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Tippu-Tib. – Major E. M. Barttelot. – J. S. Jameson. – Herbert Ward. – Troup und Bonny. – Major Barttelot's Bericht über die Ereignisse bei der Nachhut. – Unterhaltung mit Herrn Bonny. – Aus der schriftlichen Erzählung Bonny's hervorgehende Thatsachen. – Ward wird in Bangala aufgehalten. – Wiederholte Besuche des Majors an den Stanley-Fällen. – Ermordung des Majors Barttelot. – Bonny's Bericht über den Mord. – Bestrafung des Mörders Sanga. – Jameson stirbt auf der Station Bangala am Fieber. – Zusammentreffen der Vorhut mit der Nachhut. – Schrecklicher Zustand des Lagers. – Tippu-Tib und Major Barttelot. – Jameson. – Der Bericht Herbert Ward's.
Die wichtigsten Charaktere der nachfolgenden Schilderung sind:
1) Tippu-Tib, alias Scheich Hamed ben Mohammed, ein Eingeborener der ostafrikanischen Küste von arabischer Abkunft. Er hat Tausende von Leuten unter seinem Befehl, ist ein berühmter Sklavenhändler und besitzt die Leidenschaft, seine Eroberungen und seinen Elfenbein- und Sklavenhandel immer weiter auszudehnen. Während er einen Krieg gegen einen kürzlich in Afrika geschaffenen und noch in seiner Kindheit befindlichen Staat plante, ließ er sich zu einem Friedensvertrag überreden, demzufolge er seine verheerenden Raubzüge innerhalb gewisser Grenzen beschränken und schließlich 600 Träger den Diensten der Expedition leihen sollte, welche zur Befreiung eines von vielen Feinden am Nordende des Albert-Njansa belagerten würdigen Gouverneurs bestimmt ist.
Während er den Offizieren der Expedition den allerbesten Willen zeigt und ihnen willig Gastfreundschaft und zahlreiche kleine Gefälligkeiten erweist, versucht er die Ausführung der Bestimmungen seines feierlichen Contracts zu verzögern, und es vergehen Monate, bis er sich daran macht, die erforderlichen Schritte zur Erfüllung seiner Pflichten zu thun. Schließlich, als die Offiziere ihn durch beständiges, hartnäckiges Bitten reizen, macht er eine Reise von über 1000 km, sammelt die Träger und übergibt sie nach elfmonatlichem systematischen Zögern seinen weißen Freunden. Allein einige Wochen später tritt eine Katastrophe ein: einer der Führer dieser Träger, Sanga, richtet sein Gewehr auf den den Befehl führenden höchsten Offizier und erschießt ihn.
2) Major Edmund Musgrave Barttelot, ein hochherziger, freimüthiger, ritterlicher junger englischer Offizier, der sich in Afghanistan und am sudanesischen Nil durch Tapferkeit und Pflichterfüllung ausgezeichnet hat. Sein Rang und seine frühere Erfahrung im Commando über Mannschaften berechtigen ihn zur Ernennung zum Befehlshaber der Nachhut. Er ist angewiesen, bis zur Ankunft eines gewissen Contingents von Trägern unter dem Befehl von drei Subalternoffizieren, den Herren Ward, Troup und Bonny, in Jambuja zu bleiben. Wenn Tippu-Tib vor oder an dem bestimmten Tage eintrifft, soll er keine Zeit verlieren und der Route der Vorhut folgen, welche ihm etwa sieben Wochen voraus ist. Ist Tippu-Tib zu der Zeit, wenn das Contingent aus Bolobo Jambuja erreicht, noch nicht eingetroffen, so soll er mit seiner eigenen Truppe von etwa 210 Trägern auf kleinen Strecken sich langsam vorwärts bewegen und wiederholte Märsche rückwärts und vorwärts von einem Lager zum andern machen, bis alle wichtigen Dinge befördert sind. Es bleibt seinem Ermessen überlassen, welcher Gegenstände er sich entledigen will, um freier marschiren zu können; die Artikel, welche fortgeworfen werden können, sind ihm genannt. Er erklärt die Instructionen für klar und verständlich; er versichert, daß er nicht länger als bis zur Ankunft der Bolobo-Leute in Jambuja warten wird, und gibt uns allen die Ueberzeugung, daß er ein Mann von Energie, Entschlossenheit und Thatkraft ist, und daß wir bezüglich des Verhaltens der Nachhut nicht in Sorge zu sein brauchen. Jeder Brief und jeder Bericht von ihm lassen erkennen, daß er von der äußersten Loyalität und Bereitwilligkeit beseelt zu sein scheint.
3) Ein junger Civilist Namens James Sligo Jameson, ein reicher Herr mit einer Leidenschaft für naturwissenschaftliche Studien, der anscheinend eine brüderliche Zuneigung zu seinem Freunde, dem Major, hegt und zum Zweitcommandirenden der Nachhut ernannt wird. Von ihm wird gesagt, »seine Behendigkeit, Tüchtigkeit und Bereitwilligkeit bei der Arbeit sind unbegrenzt«; was sein Freund der Major vorschlägt, wird von Herrn Jameson bereitwillig genehmigt; er beansprucht Erfahrung und Urtheilskraft infolge seiner frühern abenteuerlichen Reisen im Lande der Maschona und Matebele. Kaum vier Wochen nach der Ermordung seines Freundes stirbt er, durch Fieber und Schwierigkeiten vollständig aufgerieben.
Schließlich kommen drei dem Stabe des Majors zugetheilte junge Engländer, von denen zwei, die Herren Herbert Ward und Troup, dem Befehlshaber und dem Nächstcommandirenden bei der Erörterung eines jeden wichtigen Schrittes Beistand leisten sollen; es kann kein wichtiger Entschluß gefaßt werden, wenn nicht vorher eine Berathung dieser vier Männer berufen ist, um denselben und seine Tragweite für das Unternehmen zu erörtern, zu welchem sie am Rande der unbekannten Waldregion versammelt sind. Sie sind daher alle an den Folgen eines jeden Beschlusses und an jedem durch letztern bedingten Schritt betheiligt. Sie sind keine Knaben, welche eben aus der Schule gekommen und kürzlich aus der Aufsicht der Aeltern entlassen worden sind, sondern reife, gereiste Männer. Herr Herbert Ward hat in Borneo, Neuseeland und im Kongogebiet Dienste gethan; er ist klug, intelligent und tüchtig. Herr John Rose Troup hat ebenfalls unter meinem Befehl im Kongostaate gedient und wird in meiner Schilderung der Gründung des letztem als ein fleißiger, eifriger Offizier erwähnt. Herr William Bonny hat in den Feldzügen gegen die Zulus und am Nil Dienste gethan, jahrelang in Südamerika gelebt und scheint ein ernster und gut beobachtender Mann zu sein.
