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Vorrede.

Das Andenken theurer Verstorbenen erneuert sich uns in guten wie in bösen Tagen: das einemal verlangt uns nach ihrem Rath und Beistand, das andremal nach ihrer Theilnahme an unsrem Glück. Und was den Einzelnen, das begegnet ebenso den Völkern: in Zeiten der Drangsal wie der Wohlfahrt rufen sie gerne die Geister ihrer großen Todten herauf. Die großen Männer der Nationen sind aber gemeinhin Kämpfer, es sind diejenigen, die für das Licht gegen die Finsterniß, für Bildung gegen Barbarei, für Freiheit gegen Despotendruck, für das Vaterland gegen den Andrang der Fremden gestritten haben; gleich ehrenwerth, gleich theuer den Nachlebenden, ob sie vom Siege gekrönt worden, oder in vergeblichem Ringen untergegangen sind. Eine »Wolke von Zeugen« dieser Art um sich zu wissen, darin besteht der Adel einer Nation; und wenn eine solchen Adels sich rühmen darf, so ist es die deutsche.

Eine Gestalt aus dieser Wolke habe ich ehedem herangerufen in einer bösen Zeit. Es waren die Jahre, da Germania nach einer erschöpfenden Fehlgeburt in tiefer Schwäche lag, da die großen und kleinen Dränger ihrer von Neuem Meister geworden waren, da übermüthige Nachbarn sie verhöhnten, da selbst jene schwarzen Vögel, als wäre sie schon eine Leiche, herangeflogen kamen und sie krächzend umschwärmten. Es war die Zeit der Concordate, jener Knechtungsverträge mit Rom, von denen, nachdem Oesterreich vorangegangen, auch die übrigen Staaten des südlichen Deutschlands sich bedroht sahen. Damals rief ich: ist denn kein Hutten da? und weil unter den Lebenden keiner war, unternahm ich es, das Bild des Verstorbenen zu erneuern und dem deutschen Volke vor Augen zu stellen. Es blieb nicht ohne Wirkung; man fand in dem Zorneifer des Ritters gegen das licht- und freiheitsfeindliche Rom, seinen eindringlichen Mahnungen an die Deutschen, einig und selbstbewußt gegen den Uebermuth der Fremden zusammenzustehen, ein Wort zu seiner Zeit.

Auf die bösen Tage sind unterdessen die guten gefolgt: Rom ist, recht im Sinne der antiken Nemesis, da es eben in wahnwitzigem Frevelmuthe seine Erhebung über das menschliche Maß zu vollenden gedachte, wie ein morsches Götzenbild zusammengebrochen; der übermüthige Nachbar, unser Dränger seit Jahrhunderten, hat durch den ruchlosesten seiner Angriffe unsrer Uneinigkeit ein Ende gemacht, Gesammtdeutschland hat ihn in einem Siegeslauf ohne gleichen zu Boden geworfen, und steht, angestaunt und beneidet von den Völkern rings umher, an der Spitze der Nationen da. Wir haben wieder einen Kaiser, und zwar zum erstenmal einen solchen, der Herr daheim, auswärts nichts sucht, und ebendarum Gedeihen im Innern, Sicherheit und Unabhängigkeit nach außen zu schaffen, mehr als irgend einer seiner Vorgänger im Stande sein wird. Und nun sollten wir nicht abermals unsres Hutten gedenken, da erreicht ist, wornach er lebenslänglich gerungen hat, nun, da er in weit vollerem Sinn als zu seiner Zeit sprechen könnte: »Es ist eine Freude zu leben!« Wir wären sehr undankbar, wenn er uns heute nicht einfiele.

