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(1809)
In einer stürmischen Winternacht des Kriegs Jahres 1809, am 20. Dezember, fanden Passanten der Piaristengasse am Gehsteige, mitten im Schnee, einen bis aufs Hemd entkleideten Mann. Sie traten hinzu, da sie ihn für einen Betrunkenen hielten, der sich seines Gewandes entledigt habe, gewahrten aber zu ihrem Entsetzen, daß der Körper steif und kalt sei. Der über und über mit Blut besudelte Kopf des Toten sagte ihnen, daß es sich um ein Verbrechen handle. Nun liefen sie was sie konnten, um einen Wachsoldaten oder Polizeidiener (wie die damaligen Sicherheiter hießen) …
Es war schon früher Morgen, als an dem Tore des städtischen Kriminalgerichtes auf dem Hohen Markte heftig geschellt wurde. Der aus dem Schlafe gerüttelte Magistratsdiener stand einer polizeilichen Estafette der k. k. Polizeibezirksdirektion Wieden gegenüber, welche ein wichtiges Dienststück überbrachte. »Ein Mord ist geschehen«, raunte der Polizist dem Türhüter geheimnisvoll zu, der den Akt sofort entgegennahm und dem diensthabenden Beamten Albrecht einhändigte. Die Meldung sagte: »… daß in der Piaristengasse an der Mauer beym Tempel eine Mannsperson erschlagen und der Kleydung beraubt worden seye …« Herr Albrecht erstattete dem Magistratspräsidium Bericht und erhielt den Auftrag, sich gemeinsam mit dem städtischen Gerichtskommissär Seißer unverzüglich »an diessen Ort zu begeben um den Tathbestand zu erheben und denen Thätern auf die Spur zu kommen«.
Die aus den genannten beiden Magistratspersonen bestehende Gerichtskommission fand den Leichnam aber nicht mehr in der Piaristengasse vor. Gemütlich, wie man damals in Wien war, hatte man den Körper schon weggeschafft. Mit Mühe und nach vielem Umfragen erfuhren die Herren Albrecht und Seißer, daß der Tote zum Grundgericht nach – Matzleinsdorf getragen worden sei. Zwischen der Piaristengasse und dem Grundgericht von Matzleinsdorf lag bei den Verkehrs- und lokalen Verhältnissen des Jahres 1809 eine ganze Reise. Die »Kommission« machte sich dessenungeachtet gleich auf den Weg und langte endlich bei dem zu beschauenden Körper ein. Ein Polizeidiener erteilte ihnen die angenehme Auskunft, daß der Tote bereits agnosziert sei. Er sei mit dem »Greißler Matthias Kandl vom Hungelgrund Nr. 9, zum Salzküffel«, identisch. Die bedauernswerte Gattin des Erschlagenen habe denselben, ebenso wie andere Zeugen, mit vollkommener Sicherheit erkannt und sei über das Geschehene untröstlich. Allem Anscheine nach liege ein Straßenraub vor, denn Matthias Kandl sei einige Stunden, bevor man ihn fand, Schmalz einkaufen gegangen und habe 150 Gulden in Bankozetteln sowie eine Uhr und gute Kleidungsstücke mitgenommen. (Derartige Überfälle auf Fußgänger waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Wien durchaus nichts Seltenes, da unsere Vaterstadt damals infolge immerwährender Kriege von Truppen entblößt war und man über die großen politischen Sorgen der kleinen Bedürfnisse, zu denen auch der Schutz der Person und des Eigentums gehörte, vergaß.) Man berief einen Wundarzt, welcher an dem Körper nicht weniger als zehn »teils tödliche, teils mindere Wunden« feststellte.
Während die Polizei nach den Tätern bei Wirten und in den Herbergen der Umgebung fahndete, vernahm man auf dem Hohen Markte die »Greißlerin vom Hungelgrund«, Theresia Kandl, die mit großer Ruhe und Gelassenheit den Schmerz schilderte, der ihr von ruchloser Hand bereitet worden sei. Auch die Polizei stellte ihr einen glänzenden Leumund aus, nannte sie ein braves, friedfertiges Weib und berichtete, daß das Ehepaar im besten Einvernehmen gelebt habe.