Hier liegt ein unerklärliches Geheimniß vor. Wir haben uns mit den wärmsten gegenseitigen Gefühlen und sogar gegenseitiger Zuneigung von ihnen getrennt, wir haben einander das Wort gegeben. »Fürchtet nichts«, sagten sie; »wir werden freudig und loyal arbeiten und vorwärts streben.« Wir glauben ihnen und verpflichten uns durch Handschlag gegenseitig.
Als wir von der Aufsuchung Emin Pascha's zurückkehren, erfahren wir aus dem eigenen Berichte des Majors Barttelot (vgl. Anhang) folgende überraschende Thatsachen:
1) »Es sind stets Gerüchte im Umlauf, die aber bezüglich des Herrn Stanley selten richtig sind. Nach meiner besten Ueberzeugung ist er nicht todt. Ich bin gezwungen gewesen, die Kisten des Herrn Stanley zu öffnen, da ich nicht alle seine Sachen tragen lassen kann.«
Er schickt alle meine Kleidungsstücke, Skizzen und Karten, die Reservevorräthe der Expedition an Arzneien, Chemikalien zum Photographien und Reservenegativplatten, die Extrafedern für die Winchester- und Remingtongewehre, wichtige Theile der Zelte und meine ganze Proviantausrüstung zurück nach Bangala. Er versetzt mich in den Zustand völliger Nacktheit, und ich bin so arm, daß ich gezwungen bin, mir ein Paar Beinkleider von Herrn Bonny zu leihen, ein zweites aus einer alten weißen wollenen Decke im Besitz eines Deserteurs und ein drittes Paar aus dem Vorhang meines Zeltes zu schneiden. Allein die Herren Jameson, Troup und Ward sind anwesend, ertheilen ihre Zustimmung und helfen; die beiden Letztgenannten bekommen ihr Gehalt, es wird ihnen, als sie ihre Abrechnungen vorlegen, kein Pfennig abgezogen, und sie erhalten außerdem noch eine liberale Extravergütung, indem man ihnen eine Ueberfahrt erster Klasse nach Hause gewährt.
2) »Es sind noch vier weitere Sudanesen und 29 Sansibariten da, welche nicht im Stande sind, den Marsch mit uns anzutreten.«
»Es sind ihm (Herrn Stanley) auch zwei Kisten mit Madeirawein gesandt worden. Die eine Kiste schicke ich zurück« – d. h. den Kongo hinab. Ferner macht er eine ausgewählte Sammlung von eingemachten Früchten, Sardinen, Heringen, Weizenmehl, Sago, Tapioca, Arrowroot u. s. w. zurecht und verladet dieselbe mit dem Dampfer, welcher Herrn Troup heimträgt. Und doch gibt es 33 Sterbende im Lager. Es ist anzunehmen, daß die übrigen Herren auch in diesem Punkte ihre Zustimmung gegeben haben.
3) »Ich werde weiter gehen bis nach Wadelai und von Emin Pascha, falls er noch dort sein sollte, in Erfahrung bringen, ob er Nachrichten von Herrn Stanley hat, sowie auch hinsichtlich seiner eigenen Absichten über Bleiben oder Gehen. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß wir die eifrigsten Anstrengungen aufwenden werden, um die Aufsuchung, die wir zu unternehmen im Begriff stehen, zu einer erfolgreichen zu machen. Vielleicht braucht er Munition, um mit eigener Hülfe fortzukommen, in welchem Falle ich wahrscheinlich im Stande sein würde, ihn zu versorgen.«
Am 14. August hat Herr John Rose Troup dem Major Barttelot 129 Kisten Remingtonpatronen überliefert zu den 29, welche ich in Jambuja zurückgelassen hatte. Diese 158 Kisten enthalten 80 000 Patronen. Am 9. Juni (vgl. den Bericht Barttelot's) ist dieser Vorrath bis auf 35 580 Patronen zusammengeschmolzen, obwol kein Marsch, kein Kampf stattgefunden hat. Er hat während eines elfmonatlichen Lagerlebens in unbegreiflicher Weise abgenommen und es ist bei der Nachhut nur noch so viel Munition vorhanden, daß die Truppen Emin Pascha's kaum 50 Patronen für jedes in ihrem Besitz befindliche Gewehr erhalten können. Die Hälfte des Schießpulvers und mehr als zwei Drittel der Stoffballen sind verschwunden. Obwol in Jambuja ursprünglich ein Vorrath von 300 000 Zündhütchen vorhanden war, hielt man es doch für nothwendig, solche für 48 Pfd. St. von Tippu-Tib zu kaufen.
4) »Die Lasten, welche wir nicht mitnehmen, sollen nach Bangala geschickt werden. Sie werden am 8. Juni (1888) mit den Dampfern verladen werden, wofür Herr van Kerckhoven eine Empfangsbescheinigung gibt, die Ihnen zugesandt werden wird, zugleich mit dem Instructionsschreiben für ihn und Herrn Ward. Vielleicht würden Sie die Güte haben, die bezüglichen Ordres für den Transport der Lasten und der angekauften beiden Kanoes durch Herrn Ward zu ertheilen, da es beinahe gewiß ist, daß ich nicht auf diesem Wege zurückkehren werde und deshalb keinen weitern Bedarf für sie oder ihn habe.« (Siehe den Bericht Barttelot's im Anhang.)
Herr Ward ist den Fluß hinabgesandt worden, um wegen Instructionen an das Comité zu telegraphiren, und man meinte, daß er diese Instructionen selbst von der Küste mitbringen werde. Hier sagt der Major uns nun, daß er keinen weitern Bedarf für ihn hat. Er hat auch an Kapitän van Kerckhoven in Bangala geschrieben, Ward nicht zu gestatten, über Bangala hinaus flußaufwärts zu fahren. In dem letzten Absatze des Briefes, den Herrn Jameson an Herrn Bonny geschrieben, finde ich einen Hinweis auf diese Veränderung.
5) Die Nachhut bestand, als wir am 28. Juni 1887 von Jambuja aufbrachen, aus 271 Gemeinen.
Im Oktober 1887 hatte diese Truppe nach einem Briefe des Majors bis aus 246 Mann abgenommen.
Am 4. Juni 1888, während die Nachhut noch immer in demselben Lager liegt, hat sie sich auf 135 Gemeine verringert. (Vgl. den Bericht des Majors.)
Am 17. August 1888 verlange ich von Herrn William Bonny, der zu dieser Zeit allein den Befehl führt, einen officiellen Bericht über die Zahl der bei der Nachhut noch übriggebliebenen Leute, und er überreicht mir die folgende Zusammenstellung:
Liste der von Herrn Stanley in Bolobo und Jambuja zurückgelassenen Sansibariten, mit Einschluß von 11 aufgefundenen Deserteuren der Vorhut:
6) Der Dampfer »Stanley« traf am 14. August, nur wenige Tage vor dem im Instructionsschreiben erwähnten Datum, in Jambuja ein; am 17. geht der Dampfer nach seiner Station in Leopoldville und schneidet damit jede Verbindung mit der Expedition ab. Die Beamten des Kongostaates haben dem von ihrem Souverän gegebenen Versprechen gemäß loyal gehandelt. Die Nachhut hat also nur noch zusammenzupacken und langsam, aber stetig auf unserer Route zu folgen, da Tippu-Tib nicht eingetroffen ist und, wie man vorausgesehen und es sich bestätigt hat, nicht kommen wird.
