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Gestern fuhren wir durch eine großartige Landschaft im Stil Claude Lorrains nach Neuburg. Unser Weg führte hinter den Uferhöhen der Donau, deren Gipfel zu unserer Linken von Waldstücken bekrönt waren. Rechts hatten wir fast immerzu Wald mit Lichtungen. Bisweilen erblickten wir den Fluß zwischen beiden Höhenzügen. Das Ganze bildete eine herrliche Landschaft, eine der schönsten, die man sehen kann; nur hohe Berge und ein See fehlten.
Eine Meile von Neuburg glaubte ich Kanonendonner zu hören.Am 19. April war die Schlacht bei Thann. Das machte mir inmitten dieser herzbewegenden Landschaft lebhafte Freude. Es war aber leider nur Donner. Allmählich zog von rechts ein prachtvolles Gewitter auf, überschüttete uns eine halbe Stunde lang mit Hagelschloßen und bedeckte die Erde wie mit Schnee. Bei diesem herrlichen Wetter (herrlich für mich, aber sehr übel für jedermann) kletterten wir hinter einer Kolonne nach Neuburg herauf. In den Straßen fanden wir drei Reihen Wagen nebeneinander und auf dem Marktplatz zwei Regimenter mit ihrer Bagage. Wir kamen kaum von der Stelle, und der Hagel verwandelte sich in einen Regenguß.
Düsteres Wetter und schließlich Nacht bis Ingolstadt. Eine halbe Stunde vor der Stadt erblicken wir Lagerfeuer und kommen durch ein Biwak. Nachdem wir auf der Kommandantur unsere Quartierzettel bekommen haben, fahren wir in tiefer Dunkelheit eine Stunde herum, um unser Quartier zu finden.
(Landshut), 23. April.
Nie wird Herr Daru mich lieben. In unseren Charakteren ist etwas, das sich abstößt. Seit meiner Teilnahme am Feldzug hat er nur sieben- bis achtmal mit mir gesprochen, und stets mit dem tiefgefühlten Ausruf: »Solch ein Leichtfuß! Ein Leichtfuß wie Sie!«
Letztes Jahr sagte er bei irgendeinem Anlaß: »Man muß die jungen Leute unter die Zuchtrute nehmen; nur so leisten sie etwas.« Ich weiß nicht, ob er diesen Grundsatz auch auf mich anwendet und, da er mich für höchst leichtfertig und dünkelhaft hält, mich durch beständige Ungnade klein kriegen will. Jedenfalls ruhen seine Blicke mit Wohlgefallen auf einem jungen Manne, von dem ich gewiß nichts Schlechtes sagen will, dem ich aber überlegen bin, und nie habe ich solch einen Blick erhalten.
Ich lebe also negletto (vernachlässigt) unter sechzehn bis siebzehn Kriegskommissaren im Stabe Darus, und meine Kameraden lieben mich nicht. Die Dummköpfe haben herausgefunden, daß ich eine spöttische Miene habe...
Ich schreibe dies in Landshut im Bureau, einem schönen Zimmer in einer schönen Straße, und vor Kälte schlotternd. Die Stadt hat mir heute morgen sehr gefallen.
Landshut, 24. April.
Wir saßen bei Neustadt tüchtig in der Patsche. Wir hatten uns im Wege geirrt und begegneten Daru, der zu uns sagte, wir seien Leichtfüße. Leider hatte er recht. Wir kamen durch einige Bergketten und an einer verbrannten Brücke vorbei, bei der tags zuvor gekämpft worden war.Die Schlacht bei Landshut am 22. April. Dort sah ich drei tote Kaiserliche, die ersten Gefallenen. Längs der Straße waren Biwaks; sie war so malerisch wie denkbar. Um reine Freude daran zu haben, müßte mein Herz nur Liebe zur Kunst empfinden und keinen Ehrgeiz, aber ich lebe unter Leuten, die erfolgreich Komödie spielen. Das ist nicht schwer, nimmt aber alle Zeit in Anspruch.
Die Tore von Landshut sind von Kugeln durchbohrt. Man kommt über die Isar, die der Isère ähnelt, aber etwas größer ist und vor Landshut eine Insel bildet. Die Stadt machte auf mich einen italienischen Eindruck. Ich sah binnen einer halben Stunde fünf bis sechs Frauengesichter von vollendeterem Oval, als man es in Deutschland antrifft.
