 Stiefeln in das Zimmer trat und jedem der Anwesenden eine höchst graziöse Verbeugung machte.

»Meine Tochter – mein Freund, Herr Bows – mein ritterlicher junger Zögling und Freund, wie ich ihn wohl nennen darf, Sir Derby Oaks,« sagte Costigan, majestätisch die Hand schwenkend und der Aufmerksamkeit des Majors jede einzelne dieser Persönlichkeiten anempfehlend. »In einem Augenblick stehe ich untertänigst zu Ihren Diensten, Major;« mit diesen Worten einen Sprung in sein kleines angrenzendes Schlafzimmer tun, mit der Haarbürste (einem wunderbar alten Stück) über sein dünnes Haar fahren, seine abgeschabte Halsbinde abreißen, eine neue anlegen, die Emilie für ihn verfertigt hatte, einen hübschen reinen Kragen und den neuen Rock anziehen, der bei Gelegenheit von Fräulein Fotheringays Benefiz bestellt worden war, all das war bei dem noch immer gewandten Costigan das Werk einer Minute.

Nach ihm trat Sir Derby ein und tauchte bald aus demselben Zimmer wieder hervor, wo er sich ebenfalls in seine kleine Jacke gesteckt hatte, welche sich der korpulenten Persönlichkeit des jungen Offiziers eng anschmiegte, und die er und Fräulein Fotheringay und vielleicht auch der arme Pen außerordentlich bewunderten.

Inzwischen hatte sich zwischen der Schauspielerin und dem Neuangekommenen ein Gespräch angesponnen, und die üblichen Bemerkungen über das Wetter waren ausgetauscht worden, ehe Costigan in seiner neuen »Montur«, wie er es nannte, wieder eintrat.

»Ich brauche mich wohl nicht bei Ihnen zu 191 entschuldigen, Major,« sagte er in seiner feinsten und höflichsten Weise, »daß ich Sie in Hemdsärmeln empfangen habe.«

»Ein alter Soldat kann sich nicht besser beschäftigen, als daß er einen jungen seinen Degen gebrauchen lehrt,« antwortete der Major ritterlich. »Ich erinnere mich, gehört zu haben, daß Sie in vergangenen Zeiten den ihrigen recht wohl zu gebrauchen verstanden, Kapitän Costigan.«

»Was, Sie haben von Jack Costigan gehört, Major!« sagte der andere großartig.

Der Major hatte wirklich von ihm gehört; er hatte seinen Neffen über seinen neuen Freund, den irischen Offizier, ausgeforscht und sagte, daß er sich vollkommen gut erinnere, mit Herrn Costigan zusammengetroffen zu sein und ihn an der Tafel Sir Richard Strachans in Walcheren singen gehört zu haben.

Bei dieser Neuigkeit und der offnen und herzlichen Weise, mit der sie ausgesprochen wurde, sah Bows ganz verwundert auf. »Aber von diesen Sachen wollen wir ein anderes Mal reden,« fuhr der Major fort, der sich vielleicht nicht zu kompromittieren wünschte; »ich kam heute, um Fräulein Fotheringay meine Aufwartung zu machen;« damit verbeugte er sich abermals vor ihr, und zwar so ritterlich und voller Grazie, daß sie, selbst wenn sie Herzogin gewesen wäre, keine schönere hätte bekommen können.

»Ich hatte von Ihren Vollkommenheiten durch meinen Neffen Arthur gehört, meine Gnädigste,'' sagte der Major, »er schwärmt für Sie, wie Sie, glaube ich, wohl wissen. Aber Arthur ist noch ein Knabe und ein 192 wildenthusiastischer junger Bursche, dessen Ansichten man nicht zu ernst nehmen muß; und ich muß bekennen, selbst mir fiel das Urteil schwer. Gestatten Sie mir, Ihnen zu sagen, wie Ihr Spiel mich entzückt und in Verwunderung gesetzt hat. Ich habe unsre besten Schauspielerinnen gesehen und, auf mein Wort, ich meine, Sie übertreffen alle. Sie sind so majestätisch wie Frau Siddons.«

»Meiner Treu, das hab ich immer gesagt,« meinte Costigan, indem er seiner Tochter zunickte, »bitte, Major, setzen Sie sich doch.«

Milly stand bei dieser Andeutung auf, nahm ein zertrenntes seidnes Kleid von dem einzigen vorhandenen freien Stuhle, und brachte diesen mit einem ihrer schönsten Knixe Major Pendennis.