Ich wende mich an Herrn Bonny und frage: »Hatten Sie nicht sämmtlich den dringenden Wunsch, ans Werk zu gehen?«
»Ja, mein Herr.«
»Waren Sie nicht begierig, von Jambuja fortzukommen?«
»Ja, mein Herr.«
»Hegten Sie nicht sämmtlich auch den Wunsch, auf dem Marsche zu sein?«
»Ich glaube wol. Ja, mein Herr.«
»Nun, Herr Bonny, wenn es wahr ist, daß Sie alle so begierig waren und eifrig und dringend wünschten, fortzukommen, dann sagen Sie mir, weshalb Sie nicht auf einen bessern Plan verfallen sind, als zwischen Jambuja und den Stanley-Fällen hin- und herzureisen?«
»Das weiß ich wahrlich nicht. Ich war nicht Chef, und wie Sie bemerken werden, haben Sie in dem Instructionsschreiben nicht einmal meinen Namen genannt.«
»Das ist sehr wahr, und ich bitte deshalb um Entschuldigung. Aber Sie haben sicherlich nicht stillgeschwiegen, weil ich es unterließ, Ihren Namen zu nennen, nicht wahr? Sie als Gehalt beziehender Offizier der Expedition?«
»Nein, mein Herr. Ich habe oft gesprochen.«
»Die andern auch?«
»Das weiß ich nicht, mein Herr.«
Ich habe nie eine weitere Aufklärung erhalten können, obwol diese Angelegenheit in Mußestunden das beständige Thema unserer Unterhaltung war.
Als wir uns ein Jahr später in Usambiro, im Süden des Victoria-Njansa, befanden, bekam ich einen Zeitungsausschnitt, welcher die Abschrift eines Briefes des Majors Barttelot vom October 1887 enthielt. In dem Schreiben kam der Passus vor: »Wir werden gezwungen sein, bis zum November hier zu bleiben.« Ich weiß aber, daß sie der Meinung waren, sie müßten bis zum 11. Juni 1888 bleiben. Ich wende mich jetzt zu dem Briefe des Majors Barttelot vom 4. Juni 1888 (vgl. Anhang), in welchem er sagt: »Ich halte es für meine dringende Pflicht, dieses Werk fortzusetzen, und werde in meiner Ansicht von den Herren Jameson und Bonny vollständig unterstützt; hier noch länger zu warten, würde sowol nutzlos wie strafbar sein, da Tippu-Tib nicht die entfernteste Absicht hat, uns noch weiter zu helfen, und uns zurückzuziehen würde feige sein und, wie ich überzeugt bin, vollständig im Widerspruch mit Ihren und den Wünschen des Comité stehen.«
Ich sehe nun mein Instructionsschreiben durch und finde in Absatz 10:
»Vielleicht hat Tippu-Tib auch nur einige Leute geschickt, aber nicht genug, sodaß Sie die Waaren mit Ihrer eigenen Truppe tragen müssen. In diesem Falle muß es natürlich Ihnen überlassen bleiben, welche Waaren Sie entbehren können, um im Stande zu sein, den Marsch anzutreten.«
Absatz 11: »Sollten Sie dennoch nicht marschiren können, dann würde es besser sein, täglich zweimal Märsche von etwa 10 km zu machen, als allzu viel Gegenstände fortzuwerfen, falls Sie es vorziehen sollten zu marschiren, anstatt auf unsere Ankunft zu warten.« (Vgl. das Instructionsschreiben in einem frühern Kapitel.)
In Usambiro empfing ich auch die Antwort, welche das Comité als Erwiderung auf das von Herrn Ward von San Paolo de Loanda abgesandte Telegramm des Majors Barttelot abgeschickt hat, in welchem dieser bat, ihm telegraphisch Rath und Ansicht mitzutheilen.
Major Barttelot, Adresse Ward, Kongo.
Comité verweist Sie auf Stanley's Befehle vom 24. Juni. Wenn Sie gemäß diesen Ordres noch immer nicht marschiren können, dann bleiben Sie, wo Sie sind, und warten Sie auf Stanley's Ankunft oder bis Sie weitere Instructionen von ihm erhalten.
Ein mehr als 10 000 km entfernt weilendes Comité vermag sofort in den Sinn der Instructionen einzudringen, dagegen scheint eine Commission von fünf Offizieren in Jambuja sie nicht zu verstehen, obwol sie unter der klaren Bedingung aufgesetzt waren, daß jeder Offizier die Vorwärtsbewegung und active Beschäftigung dem unthätigen Leben und müßigen Warten in Jambuja vorziehen würde.
Herr William Bonny, dessen Befähigung zur Uebernahme ernstlicher Verantwortlichkeiten mir nicht bekannt ist, wird in dem Instructionsschreiben nicht erwähnt.
Bei der Rückkehr nach Banalja übergibt Herr Bonny mir folgenden schriftlichen Befehl des Majors Barttelot:
Lager bei Jambuja, 22. April 1888.
Geehrter Herr! Im Falle meines Todes, meiner Verhinderung durch Araber oder meiner Abwesenheit von Jambuja aus irgendeinem Grunde werden Sie den Befehl über die Sudanesen- und die Sansibaritencompagnie sowie die Aufsicht über die Vorräthe übernehmen und in dem Gebäude schlafen, wo letztere untergebracht sind. Alle Befehle an die Sansibariten, Somali und Sudanesen werden von Ihnen und nur an sie erlassen werden. Die Vertheilung der Stoffe, Matako (Messingstangen) u. s. w. sind Ihrem Ermessen überlassen, doch muß die Verwendung aller Arten Waaren soviel wie möglich eingeschränkt werden. Ihre ernstliche Sorge muß sein, Herrn Stanley Hülfe zu bringen, auf die Lasten und Leute zu achten und ein gutes Einvernehmen zwischen Ihnen und den Arabern aufrecht zu erhalten; alles und jeder, der sich zwischen Sie und diese Angelegenheiten zu drängen sucht, muß sofort beseitigt werden.
Ich habe die Ehre u. s. w.
Edmund M. Barttelot, Major.
