Stendhal (Henri Beyle)
Essays
Stendhal (Henri Beyle)

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Cimabue

Cimabue wurde in Florenz um 1240 geboren. Wahrscheinlich waren seine Lehrer byzantinische Maler. Sein Genie vermochte diese erste Anleitung zu überwinden und wagte es, bei der Natur in die Schule zu gehen. Bereits eins seiner Erstlingswerke, die heilige Cäcilia in der Kirche San Stefano zu Florenz, zeigt den Keim seiner Begabung, die sich später in den Fresken zu Assisi glänzend betätigen sollte.

Das große Ereignis seines Lebens war die Madonna mit den Engeln, die noch heute in der Kapelle Rucellaì der San Maria Novella zu sehen ist. Das Volk war von diesen Kolossalgestalten, den ersten die es sah, so überwältigt, daß man das Bild aus der Werkstätte des Malers mit Trompetenschall und wehenden Bannern, unter Freudengeschrei und ungeheurem Andrang in die Kirche trug.

Man kann diesen ältesten Maler kaum mehr loben, als wenn man auf die Mängel hinweist, die er nicht hat. Seine Zeichnung zeigt weniger Anhäufungen von geraden Linien, als die seiner Vorgänger; die Gewänder werfen Falten, man erkennt eine gewisse Geschicklichkeit in seiner Art, die Figuren anzuordnen, und bisweilen einen erstaunlichen Ausdruck. Aber man muß gestehen, daß ihn sein Talent nicht zum Anmutigen befähigte. Seinen Madonnen mangelt es an Schönheit und seine Engel tragen in ein und demselben Bilde fast alle die gleichen Züge. Streng wie das Jahrhundert, in dem er lebte, gelangen ihm am besten die Charakterköpfe, besonders die Köpfe von Greisen. Er verstand die Willenskraft und die Fülle hoher Gedanken in ihren Zügen zu kennzeichnen. In dieser Hinsicht haben ihn die Modernen nicht um so viel übertroffen, wie man zunächst meinen sollte. Mit einer kühnen und fruchtbaren Phantasie wagte er sich als erster an Stoffe heran, die eine große Anzahl von Figuren erfordern, und zeichnete diese Figuren in riesenhaften Verhältnissen.

Die beiden großen Madonnen, die sich die Neugierigen in Florenz anzusehen pflegen, die eine bei den Domenikanern, die andere in der Akademie, mit ihren Prophetengestalten, die einem wirklich wie Diener des Allerhöchsten erscheinen, geben von seinem Genie keinen so vollständigen Begriff, wie die Fresken in der Kirche zu Assisi.

Da erscheint er für sein Jahrhundert bewunderungswürdig. Die Gestalten des Jesus und der Maria oben im Gewölbefeld haben allerdings noch etwas von der byzantinischen Manier, aber die Evangelisten und die Kirchenväter, die auf Stühlen sitzend den Franziskanermönchen die Mysterien des Glaubens auslegen, zeigen eine Originalität des Stils und eine Kunst in ihrer Harmonie, daß sie eine große Wirkung, wie sie bis dahin niemand erreicht hatte, haben. Die Farbe ist kräftig, die Proportionen sind wegen der großen Ferne, in die die Figuren gesetzt sind, riesenhaft und doch haben sie nirgends Fehler in den Verhältnissen aus Schwäche: mit einem Worte, die Malerei wagte zum ersten Male etwas zu versuchen, was bis dahin lediglich in das Gebiet der Mosaik gehört hatte. Cimabue starb kurz nach 1300. Er war Baumeister und Maler gewesen. Man zeigt sein Bildnis in der Cappella degli Spagnuoli des Klosters San Maria Novella.

Alles was man über seinen Charakter weiß, ist, daß er einen seltsamen Hochmut hatte. Wenn er an einem seiner Werke, mochte es noch so fortgeschritten sein, einen Fehler entdeckte, ließ er für immer von ihm ab. Die Geschichte seines Ruhmes liegt in jenen drei Versen Dantes:

Credette Cimabue nella pittura
Tener lo campo, ed ora ha Giotto il grido,
Si, che la fama di colui oscura.


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