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Zweites Buch.
Hutten im Kampfe gegen Rom.


Jacta est alea.
Ich hab's gewagt!

Erstes Kapitel.
Hutten in unabhängiger wissenschaftlicher Muße. Seine Aussichten und Absichten.

1519. 1520.

Wenige Wochen nach Hutten's Wiederankunft zu Mainz war auf dem politischen Felde eine wichtige Entscheidung gefallen. Der junge Karl von Oesterreich, vom Vater her Erbe von Burgund, durch die Mutter König von Spanien und Neapel, war am 28. Juni 1519 zu Frankfurt von den versammelten Kurfürsten an die Stelle seines Großvaters Maximilian zum König der Deutschen gewählt worden. Längere Zeit hatten die Fürsten zwischen ihm und König Franz von Frankreich geschwankt: zuletzt aber war seine Wahl unter Umständen erfolgt, die gerade für Hutten und dessen Bestrebungen viel Ermuthigendes hatten. Sein Herr, der Kurfürst Albrecht von Mainz, und sein ritterlicher Freund, Franz von Sickingen, waren unter den thätigsten Beförderern von Karl's Wahl gewesen: während Papst Leo X. und seine Legaten Alles gethan hatten, derselben entgegenzuwirken und dem französichen König die deutsche Krone zu verschaffen. So gegen den Papst von vorne herein verstimmt, den Gönnern Hutten's, deren einen dieser immer mehr für seine Ansichten und Bestrebungen zu gewinnen wußte, verpflichtet, konnte, so schien es, der junge, neunzehnjährige Herrscher leicht in eine Richtung gelenkt werden, welche den Planen unsres Ritters günstig war. Von einer andern Seite her versprach man sich von Karl's jüngerem Bruder, dem Erzherzog Ferdinand, der so eben aus Spanien in den Niederlanden angekommen war, viel Gutes. Er galt für einen Gönner der humanistischen Richtung, zeigte insbesondere für Erasmus lebhafte Verehrung, und man hoffte in ihm einen mächtigen Bundesgenossen gegen die alte Barbarei. Hutten an Erasmus, 5. Juni 1519, Schriften I, S. 275.

Unter solchen Umständen konnte Hutten unmöglich bei literarischen Scherzen stehen bleiben: er mußte lauter und ernster als je seine Stimme gegen die Wurzel aller Uebel, die römische Fremdherrschaft in Deutschland, erheben, um wo möglich dem neuen Herrscher die Augen zu öffnen und ihn für seine Absichten zu gewinnen.

Hutten arbeitete damals an verschiedenen Schriften, unter andern auch schon am Vadiscus oder der römischen Dreifaltigkeit Hutten an Eoban Hesse u. P. Eberbach, 3. August 1519. Schriften I, S. 302.; doch die erste, mit der er fertig wurde, scheint der Dialog Fortuna gewesen zu sein Die Dedication der Fortuna an den neuen Bischof Konrad von Würzburg ist vom 1. Januar, die des Vadiscus an Sebastian von Rotenhan vom 13. Februar 1520. Auch steht die erstere in der im April d. J. erschienenen Sammlung der Hutten'schen Gespräche voran. Diese hat den Titel: Hulderichi Hutteni eq. Germ. Dialogi. Weiterhin die Inhaltsanzeige: Fortuna. Febris I. u. II. Trias Romana. Inspicientes. Hinten: Moguntiae ex officina libraria Jo. Scheffer, mense Aprili anno 1520. Schriften IV, die Fortuna S. 75-100. In meiner Uebersetzung von Hutten's Gesprächen S. 12-49. Die Zueignung, Schriften I, S. 320., der sich auch an seine am Schlusse des vorigen Buchs dargelegten Lebens- und Heirathsplane unmittelbar anschließt. Unter Hutten's Gesprächen ist, was die Anlage und Arbeit betrifft, die Fortuna das anmuthigste. Und wenn sie an reformatorischem Ideengehalte minder schwer wiegt als der Vadiscus oder einige spätere Hutten'sche Dialoge, so ist sie dafür zur Kenntniß von Hutten's Persönlichkeit vom höchsten Belange. Was sein welthistorisches Pathos war, wissen wir aus einer Reihe von Werken seines Geistes zur Genüge: was er dagegen für sich, als Privatcharakter sonst noch gewesen ist, das Ganze eines lebensvollen, liebenswürdigen, ächt menschlichen Naturells, hat er nirgends so wie in dem Gespräch Fortuna dargelegt. Es stellt gleichsam ein Parlamentiren der Vernunft mit den Wünschen dar; wobei die letzteren, wie dem Schiller'schen Wallenstein zufolge die Weiber, nach stundenlangem Vernunftsprechen immer wieder auf ihr erstes Wort zurückkommen.