Was bleibt aber für den treuen Jameson zu thun, »dessen Behendigkeit, Tüchtigkeit und Bereitwilligkeit bei der Arbeit unbegrenzt sind?« Wo ist der vielversprechende, intelligente und tüchtige Ward? Welche Stellung ist für den methodischen, geschäftsmäßigen und eifrigen Herrn John Rose Troup noch übrig? Herr Bonny ist plötzlich für den Fall eines Major Barttelot zustoßenden Unglücks zum Befehlshaber der Nachhut erhoben worden.
Anfänglich befürchtete ich, ich sei toll geworden. Wenn ich von allen Menschen allein den Versuch mache, diese unerklärlichen Widersprüche mit dem, was jeden einzelnen Offizier der Nachhut beseelte, in Einklang zu bringen, so finde ich, daß alle weisen Zeitungsschreiber in London anderer Ansicht sind als ich. In den wundervollen Eintragungen in die Tagebücher lese ich von edlem Eifer, unermüdlicher Arbeit, von Märschen und Gegenmärschen und einer unbegrenzten Geduld. In dem officiellen Bericht des Majors, in dem letzten traurigen Briefe des Herrn Jameson (vgl. Anhang) erkenne ich Aufrichtigkeit des Willens, unbeugsamen Entschluß, die wahre Fiber der Loyalität, unermüdliche Energie und Treue und eine Opferwilligkeit, welche sich über jede Berechnung der Kosten hinwegsetzt. Als ich alles aber miteinander verglich, kam ich zu der Ueberzeugung, daß die Offiziere in Jambuja offenbar gleichgültig gegen das Instructionsschreiben gewesen waren und ihre Versprechungen vergessen hatten, und als Herr Bonny mir erzählte, daß einer von ihnen in einer Versammlung an der Tafel aufgestanden sei und den Vorschlag gemacht habe, meine Instructionen als nicht bestehend zu erklären und in Zukunft die Pläne des Majors Barttelot auszuführen, da schien mir der mildeste Ausdruck, mit welchem ein solches Verfahren bezeichnet werden konnte, zu sein, daß sie gleichgültig gegen Vorschläge gewesen seien, welche ich ausschließlich nur niedergeschrieben hatte, um ihren wiederholten Wunsch »vorzudringen« zu befriedigen.
Aber was gäbe ich darum, wenn ich an jenem 17. August 1887, als die fünf Offiziere, endgültig getrennt und entfernt von jeder Berührung mit der Civilisation, versammelt waren, um darüber zu berathen, was sie thun sollten, nur eine Stunde hätte anwesend sein können, um ihnen zu sagen, daß
Seelenfreude liegt in Thaten,
Und daß sie uns wohlgerathen
Ist der Preis.
und sie daran zu erinnern, daß
Der Pfad der Pflicht zugleich der Weg zum Ruhme.
Was! Ihre Hunderte von Lasten zählen! Was heißt das? Geben Sie Acht, es ist einfach so: Heute sind hier 200 Träger und 500 Lasten vorhanden und das nächste Dorf ist 15 km von hier entfernt. In 6 Tagen haben Ihre 200 Leute diese 500 Lasten 15 km weit befördert, nach 4 Monaten sind Sie 225 km weit ins Land hinein. Nach 8 Monaten befinden Sie sich dem Njansa um 450 km näher, doch haben Sie schon lange vorher Ihre Arbeit dadurch erleichtert, daß Sie Ihre Lasten mit Kanoes befördern; Sie werden schon im October, dem zweiten Monat Ihrer Arbeit, alles von der Vorhut gehört haben, können für Pulver und Gewehre Ugarrowwa veranlassen, daß er Sie mit seiner Flotille unterstützt, und werden um die Zeit, wenn die Vorhut von Fort Bodo aufbricht, um Sie aufzusuchen, wohlbehalten in der Niederlassung Ugarrowwa's sein und schon lange vorher die Boten getroffen haben, welche mit der Routenkarte nebst genauer Information von dem, was vor Ihnen liegt und, wo Lebensmittel zu bekommen sind, unterwegs sind; jeder einzige von Ihnen wird gesünder und wohler sein, und Sie werden die Genugthuung, eine sogar noch größere Aufgabe als die Vorhut verrichtet zu haben, und die gewünschte Anerkennung gefunden haben. Je größer die Arbeit, um so größer auch die Freude, sie zu verrichten. Das von ganzem Herzen kommende Streben und Kämpfen mit Schwierigkeiten, das Erfassen des Ungethüms mit festem Griff, klarem Kopf und ruhiger Entschlossenheit, das Ziehen, Abmühen und Ringen mit demselben, heute, morgen und jeden Tag, bis man zu Ende ist – das ist das soldatische Glaubensbekenntniß des Vorwärts, immer Vorwärts, die Ueberzeugung des Mannes, daß er zu diesem Werke geboren sei. Denken Sie nicht an die Arbeit des morgigen Tages, sondern nur an das, was Sie heute zu thun haben, und machen Sie sich ans Werk. Wenn es vorbei ist, können Sie sanft ruhen und wohl schlafen.
Allein ich konnte nicht anwesend sein; ich mußte mich nur auf ihr Versprechen verlassen, daß sie ihr Vertrauen zu Tippu-Tib bis zur Concentrirung der sämmtlichen zur Nachhut gehörenden Offiziere und Mannschaften einschränken wollten, und dafür sorgen, daß die Kennzeichnung der Bäume, die Anbringung der den Weg anzeigenden breiten Pfeile gut ausgeführt würde zu ihrer sichern Führung durch den fast endlosen Wald, von der einen Seite bis zum entferntesten Rande auf der andern. Aber in dem seltsamen Verlangen, zu erfahren, weshalb Barttelot, der auf Arbeit so versessen, Jameson, der so ernst war und für das Privilegium, bei uns zu sein, 1000 Pfd. St. bezahlt hatte, Ward, den ich für den zukünftigen Clive Afrikas hielt, Troup, der wegen seines Fleißes so berühmt, und Bonny, der so beständig und gehorsam war, so unbedacht gehandelt haben, daß sie vollständig verhindert waren, ebenso viel wie ich oder ein anderer von uns zu thun – kommt mir doch die Ueberzeugung, daß ein übernatürlicher böswilliger Einfluß oder Factor in Thätigkeit gewesen ist, um jede ernste Absicht zu durchkreuzen.