»Sie sind so pathetisch wie Fräulein O'Neill,« fuhr er fort, indem er sich verbeugte und sich niedersetzte; »Ihre Liedchen erinnern mich an Frau Jordan in ihrer besten Zeit (wo wir noch junge Leute waren, Kapitän Costigan), und Ihre Art des Auftretens an die Mars. Sahen Sie einmal die Mars, Fräulein Fotheringay?«

»Es gab zwei Damen Mars in der Crow Street,« bemerkte Fräulein Emilie, »Fanny war nicht übel, aber Biddy war nicht besonders.«

»Nicht doch, Milly, mein Liebling,« unterbrach sie ihr Vater, »der Major meint den Kriegsgott.«

»Es ist nicht jener Mars, den ich meinte, obgleich Venus wohl verziehen werden muß, wenn sie an ihn denkt,« entgegnete der Major mit einem Lächeln zu Sir Derby Oaks, der eben in seiner Jacke wieder 193 eintrat; aber die Dame verstand die Worte nicht, die er anwandte, auch wurde Sir Derby durch das Kompliment nicht im geringsten milder gestimmt, denn er verstand es wahrscheinlich ebenfalls nicht und nahm sicher die Schmeichelei mit sehr mürrischer steifer Miene auf und warf Fräulein Fotheringay wütende Blicke zu, die zu besagen schienen: »Was den Teufel macht dieser Mensch hier?«

Major Pendennis war nicht im geringsten verdrießlich über die üble Laune des Herrn. Im Gegenteil, sie entzückte ihn. »So,« dachte er, »ein Rivale auf dem Platze;« und er sandte ein Stoßgebet zum Himmel, daß Sir Derby nicht nur ein Rivale, sondern auch ein Sieger in diesem Liebeskampfe sein möge, in den er und Pen sich eingelassen.

»Ich fürchte, ich unterbrach Ihre Fechtstunde; aber mein Aufenthalt in Chatteris ist von so kurzer Dauer, und es lag mir so viel daran, meinen alten Kriegskameraden, Kapitän Costigan, kennen zu lernen und eine Dame in der Nähe zu sehen, die mich von der Bühne aus so sehr bezauberte. Ich war gestern abend nicht der einzige, der entzückt war, Fräulein Fotheringay, (wenn ich Sie so nennen darf, obgleich Ihr Familienname ein sehr alter und edler ist). Es war auch ein ehrwürdiger Freund von mir dort, der hingerissen von Ophelia heimging; und ich sah Sir Derby Oaks einen Blumenstrauß werfen, den wohl keine Schauspielerin je mehr verdiente. Ich würde selbst einen mitgebracht haben, wenn ich gewußt hätte, was ich sehen würde. Sind das da oben in dem Glase mit Wasser auf dem Kaminsims nicht dieselben Blumen?« 194

»Ich liebe Blumen sehr,« sagte Fräulein Fotheringay mit einem schmachtenden Blick auf Sir Derby Oaks – aber der Baronet sah noch immer verdrießlich und ärgerlich aus.

»Der Süßen Süßestes – heißt es nicht so in dem Stück?« fragte Major Pendennis, der durchaus den Lustigen spielen wollte.

»Bei meiner Seele, ich weiß es nicht. Höchstwahrscheinlich aber. Ich bin kein literarisch gebildeter Mann,« antwortete Sir Derby.

»Ist das denn möglich?« fuhr der Major mit erstaunter Miene fort. »Sie haben denn also Ihres Vaters Liebe zu den Wissenschaften nicht geerbt, Sir Derby? Es war ein hervorragend großer Gelehrter, und ich hatte die Ehre, ihn sehr gut zu kennen.«

»Wohl möglich,« sagte der andere und nickte mürrisch mit dem Kopfe.