Die Kunde von der Mordtat verbreitete sich mit Blitzesschnelle durch die Stadt und drang selbst in die entferntesten Teile derselben. So hörte auch der in Heiligenstadt etablierte Bäckermeister Josef Werner davon sprechen und hatte nichts Eiligeres zu tun, als sich sofort in die Stadt zu begeben. Er ließ sich zu dem Referenten Seißer führen und fragte ihn in Gegenwart der jungen Witwe, ob man den Mörder schon kenne. Als dies mit Bedauern verneint wurde, verlangte der Bäckermeister mit dem Gerichtskommissär unter vier Augen zu sprechen. Frau Kandl wurde aufgefordert, draußen zu warten, worauf Josef Werner erklärte: »Herr Richter, wenn Sie nicht wissen, wer den Kandl umgebracht hat, dann will ich es Ihnen sagen: Niemand anderer als die Kandlin selbst, die hier ein so heiliges Gesicht macht.« Kommissär Seißer fuhr betroffen vom Stuhle auf und machte dem Bäckermeister Vorwürfe, daß er einen derartigen schrecklichen Verdacht so leichtfertig ausspreche. Werner ließ sich indessen nicht einschüchtern. »Herr von Seißer,« rief er aus, indem er dem in Wien sehr gut bekannten Gerichtsbeamten fest in die Augen blickte, »ich weiß, was ich spreche. Die Kandlin ist eine schlechte Person. Sie hat schon im Jahre 1807 mit einem Fleischhauerssohne ein Verhältnis gehabt, von dem ihr Mann gar nichts wußte. Ich bin überzeugt, daß sie's noch immer mit dem Fleischhauer hält, und was mich in meinem Verdacht am meisten bestärkt, ist etwas, was ich jetzt gerade zufällig auf dem Gang gehört hab', nämlich, daß sie die Tabakspfeifen ihres Mannes gleich nach der Ermordung ihrem Bruder geschenkt hat. So was tut keine Person, der es wirklich schwer ums Herz ist.«
»Und das ist alles?« fragte Seißer verwundert.
»Sie werden schon noch mehr finden, wenn Sie sich Mühe geben,« replizierte der Bäckermeister aus Heiligenstadt ein wenig gereizt, »ich bin ja nur ein einfacher Bürger, ich kann Ihnen nur das eine sagen, und das wiederhole ich aus vollster Überzeugung: Die Kandlin ist eine bedenkliche Person.«
Unmutig empfahl sich der Gerichtskommissär von Josef Werner und rief die Greißlerin wieder in sein Zimmer. Er fragte sie mehr aus formellen Gründen, ob sie vor der Ehe ein Verhältnis mit einem Fleischhauerssohn unterhalten habe. Da ging eine ganz unerwartete Veränderung in dem Wesen der Frau vor. Aus der sanften, tugendsamen Person wurde plötzlich ein unheimliches, megärenhaftes Weib, dessen Augen nicht mehr de- und wehmütig dreinblickten, sondern giftige Pfeile auf ihr Gegenüber schossen, so daß der Untersuchungsrichter geradezu erschrak. Theresia Kandl bestritt energisch, je eine andere Liebschaft gehabt zu haben, als die mit ihrem verstorbenen Gatten, aber man sah es ihr an, daß sie etwas zu verbergen hatte. Seißer drang daher in sie, ihm die volle Wahrheit zu gestehen, denn dies sei in Anbetracht des entsetzlichen, ungeklärten Verbrechens unumgänglich notwendig. Wie leicht könnte nicht ein Verdacht auch gegen sie ausgesprochen werden!? Kaum hatte der Gerichtskommissär diese Äußerung getan, als die Kandlin aufsprang und so frech wurde, daß er einen Diener hereinrief und die Zeugin für verhaftet erklärte.
Als die Frau abgeführt war, durchmaß Seißer das Zimmer mit großen Schritten. Die Worte des Bäckermeisters fuhren ihm durch den Kopf. Er legte ihnen mit einem Male großen Wert bei. Nach kurzem Besinnen ließ er Herrn Albrecht holen und machte demselben zu wissen, daß er eine Hausdurchsuchung auf dem Hungelgrunde vornehmen wolle.