Aus seinem Sendschreiben an Pirckheimer erinnern wir uns der Aeußerung Hutten's, daß er bei seinen Lebensplanen gewissermaßen auch auf das Glück rechne. Ja es findet sich eine Stelle in diesem Briefe, die uns schon ganz in die Scenerie unseres Gesprächs versetzt. »Es gibt Dinge«, schreibt dort Hutten, »die ohne das Glück auch für die Tugend nicht zu erreichen sind, und da wünsch' ich jenes Rad gedreht, da schau' ich auf jene blinde Göttin hin, die tolle Herrscherin, aller Bewegung, alles Wechsels Königin … da glaub' ich Zufälle nöthig zu haben, da eines glücklichen Radschwungs zu bedürfen, um auszukommen, um vorwärts zu kommen.« S. das Sendschreiben an Pirckheimer, I, S. 208, §. 77.

Im Gespräche nun tritt Hutten die Glücksgöttin persönlich mit dem Gesuche an, ihm von ihrem Ueberflusse so viel zukommen zu lassen, als zum Unterhalt eines stillen wissenschaftlichen Lebens erforderlich sei. Zum Lebensunterhalt im strengen Sinne würde sein Einkommen aus den väterlichen Besitzungen vielleicht hinreichen: aber um mit Anstand und Würde zu leben, bedürfe er noch eines Zuschusses von Seiten des Glücks. Befragt, wie viel er denn haben wolle?, meint Hutten, wenn er eine Frau bekomme, so wünschte er dort (in ihrer Heimath; es ist ohne Zweifel Frankfurt gemeint) ein Haus zu kaufen, daneben Gärten, auswärts Landgüter mit Fischteichen, ferner Hunde zum Jagen, Pferde nur wenige, um bisweilen ausreiten zu können; dann zur ländlichen Wirthschaft brauche er Diener, Hüter, Vieh; im Hause Tische, Betten, Polster, Sänften, Galerien, eine Bibliothek, Speisezimmer, Badestuben; für die Frau Kleider und Schmuck: alles zwar nicht zum Prunk und im Ueberfluß, aber doch anständig und würdig; überdieß müsse man noch etwas für die Kinder zurücklegen können. Um dieses sich anzuschaffen und im Stande zu halten, glaubt Hutten ein jährliches Einkommen von 1000 Goldgulden nöthig zu haben. Fortuna zweifelt, ob er hiemit so weit reichen würde; jedenfalls seien da die Fugger weit bedürftiger, denn die behaupten, sie brauchen 200 000 Fl. jährlich, um ihre Handelsmonopole aufrecht zu erhalten: ihnen müßte also Fortuna zuerst helfen, und Hutten sich so lange gedulden. Vergeblich setzt dieser auseinander, wie die Bedürftigkeit nicht subjectiv nach der Einbildung der Menschen, sondern objectiv zu messen sei: Fortuna sieht auf Bedürftigkeit, Würdigkeit u. dgl. überhaupt nicht, da sie ja blind ist, von Jupiter geblendet, weil sie, so lange sie sah, den Guten gab, und diese dadurch verderbte. Jetzt schüttet sie blindlings aus, wen's eben trifft, und zwar Gutes und Uebles durcheinander.