»Er rettete mir das Leben,« fuhr Pendennis fort.

»O, das tat er?« rief Fräulein Fotheringay, indem sie ihre rollenden Augen zuerst erstaunt auf den Major und dann dankbar auf Sir Derby richtete – aber der letztere war derart ärgerlich, daß diese Blicke nicht gleich zündeten; und weit entfernt davon, daß der junge Mann sich darüber freute, wie der Apotheker, sein Vater, das Leben des Majors Pendennis gerettet haben sollte, sah er eher aus, als ob er gewünscht hätte, die Sache hätte gegenteilig geendet.

»Mein Vater war, glaube ich, ein sehr guter Doktor,« gab der junge Mann zur Erwiderung. »Ich habe damit nichts zu schaffen. Ich wünsche Ihnen guten 195 Morgen, mein Herr. Ich habe eine Verabredung – Cos, Gott befohlen – Fräulein Fotheringay, guten Morgen.« Und trotz den beschwörenden Blicken und dem bittenden Lächeln der jungen Dame, verbeugte sich der Dragoner steif und verließ das Zimmer, und man hörte das Rasseln seines Säbels beim Heruntersteigen der knarrenden Treppe und den ärgerlichen Ton seiner Stimme, als er den kleinen Tom Creed verwünschte, der im Hausgange spielte, und dessen Kreisel Sir Derby mit einem Fluch auf die Straße hinausschleuderte.

Der Major lächelte nicht im geringsten, obgleich er alle Ursache hatte vergnügt zu sein. »Ungeheuer hübscher junger Mann – sah niemals einen schönern Soldaten,« meinte er zu Costigan.

»Ein Ruhm für die Armee und die ganze Menschheit im allgemeinen,« antwortete Costigan. »Ein junger Mann von feiner Lebensart, höflicher Leutseligkeit und fürstlichem Vermögen. Der Tisch, den er führt, ist großartig, er wird im ganzen Regiment angebetet und reitet vortrefflich, trotzdem er sechzehn Stein wiegt.«

»Ein vollkommener Krieger,« sagte der Major lachend. »Ich hege keinen Zweifel, daß alle Damen ihn bewundern.«

»Er ist trotz seiner Schwere, jetzt, wo er noch jung ist, recht angenehm,« sagte Milly, »aber er kann sich nicht unterhalten.«

»Er macht sich am besten zu Pferde,« sagte Herr Bows, worauf Milly erwiderte, daß der Baronet bei der letzten steeple-chase auf seinem Pferde Tareaways als dritter am Ziel gewesen sei, und der Major 196 begann jetzt zu begreifen, daß die junge Dame selbst kein großes Genie sei, und sich zu verwundern, wie sie so dumm sein und doch so gut spielen könne.

Costigan drang mit irischer Gastfreundlichkeit natürlich in seinen Gast, eine Erfrischung anzunehmen, und der Major, der nicht hungriger war, als man nach dem großen Gastmahle des Lord Mayors ist, erklärte, daß er vor allem gern einen Biskuit und ein Glas Wein nehmen würde, da er sich ganz schwach vom langen Fasten fühle – aber er wußte recht gut, daß das Annehmen geringfügiger Gefälligkeiten den Gebern sehr schmeichelt, und daß die Leute gegen jemand, dem sie sich gastfreundlich erweisen, notwendigerweise immer besser gesinnt werden.

»Etwas von dem alten Madeira, liebe Milly,« sagte Costigan und winkte seinem Kinde zu; und die Dame ging, nachdem sie ihrem Vater einen verständnisvollen Blick zugeworfen, aus dem Zimmer und die Treppe hinab, wo sie mit leiser Stimme ihren kleinen Kommissionär, Master Tommy Creed, zu sich rief, ihm ein Stück Geld gab und ihn beauftragte, in die »Traube« zu gehen, dort eine Pinte Madeira und beim Bäcker für sechs Pence verschiedene Biskuits zu kaufen und ganz schnell zurückzukehren, wo er dann zwei Biskuits für sich selbst bekommen würde.