Bald darauf verließen die beiden Herren das Gerichtsgebäude und begaben sich zunächst auf die Polizeibezirksdirektion Wieden, wo sie um Assistenz ersuchten. Der Polizeikommissär meinte lächelnd, daß die Mühe wohl umsonst sei. Wäre etwas Verdächtiges in der Wohnung des Ehepaares Kandl gewesen, so hätte es wohl den vielen Polizeidienern und Gerichtspersonen, die inzwischen, teils aus Neugierde, teils, um die plötzlich zur Witwe gewordene Greißlerin zu sehen und zu befragen, auffallen müssen. Die Gerichtsfunktionäre blieben trotzdem bei ihrem Entschlüsse, und bald darauf betraten sie unter großem Aufsehen die Wohnung des Ehepaares Kandl.
Ihr erster Blick galt dem Bette des Getöteten. Hier brauchten sie nicht lange nach Beweismitteln zu suchen: An der Wand zeigten sich nämlich deutliche Blutspritzer, von denen die meisten verwaschen waren. Es handelte sich also um Spuren, die zu verwischen jemand ein lebhaftes Interesse hatte. Man untersuchte hierauf das Bett selbst und stieß alsbald auf die – Kleider des Greißlers, von denen man bisher angenommen hatte, daß sie von den Straßenräubern fortgetragen worden seien. Nun konnte es keinen Zweifel mehr geben, daß Matthias Kandl nicht auf der Straße, sondern in seiner Wohnung, ja in seinem eigenen Bette, ermordet worden sei. Der Täter hatte sodann den Leichnam fortgeschafft und sich desselben in einem entlegenen Teile der Stadt, in der Piaristengasse, entledigt. Daß Frau Kandl der Bluttat nicht ferne stehen könne, war natürlich ebenso sicher.
Die Herren vom Gerichte begaben sich nach diesen wichtigen Entdeckungen wieder in das Amtsgebäude zurück und ließen die »Kandlin« vorführen. Sie teilten ihr mit, welche Schuldbeweise gegen sie vorlägen, worauf die junge Frau einen Augenblick zitterte und keines Wortes mächtig war. Schon hatte sie sich aber wieder zusammengerafft und stellte jedes Verschulden in Abrede. Der Gerichtskommissär unterbrach sie. Vor ihm lag das Resultat der über sie gepflogenen Erhebungen. Es hieß dort, daß Theresia Kandl, geborene Teppich, 23 Jahre alt, aus Atzgersdorf bei Wien, tatsächlich als ganz junges Mädchen ein uneheliches Kind zur Welt gebracht hatte, welches nach dreizehn Tagen gestorben war, und dessen Vater man nicht kannte. Am 30. Oktober 1808 war sie dann in Hietzing mit dem Greißler Matthias Kandl zum Altar getreten. Wer der Geliebte gewesen sei, herrschte sie Seißer an, wenn sie nicht wolle, daß man ihre Schande öffentlich verkünde. Da gestand sie, in die Enge getrieben, ein, daß der Liebhaber Michael Pellmann heiße und der Sohn eines Fleischhauers in Mauer sei. Er wäre es auch gewesen, der ihren Mann mit ihrem Wissen umgebracht habe. Auf die Frage, wo sich der Täter aufhalte, antwortete die Inquisitin, daß sie dies nicht wisse, denn er diene gegenwärtig beim Militär und wohne in irgendeiner der Wiener Kasernen.
Das städtische Gericht sandte unverweilt Boten in alle Kasernen, nirgends wußte man jedoch über Pellmann Bescheid. Endlich in der letzten fand man den Namen in den Standeslisten. Der Mann selbst war bereits zu seinen Eltern entlassen. Gerichtskommissär Seißer erhielt nunmehr den Auftrag, nach Mauer zu fahren und Pellmann dort zu verhaften. Dies geschah noch am 21. Dezember. In Mauer rief das Erscheinen der Wiener Kriminalbeamten das größte Aufsehen hervor. Der alte Pellmann war einer der angesehensten Bürger des Ortes und auch über seinen Sohn Michael wußte man nur das Beste zu berichten. Michael war gerade nicht daheim, als die Amtspersonen in seinen Effekten wühlten. Er erfuhr ihre Ankunft aber und eilte geradewegs in das Elternhaus, um sich zur Verfügung zu stellen. Zunächst ahnte er gar nicht, daß seine Täterschaft erwogen werde. Er hörte erst jetzt, daß Kandl ermordet worden sei. Als man ihm vorhielt, welch entsetzlichen Verbrechens ihn Theresia bezichtige, schäumte er auf vor Zorn. Es sei zwar richtig, daß er vor und nach ihrer Verheiratung mit ihr sträflichen Umgang gepflogen, doch wäre er eines Mordes unfähig, und sei seine Liebe zur Kandlin keineswegs so heiß, daß er ihrethalben einen Menschen erschlagen würde.