So werde er sich mit seinen Bitten an Jupiter zu wenden haben, meint Hutten; allein Fortuna belehrt ihn, daß für die thörichten Bitten der Menschenkinder Jupiter längst taub geworden, das einzig richtige Gebet das um eine gesunde Seele in gesundem Leibe sei. Hier verwickeln sich die Unterredner in ein Gespräch über die Frage, ob es eine Vorsehung gebe? Die guten Erfolge der Bösen scheinen dagegen zu sprechen; aber ein starker Beweis dafür ist die Strafe, die so eben den schwäbischen Tyrannen getroffen hat. So viel ist jedenfalls entschieden, daß die Theologen über diesen Punkt höchst elend und wetterlaunisch räsonniren. Geht es den Guten gut, so ist es jenen ein Beweis dafür, daß nichts Gutes unbelohnt bleibe; wenn schlecht, so heißt es: wen Gott lieb hat, den züchtigt er. Für das Glück der Bösen wissen sie tausend Gründe anzuführen, z. B. daß Gott dieselben durch Langmuth zur Besserung einladen wolle; trifft dagegen einen, den sie für böse halten, ein Unglück, so haben sie vorausgewußt, daß Gott nichts Böses ungestraft läßt. So fehlt es ihnen für das Entgegengesetzte nie an Gründen, und sie zeigen auch hier dieselbe Zweideutigkeit wie darin, daß sie mit Worten zwar den Reichthum verwerfen und geringschätzen, während in der That Niemand geldgieriger ist, als eben sie, die Theologen.

Vom Beten auf das Arbeiten verwiesen, erwiedert Hutten, er habe lange genug gearbeitet, und seinen Zweck doch nicht erreicht. Er habe, entwickelt er auf Fortuna's Frage, worin denn seine Arbeit bestanden? der besten Wissenschaften unter großen Schwierigkeiten, wie kein Anderer zu dieser Zeit, sich beflissen, indem er wie ein Verbannter in der Fremde umhergezogen sei und mit Armuth, Drangsal und Krankheit gekämpft habe. Dazu habe ihn die Liebe zum Wissen angetrieben, und das Ziel, das er dabei im Auge gehabt, sei gewesen, dereinst in unabhängiger Muße studiren zu können. Also habe er, belehrt ihn Fortuna, bisher nur gearbeitet, um zu lernen: nun solle er arbeiten, um reich zu werden. Das, habe er gehofft, wirft Hutten ein, werde ihm von selbst zufallen, wenn er nach jenem trachte; auch habe er ja deßwegen schon zwei ganzer Jahre am Hofe gelebt, um sich da, wie Andere, zu bereichern. Dieß sei ihm jedoch nicht gelungen; sei es, weil das Glück es nicht gewollt, oder weil er zum Schmeicheln nicht geeignet, und die Gunst der Großen wandelbar sei. Es nun bei einem andern Hofe zu versuchen, könne ihm Fortuna nicht zumuthen; er wolle nicht sein ganzes Leben mit Versuchen hinbringen, sondern glaube, er habe schon jetzt verdient, daß er zu leben hätte.

Das habe er ja, versetzt Fortuna, wenn er, wie viele der größten Männer, arm sein wolle. Aber Hutten verbittet sich die Armuth, die er, wenn auch nicht für ein Uebel, doch für etwas Elendes hält. Und doch, gibt ihm Fortuna zu bedenken, sei sie weit förderlicher für die Studien, als der Reichthum mit seinen störenden Sorgen und Geschäften. Ob er jemanden wisse, der bei großem Reichthum noch ruhige Muße habe? Doch, meint Hutten, die Pfaffen. Aber denen, belehrt ihn Fortuna, schicke Jupiter deßwegen Fieber, Gicht und andere Krankheiten, dazu Hader, Neid und Feindschaft untereinander, hauptsächlich aber die Beischläferinnen, die sie beherrschen, betrügen, bestehlen, oft um ihre Stellen und in Schmach und Elend bringen. So wollüstig und verdorben würde auch er werden, wenn er reich wäre. Aber er begehre ja, meint Hutten, nicht Reichthum, sondern nur anständiges Auskommen zu mäßigem Genuß: die Glücksgöttin möge ihm etwas aus ihrem Füllhorne spenden.

Auf ihre Bemerkung, daß darin Böses und Gutes beieinander liege, wird Hutten zudringlich, will in das Horn hineinsehen, um das zu bezeichnen, was er haben möchte; aber Fortuna heißt ihn aus dem Wege gehen, um einen Wurf aus ihrem Horne zu thun. Auf die Erde hinunterschauend, erblickt jetzt Hutten großen Auflauf und Getümmel unter den Menschen: die einen sehen vergnügt, die andern betrübt aus. Der Glückswurf ist nach Spanien gegangen und hat dem jungen König Karl zu so vielen Kronen auch noch die des römischen Reichs gebracht. Darüber sind einige benachbarte Könige verdrießlich, deren Gesandte lange Gesichter zeigen; vor allen aber der Papst, dessen Legat sich beinahe henken möchte. Unglück ist auf Afrika gefallen, wo einige Barbarenfürsten durch Karl's Heer eine Niederlage erlitten haben: ein hoffnungsreicher Anfang der neuen Herrschaft!

