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Heute morgen, am 16. Oktober 1832,Diese Lebensbeichte schrieb Stendhal, wie die Daten der folgenden Kapitel ergeben, im Winter 1835/36 in Rom und Civitavecchia. Das Datum 1832, wo er das fünfzigste Jahr erreichte, ist der Einstellung wegen fingiert. Doch ist ihm der Gedanke, dies Buch zu schreiben, tatsächlich 1832 bei San Pietro in Montorio gekommen, wie eine Randbemerkung zum 29.1.1836 ergibt. war ich in San Pietro in Montorio auf dem Janiculus in Rom. Die Sonne schien prächtig. Ein leichter, kaum merkbarer Scirocco wehte ein paar weiße Wölkchen über die Albaner Berge hin. Köstliche Wärme lag in der Luft. Ich genoß mein Leben. Deutlich erkannte ich die vier Miglien entfernten Orte Castel Gandolfo und Frascati mit der Villa Aldobrandini, in der sich Domenichinos herrliche Judith-Freske befindet. Deutlich sah ich die weiße Mauer der letzten Neubauten des Fürsten Francesco Borghese, desselben, den ich bei Wagram als Oberst eines Kürassierregiments gesehen habe. Weiterhin erblicke ich die Felskuppe von Palestrina und das weiße Haus von Castel San Pietro, dessen frühere Festung. Unter der Mauer, an die ich mich lehne, stehen die hohen Orangenbäume des Kapuzinergartens. Weiterhin sehe ich den Tiber und die Maltheservilla, etwas weiter rechts dahinter das Grabmal der Cäcilia Metella, San Paolo fuori und die Cestiuspyramide. Mir gegenüber Santa Maria Maggiore und die lange Linie des Quirinalspalastes. Das ganze alte und neue Rom von der alten Via Appia mit den Ruinen ihrer Grabmäler und Aquädukte bis zu dem herrlichen Garten auf dem Pincio, einer Schöpfung der Franzosen, entfaltet sich vor meinen Blicken.
Dieser Ort ist einzig in der Welt, sagte ich mir traumverloren, und unwillkürlich zog ich das alte Rom dem neuen vor; alle Erinnerungen an Titus Livius wurden in mir wach. Auf dem Albanerberg, zur Linken des Klosters, erkannte ich das Hannibalslager.
Welch prachtvoller Blick! Hier also hat man Raffaels »Verklärung« zweiundeinhalbes Jahrhundert lang bewundert. Welch ein Unterschied gegen die düstere graue Marmorgalerie im Vatikan, in der sie heute begraben ist! Zweihundertundfünfzig Jahre lang war dies Meisterwerk hier, zweihundertundfünfzig Jahre! ... Ach, in drei Monaten werde ich fünfzig Jahre alt! Ist's möglich? 1783 ... 1793 ... 1803 ... ich zähle es mir an den Fingern ab ... und 1833 fünfzig! Ist's möglich? Fünfzig? Bald bin ich in den Fünfzigern und kann mit Grétry singen:
»Ist man erst fünfzig Jahre alt.«
Diese unverhoffte Entdeckung regt mich keineswegs auf. Ich war bei Hannibal und den Römern. Größere als ich sind gestorben! ... Alles in allem, sagte ich mir, habe ich mein Leben nicht schlecht angewendet. Angewendet? Nun, das heißt, der Zufall hat mir nicht allzuviel Unglück beschert. Denn fürwahr: habe ich selbst irgendwie planvoll gelebt?
Wie hätte ich mich sonst in Fräulein von GriesheimS. das »Tagebuch aus Braunschweig« in diesem Bande. verliebt? Was konnte ich von einem Edelfräulein erhoffen, der Tochter eines Generals, der zwei Monate vorher, nach der Schlacht bei Jena, den Dienst quittiert hatte! Brichaud hatte ganz recht, als er mir mit gewohnter Bosheit sagte: »Wenn man eine Frau liebt, so fragt man sich: ›Was will ich von ihr?‹«
Ich habe mich auf die Stufen von San Pietro gesetzt und da ein bis zwei Stunden dem Gedanken nachgehangen: ich werde bald fünfzig Jahre alt; es wäre wohl Zeit, mich kennen zu lernen. Was war ich? Was bin ich? Fürwahr, ich wäre sehr in Verlegenheit, es zu sagen.