All sein Leugnen hätte ihm freilich nichts genützt, wenn es ihm nicht gelungen wäre, ein unanfechtbares Alibi nachzuweisen. Die Gerichtspersonen stellten fest, daß Michael Pellmann schon seit mehreren Tagen seinen Heimatsort nicht verlassen habe. Dies mußte ihm daher die Freigabe erwirken.
Die Kommission kehrte nach Wien zurück und teilte der Mörderin das Ergebnis der gegen ihren Geliebten geführten Amtshandlung mit. Gleichwohl blieb sie bei ihren Angaben.
Am nächsten Tage gestand sie indessen, durch lange Verhöre erschöpft, die alleinige Täterschaft zu.
Unter Tränen beichtete sie, daß ihre Ehe mit Matthias Kandl unglücklich gewesen sei. Anfangs habe sie zwar in Eintracht mit ihm gelebt, bald aber hätte es immerwährend Streit gegeben. Der Gatte habe sie roh behandelt, und dies vermochte sie umsoweniger zu ertragen, als sie noch immer den jungen Pellmann liebte. Auf solche Weise häufte sich in ihr ein unüberwindlicher Haß gegen den Gatten an. Am 19. Dezember faßte sie den Entschluß, denselben zu ermorden. Sie führte den gräßlichen Vorsatz noch an diesem Tage zwischen sieben und acht Uhr abends aus. Kandl hatte sie vor seinem Entfernen wieder mit Schlägen bedroht. Als er müde und schläfrig vom Einkaufe heimgekehrt war und sich zu Bette gelegt hatte, schlich sie leise an sein Bett und ließ eine Hacke oftmals mit Wucht auf den Kopf des Schlafenden niedersausen …
Es war geschehen und sie fühlte sich von einer furchtbaren Last befreit, doch galt es, den Leichnam aus dem Hause zu schaffen. Niemand stand ihr mit Rat und Hilfe zur Seite. Am klügsten schien es ihr, wenn sie den Toten in einer der vielen im Geschäfte befindlichen Butten hinaustrüge. Aber wohin? Auch mutete sie sich nicht die genügende Körperkraft zu. Der Versuch mußte jedenfalls gemacht werden. Sie schleppte eine Obstbutte herbei und machte Anstrengungen, den schweren Mann hineinzuzwängen. Es gelang ihr wegen seiner Kleider nicht. Matthias Kandl hatte sich, wie er war, aufs Bett geworfen, um ein wenig auszuruhen. Zeit war keine zu verlieren, so entschloß sie sich, den Toten auszuziehen und bloß im Hemde in das Gefäß zu stecken. Mit unsäglicher Selbstüberwindung brachte sie dieses weit schaudervollere Werk zuwege. Dann hob sie die Butte auf. Vor Aufregung sank sie jedoch wiederholt nieder. Die Verzweiflung und Angst gaben ihr schließlich die Kraft, daß sie ihre Bürde aus dem Hause schaffen konnte …
Und nun ging sie die kreuz und die quere, sie wußte nicht wohin, sie hatte kein Ziel, sondern bloß den einzigen Gedanken, sich des Leichnams zu entledigen. So kam sie in die Josefstadt. Dort drohten ihre Füße zu versagen. Sie lehnte sich an eine Mauer. Ein Polizeidiener fragte sie, ob ihr übel sei und wohin sie ihre schwere Last trage. Sie bebte an allen Gliedern. Wenn sie hier zusammenbräche!? Wenn man den Inhalt der Butte entdeckte? Sie sammelte ihre letzten Kräfte und ging weiter. In der Piaristengasse konnte sie nicht mehr. Wieder lehnte sie sich an ein Haus und hielt Umschau. Hier wollte und mußte sie den Toten absetzen. Sie blickte ängstlich nach links und nach rechts und auf die Fenster der Häuser, bis sie ein Taumel der Verzweiflung erfaßte. Rasch ließ sie die Butte herabgleiten, stülpte sie um – und rannte mit dem leeren Gefäß, was sie die Beine tragen konnten gegen Matzleinsdorf. Schweißtriefend langte sie zu Hause an: Nun erst war sie Witwe geworden …