Um so mehr will nun aber Hutten auch für sich ein Angebinde von der Glücksgöttin haben. Und zwar vor allem eine Frau. Fortuna's Warnungen vor den Gefahren und Beschwerlichkeiten der Ehe machen auf ihn keinen Eindruck. »Zu der Muße«, sagt er, »die ich im Sinne habe, bedarf ich einer Frau, die mir die beschwerliche Sorge für das Hauswesen abnehme, das Nöthige herbeischaffen und erhalten helfe, die mir Kinder schenke, die, wenn ich krank bin, mich pflege, im Unglück mit mir traure, im Glück sich mit mir freue, in deren Busen ich Alles ausschütten kann, was das Gemüth so bewegt, daß es sich nicht zurückhalten läßt, sondern Mittheilung zum Bedürfniß macht.« Habe er ein solches Weib, so wolle er in geschäftiger Muße leben, sich mit Betrachtung und Studien, Lesen und Schriftstellerei unterhalten. »O wünschenswerthes Gut! ersehnter Hafen! glückselige Ruhe! (Der Wahlspruch des Freundes Mutian.) Komm, führe mich zu diesem Leben, das Muße mit Würde verbinden, Geschäfte ohne Gefahren haben wird. Das sei die Summe meiner Wünsche!«

Auch jetzt sucht Fortuna noch allerhand Ausflüchte, glaubt namentlich eine solche Frau, wie Hutten sie verlange, in ihrem ganzen Horne nicht zu haben; doch nun setzt dieser es durch, selbst in das Horn hineinzusehen, und »Halt!« ruft er aus »halt! sie ist gefunden. Da schaut ein Mädchen hervor: sie ist's, diese habe ich gewollt: hübsches Gesicht, schöne Gestalt, für ihre Sitten zeugt die Schamröthe auf ihrer Stirn, ihr ganzes Wesen voll Anmuth, o ein begehrenswerthes Geschöpf!« Auch Gold die Fülle trägt sie bei sich, und trotz Fortunens Warnung, daß ihn dieß zu ihrem Diener machen werde, ist nun Hutten so hitzig, daß er das schöne Kind, wenn es sein muß, bei den Haaren aus dem Horne herausziehen will. Das wird sie ihm nicht übel nehmen, meint er: sie lächelt ihm ja bereits zu; wenn auch nicht seiner Schönheit, wie Fortuna spottet, doch den reelleren Vorzügen, welche sie verständig genug ist an ihm zu bemerken und zu schätzen.

Allein die Glücksgöttin läßt sich nicht in ihr Amt greifen: sie thut abermals einen Wurf: das Mädchen ist herausgeflogen, und – o Unglück! – einem Hofmanne zu Theil geworden, an welchem nun der zu kurz gekommene Nebenbuhler auch kein gutes Haar läßt. Ein aufgeblasener, großsprecherischer Gesell, in bunten Kleidern, mit Ketten um den Hals und Ringen an den Fingern, aber innerlich ein gemeiner Mensch und nicht einmal ein rechter Mann: mit ihm werde das Mädchen nicht glücklich sein. Und außerdem hat der böse Wurf noch Hutten's väterliche Güter durch Ungewitter verwüstet, die Saaten verheert, Bäume ausgerissen, die Häuser umgeworfen: seine Familie sieht dem Hunger entgegen. So verzweifelt Hutten endlich ganz an dem Glücke, und schickt sich an, in der nächsten Kapelle den Erlöser Christus um mens sana in corpore sano anzurufen.