Während Tommy Creed diesen Auftrag ausrichtete, saß Fräulein Costigan unten bei Frau Creed und erzählte ihrer Wirtin, daß Herrn Arthur Pendennis' Onkel, der Major, oben wäre, ein netter, sanfter, alter Herr, dem die Worte wie Butter vom Munde flössen, und wie Sir Derby, wütend vor Eifersucht, aus dem 197 Zimmer gestürzt wäre, und was geschehen müßte, um beide zu beruhigen.

»Sie hat die Schlüssel zum Keller, Major,« sagte Herr Costigan, als das Mädchen das Zimmer verließ.

»Auf mein Wort, Sie haben einen sehr schönen Kellermeister,« antwortete Pendennis galant, »und ich wundere mich nicht, daß – die jungen Leute für sie schwärmen. Als wir so alt waren, Kapitän Costigan, haben uns wohl minder schöne genügt.«

»Meiner Treu, Sie haben recht, so zu sagen, Herr – und glücklich ist der Mann, der sie bekommt. Fragen Sie meinen Freund Bows dort, ob der Geist von Fräulein Fotheringay nicht noch ihre Erscheinung übertrifft, und ob sie nicht ein hochgebildetes Talent, einen scharfen Verstand und ein liebenswürdiges Gemüt besitzt?«

»O, natürlich,« sagte Herr Bows etwas trocken. »Hier kommt unsere Hebe, blühend von Kellerluft. Meinen Sie nicht, daß es Zeit ist, in die Probe zu gehen, Fräulein Hebe? Sie werden Strafe zahlen müssen, wenn Sie später kommen,« – und er warf der jungen Dame einen Blick zu, der ihr zu verstehen gab, sie würde viel besser daran tun, das Zimmer zu verlassen, damit die beiden älteren Herren allein blieben.

Auf diesen Wink nahm Fräulein Hebe ihren Hut und Schal, wobei sie ungewöhnlich hübsch, gutgelaunt und freundlich aussah, und Bows sammelte seine Rollenpapiere zusammen und humpelte quer durch das Zimmer nach seinem Hut und Stocke.

»Müssen Sie denn fort?« sagte der Major. 198 »Können Sie uns nicht noch ein paar Minuten schenken, Fräulein Fotheringay? Ehe Sie uns verlassen, gestatten Sie mir altem Burschen, Ihnen die Hand zu drücken, und glauben Sie mir, daß ich stolz darauf bin, die Ehre Ihrer Bekanntschaft gehabt zu haben, und recht von Herzen wünsche, Ihr Freund zu sein.«

Fräulein Fotheringay machte am Schlusse dieser galanten Rede einen tiefen Knicks, und der Major folgte ihr, als sie aus der Tür ging, wo er ihre Hand mit dem herzlichsten und väterlichsten Drucke preßte. Bows war erstaunt über diese Zurschaustellung von Herzlichkeit. »Die Verwandten des jungen Menschen können sie ihm doch nicht wirklich zur Frau wünschen,« dachte er – und so schieden sie.

»Nun los,« dachte Major Pendennis, und was Herrn Costigan betrifft, so machte er sich sofort die Abwesenheit seiner Tochter zunutze und trank den Rest des Weines aus; er goß sich ein Glas nach dem anderen von dem Madeira aus der »Traube« mit hastiger, zitternder Hand ein. Der Major kam an den Tisch heran, hob sein Glas empor und trank es mit einem jovialen Schmatzen aus. Wäre es von Lord Steynes erlesenstem Weine und nicht Gasthofswein gewesen, er hätte nicht erquickter davon aussehen können.

»Kapitaler Madeira, Kapitän Costigan,« sagte er. »Woher beziehen Sie ihn? Ich trinke das Wohl dieses liebenswürdigen Geschöpfes mit einem vollen Glase. Auf Ehre, Kapitän, jetzt wundere ich mich nicht mehr, daß die Männer toll nach ihr sind. Ich sah nie in meinem Leben so schöne Augen und eine so königliche Haltung. Ich bin sicher, sie ist so geistreich, wie sie schön 199 ist, und ich zweifle nicht daran, daß sie ebenso gut wie klug ist.«