Einige Beispiele werden dazu dienen, diese Ueberzeugung noch zu verstärken. Ich gebe offen und von Herzen zu, daß die fünf Offiziere vor Begier brannten, Jambuja zu verlassen und bei der Ausführung des eigenartigen Unternehmens, wegen dessen sie so viel Behaglichkeit geopfert hatten, bis zum glücklichen Ende Beistand zu leisten. Sie sind aber vollkommen außer Stande, sich vorwärts zu bewegen, so viele Versuche sie auch machen. Sie meinen, daß ich am Leben bin, und geloben, eine eifrige Nachforschung nach mir anzustellen, versetzen mich aber in den Zustand der Nacktheit. Sie sind entschlossen, zur Aufsuchung und Rettung Emin Pascha's aufzubrechen, weil es feig wäre, sich zurückzuziehen, und strafbar, noch länger zu bleiben, und dennoch trennen sie sich von der nothwendigen Munition, welche sie ihm zuzuführen wünschen. Sie gestehen zu, daß im Lager von Jambuja 33 Kranke und zum Marsch Untaugliche sind, und dennoch verpacken sie gerade die Vorräthe, Arzneien und Weine, welche die Leute hätten retten können, in Kisten und schicken sie nach Bangala, nachdem sie sich erst eine Empfangsbescheinigung darüber haben ausstellen lassen. Sie haben sämmtlich eine Vereinbarung unterzeichnet, wonach jeder Offizier einen gewissen Antheil an allen europäischen Conserven, geradezu Leckerbissen, haben soll, und dann weigern sie sich, sie zu essen oder an die Kranken zu geben, sondern schicken sie aus dem Hungergebiete des Waldes nach der Station Bangala. Herr Bonny drückt, wie ich erfahre, kein Bedauern aus und gibt seiner abweichenden Meinung keinen hörbaren Ausdruck, als die Sachen fortgehen. Aus reiner Gewöhnung an die Disciplin unterläßt er es, den ihm zukommenden Antheil zu fordern, und wie ein guter Engländer, aber sehr schlechter Demokrat gibt er ohne Murren sein ihm unveräußerlich zustehendes Recht auf. Sie suchen nach Manjema-Sklaven und Kannibalen aus den Bakusu- und Basongora-Stämmen, um ihre todten Sansibariten, Sudanesen, Somali und Syrier zu ersetzen, und einige Wochen, nachdem sie diese Kannibalen bekommen haben, ermordet einer von den Häuptlingen derselben den englischen Befehlshaber. Ebenfalls an einem unglücklichen Tage, unglücklich, weil jener Entschluß, zu warten, ihr Schicksal besiegelte, arbeitete ein Offizier der Vorhut in der Begleitung von 300 verzweifelten Männern sich durch ein undurchdringliches Dickicht; um ein Jahr später erzählt an demselben unglücklichen Tage Herr Bonny, der einzige Ueberlebende der Gesellschaft von Engländern, eine schreckliche Geschichte von Tod und Unglück, während zur selben Stunde der arme Jameson, ermattet und aufgerieben von den vergeblichen Kämpfen, um »vorzudringen«, in Bangala, 800 km westlich von mir, den letzten Athemzug aushaucht, und einen Tag später, 960 km östlich von mir, Emin Pascha und Herr Jephson den rebellischen Soldaten von Aequatoria in die Hände fallen.
Alles das kann ganz toll machen, wenn man daran denkt. Es ist eine übernatürliche Teufelei in Thätigkeit, welche die sterblichen Menschen an Auffassungsvermögen und Kenntnissen übertrifft.
Zu allen den Unglücksfällen reift in diesen dunkeln Schatten der Nachbarschaft der Stanley-Fälle und am Lauf des Oberkongo noch eine ungeheuere Ernte von Lügen heran, welche Zeugniß von maßloser Schlauheit und unersättlichem Durst nach Schrecknissen ablegen. Ein Lieblingsthema scheint meine eigene Ermordung zu sein; eine Recognoscirungsabtheilung soll ganze Mengen menschlicher Gebeine gefunden, man will menschliche Gliedmaßen in Kochtöpfen entdeckt haben, und Kunstdilettanten sollen Skizzen gezeichnet haben, wie ganze Familien sich an kannibalischen Mahlzeiten ergötzen. Es wird mehr als angedeutet, daß Engländer an Raubzügen, Mord und Kannibalismus betheiligt sind, daß sie Eingeborene, welche über den Aruwimi schwammen, als Scheiben benutzt haben, und alles das nur, um unter der ruhigen englischen Bevölkerung Schrecken, Sorge und Kummer zu verbreiten und unsere Freunde in der Heimat zu quälen.
Die Vermittler, welche diese dunkle Macht sich zur Verbreitung dieser schändlichen Fabeln erwählt, sind ebenso mannichfach bezüglich ihres Berufes wie hinsichtlich ihrer Nationalität. Den einen Tag ist es ein Deserteur, am nächsten ein Maschinist von einem Dampfer; bald ist es ein Sklavenhändler oder Sklave, bald ein argloser Missionar, der eine Thätigkeit sucht, ein entlassener Syrier, ein junger Künstler von krankhaftem Geschmack oder ein Beamter des Kongo-Freistaates. Jedem kommt der Reihe nach der wahnsinnige Wunsch, etwas zu sagen oder zu schreiben, was den gesunden Menschenverstand überwältigt und über den gewöhnlichen Glauben hinausgeht.
Nachstehendes ist aus der officiellen schriftlichen Schilderung des Herrn Bonny gesammelt und nach Thatsachen in gehöriger Ordnung zusammengestellt.
Der Dampfer »Stanley« ist früh am Morgen des 17. August 1887 von Jambuja abgefahren. Die von demselben mitgebrachten Waaren sind im Magazin gelagert und, soweit ich sehen kann, befinden sich 266 Mann in dem befestigten Lager. Da die Offiziere sich versammelt haben sollen, um über die zukünftigen Schritte zu berathen, so kann man annehmen, daß das Instructionsschreiben verlesen, von ihnen aber nicht verstanden worden ist. Sie halten es für am klügsten, Tippu-Tib zu erwarten, der, wie man sich erinnern wird, dem Major Barttelot versprochen hatte, ihm innerhalb neun Tagen nachzukommen.
An diesem Tage hörten die Offiziere Schießen am jenseitigen Ufer des Flusses und beinahe gegenüber von Jambuja, und durch ihre Feldstecher erkennen sie, daß die Eingeborenen von weißgekleideten Männern, welche vom nördlichen oder rechten Ufer nach ihnen schießen, in den Fluß getrieben werden. In der Meinung, daß die Marodeure zu den Leuten Tippu-Tib's gehören müssen, beschließen sie, einen Offizier nebst einigen Leuten hinüberzuschicken und sie aufzufordern, die Belästigung der Eingeborenen, die schon lange freundlich gesinnt gewesen sind und Schutz genießen, einzustellen. Der Offizier setzt über den Fluß, findet ihr Lager und ladet ihren Häuptling Abdallah ein, den englischen Befehlshaber in Jambuja zu besuchen. Bei dieser Gelegenheit erfährt der Major, daß diese Marodeure wirklich zu Tippu-Tib gehören und die Stanley-Fälle über Land nur sechs Tagemärsche von Jambuja entfernt sind. Wahrscheinlich in der Meinung, daß Tippu-Tib sich trotz alledem überreden lassen werde, die Expedition zu unterstützen, sucht und erhält er Führer, um einige von seiner Truppe nach den Stanley-Fällen zu begleiten, damit dieselben in seinem Namen mit dem Häuptling sprechen und verhandeln, den wir von Sansibar nach den Stanley-Fällen befördert und welchem wir in Anbetracht der uns so heilig versprochenen Hülfe freie Rationen gegeben hatten.