Erschöpft beendete die Frau ihr Geständnis. Die Herren vom Gerichte waren von der lebendigen Schilderung ergriffen. Ob dieselbe aber auch richtig war? Bei der Lügenhaftigkeit des Weibes mußte man in Erwägung ziehen, daß eine derartige Kraftleistung nicht recht glaubhaft schien. Allein Theresia Kandl gab über die geäußerten Zweifel genau an, wo das Mordinstrument, die Hacke, und wo die Butte versteckt seien. Dort fand man die Gegenstände auch tatsächlich. Damit war der Schuldbeweis vollständig erbracht. Man konstatierte auch, daß wirklich einige liebe Nachbarn, wie die Mörderin es angegeben hatte, ihr fortwährend damit in den Ohren lagen, wie sie, eine so schöne Frau, es denn nur über sich gebracht hätte, einen so ungebildeten, groben Mann zu heiraten. Solche unbesonnene Reden trugen natürlich sehr dazu bei, die finsteren Pläne des Weibes zur Reife zu bringen.
Die Untersuchung währte bis Mitte Februar. Dann erfloß nachstehendes Urteil: »Die Theresia Kandl soll wegen Meuchelmordes nach Vorschrift des § 119 des Gesetzes über Verbrechen mit dem Tode bestraft, und diese Strafe gemäß des § 10 ebendaselbst an ihr mit dem Strange vollzogen werden.« Dieses Urteil mußte dem Appellationsgerichte vorgelegt werden, welches am 3. März die Bestätigung erteilte.
Am 13. März 1809 wurde der Mörderin das Todesurteil »deutlich vorgehalten und öffentlich kund gemacht«. Damit war die schimpfliche Ausstellung auf dem Pranger verbunden. Eine unabsehbare Menschenmenge umgab das Schandgerüste, auf welchem Theresia Kandl die unzähligen Flüche und Spottreden hören mußte, die ihr die erbitterten Leute hinauf sandten. Der Strafakt beschreibt die Verurteilte folgendermaßen: »Selbige ist von ziemlich großer, schlanker Leibesstatur, hat langlichtes, sauberes Gesicht, gespitzte Nase, blaue Augen und blonde, rückwärts in einen Chignon geschlungene Haare, trägt am Leibe ein blaulicht mit weißen Tupfen versehenes Korsett, einen rot, mit weißen Tupfen versehenen kotonenen Rock, ein leinenes, geblümtes Tüchel und ein blau-mußlinenes Tüchel um den Hals, weiße Strümpfe und schwarze, lederne Schuhe.«
Nach der Ausstellung auf dem Pranger wurden die zum Tode Verurteilten, so auch Theresia Kandl, in die Arme-Sünderzelle gebracht, wo sie, drei und oft mehr Tage, die Justifizierung vor Augen, in Gemeinschaft eines Geistlichen ausharren mußten.
Die Hinrichtung wurde für den 16. März angesetzt. Da man mit dem Zusammenströmen großer Menschenmassen rechnete, wurden nicht weniger als 332 Mann Kavallerie und 32 Mann Infanterie zur Aufrechterhaltung der Ordnung aufgeboten. Um 8 Uhr früh fuhr der »Malefiz-Wagen« auf dem Hohen Markte vor, den die schöne Verurteilte schreckensbleich bestieg, um die lange Leidensfahrt zur Justifizierungsstätte, der »Spinnerin am Kreuz«, anzutreten. Um 10 Uhr langte man daselbst an. Die kaiserlichen Polizeikommissäre Hofbauer und Fröhlich sorgten für die Sicherheit des »Freymannes«. Bald hatte Theresia Kandl ihr Leben ausgehaucht. Um 6 Uhr abends wurde der Leichnam abgenommen und vorschriftsmäßig auf der für Selbstmörder bestimmten Stelle sang- und klanglos verscharrt.
Später wurde er heimlich ausgegraben und einem Arzte verkauft. Von diesem vererbte sich das Skelett bis auf den heutigen Tag weiter.