»Ein gutes Mädchen, Herr, – ein gutes Mädchen,« sagte der entzückte Vater; »und ich stimme in einen Toast auf sie von ganzem Herzen ein. Soll ich in die – in den Keller nach einer zweiten Pint schicken? Es ist dicht bei. Nein? Gut, Herr Major; Sie haben recht, wenn Sie sie ein gutes Kind nennen und den Stolz und den Ruhm ihres Vaters – des ehrenwerten alten Jack Costigan. Der Mann, der sie bekommt, wird an ihr ein Juwel von Weib haben, Herr; und ich trinke auf sein Wohl, Herr, und Sie wissen, wen ich damit meine, Major.«

»Ich bin nicht erstaunt, daß sich jung und alt in sie verliebt,« sagte der Major, »und muß Ihnen offen sagen, daß ich, obgleich ich zuerst sehr ärgerlich über meinen armen Neffen Arthur war, als ich von der Leidenschaft dieses Jungen hörte, jetzt, wo ich die Dame gesehen habe, ihm in weitestem Maße verzeihen kann. Bei St. Georg, ich hätte selbst Lust, das Wettrennen um sie mitzumachen, wenn ich nicht ein alter und noch dazu armer Bursche wäre.«

»Und ein Mann, wie es keinen besseren gibt, Major, wahrhaftig,« schrie Jack begeistert. »Ihre Freundschaft entzückt mich, Herr. Ihre Bewunderung für meine Tochter bringt mir Tränen in die Augen – Tränen, Herr – männliche Tränen – und wenn sie meinen armen Herd hier mit Ihrem glänzenden Hause vertauscht, so wird sie hoffentlich auch ein Plätzchen für ihren armen, alten Vater, den armen, alten Jack Costigan, bereit halten.« – Der Kapitän ließ die Tat dem 200 Worte folgen, und seine blutunterlaufenen Augen schwammen in Tränen, als er sich an den Major wandte.

»Ihre Gefühle machen Ihnen Ehre,« sagte der andere. »Aber, Kapitän Costigan, ich kann nicht umhin, über eins zu lächeln, was Sie soeben gesagt haben.«

»Und was wäre das, mein Herr?« fragte Jack, der sich in einer zu heroischen und sentimentalen Höhe befand, um sogleich herunterzusteigen.

»Sie sprachen von unserem glänzenden Hause – dem meiner Schwägerin, meine ich.«

»Ich meine den Park und das Haus vom Esquire Arthur Pendennis, von Fairoaks Park, den ich hoffe, als Parlamentsmitglied für seine Geburtsstadt Clavering zu sehen, wenn er das gesetzliche Alter erreicht hat, um diese verantwortliche Stellung einzunehmen,« rief der Kapitän mit großer Würde.

Der Major lächelte. »Fairoaks Park, mein lieber Herr!« sagte er dann, »Kennen Sie unsere Geschichte? Wir sind sicherlich von uralter Familie, aber ich begann mein Leben mit so wenig Geld, daß ich kaum meine Stelle im Heere bezahlen konnte, und mein ältester Bruder war ein Landapotheker, der jeden Schilling, den er bei seinem Tode besaß, mit Keule und Mörser verdiente.«

»Ich habe mich entschlossen, diesen anstößigen Umstand in Anbetracht der bekannten Respektabilität Ihrer Familie unberücksichtigt zu lassen, mein Herr,« sagte Costigan majestätisch.

»Verfluchte Unverschämtheit das,« dachte der Major, aber er lächelte nur und verbeugte sich. 201

»Die Costigans haben auch Unglück gehabt, und unser Haus Castle Costigan ist durchaus nicht mehr das, was es war. Ich habe schon sehr anständige Leute gekannt, die Apotheker waren, Herr, und da ist einer in Dublin, der die Ehre hatte, an des Lordleutnants Tafel zu speisen.«

»Sie sind sehr freundlich, uns Ihre Teilnahme zu schenken,« fuhr der Major fort, »aber gestatten Sie mir, zu sagen, daß es sich darum nicht handelt. Sie sprachen soeben von meinem jungen Neffen als dem Erben von Fairoaks Park, und ich weiß nicht was noch.«