Mit seiner Brautwerbung stand es übrigens, wenn das Gespräch Fortuna am 1. Januar, von dem die Zueignung datirt ist, wirklich schon vollendet war, damals noch nicht so verzweifelt. Denn einen Monat später schreibt, wie wir oben sahen, ein Bekannter in Frankfurt, der in jenen Tagen Hutten daselbst gesprochen hatte, von der Sache noch ziemlich hoffnungsvoll. Cochläus an Pirckheimer, vom 8. Februar 1520, in Hutten's Schriften I, S. 321. Vgl. oben S. 283. Aber bedenkliche Zeichen hatten sich doch eben bei diesem Besuche in Frankfurt heraus gestellt. Seinen Freund, den Bürgermeister Philipp von Fürstenberg, meinte Hutten ganz umgewandelt, ganz angesteckt von den Vorurtheilen gegen den Ritterstand zu finden, die er früher, auf einen Wink Fürstenberg's, daß sie ihm entgegenstehen, in einem Schreiben an Arnold Glauberger zu widerlegen gesucht hatte. An diesen letztern wendet er sich daher jetzt, nach jenem Besuche (vermuthlich im Februar) noch einmal. Man thue – wenigstens ihm – sehr Unrecht, wenn man sage: »Du kennst der Ritter Art; sie machen Jagd auf unser Vermögen, und nur darum suchen sie sich mit uns zu verschwägern; hätte er sie einmal, so würde er so und so viel Tausende verlangen; gäbe man die nicht, würde er Fehde anfangen, all seine Sippen gegen uns aufbieten, und während er die Summe uns abpreßte, unsre Verwandte nicht als Frau, sondern als geringe Magd halten. Sie soll einen ihresgleichen nehmen, damit sie nicht zu ihrem und der Ihrigen Schaden ein unwürdiges Joch zu tragen gezwungen sei. So etwas, mein Arnold, wenn du mich kennst, wie du solltest, traust du meinem Charakter zu? oder wird jemand, der Hutten kennt, ihm zutrauen? Aber es gibt Leute, die mit vieler Gehässigkeit gegen mich eine solche Meinung aussprechen.« Das möchten sie immerhin, fährt er fort, wenn ihm nur nicht diese ungerechte Beurtheilung einen Plan, an dem ihm so viel gelegen, zu vereiteln drohte. So möge denn der Freund von seinem Bruder und dessen Frau zu erforschen suchen, ob noch Hoffnung übrig sei, und im günstigen Falle die Sache wie bisher fördern, im andern sie in das tiefste Schweigen hüllen. Der Brief in Hutteni Opp. Supplem. II, S. 798 f.

Alles Bemühen war vergebens: am 18. September desselben Jahres 1520 verheiratete sich Kunigunde Glauberger, doch nicht, wie im Gespräch, mit einem aufgeblasenen Hofmanne, sondern mit dem ehrsamen Advocaten Adolf Knoblauch in Frankfurt a. M. Diese Notizen gibt Böcking a. a. O. S. 796 f.

Der Mann, dem wir die Nachrichten von Hutten's Aufenthalt in Frankfurt zu Anfang des Jahres 1520 verdanken, ist sein Bekannter von Bologna her, Johann Cochläus, der unterdessen Domherr in Frankfurt geworden, aber noch nicht offen zur Reactionspartei übergetreten war. Ihm sagte Hutten von den Gesprächen, die zur nächsten Messe von ihm erscheinen würden: der Fortuna, dem zweiten Fieber, der Trias Romana u. s. f., auch von einem Funde, den er auf der Fuldaischen Bibliothek gemacht habe und herauszugeben gedenke; wobei er bei weitem nicht die harmlose Stimmung zeigte, die er vor einem halben Jahre in jenem Freiersbrief an Arnold Glauberger sich zugeschrieben hatte, vielmehr gegen den Papst und für Deutschlands Ehre eine äußerst kühne Sprache führte. Cochläus in dem angef. Brief an Pirckheimer. Von Frankfurt reiste er am 7. Februar nach Steckelberg zu seinem kranken Vater, wo er am 13. die Zueignung zu seinem Dialog Vadiscus schrieb. Doch wir wollen erst von einem andern Dialoge reden, der in der Sammlung vor dem Vadiscus steht, und sich an die Fortuna und das schon früher besonders erschienene (erste) Fieber anschließt.

Wir haben in dem erstern Gespräche den Absatz über die Pfaffen bemerkt, denen Jupiter, um ihnen ihr Wohlleben zu verbittern, Krankheiten und Mißhelligkeiten jeder Art, besonders aber die Concubinen, zugelegt habe. Dieser Absatz bildet das Thema eines fernern Gesprächs, das, als zweiter Act des Dialogs mit dem Fieber, um jene Zeit von Hutten ausgearbeitet wurde. Febris secunda. Schriften IV, S. 101-143. In meiner Uebersetzung der Hutten'schen Gespräche S. 61-93.