Und wahrhaftig, nicht als müßigen Tafelgast bei unsrem Siegesfeste läßt sich Hutten berufen, noch würde er glauben, mit einer schwungvollen Tischrede über Deutschlands Herrlichkeit sich abgefunden zu haben. Oder er würde doch schon in dieser Tischrede sagen: heute feiern, aber morgen mit verdoppeltem Eifer an die Arbeit gehen! Denn, würde er erinnern, wenn es schwer für ein Volk ist, zu einer gewissen Höhe sich hinanzuarbeiten, so ist es noch viel schwieriger, sich auf derselben zu behaupten. Erfordert jenes in der Regel Jahrhunderte, so ist diese Stellung oft in wenigen Jahren wieder verscherzt. Und sind wir denn in jeder Hinsicht schon auf der Höhe? Wenn wir Eins geworden, sind wir darum auch einig? Wenn wir stark sind, sind wir auch frei? Der Bau unsres neuen Reiches nimmt sich nach außen stattlich genug aus, aber im Innern fehlt noch viel, daß er schon wohnlich eingerichtet wäre. Mit des Papstes weltlicher Herrschaft hat es wohl ein Ende, aber mit der geistlichen so wenig, daß vielmehr seine finstern Schaaren, nach wie vor jedem geistigen Fortschritt wie jedem nationalen Gedeihen feind, mitten im deutschen Lande stehen, ja mitten im deutschen Reichstag sitzen. Wir lassen uns das unterrichtetste der Völker nennen und sind es auch; aber wie lange werden wir noch dulden, daß die Brunnen und Wasserleitungen der Erkenntniß, selbst im protestantischen Deutschland, so vielfach unter der neidischen Verwaltung pfäffisch gesinnter Finsterlinge verkümmern? Hutten an seinem Theile hat sich Deutschlands Macht und Größe, für die er schwärmte, stets begründet gedacht auf menschlich freie, von keiner Clerisei, keiner kirchlichen Satzung beengte Geistesbildung, und wie er in dem so eben beendigten Kriege unter den Vordersten gegen den äußern Feind mitgefochten haben würde, so würde er jetzt, nach dem Frieden, abermals unter den Vordersten gegen die innern Feinde der Freiheit und der Bildung kämpfen.

Das soll er nun in diesem Buche thun, und es wird ihm dießmal, so hoffe ich, leichter werden als vor vierzehn Jahren bei dessen erstem Erscheinen, sofern sich seitdem außer den politischen auch die literarischen Verhältnisse günstiger gestaltet haben. Damals gab es von Hutten's Werken noch keine zuverlässige Gesamtausgabe; seine einzelnen Schriften aber, und noch mehr die seiner Mitarbeiter und Gegner, waren selten und zerstreut, den wenigsten Lesern zugänglich. Ich mußte also, wenn ich auf Stellen daraus verweisen und den Leser in den Stand setzen wollte, diese wirklich nachzusehen, die Stellen ausführlich unter meinen Text setzen. Das belastete aber mein Buch und erschwerte seinen Umlauf in weiteren Kreisen. Unterdessen ist nun die Böcking'sche Ausgabe von Hutten's Werken erschienen, die solche Umständlichkeit überflüssig macht. Sie gibt nicht blos von seinen eigenen Schriften, sondern auch von den ihn betreffenden Stücken aus den Schriften seiner Zeitgenossen den Text so correct, und dazu den kritischen und historischen Apparat so vollständig und genau, daß es fortan genügt, den Leser, der die Belegstellen vergleichen und meine Darstellung controliren will, auf diese Musterausgabe, die in keiner bessern öffentlichen Bibliothek fehlen darf, zu verweisen. Auch sonst hat in der Zwischenzeit die Emsigkeit der deutschen Geschichtsforschung einer Huttenbiographie mancherlei Förderung gebracht, auf manchen bisher dunkeln Punkt besonders seiner jüngern Jahre neues Licht geworfen: auch diese Arbeiten sind von mir dankbar benutzt, überhaupt mein Buch an unzähligen Stellen im Einzelnen ergänzt, berichtigt und verbessert worden; wenn ich gleich, seinen Grundstock unverändert zu lassen, alle Ursache zu haben glaubte.

Und so trete denn der Ritter, dießmal durch kein Gepäck beschwert, seinen zweiten Ausritt an, jetzt, da er zur guten Stunde kommt, keines minder freundlichen Empfangs gewärtig, als er einst zur bösen gefunden hat.

Darmstadt, im Mai 1871.
Der Verfasser.


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