»Liegendes Kapital, ohne Zweifel, Major, und ein hübsches Sümmchen eventuell von Ihnen.«

»Mein guter Herr, ich sage Ihnen, der Junge ist der Sohn eines Landapothekers,« schrie Major Pendennis, »und daß er, wenn er mündig wird, keinen Schilling zu erwarten hat.«

»Bah, Major, Sie verspotten mich,« sagte Herr Costigan; »mein junger Freund, das steht fest bei mir, ist einmal Erbe von zweitausend Pfund jährlich.«

»Zweitausend Quarke! Ich bitte um Entschuldigung, mein guter Herr; aber hat der Junge Sie denn angeführt? – Das ist sonst nicht seine Gewohnheit. Auf mein Ehrenwort als Gentleman und zugleich Testamentsvollstrecker meines Bruders, er hinterließ wenig mehr als fünfhundert jährlich.«

»Immerhin bei Sparsamkeit eine hübsche Summe Geldes, Herr,« antwortete der Kapitän. »Meiner Treu, ich habe einen Mann gekannt, der seinen 202 Claret trank und vierspännig fuhr bei einem Einkommen von fünfhundert Pfund jährlich und strenger Oekonomie, in Irland, Herr. Wollen schon wirtschaften damit, Herr, verlassen Sie sich da nur auf Jack Costigan.«

»Mein bester Kapitän Costigan – ich gebe Ihnen mein Wort darauf, daß mein Bruder seinem Sohne Arthur nicht einen Schilling hinterlassen hat.«

»Treiben Sie Ihren Scherz mit mir, Major Pendennis?« schrie Jack Costigan. »Spielen Sie mit den Gefühlen eines Vaters und Gentleman?«

»Ich sage Ihnen nur die ehrliche Wahrheit,« sagte Major Pendennis. »Jeden Schilling, den mein Bruder besaß, hinterließ er seiner Witwe, allerdings mit einem teilweisen Vorbehalt für den Knaben. Aber sie ist noch eine junge Frau und kann wieder heiraten, wenn er sie beleidigt – oder sie kann ihn auch überleben, denn sie kommt aus einer ungewöhnlich langlebigen Familie. Und ich frage Sie als Gentleman und Mann von Welt, was kann meine Schwägerin, Frau Pendennis, von den fünfhundert Pfund, die ihr ganzes Vermögen sind, ihrem Sohne aussetzen – um damit sich selbst und Ihre Tochter in der Stellung erhalten zu können, die einer so begabten jungen Dame gebührt?«

»Wollen Sie mir damit zu verstehen geben, mein Herr, daß der junge Gentleman, Ihr Neffe, den ich gehegt und gepflegt habe als meinen Herzenssohn, ein Betrüger ist, der mit den Gefühlen meines geliebten Kindes gespielt hat?« schrie der Kapitän in einem Ausbruche von Wut. »Ueberlegen Sie sich, Herr, wie Sie mit der Ehre John Costigans Ihr Spiel treiben. Wenn ich mir dächte, daß irgendein Sterblicher das 203 tun wollte, beim Himmel, ich müßte sein Blut sehen, Herr – wäre er alt oder jung.«

»Herr Costigan!« schrie der Major.

»Herr Costigan kann seine eigene Ehre und die seiner Tochter schützen und wird es, mein Herr,« sagte der andere. »Sehen Sie dort die Schubkasten, sie enthalten Haufen von Briefen, die diese Viper an das unschuldige Kind gerichtet hat. Darunter sind Versprechungen genug, mein Herr, um eine Hutschachtel damit anzufüllen; und wenn ich den Schurken vor dem Gesetz zur Rechenschaft gezogen und seinen Meineid und seine Ehrlosigkeit aufgedeckt habe, so habe ich dort in dem Mahagonikästchen noch ein anderes Mittel, Herr, das mir gegen jedes Individuum zum Recht verhilft. Merken Sie wohl auf mein Wort, Major Pendennis, gegen jeden, der Ihrem Neffen geraten hat, einen Offizier und Edelmann zu beschimpfen. Was? Meine Tochter verschmäht und meine grauen Haare entehrt durch den Sohn eines Pillendrehers! Bei den göttlichen zehn Geboten, Herr, ich möchte den Mann sehen, der das täte.«

»Sie geben mir also zu verstehen, daß Sie erst mit der Veröffentlichung von Briefen drohen, die ein Knabe von achtzehn Jahren an ein Frauenzimmer von achtundzwanzig geschrieben hat, und nachher mir die Ehre erweisen wollen, mich herauszufordern?« sagte der Major immer noch vollkommen kaltblütig.