Gestern nach Tisch übertrug Herr Daru FlorianFlorian de Froidefonds. ein Lazarett. B. und ich gingen als Zuschauer hin und legten bis Mitternacht selbst Hand an. Wir stützten die Verwundeten, die aus den Wagen stiegen. Kurz, ich, der nicht nachsichtig gegen sich selbst ist, hatte mir nichts vorzuwerfen. Im Lazarett herrschte Unordnung. Ein einziger Österreicher Wundarzt für alles, obwohl vom besten Willen erfüllt. Wir sprachen Italienisch und suchten nach Kräften Ordnung zu schaffen.
In der Nacht schliefen Cuny und ich angekleidet, weil der Feind um die Stadt streift. Neben uns rief eine näselnde Stimme nach Wasser. Es war ein verwundeter Offizier mit einer Kartätschenkugel zwischen den Schultern. Er wird bald sterben.
Enns, 5. Mai.
Bei der Ein- und Ausfahrt bewunderte ich die Lage von Lombach. Ich sagte mir: »Das ist der fesselndste Anblick, den ich zeitlebens gehabt habe.« Als ich ein paar Geschütze neben dem Klostertor aufgefahren sah, sagte ich zu Lacombe: »Jetzt fehlt nur noch der Feind und eine Feuersbrunst.«
Wir kehren zurück, schlafen auf Stühlen in der Kommandantur, essen und schlafen wieder. Um zwei Uhr nachts ist die Rede vom Abmarsch. Ich gehe auf den Marktplatz. Da bemerke ich einen hellen Schein hinter einem Hause und sage mir: »Das ist ein hell erleuchtetes Biwak.« Der Schein und der Rauch nimmt zu; es ist eine Feuersbrunst.
Die Verwirrung bei diesem Brande habe ich in allen Stadien beobachtet, von der Ruhe der Schlafenden bis zu dem Augenblick, wo die Trainpferde von allen Seiten angaloppiert kamen.
Die Flammen waren nicht zu sehen; davon abgesehen war die Feuersbrunst großartig. Eine helle Rauchsäule zog sich quer durch die Stadt und leuchtete uns zwei Stunden weit auf unserem Wege. Die Anhöhe nördlich der Stadt war so hell beschienen, daß ich unten, wo ich mit meinem Wagen auf Cuny wartete, die Fichtenstämme auf der Höhe zählen konnte. Das Tempelchen und die Häuschen auf dem Abhang traten deutlich hervor. Der grelle Schein fiel auf einige Hausfirste.
Gegen 5 Uhr kamen wir in Wels an und fanden bei einem Biedermann sehr gute Unterkunft. Wir waren in einem leichten Wagen gekommen. Die Bauern schnitten die Stränge durch und ließen ihn auf dem Wege stehen. Charles kam lachend und erzählte es uns. Er lacht über alle Mißgeschicke; das erspart ihm, ihnen abzuhelfen.
Um 3 Uhr fuhren wir von Wels ab und kamen nach Ebersberg an der Traun. Herrlicher Weg in einer von lieblichen Hügeln eingefaßten Ebene. Am Wegweiser ein Toter. Wir fahren rechts; die Straße wird schwierig; die Wagen stauen sich; schließlich steht eine ganze Reihe. Endlich gelangen wir zu einer endlosen Holzbrücke über die Traun, die hier voller Untiefen ist. Das Korps Massena ist infolge des Übergangs über diese Brücke tüchtig geschlagen worden, und wie es heißt, ganz unnötig, denn der Kaiser hatte die Brücke umgangen.Gefecht bei Ebersberg am 3. Mai.
Als wir hinüberfuhren, lagen noch etwa dreißig gefallene Menschen und Pferde auf der Brücke. Eine große Menge mußte in den übermäßig breiten Fluß geworfen werden. Mitten drin, 400 Schritt unterhalb der Brücke, stand ein Pferd aufrecht und starr – ein seltsamer Anblick. Die ganze Stadt Ebersberg war niedergebrannt, die Straße, durch die wir kamen, von Leichen eingesäumt, meist Franzosen und alle verbrannt. Manche völlig verkohlt und schwarz, so daß man kaum noch die menschliche Form des Skeletts erkannte. Hier und da türmten sich die Leichen. Ich studierte ihre Gesichter. Auf der Brücke lag ein braver Deutscher tot mit offenen Augen; aus seinem Gesicht sprach Mut, Treue und deutsche Gutmütigkeit; ein Schatten von Schwermut lag darauf.
Immer enger wurde die Straße. Schließlich, vor und in dem Tore, mußte unser Wagen über verkohlte Leichen fahren. Einige Häuser brannten noch. Aus einem Hause stürzte ein toter Soldat mit wütender Miene heraus. Ich gestehe, das Ganze war zum Übelwerden für mich. Ich habe diesen furchtbaren Anblick nur schlecht gesehen.