Gleich der Eingang ist ein Meisterstück der dialogischen Form. Die Scene, wie es an Hutten's Thüre pocht, dieser den Knaben zum Fenster hinaussehen und im Fall eines lästigen Besuchs ihn verleugnen heißt, das Fieber draußen ihn an der Stimme erkannt hat und sich zu erkennen gibt; der Schreck des Knaben, Hutten's Befehl, Thüre und Fenster zu verrammeln, das Anstürmen des Fiebers, welches das Haus zittern macht, seine vergeblichen Versuche, Hutten zu berücken: das Alles ist so dramatisch, so lebensvoll gemacht, daß man die Allegorie vergißt und eine wirkliche Handlung vor sich zu sehen glaubt. Das Fieber (so knüpft sich diese Fortsetzung an das erste Gespräch gleichen Namens an) hat sich veranlaßt gefunden, von dem Curtisan, zu dem Hutten es dort am Ende geschickt hatte, sich wieder zu trennen, weil bei diesem unterdessen andere Krankheiten, vor allen die französische, dann aber auch Stein und Gicht, überdieß Armuth, eingezogen sind, mit denen es nicht zusammenwohnen mag. Auch seine Concubine hat ihn verlassen und ist zu einem alten, garstigen, aber reichen Domherrn gezogen, zu dem das Fieber ihr deswegen nicht folgen mag, weil der Mann mit jener schon Unglück genug im Hause habe. Welche Pest eine Beischläferin im Hause sei, wird nun zuerst im Allgemeinen, durch psychologische Zeichnung des sittlichen Zustandes solcher Weibspersonen und des Seelenzustandes ihrer Liebhaber, hierauf aber im Besondern an dem Beispiel anschaulich gemacht, welches das Fieber zuletzt hatte beobachten können: dem Verhältniß des Curtisans zu seiner geliebten Else. Die ausführliche Schilderung, welche Hutten hier von dem Leben der concubinarischen Priester entwirft, ist, wie man wohl sieht, aus vielfacher Beobachtung geschöpft, und läßt dieses Leben als ein ebenso unglückliches wie unsittliches erscheinen. Jupiter selbst, als er es mit angesehen, erzählt das Fieber (wie schon in der Fortuna angedeutet war), habe gesagt: das solle das Pfaffenfieber sein, und ihm, dem eigentlichen Fieber, befohlen, sich an andere Leute zu halten. Ob bei dieser Gelegenheit, fragt Hutten, Jupiter sich nicht auch über die Satzung des Papstes Kallistus (Calixtus II.) ausgesprochen habe, welche den Priestern die Ehe verbiete? Ob er es gut geheißen habe, daß man dieselben aus dem von ihm eingesetzten Ehestande herausgerissen und zu einem Hurenleben veranlaßt habe? Nein, erwiedert das Fieber, sondern er habe gesagt, das sei ohne sein Vorwissen geschehen; man habe, als er zufällig im Götterrathe nicht gegenwärtig gewesen, über die Sache berichtet und Beschluß gefaßt, der aber seines Erachtens cassirt werden müsse, damit die Priester wieder wie vordem Eheweiber nehmen, und nicht, vom buhlerischen Lager aufgestanden, mit unreinem Herzen und Händen das Heiligthum berühren.