Am 29. August kehrt Herr Ward von den Fällen zurück mit der Antwort Tippu-Tib's; er versprach, daß er die erforderlichen Träger sammeln und innerhalb zehn Tagen schicken wolle. Das erste im Juni gegebene Versprechen sagte »innerhalb neun Tagen«, das Versprechen im August lautete »innerhalb zehn Tagen«. Einige Tage später kommt Herr Jameson in Begleitung des Selim ben Mohammed, eines Neffen Tippu-Tib's, und einer großen Truppe von Manjema von den Stanley-Fällen zurück. Diese Truppe soll die Vorhut des Trägercontingents sein, das Tippu-Tib binnen kurzem persönlich mitbringen will.
Während man in Jambuja auf ihn wartet, brechen aber Unruhen am Lomami aus, und Tippu-Tib ist gezwungen, nach dem Schauplatz derselben zu eilen, um die Angelegenheit zu erledigen. Die Garnison in Jambuja wartet indessen Tag für Tag auf sein Erscheinen.
Unfähig, die Ungewißheit zu ertragen, unternimmt man den zweiten Besuch der Stanley-Fälle, und diesmal begibt sich Major Barttelot persönlich hin. Das ist am 1. October. Selim ben Mohammed und Herr Troup begleiten ihn. Auf dem Wege nach den Fällen begegnen sie Tippu-Tib, der auf dem Marsche nach Jambuja ist und sechs Deserteure von der Vorhut bei sich hat, welche je einen schweren Elefantenzahn schleppen. Der Major überweist die sechs Elefantenzähne gnädigst dem Araberhäuptling, und beide begeben sich, da ein Palaver stattfinden muß, nach den Stanley-Fällen.
Nach einem Monat kehrt der Major zu seinem Lager am Aruwimi zurück und berichtet, daß Tippu-Tib nicht im Stande sei, in der Gegend der Stanley-Fälle 600 Träger zusammenzubringen, und deshalb nach Kasongo, ungefähr 560 km oberhalb der Fälle, gehen müsse, und daß diese Reise von 1120 km, nach Kasongo und zurück, 42 Tage in Anspruch nehmen werde.
Inzwischen sind 20 von den eigenen Leuten des Majors außerhalb des Lagers beerdigt worden.
Der englische Befehlshaber erfährt, daß während seiner Abwesenheit ein Anführer der Manjema, Madjato, sich »schlimm« aufgeführt und thatsächlich die Eingeborenen, welche mit der Garnison Tauschhandel trieben, eingeschüchtert hat, entweder um die Soldaten und Sansibariten verhungern zu lassen oder um dadurch einen Nutzen zu erzielen, daß er bei dem Umtausch der Waaren gegen Producte als Vertreter oder Makler fungirte. Als der Major hiervon hört, wird er natürlich unwillig und schickt Herrn Ward hin, der nunmehr die dritte Reise nach den Fällen macht, um sich über das willkürliche Verfahren Madjato's zu beschweren. Die Beschwerde hat Erfolg und Madjato wird sofort entfernt.
Zu Beginn des Jahres 1888 trifft Selim ben Mohammed zum zweiten male in Jambuja ein und entwickelt bei der Durchsetzung gewisser Maßregeln gegen die Eingeborenen eine solche Thätigkeit, daß die Zufuhren zum Lager vollständig aufhören und nie wieder erneuert werden. Er beginnt auch mit dem Bau eines dauernden Lagers aus festen Lehmhütten etwa einen Pfeilschuß von den Palissaden von Jambuja entfernt und schließt das Fort auf der Landseite vollständig ein, als ob er die Vorbereitungen zu einer Belagerung des Platzes träfe.
Nach einem fruchtlosen Versuche, Selim mit dem Angebot einer Summe von 1000 Pfd. St. zu veranlassen, ein Contingent Manjema auf der Route der Vorhut auszuschicken, unternehmen Major Barttelot und Herr Jameson, ungefähr um die Mitte des Februar, den vierten Besuch der Stanley-Fälle. Selim, welcher ungünstige Berichte über sein Verfahren befürchtet, begleitet sie auf dem Wege, wo sie 200 Manjema treffen, die sie, weil sie keine geschriebenen Instructionen bei sich haben, auf der Suche nach Elfenbein im ganzen Lande umherziehen lassen.
Im März kehrt Selim nach Jambuja zurück und deutet den Offizieren an, daß die Träger schließlich erscheinen würden, aber nicht um der Route des Herrn Stanley zu folgen, sondern um über Udjidji und Unjoro vorzurücken; eine ganz nebelhafte Geographie!
Am 25. März kehrt Major Barttelot ins Lager zurück mit der Meldung, daß Herr Jameson, der unermüdliche Jameson, auf der Route Tippu-Tib's den Fluß hinaufgegangen ist, in der Absicht, Kasongo zu erreichen. Zugleich erklärt er seinen Plan, eine fliegende Colonne zu bilden, und läßt den größern Theil seiner Waaren bei den Stanley-Fällen unter der Obhut eines Offiziers! Gleichzeitig setzt er ein Telegramm an das Comité in London auf folgenden Inhalts:
San Paolo de Loanda, 1. Mai 1888.
Keine Nachrichten von Stanley seit meinem Schreiben vom vorigen October. Tippu-Tib ging am 16. November nach Kasongo, hatte uns aber bis zum März nur 250 Mann besorgt. Es werden mehr kommen, doch ist ihre Zahl ungewiß, und um vorsichtig zu sein, halte ich es, vorausgesetzt, daß Stanley in Schwierigkeiten ist, für absurd, mit einer geringern Schar aufzubrechen als er, da wir mehr Lasten, abzüglich des Maximgeschützes, tragen. Ich habe Jameson deshalb nach Kasongo gesandt, um Tippu-Tib bezüglich der ursprünglichen 600 Mann anzutreiben, soviel wie möglich Krieger, bis zu 400 Mann, zu bekommen und günstige Bedingungen bezüglich des Dienstes und Gehalts der Leute abzuschließen, für dessen Zahlung in Geld er und ich uns im Namen der Expedition verbürgen. Jameson wird etwa am 14. zurückkehren, doch wird der Aufbruch frühestens am 1. Juni stattfinden können, worauf ich dann einen Offizier mit allen nicht absolut nothwendigen Waaren an den Stanley-Fällen zurücklassen werde. Ward befördert diese Depesche; veranlassen Sie gefälligst den König der Belgier, daß er dem Verwalter des Kongostaates telegraphirt, mir Träger zur Verfügung zu stellen und Dampfer bereit zu halten, um ihn nach Jambuja zu befördern. Wenn ich vor seiner Ankunft Leute erhalte, werde ich ohne ihn aufbrechen. Er müßte ungefähr am 1. Juli zurück sein. Telegraphiren Sie mir Ihren Rath und Ihre Ansicht. Die Offiziere sind alle wohl. Ward wartet auf Antwort.