Ich gelte für einen sehr geistreichen und fühllosen Mann, selbst für einen Roué, und doch sehe ich, daß ich immerfort unglücklich geliebt habe. Wahnsinnig geliebt habe ich Fräulein Kably, Fräulein von Griesheim, Frau von Diphortz,Vermutlich ein Deckname. Mathilde, und keine von ihnen habe ich besessen. Mehrere dieser Liebschaften haben drei bis vier Jahre gedauert. Mathilde hat in den Jahren 1818 bis 1824 mein ganzes Dasein erfüllt. Und ich bin noch nicht von ihr geheilt, muß ich hinzufügen, nachdem ich über eine Viertelstunde von ihr geträumt habe. Hat sie mich je geliebt?
Ich war gerührt, begeistert, in frommer Stimmung. Und MentaGräfin Clementine Curial, die Tochter der Gräfin Beugnot (Chuquet 180 ff.) – welchen Kummer hat sie mir nicht bereitet, als sie mich verließ. Mich schaudert bei dem Gedanken an den 15. September 1826 in San Remo nach meiner Rückkehr aus England. Was für ein Jahr habe ich vom 15. September 1826 bis zum 15. September 1827 durchlebt! An diesem furchtbaren Jahrestage war ich auf der Insel Ischia. Ich fühlte eine merkliche Besserung. Statt unmittelbar an mein Unglück zu denken, wie ein paar Monate vorher, schwebte mir nur noch die Erinnerung an den unseligen Zustand vor, in dem ich zum Beispiel im Oktober 1826 war. Diese Beobachtung war mir ein großer Trost.
Was war ich also? Ich werde es nie wissen. Welchen noch so scharfblickenden Freund könnte ich befragen? Selbst di Fiore könnte mir keine Auskunft geben. Welchem Freunde habe ich je etwas über meinen Liebeskummer gesagt?
Und das Sonderbarste und Unglücklichste war – so sagte ich mir heute morgen –, daß meine Siege (so nannte ich es damals, den Kopf voll militärischer Anschauungen) mir nicht halb soviel Genuß bereitet haben, wie meine Niederlagen mich grämten.
Die Freude an dem erstaunlichen Sieg über Menta war nur ein Hundertstel so groß, als das Leid, das sie mir angetan hat, als sie mich um Herrn v. Bospiers willen verließ.
War ich also von schwermütigem Charakter?
Da ich darauf keine Antwort wußte, begann ich unbewußt wieder den herrlichen Anblick der Ruinen Roms und seiner jetzigen Größe zu genießen. Mir gegenüber ragt das Kolosseum, und mir zu Füßen liegt der Palazzo Farnese mit seinen schönen offenen Bogenstellungen, dicht unter mir der Palazzo Corsini.
War ich geistreich? War ich zu irgend etwas befähigt? Graf Daru sagte, ich sei unwissend wie ein Karpfen. Ja, aber dies Wort hat mir Mareste hinterbracht, und der grämliche alte Generalsekretär beneidete mich um meinen fröhlichen Charakter. Aber war ich von fröhlichem Charakter?
Kurz, ich bin erst vom Janiculus herabgestiegen, als der leichte Abendnebel mich vor der plötzlichen, sehr unangenehmen und ungesunden Kälte warnte, die hierzulande unmittelbar auf den Sonnenuntergang folgt. Ich kehrte schleunigst in den Palazzo Conti auf der Piazza Minerva zurück. Ich war matt. Ich trug Beinkleider aus weißer englischer Baumwolle. Innen auf den Gürtel habe ich geschrieben: »16. Oktober 1832: Je vais avoir la cinquantaine« (bald werd' ich fünfzig Jahre alt), und zwar, damit es niemand versteht, abgekürzt in: »J. vaisa voir la 5.«
Abends, als ich ziemlich gelangweilt von dem Empfang beim Botschafter heimkehrte, sagte ich mir, ich müsse mein Leben aufschreiben. Wenn das vollbracht ist, in zwei bis drei Jahren, werde ich vielleicht endlich wissen, was ich war: heiter oder schwermütig, geistreich oder dumm, tapfer oder feige, und schließlich alles in allem: glücklich oder unglücklich. Und dies Manuskript kann ich meinem Freunde di Fiore zu lesen geben.