»Sie haben meine Absichten vollkommen genau geschildert, Major Pendennis,« antwortete der Kapitän und zog sich seinen struppigen Backenbart unter dem Kinn hervor.

»Gut, gut, darüber werden wir später sprechen, 204 aber bevor wir zu Pulver und Kugel kommen, mein guter Herr, haben Sie doch die Freundlichkeit, bei sich selbst darüber nachzudenken, wie in aller Welt ich Sie beleidigt habe? Ich habe Ihnen gesagt, daß mein Neffe von seiner Mutter abhängt, die kaum mehr als fünfhundert Pfund jährlich hat.«

»Ich habe meine eigene Meinung über die Richtigkeit dieser Behauptung,« sagte der Kapitän.

»Wollen Sie vielleicht zu dem Advokaten meiner Schwägerin, dem Herrn Tatham hier, gehen und sich von der Sache überzeugen?«

»Ich muß es ablehnen, mit diesem Herrn zusammenzukommen,« sagte der Kapitän mit ziemlich verstörter Miene. »Wenn es so ist, wie Sie sagen, so bin ich durch jemand schrecklich getäuscht worden, und an dieser Person will ich mich rächen.«

»Ist es mein Neffe?« schrie der Major aufspringend und seinen Hut aufsetzend. »Sagte er Ihnen jemals, daß sein Jahreseinkommen zweitausend Pfund wären? Wenn er es tat, so habe ich mich in dem Knaben getäuscht. Lügen zu reden war keine Sitte in unserer Familie, Herr Costigan, und ich glaube nicht, daß der Sohn meines Bruders es bis jetzt gelernt hat. Versuchen Sie es und denken Sie darüber nach, ob Sie sich nicht allein getäuscht oder vom Hörensagen überschwengliche Berichte aufgenommen haben. Was mich betrifft, Herr, so gebe ich Ihnen die Freiheit, es aufzufassen, wie Sie wollen, daß ich mich vor allen Costigans in Irland nicht fürchte und recht wohl weiß, wie ich mich gegen jede Drohung, komme sie woher sie wolle, verteidigen muß. Ich komme hierher, um als 205 Vormund des jungen Menschen gegen eine Heirat zu protestieren, die höchst abgeschmackt und ungleich ist und nur Armut und Elend im Gefolge haben kann, und indem ich dieselbe hindere, bin ich meinen Begriffen nach ganz ebenso sehr der Freund Ihrer Tochter (die ohne Zweifel eine ehrenwerte junge Dame ist), wie der Freund meiner eigenen Familie, und ich werde diese Heirat, Herr, durch jedes Mittel verhindern, das in meiner Macht steht. Und nun habe ich Ihnen gesagt, was ich zu sagen habe, mein Herr.«

»Aber ich, ich habe es noch nicht getan, Major Pendennis, und Sie sollen von mir hören,« sagte Herr Costigan mit einem Blicke furchtbaren Ernstes.

»Gottes Tod, was meinen Sie damit?« fragte der Major, indem er sich auf der Türschwelle umdrehte und dem unerschrockenen Costigan ins Gesicht sah.

»Sie sagten, im Laufe der Unterhaltung, daß Sie im Hotel zum »Georg« wohnten, nicht wahr?« sagte Herr Costigan in feierlicher Weise. »Ein Freund von mir wird Ihnen dort seine Aufwartung machen, ehe Sie die Stadt verlassen, mein Herr.«

»Er mag sich beeilen, Herr Costigan,« schrie der Major, schier außer sich vor Wut. »Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen, Herr.« Und Kapitän Costigan machte Major Pendennis über das Treppengeländer, als dieser die Stufen hinunterstieg, eine prächtige höhnische Verbeugung. 206



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