Ueber Hutten ist dem Fieber zu Ohren gekommen, daß er im Begriff stehe, sich zu verheirathen. Damit ist es gar nicht einverstanden. In der That deßwegen nicht, weil es durch die Pflege der Frau für immer von ihm abgehalten zu werden fürchtet; allein es kehrt das Andere vor, daß ihm die Frau keine Ruhe zum Studium lassen werde. Hutten erwiedert kurz, eine Frau zu nehmen, sei er zwar noch nicht entschlossen, doch wenn er es thun wollte, sähe er nicht ein, was damit gefehlt wäre. Vergebens preist ihm das Fieber (wie zum Theil schon in der frühern Unterredung) seine heilsamen Wirkungen an: wie es ihn fleißig, ernst, keusch machen wolle; wie die interessante Blässe, die es mit sich bringe, ihn auch bei den Weibern mehr, als gemeine Röthe, empfehlen werde: Hutten heißt es sich packen. »Geh«, ruft er, »zu den Pfaffen, zu den Buhlern, zu den Trinkern, zu den Fuggern, den Kaufleuten, den Aerzten, oder, wenn es dir beliebt, vor allen zu Kaiser Maximilians Schreibern« – die bei dem seligen Herrn, ergänzt das Fieber, sich nur gar zu sehr bereichert haben, und nun in Völlerei und Wohlleben die großen Herren spielen. Die Aerzte, sieht man, hat der Ritter von den qualvollen und vergeblichen Curen her, die sie ihn ausstehen lassen, auf dem Korne: er meint, es stünde besser um Deutschland, wenn man die ganze Sippschaft, sammt Rhabarber und Coloquinten, aus dem Lande jagte. Einen Stromer und Coppus, Ebel und Ricius, nimmt er aus, denn das seien rechtschaffene Männer, aber eben darum oft weniger Aerzte.

Wie es jener Anweisung so eben nachkommen und fortgehen will, wird das Fieber von Hutten noch einmal zurückgerufen und gefragt, was es denn für die Ursache dieses verkehrten Lebens der Geistlichen halte? Den Müßiggang, erwiedert es, und dessen Nahrung, den Reichthum. Wie also, meint hierauf Hutten, wenn Deutschland hierin Rath schaffte, ihnen die Pfründen schmälerte, und sie dann hieße den Acker bauen und wie andere Menschen im Schweiße ihres Angesichts ihr Brod verdienen: ob wir dann rechtschaffene Geistliche bekommen würden? Das Fieber zweifelt daran nicht, und hofft auch, es werde nicht mehr allzu lange anstehen, bis sich die Deutschen dazu ermannen werden. Es solle nur einmal eine Theurung kommen, dann werden ehrliche, fleißige Leute nicht mehr dulden, daß, was ihnen gebührte, von trägen und unnützen, ja schädlichen Menschen verpraßt werde, sondern sie, als die faulen Drohnen, austreiben. Die deutschen Fürsten, meint Hutten, könnten dem Reiche keinen bessern Dienst erweisen, als wenn sie das unermeßliche Geld, welches jetzt die vielen tausend geistlichen Müßiggänger verzehren, theils zu ehrlichen Kriegen, theils zur Ernährung gelehrter Leute verwenden würden. Dem König Karl gedenkt Hutten selbst diesen Rath zu geben; gedenkt, ihm vorzustellen, wie unwürdig eines guten Kaisers es sei, zum Schaden des Gemeinwesens solche nichtsnutzige Menschen sich nicht nur mästen, sondern auch über alle Andern, die Fürsten nicht ausgenommen, herrschen zu lassen. Daß er sich durch solche Rathschläge und Plane die Rache der Klerisei, überhaupt Ungemach aller Art, zuziehen werde, darüber täuscht Hutten sich nicht; aber er will es gern auf sich nehmen, wenn er seine patriotischen Absichten durchsetzen kann. Uebrigens gehen diese keineswegs dahin, daß man die Pfaffen vertilge, sondern nur dahin, daß man sie von dem Müßiggang und der Ueppigkeit abziehe, sie anweise, wirklich Geistliche zu sein, die sich nur mit dem Heiligen beschäftigen, und die Religion nicht zu einer Fundgrube schnöden Gewinnes machen.

Die Bemerkung, welche das wohlgesinnte Fieber zuletzt noch hinwirft, und in welche Hutten einstimmt, daß vor allen Dingen Rom, als die Quelle dieser Uebel, gereinigt werden müsse, ist gleichsam eine Verweisung auf das nächste Gespräch: Vadiscus, oder die römische Dreifaltigkeit, das Rom und seine Verderbniß zum unmittelbaren Gegenstande hat.

Auf der andern Seite trifft in diesen am Schlusse der Febris secunda vorgetragenen Ideen Hutten mit Luther zusammen, an dessen Manier auch in formeller Hinsicht der Zug erinnert, daß Hutten sich durch das Fieber auffordern läßt, sein Vorhaben durch Bibelsprüche zu begründen; was er sofort mittelst Anführung von allerlei Prophetenstellen thut.


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