Dieser Gedanke lächelt mir zu. Ja, aber die schreckliche Häufung von Ichs und Michs! Das kann auch den wohlwollendsten Leser verdrießen. Ich und Mich, das wäre – bis auf das Talent – wie bei Herrn von Chateaubriand, dem König der Egotisten:
»Und immer fällst du in das Ich und Mich.«
Ich sage mir diesen Vers jedesmal auf, wenn ich etwas von ihm lese. Man könnte freilich in der dritten Person schreiben: Er tat, er sagte. Ja, aber, wie soll man da die inneren Seelenregungen wiedergeben? Gerade darüber möchte ich di Fiore um Rat fragen. Ich komme erst am 23. November 1835 zur Fortsetzung. Der Gedanke, my lifeMein Leben zu beschreiben, ist mir zuletzt auf meiner Reise nach Ravenna gekommen. Allerdings habe ich ihn seit 1832 recht oft gehegt, aber stets hat mich die furchtbare Schwierigkeit des Ich und Mich abgeschreckt, durch die sich der Autor unleidlich macht, und ich weiß nicht, wie ich sie umgehen soll. Tatsächlich bin ich nichts weniger als sicher, etwas schriftstellerische, Begabung zu haben. Ich schreibe manchmal nur sehr gern, das ist alles.
Wenn es eine andere Welt gibt, so werde ich nicht verfehlen, Montesquieu zu besuchen. Sagt er mir: »Armer Freund, Begabung hatten Sie ganz und gar nicht«, so wird mich das zwar ärgern, aber durchaus nicht überraschen. Ich fühle das oft: welches Auge kann sich selbst sehen? Erst vor drei Jahren habe ich das »Warum« gefunden.
Ich sehe deutlich, daß viele Schriftsteller von großem Rufe unerträglich sind. Was heute über Chateaubriand zu sagen eine Lästerung wäre, wird im Jahre 1880 ein truism (Gemeinplatz) sein. Ich habe mein Urteil über Chateaubriand nie geändert: als sein »Génie du Christianisme« um 1803 erschien, fand ich es lächerlich. Aber die Fehler eines andern herauszufühlen, heißt das, selbst Begabung haben? Ingres ist gegen Gros völlig im Rechte, ebenso Gros gegen Ingres. (Ich wähle zwei Künstler, von denen man im Jahre 1935 vielleicht noch reden wird.)
Diese Überlegung hat mich betreffs dieser Denkwürdigkeiten beruhigt. Angenommen, ich setze dies Manuskript fort und verbrenne es nicht, wenn ich es vollendet habe. Ich vermache es nicht einem Freunde, der fromm werden oder sich einer Partei verkaufen kann, wie der junge Leichtfuß Thomas Moore. Ich vermache es einem Verleger, z. B. Herrn Levavasseur in Paris.S. die Testamente am Schluß dieses Fragments. Somit bekäme nach meinem Tode ein Verleger einen dicken Band mit meiner abscheulichen Handschrift. Er wird etwas daraus abschreiben lassen und es lesen.
Erscheint ihm das Zeug langweilig und spricht niemand mehr von Herrn von Stendhal, so wird er es liegen lassen, und vielleicht wird es nach zweihundert Jahren wieder aufgefunden, wie die Lebensbeschreibung des Benvenuto Cellini.
Druckt er es und das Zeug erscheint langweilig, so wird man nach dreißig Jahren davon reden wie von der Dichtung »Die Schiffahrt« des Spions Esménard, von der bei den Frühstücken beim Grafen Daru im Jahre 1802 so oft die Rede war. Überdies war jener Spion vermutlich Zensor oder Leiter all der Zeitungen, die ihn allwöchentlich in den Himmel hoben. Er war der Salvandy jener Zeit, noch unverschämter, wenn das möglich ist, aber gedankenreicher.
Meine Bekenntnisse werden also dreißig Jahre nach ihrer Drucklegung verschwunden sein, wenn die »Ichs« und »Michs« meine Leser zu sehr verdrießen. Jedenfalls aber werde ich die Freude haben, sie zu schreiben und eine gründliche Gewissensprüfung vorzunehmen. Haben sie zudem Erfolg, so habe ich die Aussicht, im Jahre 1900 von Seelen, die ich liebe, wie Frau Roland und Melanie Guilbert, gelesen zu werden.
Heute, am 24. November 1835, komme ich aus der Sixtinischen Kapelle, wo ich gar keinen Genuß fand, obwohl ich mit einem guten Glase versehen war, um mir die Decke und das Jüngste Gericht von Michelangelo anzusehen. Aber ich hatte Nervenschmerzen infolge des unmäßigen Kaffeegenusses, dem ich vorgestern bei der Familie GaetaniFürst Michelangelo Gaetani, bei Bruder des mit Stendhal befreundeten Don Filippo Gaetani. gefrönt hatte. Die Schuld trug eine allzugute Kaffeemaschine, die Don Michelangelo aus London mitgebracht hatte. Solch allzu guter Kaffee ist ein Wechsel auf die Zukunft; man bezahlt das augenblickliche Behagen mit dem künftigen Wohlbefinden. So kehrte denn mein altes Nervenleiden wieder, und ich war in der Sixtinischen Kapelle wie ein Hammel, d.h. ohne Genuß; die Phantasie konnte sich nicht aufschwingen. Ich bewunderte die in Fresko gemalte Brokatdraperie um den Thron, das heißt um den großen päpstlichen Lehnstuhl aus Nußbaumholz. Diese Draperie, die den Namenszug Sixtus IV. trägt, kann man mit der Hand berühren; sie ist zwei Schritt vom Auge entfernt und ruft nach 354 Jahren noch die Illusion von Brokat hervor.
Da ich zu nichts fähig bin, nicht mal zum Schreiben amtlicher Briefe, habe ich mir Feuer anmachen lassen und schreibe diese Blätter – hoffentlich ohne zu lügen, ohne mir etwas vorzumachen, mit Vergnügen, wie einen Freundesbrief. Welche Begriffe wird dieser Freund von 1880 haben? Wie anders als die unsern! Heute ist es eine ungeheure Unklugheit, eine Ungeheuerlichkeit für drei Viertel meiner Bekannten, wenn ich von dem größten Schurken unter den Königen und dem heuchlerischen Tartaren rede, ohne ihre Namen zu nennen;Gemeint ist König Louis-Philippe von Frankreich, der »roi bourgeois«, und Zar Alexander I. um 1889 werden diese Bezeichnungen truisms (Gemeinplätze) sein.
Das ist etwas Neues für mich: mit Leuten zu reden, deren Geistesbildung, Erziehung, Vorurteile und Religion ich gar nicht kenne! Welch Anreiz, wahr zu sein, schlicht wahr; nur das ist von Dauer. Benvenuto war wahr; man liest ihn mit Genuß, als hätte er gestern geschrieben, wogegen man die Memoiren des Jesuiten Marmontel kaum noch durchblättert. Und doch hat er als echter Akademiker alle erdenkliche Vorsicht angewandt, um nicht zu mißfallen. Ich mochte sie in Livorno nicht mal zu einem Franken den Band kaufen, ich, der ich solche Art von Büchern doch so hoch schätze!
Aber wieviel Vorsicht ist nötig, um nicht zu lügen? So steht zu Beginn des ersten Kapitels etwas, das wie Prahlerei aussehen kann. Nein, lieber Leser, ich war 1809 bei Wagram nicht Soldat.Beyle hat der Schlacht überhaupt nicht beigewohnt. (Chuquet 100.)
Du mußt wissen, daß es fünfundvierzig Jahre vor dir Mode war, Soldat unter Napoleon gewesen zu sein. Es ist also heute, 1835, eine durchaus der Aufzeichnung würdige Lüge, wenn man mittelbar und ohne direkte Lüge (jesuitico more) zu verstehen gibt, man sei bei Wagram Soldat gewesen.
