William M. Thackeray
Die Geschichte von Pendennis, Band 1
William M. Thackeray

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Vorrede

Wenn es dieser Art von Komposition, deren zweijähriges Produkt nun dem Publikum vorgeführt wird, an Kunst mangelt, wie es beständig der Fall ist und sein muß, so hat sie wenigstens den Vorteil einer gewissen Wahrheit und Ehrlichkeit, der einem auserleseneren Werk ermangeln könnte. In seiner beständigen Verbindung mit dem Leser ist der Verfasser zu Offenheit der Ausdrucksweise gezwungen und muß seine eignen Ansichten und Gefühle so von sich geben, wie sie in ihm lebendig sind. Manch einen Schwubber der Feder und des Druckers, manch ein hastig gesprochenes Wort sieht er und möchte es widerrufen, wenn er seinen Band wieder liest. Es ist eine Art vertraulicher Unterhaltung zwischen Verfasser und Leser, die oft einfältig und oft langweilig sein muß. In seiner fortlaufenden Lebendigkeit muß der beständige Sprecher notwendig seine eignen Schwächen, Eitelkeiten und Absonderlichkeiten zur Schau stellen, und da wir eines Menschen Charakter, nachdem wir lange mit ihm verkehrt haben, nicht nach einer einzigen Rede, oder nach einer einzigen Stimmung oder Ansicht, oder nach der Unterhaltung eines einzigen Tages, sondern nach dem Ton seines allgemeinen Benehmens und Redens beurteilen, so fragen wir auch von einem Schriftsteller, der sich uns notwendigerweise rückhaltslos überliefert: Ist er ehrlich? Sagt 2 er in der Hauptsache die Wahrheit? Scheint er von dem Wunsche beseelt, sie herauszufinden und herauszusagen? Ist er ein Quacksalber, der Gefühl lügt oder Marktschreier, der nach Effekt hascht? Sucht er Polarität durch Knalleffekte oder andre Künste?

Ich kann das Glück ebensowenig kennen, wie jeden andern Zufall, der mich trifft. Ich habe viele tausend Leser mehr gefunden, als ich je erwartet habe. Ich habe kein Recht, zu diesen zu sagen: Ihr dürft keine Fehler in meiner Kunst finden, dürft nicht über meinen Seiten einschlafen! aber ich fordere Euch auf, zu glauben, daß der Schreiber hier danach strebt, die Wahrheit zu sagen. Wenn die nicht da ist, ist nichts da.

Vielleicht liegt den Liebhabern von »Aufregungen« daran, zu erfahren, daß dieses Buch mit einem ganz genauen Plan begann, der dann ganz und gar beiseite gelegt wurde. Meine Damen und Herren, Sie sollten zu des Verfassers und Verlegers Gewinn mit der Erzählung der größten Scheußlichkeiten bedacht werden. Was ist aufregender als ein Schurke (mit vielen bewunderungswürdigen Tugenden) in St. Giles, der beständig von einer jungen Dame aus Belgravia besucht wird? Was ist anreizender, als Gesellschaftsgegensätze? als die Mischung von Gassenmundart und Modesprache? als Fluchten, Kämpfe, Morde? Ja, bis heute morgen neun Uhr war mein armer Freund, der Oberst Altamont, zur Hinrichtung verurteilt, und der Autor ließ sich erst erweichen, als sein Opfer tatsächlich schon unter dem Galgen stand. Der ›aufregende‹ Plan wurde beiseite gelegt (mit sehr ehrenhaftem Entsagen von Seiten der Verleger), weil ich, als ich mich darin versuchte, herausfand, 3 daß mir zu solchem Unterfangen die Erfahrung fehlte. Da ich nie in meinem Leben mit irgendeinem Sträfling intim gewesen bin, und da mir die Sitten von Schuften und Zuchthäuslern ganz unbekannt sind, so ließ ich die Idee fahren, mit Monsieur Eugène Sue in Wettbewerb zu treten. Um einen wirklichen Schurken zu beschreiben, muß man ihn so schrecklich machen, daß er zum Zeigen zu scheußlich wäre, und wenn ihn der Maler nicht schön malt, so meine ich, hat er kein Recht, ihn überhaupt zu zeigen.

Sogar die Herren unsrer Zeit – dies ist ein Versuch, einen von ihnen zu beschreiben, die nicht besser oder schlechter als die meisten gebildeten Leute sind – selbst diese können wir nicht zeigen, wie sie sind, mit ihren notorischen Schwächen und dem Egoismus ihrer Lebensführung und Erziehung. Seit der Verfasser von Tom Jones starb, hat noch kein Romanschriftsteller unter uns in höchster Vollendung wie er einen Menschen schildern können. Wir müssen ihn drapieren und ihm ein gewisses konventionelles Lächeln geben. Die Gesellschaft will das Natürliche in unsrer Kunst nicht dulden. Viele Damen haben protestiert und ich verlor Subskribenten, weil ich im Laufe der Geschichte einen jungen Mann beschrieb, der der Versuchung widerstand und sie doch liebte. Von meinem Objekt ist zu sagen, daß er die Leidenschaften fühlen, aber männlich und edel überwinden konnte. Ihr wollt nicht hören – und es ist doch das beste, es zu wissen – was sich in der wirklichen Welt zuträgt, was in der Gesellschaft vorgeht, in den Klubs, auf den Universitäten, an den Offizierstischen – wie das Leben und Reden eurer Söhne ist. Eine über die allgemein übliche 4 etwas hinausgehende Offenheit ist in dieser Geschichte versucht worden, hoffentlich in keiner bösen Absicht von des Verfassers Seite und ohne schlechte Folgen für den Leser. Wenn die Wahrheit auch nicht immer angenehm ist, so ist sie doch auf alle Fälle das Beste, einerlei, von welchem Sitz aus sie auch gepredigt wird – ob von den Lehrstühlen ernster Schriftsteller oder Denker, oder ob von dem Sessel, worin der Erzähler dieser Geschichte sitzt, wenn er mit seiner Arbeit fertig ist und seinem freundlichen Leser Lebewohl sagt.

Kensington, den 26. November 1850.



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