Barttelot.
Herr Ward begab sich den Kongo hinab und erreichte in so kurzer Zeit, wie noch nie zuvor vorgekommen war, die Seeküste, telegraphirte die Depesche ab, erhielt die nachstehende Antwort und trat dann die Rückreise den Kongo auswärts nach dem Lager bei Jambuja an.
Major Barttelot, Adresse Ward, Kongo.
Das Comité verweist Sie auf Stanley's Befehle vom 24. Juni 1887. Wenn Sie gemäß dieser Ordres noch nicht marschiren können, dann bleiben Sie, wo Sie sind, und warten auf Stanley's Ankunft oder bis Sie neue Instructionen von ihm erhalten. Das Comité ermächtigt Sie nicht zur Anwerbung von Kriegern. Von Emin Pascha sind über Sansibar Nachrichten aus Wadelai vom 2. November eingetroffen; er hatte damals noch nichts von Stanley gehört. Emin Pascha ist wohl und hat keinen unmittelbaren Mangel an Zufuhren; er geht nach dem Südwestende des Sees, um nach Stanley zu sehen. Briefe sind regelmäßig über die Ostküste befördert worden.
Vorsitzender des Comité.
Als Herr Ward in Bangala, eintrifft, wird er dort auf Befehl zurückgehalten.
Das Comité hat einen leichten Irrthum begangen, indem es meine Instructionsschreiben »Befehle« nennt. Die Instructionen sind nicht genau »Befehle«, sondern Andeutungen und Rathschläge, welche der Befehlshaber der Expedition dem Commandanten der Nachhut ertheilt und welche dieser nach eigenem Ermessen befolgen oder verwerfen kann. Major Barttelot hat den ungeduldigen Wunsch ausgesprochen, der Expedition active Dienste zu leisten; er erklärt, es sei sein höchster Wunsch, Jambuja zu verlassen und unserer Route zu folgen. Der Befehlshaber der Expedition, der große Sympathien für den ungestümen jungen Offizier hegt, schreibt eine Reihe von Vorschlägen auf, durch welche sein Wunsch in Erfüllung gehen kann, und gibt ihm auch Bleistiftnotizen (vgl. Anhang), in welcher Weise er das Vorrücken auf unserer Route einrichten kann. Der Major verspricht ernstlich, diese Vorschläge zu befolgen, und die Trennung zwischen ihm und mir geschieht auf Grund dieses Einverständnisses. Allein es sind keine positiven »Befehle«; wie die Grabschrift eines Menschen sich am besten erst nach seinem Tode schreiben läßt, so verleiht man dem Manne am besten auch eine Auszeichnung erst, wenn der Werth seiner Dienste festgestellt ist.
Gegen Ende März steht der Major mit Selim ben Mohammed auf schlechtem Fuße, wodurch er gezwungen ist, einen fünften Besuch au den Stanley-Fällen zu machen, damit jener entfernt werde.
Um die Mitte des Monats April kehrt Major Barttelot ins Lager zurück und Selim erhält den Befehl, Jambuja zu verlassen. Statt sich aber nach den Stanley-Fällen zu begeben, beabsichtigt er einen Raubzug gegen ein unterhalb Jambuja liegendes großes Dorf zu unternehmen; wenige Tage später erscheint er aber wieder und behauptet, er habe ein Gerücht vernommen, demzufolge die Vorhut auf den obern Gewässern des Aruwimi herabkomme.
Am 9. Mai 1888 begibt sich der Major zum sechsten mal nach den Stanley-Fällen und am 22. desselben Monats kehrt er mit dem unermüdlichen Jameson und einer großen Truppe von Manjema zurück. Drei Tage später trifft der zaudernde Tippu-Tib, welcher am 18. Juni 1887 gesagt hat, er würde innerhalb acht Tagen in Jambuja sein, und dann im August innerhalb zehn Tagen dort sein wollte, mit dem Dampfer » A. I. A.« ein. Auch der »Stanley« läuft ein, um Briefe für die Expedition zu überbringen.
Da Tippu-Tib darauf hindeutete, daß die Lasten im Gewicht von 60 Pfund für seine Leute zu schwer seien, waren die Offiziere gezwungen, sie, seinen Ansichten entsprechend, auf 40, 30 und 20 Pfund zu reduciren. Das war keine leichte Aufgabe, mußte aber geschehen. Wie Herr Bonny erzählt, erhielt Tippu-Tib als Vorausbezahlung 47 Ballen Stoffe, einen ungeheuern Vorrath von Schießpulver und fertiger Munition, während Muini Somai, der Anführer des Manjema-Bataillons, Waaren im Werthe von 128 Pfd. St. bekam. Dann werden die europäischen Proviantvorräthe untersucht und solche Artikel, wie Madeirawein, eingemachte Früchte, Sago, Tapioca, Arrowwroot, Sardinen, Heringe und Weizenmehl, eingepackt und nebst acht Kisten meines Gepäcks als unnöthig und überflüssig auf den Dampfer, dasselbe Schiff, mit welchem auch Herr Troup, der als invalider Passagier die Heimreise antritt, verladen und nach Bangala geschickt.
Endlich am 11. Juni 1888, nachdem noch 29 Sansibariten und 4 Sudanesen als zu schwach zur Arbeit ausgeschieden sind, verlassen die Herren Barttelot, Jameson und Bonny das Lager, von dem sie spätestens am 25. August 1887 hätten aufbrechen sollen, mit einem Gefolge von Sansibariten, Sudanesen, Somali und Manjema, insgesammt fast 900 Männern, Frauen und Kindern, in der Absicht, die »eifrige Aufsuchung« des verlorenen Befehlshabers und die Rettung Emin Pascha's zu unternehmen.
Diese sechs Reisen, welche der Major und seine Freunde nach den Stanley-Fällen gemacht haben, ergeben insgesammt eine Strecke von 1930 km. Der unermüdliche Major selbst hat 1290, Jameson 1930 km zurückgelegt. Wären diese 1930 km nur zwischen Jambuja und dem Albert-See gemacht worden, dann hätte die Nachhut schon die Panga-Fälle erreicht. Selbst wenn sie, um 15 km direct vorwärts zu kommen, 90 km hätte zurücklegen müssen, würde sie durch unsere Briefe und Karten aufgemuntert und ermuthigt worden sein, bis nach Avedjeli vorzudringen, um sich bei dem Ueberfluß an Bananen in jener reichen und starkbevölkerten Niederlassung wieder zu erholen.
Aber während der Major und seine Offiziere sich bemühten, einen nicht wollenden Mann durch Gewehre im Werthe von 45 Guineen, Remingtongewehre, Revolver mit Elfenbeinschäften, Munition und viele schöne Ballen Zeugwaaren zur Ausführung seines Contracts zu bewegen, starben ihre eigenen treuen Leute mit einer fürchterlichen Geschwindigkeit. Von der ursprünglichen Zahl von 271 Gemeinen waren nur noch 132 übrig, und von diesen 132, als die Nachhut in Banalja ankam, nur noch 101 am Leben, von denen fast die Hälfte durch Hunger und Krankheit so zurückgekommen war, daß keine Hoffnung ist, sie am Leben zu erhalten.
Dreizehn Tage nach dem Abmarsch der Horde von Manjema und der blutleeren Sansibariten von dem Unglückslager bei Jambuja unternimmt der Major die siebente Reise nach den Stanley-Fällen und überläßt es der Colonne, sich ohne ihn nach Banalja durchzukämpfen. Am 43. Tage erreicht die Spitze der Nachhut auf dem 144 km langen Marsche das mit Palissaden umgebene Dorf Banalja, welches während meiner Abwesenheit zu einer Station Tippu-Tib's unter der Aufsicht eines Arabers Namens Abdallah Karoni gemacht worden ist und wo am selben Tage auch der ruhelose, unternehmungslustige Major auf der Rückkehr von den Stanley-Fällen eintrifft. Am nächsten Tage findet eine Veruneinigung zwischen ihm und dem Häuptling Abdallah Karoni statt; der Major stürmt auf ihn ein und droht, am 20. Juli die achte Reise nach den Stanley-Fällen antreten zu wollen, um sich bei Tippu-Tib über das Verfahren seines Gegners zu beschweren; allein am 19. Juli bei Tagesanbruch wird der unglückliche Befehlshaber von dem Mörder Sanga durchs Herz geschossen.
Ich lasse den officiellen Bericht des Herrn William Bonny in verbesserter Form die Einzelheiten des Ereignisses erzählen:
18. Juli 1888. Der Major fuhr fort, Abdallah zu drohen, daß wenn dieser die ihm von Tippu-Tib versprochenen Träger nicht schaffe, er am 20. nach den Stanley-Fällen zurückkehren werde, und befahl dem Araber, ihn zu begleiten. Der Major theilte mir mit, er würde am 9. August zurück sein, fragte dann aber, noch ehe er mit seinen Bemerkungen fertig war: »Glauben Sie nicht, daß ich richtig handle, wenn ich nach den Stanley-Fällen gehe?« »Nein«, erwiderte ich, »ich sehe keinen Grund, weshalb Sie noch 60 Mann mehr brauchen. Sie haben Leute genug und noch welche übrig. Es wäre besser, wenn Sie die Gewehre und Munition an die Leute vertheilten, wodurch die Zahl der Lasten um 15 verringert wird, und denselben Vertrauen schenkten. Herr Stanley muß ihnen auch Vertrauen schenken. Wenn sie Ihnen fortlaufen, desertiren sie auch ihm, aber wenn Sie dieselben meinen Händen überlassen wollen, glaube ich nicht, daß sie davonlaufen werden.« Der Major antwortete: »Ich will, daß Sie von hier ab der Befehlshaber der Sansibariten und Sudanesen sein und einen Tagemarsch den Manjema vorausmarschiren sollen. Herr Jameson und ich werden mit den Manjema gehen, sie etwas in Ordnung bringen und darauf achten, daß sie sich nicht unter Ihre Leute mischen. Ich möchte nicht nach den Fällen gehen, wünsche aber, daß Sie den Versuch machen, mir einige Leute zu besorgen. Wenn Sie mir nur 20 verschaffen, bin ich zufrieden.« Ich fragte Abdallah, ob er mir einige Träger ablassen könnte, und erhielt sieben.
19. Juli. Heute früh begann ein Manjema-Weib die Trommel zu schlagen und zu singen. Das ist ihre tägliche Gewohnheit. Der Major sandte seinen Jungen Saudi, der erst etwa 13 Jahre alt war, hin mit dem Befehl, damit aufzuhören, worauf man sofort laute, ärgerliche Stimmen hörte, sowie zwei Schüsse, die zum Trotz abgefeuert waren. Nun schickte der Major einige Sudanesen hin, um die Leute, welche geschossen hatten, zu holen, während er selbst aus dem Bette sprang und, seine Revolver aus dem Kasten nehmend, sagte: »Ich werde den ersten, den ich beim Schießen treffe, niederstrecken.« Ich bat ihn, sich nicht in die täglichen Gewohnheiten der Leute zu mengen, sondern lieber drinnen zu bleiben und nicht herauszukommen, da sie sich dann bald wieder beruhigen würden. Er begab sich jedoch mit dem Revolver in der Hand hinaus, wo die Sudanesen waren. Sie sagten ihm, sie könnten die Leute nicht finden, welche geschossen hätten. Der Major stieß darauf einige Manjema zur Seite, drängte sich durch, ging auf das die Trommel schlagende und singende Weib zu und forderte es auf, aufzuhören. In demselben Augenblick feuerte Sanga, der Gatte jener Frau, durch ein Luftloch in einer gegenüberliegenden Hütte einen Schuß ab, dessen Kugel den Major gerade unterhalb der Herzgegend traf, am Rücken wieder herauskam und in einem Theile der Veranda sitzen blieb, unter welcher der Verwundete todt zu Boden stürzte.
Die Sudanesen liefen fort und wollten mir nicht folgen, um die Leiche des Majors zu holen, ich ging aber doch hin, gefolgt von einem Somali und einem Sudanesen, welche mir halfen, den Körper nach meinem Hause zu tragen. Nach dem Geschrei zu urtheilen, glaubte ich, daß ein allgemeines Gemetzel begonnen hätte, obwol ich keinen einzigen Sansibariten sah. Sie hatten sich entweder in ihren Hütten verborgen oder sich der dem Morde folgenden allgemeinen Flucht angeschlossen. Ich wandte mich jetzt um und sah einen der Anführer der Manjema, welcher mit Gewehr und Revolver in der Hand seine Leute zu einem Angriff gegen mich führen wollte. Ich hatte keine Waffen und ging daher auf ihn los und fragte ihn, ob er seine Leute zum Kampfe gegen mich führte. Er erwiderte: »Nein.« »Dann laß«, erwiderte ich, »deine Leute ruhig in ihre Häuser gehen und hole alle Anführer, ich will mit ihnen sprechen.« Bald darauf erschienen einige Anführer bei mir und ich sagte zu ihnen: »Das ist keine Schwierigkeit für mich, sondern für Tippu-Tib. Ich verlange, daß ihr mir alle Lasten bringt und allen euern Genossen sagt, daß sie es auch thun. Tippu-Tib weiß, was jeder von euch in seiner Obhut hat, und ist dafür verantwortlich. