Stendhal (Henri Beyle)
Essays
Stendhal (Henri Beyle)

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Die Sprache der Musik.

Die Musik vermag nicht schnell zu reden; sie kann die flüchtigsten Schattierungen der Leidenschaften schildern, Schattierungen, die der Feder der größten Schriftsteller entgehen; ja, man kann sagen, daß ihr Reich das reich der Worte beginnt und beschließt; aber sie ist unfähig, was sie schildert, nur zur Hälfte darzustellen. In dieser Beziehung ist sie ebenso im Nachteil wie die Plastik, wenn sie sich mit ihrer Schwester, der Malerei, messen will. Die meisten Gegenstände, die uns im wirklichen Leben auffallen, sind der Plastik versagt, weil sie nicht imstande ist, halb zu schildern. Ein berühmter Krieger, unter seiner Rüstung verborgen, steht, vom Pinsel eines Paul Veronese oder Rubens gemalt prächtig aus; nichts aber wird lächerlicher und plumper unter dem Meißel eines Bildhauers. Man sehe die Statue Heinrichs des Vierten im Hofe des Louvre.

Wenn ein Narr einen pomphaften und prahlerischen Bericht von einem erdichteten Kampfe, in dem er sich mit Ruhm bedeckt haben will, gibt, so schildert uns der Gesang treuherzig seine Stärke, aber die Begleitung macht sich über ihn lustig. Cimarosa hat diesen Stoff wohl zwanzigmal meisterhaft behandelt.

Die Melodie vermag also nicht, unsere Einbildungskraft auf irgend eine Schattierung der Leidenschaft nur halb zu richten; das ist ein Vorteil, der der Harmonie vorbehalten ist. Allein auch die Harmonie kann nur schnelle und flüchtige Schattierungen schildern; bemächtigt sie sich zu lange unserer Aufmerksamkeit, so tötet sie den Gesang, wie das an manchen Stellen bei Mozart der Fall ist; andrerseits, wenn sie Hauptpartie wird, so kann sie nicht zur Hälfte schildern.

Das ist auch der Grund, warum die Musik so wenig geeignet ist, die Freuden der Eitelkeit und alle die kleinen Mystifikationen wiederzugeben, die seit zehn Jahren die Pariser Theater mit einer Menge äußerst pikanter Stücke überflutet haben, die man nicht mehr als dreimal anzusehen vermag. Die Freuden der Eitelkeit gründen sich auf eine lebhafte und flüchtige Vergleichung seiner selbst mit anderen Leuten. Andere Leute sind immer dazu nötig; aber gerade das ist allein hinreichend, die Phantasie zu lähmen, deren mächtige Schwingen sich in der Einsamkeit und bei völliger Vergessenheit anderer Leute entfalten. Eine Kunst, die nur durch Einbildungskraft wirkt, darf sich also nicht einfallen lassen, die Eitelkeit zu schildern.


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