Der kalte Regen, der Mangel an Nahrung, das Meer von Erz, das zwischen meinen Gedanken und dem Hirn meiner Kameraden lag, alles brachte mich bei diesem Schauspiel der Übelkeit nahe. Seitdem weiß ich, was Grausen ist.
Die Brücke wurde von 800 Po-Schützen angegriffen, von denen noch 200 übrig sind, und von der Division Claparède, 8000 Mann, die 4000 Mann verloren haben soll. Wahrscheinlich sind 1500 Mann gefallen. Diese verteufelte Brücke ist endlos lang. Die ersten, die hinüberstürmten, fielen Mann für Mann. Die Nachdrängenden stießen sie in den Fluß, drangen hinüber und erstürmten die Stadt. Die Verwundeten wurden größtenteils in die Häuser gelegt. Die Österreicher machten einen Gegenstoß und nahmen die Stadt wieder. Es kam zum Straßenkampf; die Granaten hagelten hinein und schließlich brach Feuer aus. Da niemand ans Löschen denken konnte, brannte die ganze Stadt nieder, und mit ihr verbrannten die armen Verwundeten in den Häusern. So erklärt man sich den gräßlichen Anblick der Straße. Mir scheint es zutreffend. Kenner versichern, der Anblick von Ebersberg sei tausendmal schrecklicher als der aller Schlachtfelder, wo man zwar zerschossene Menschen sähe, aber nicht solche grausigen Leichen mit verbrannten Nasen und sonst kenntlichen Gesichtern.
So kamen wir nach Enns. Der liebenswürdige Martial (Daru) verspricht mir, sich für mich zu verwenden. Ohne Anmaßung, Ränke und Frechheit erreicht man bei der Armee nichts.
Enns, 7. Mai 1809.
Wir sind noch immer in dem großen traurigen Rathaussaal, wo wir zu dreißig schlafen, arbeiten und essen. Man kann sich die Laune und den Geruch denken. Da ich nichts zu tun habe und mit der Feder am Schreibtisch sitze, schwatze ich, wie andere rauchen.
12. Mai 1809.
Gegen ein Uhr kamen wir in einem Dörfchen an. Alle Häuser erbrochen und geplündert, aber nichts verbrannt. L'Hoste und ich drangen in die Häuser und suchten nach Eiern, fanden aber nichts. Alles, was nicht geraubt ist, ist kurz und klein geschlagen. Wir fanden in dem Dorfe einen kleinen Hund, der immerfort heulte, und eine anscheinend sehr entkräftete Katze.
The life and sentiments of silencious Harry.Leben und Gefühle des schweigsamen Henri (Beyle).
Wien, November 1809.
Ich ging zur Prinzessin P[alf]y.Gräfin Alexandrine Daru, geb. Nardot, die Gattin von Beyles Vetter und Beschützer, Pierre Daru, den sie 1802 geheiratet hatte. Dort traf ich Frau Guérin, gegen die ich galant und lustig war. Die Prinzessin P[alf]y war ein Weilchen verträumt, dann war sie liebenswürdig gegen mich, aber so wie gegen jedermann. Das beweist das Fehlen jedes Gefühls. Gemeinsame Besorgungen; Rückkehr um ein Uhr; stets kalt, zwar nicht so, wie man es in der Gesellschaft nennt, aber doch im Vergleich zu ihrem Wesen in den letzten Tagen. Sie lächelte zwar liebenswürdig bei der Heimkehr, als sie sagte: »Rasch, holen Sie Ihre Pferde«, aber nicht so wie gestern und ohne den kleinen Klaps auf die Finger, der darauf folgte.
Wir steigen mit Jacqueminot zu Pferde und reiten nach dem Lusthaus. Diese Rolle sagt mir sehr zu. Jacqueminot redet gerade so viel, daß ich mich dem Gefühl hingeben kann und einen Gesprächsstoff habe. Durch Zufall kam das Gespräch auf seine Heirat. Das brachte die Prinzessin darauf, von der Geschichte ihrer eigenen Heirat zu sprechen. Sie sagte:
»Ich hatte eine Abneigung gegen junge Leute, so daß ich nicht erschrak, als man mir sagte: dein Zukünftiger ist schon in reiferen Jahren. Aus diesem Grundsatz – Neigungsheiraten sind ja so unglücklich! – wollte ich nie einen Mann nehmen, den ich liebte.«
Am folgenden Tage.
Ich hatte mir vorgenommen, mit ihr über meine Zukunft zu sprechen. Sie kam mir zuvor und sagte: »Sie sollten mit meinem [Gatten] reden, um zu erfahren, was aus Ihnen werden soll.«
»Ich fürchte, gewaltig angeschnauzt zu werden.«
Das war eine Dummheit. Es zeigt zugleich, was meinem Charakter fehlt und was ich ihr zutraue. Ich hatte schöne Dinge zu sagen und sagte nichts.
Wien, 20. November, zwei Uhr nachts.
Frau D[aru] ist um halb zwei abgereist.
Heute vormittag um elf Uhr ging ich zur Burg. Ich war kalt, was bei mir die Folge verletzter Empfindlichkeit ist... Die Messe war schöner als sonst, aber ich hatte keinen Genuß davon. Ich schwatzte immerfort mit Fräulein Lucrezia, um [Frau Daru] zu zeigen, daß ich weniger aus Dummheit als aus Schüchternheit nicht genug mit ihr spräche... Als wir nach der Messe unter vier Augen sind, nimmt die Kälte noch zu, und ich verlasse sie, um ihre Befehle im Bureau zu erwarten.
Wir gehen fort. Ich fahre sie und Herrn D(aru)Jedenfalls Martial Daru. in meinem Wagen zur Gräfin Bertrand.Die Gattin des Grafen Henri Gratien Bertrand (1773-1844), des Freundes von Napoleon, der ihn später nach St. Helena begleitete. Sie erscheint mir sehr liebenswert, weil sie mich etwas liebenswürdig findet. Sie zeichnet mich aus und lädt mich ein, sie in Paris derart zu besuchen, daß ich vorwärts komme. Ich habe in ihren Augen den Vorzug, anscheinend einer anderen Frau zu gefallen, die mehr Reize besitzt als sie.
Wir besuchen Frau Ott, ein gutes, anscheinend geistreiches Frauchen. Heiterer Besuch, der die schüchterne Kälte etwas verscheucht. Dann besteigen wir den Stefansturm. Das Beieinander an diesem so sicheren Orte ließ mich my bashfullnes (meine Schüchternheit) verwünschen. Die Kälte nahm infolgedessen noch zu. Von da nach Hause zum Nachtessen...
Bei der Abreise schien sie mir gegenüber etwas gerührt. Sie hatte sogar Tränen in den Augen, aber ich bin weit entfernt, zu glauben, daß sie ehrlich waren und daß sie mir galten. Als die Abreise dicht bevorstand, setzte ich mich an den Fuß des Sofas und spielte mit ihren Handschuhen. Schließlich hielt sie mir die Hand hin, um sie zurückzufordern, aber sehr anmutig und vielleicht sogar zärtlich. Ich bückte mich herab und küßte die Hand, die sie mir entgegenstreckte.
Ich muß das anmutig und gefühlvoll getan haben, denn ich war leicht bewegt und ungezwungen. Die Anwesenden glauben vielleicht, sie liebe mich, und die Dummköpfe wohl gar, sie sei die meine... Schließlich wird gemeldet, daß der Wagen vorgefahren ist. Augenblick der Verwirrung; Abschied und Umarmungen. Ich reiche ihr den Arm, um hinunterzugehen, und drücke den ihren an mich. Diese Bewegung hat sie sicher gemerkt. Unten am Wagen um halb zwei Uhr wendet sie sich um und sagt, mir den Kopf hinhaltend: »Leb wohl, lieber C.« Ich gebe ihr einen Kuß; ihr Schleier trennt ihn mitten durch, aber schließlich wurde er gefühlvoll gegeben und, soviel ich glaube, ohne Kälte empfangen.
Beim Wiedersehen muß ich ihr gegenüber von Anfang an einen heiteren, galanten Ton anschlagen. Etwas mehr Keckheit, und unser häufiges Beieinandersein, das ihr kalt erschienen sein muß, wäre reizend gewesen. Denn ist das Eis erst gebrochen, so wäre ich sicher gewesen und hätte mich von der besten Seite gezeigt. Was mag sie von mir denken?
Nachschrift. – Ich habe die Tagebücher über Fortgang und Ende verloren. Alles war zwei Monate später binnen sechs Minuten erledigt und sie war ein Jahr lang täglich die meine.
Linz, 2. Januar 1810.
Euer Exzellenz!
Ich gestatte mir, Euer Exzellenz ganz gehorsamst um eine Verwendung in Spanien zu bitten. Ich bin seit fast vier Jahren Adjunkt beim Kriegskommissariat und habe dauernd als Kriegskommissar fungiert. Ich hoffe durch meine Dienste in Spanien das Wohlwollen Eurer Exzellenz zu verdienen.
Mit der Versicherung meiner tiefsten Ehrerbietung
Der Adjunkt beim Kriegskommissariat de Beyle.Beyle kehrte im Januar 1810 nach Paris zurück, wurde aber nicht in Spanien verwandt.