Tatsächlich war ich Wachtmeister und Leutnant bei den 6. Dragonern, als dies Regiment, ich glaube im Mai 1800, in Italien einrückte, und ich habe meinen Abschied in der kurzen Friedenszeit von 1802 genommen. Meine Kameraden widerten mich an, und ich fand nichts so süß, als in Paris als »Philosoph« zu leben. Das war das Wort, das ich damals mir selbst gegenüber gebrauchte, bei einer väterlichen Zulage von 150 Franken monatlich. Ich hoffte, nach meines Vaters Tode das Doppelte oder Vierfache zu haben; bei meinem damaligen brennenden Wissensdurst war das mehr als genug.
Ich bin nicht Oberst geworden, wie ich es bei der mächtigen Protektion meines Vetters, des Grafen Daru, hätte werden können, aber ich glaube, ich bin glücklicher geworden. Bald dachte ich nicht mehr daran, Turenne zu studieren und ihn nachzuahmen, was mein Ziel während meiner dreijährigen Dienstzeit als Dragoner gewesen war. Bisweilen wurde dies Ziel durch ein andres verdrängt: Komödien wie Molière zu schreiben und mit einer Schauspielerin zu leben. Schon damals hatte ich einen tödlichen Widerwillen gegen anständige Frauen und die von ihnen unzertrennliche Heuchelei. Meine grenzenlose Faulheit trug den Sieg davon; sobald ich in Paris war, machte ich sechs Monate lang meinen Verwandten (den Darus, Frau Le Brun, Frau de Baure) keinen Besuch; ich verschob es immer auf den nächsten Tag. So verbrachte ich zwei Jahre im fünften Stock eines Hauses der Rue d'Angiviller mit schöner Aussicht auf die Kolonnaden des Louvre und las La Bruyère, Montaigne und J. J. Rousseau, dessen hochtrabender Stil mich jedoch verdroß. Dort formte sich mein Charakter. Ich las auch oft die Trauerspiele Alfieris und zwang mich, sie schön zu finden; ich verehrte Cabanis, de Tracy und J. B. Say. Ich las oft Cabanis, dessen unklarer Stil mich in Verzweiflung brachte. Ich lebte einsam und närrisch wie ein Spanier, tausend Meilen vom wirklichen Leben. Der gute Pater Jecki, ein Irländer, gab mir englische Stunden, aber ich machte keine Fortschritte; ich war vernarrt in Hamlet.
Doch ich lasse mich fortreißen, ich schweife ab und werde unverständlich werden, wenn ich nicht chronologisch vorgehe; zudem werden mir die Einzelheiten dann nicht so gut wieder einfallen.
Also: ich war 1899 bei Wagram nicht Soldat, sondern dem KriegskommissariatSoviel wie Armee-Intendantur. zugeteilt, eine Stellung, die mein Vetter Daru mir verschafft hatte, um mich dem Laster zu entreißen, wie es damals bei meiner Familie hieß. Mein Einsiedlerleben in der Rue d'Angiviller hatte nämlich damit geendet, daß ich ein Jahr lang in Marseille mit einer reizenden Schauspielerin lebte,Melanie Guilbert. die eine hohe Seele besaß, und der ich nie einen Groschen gab. Das lag an der großartigen Vernunft meines Vaters, der mir monatlich nur 150 Franken zum Leben gab; außerdem wurde dieser Zuschuß im Jahre 1805 in Marseille sehr unregelmäßig gezahlt.
Doch ich schweife wieder ab. Im Oktober 1806, nach Jena, wurde ich dem Kriegskommissariat zugeteilt, eine Stellung, auf die die Soldaten herabsahen. Am 3. August 1810 wurde ich Auditor im Staatsrat und kurz darauf Generalinspekteur der kaiserlichen Mobilien. Ich stand in Gunst, zwar nicht bei meinem Herrn und Meister, denn Napoleon sprach mit Narren meines Schlages nicht, wohl aber bei dem besten aller Menschen, dem Herzog von Friaul (Duroc). Doch ich komme wieder ab.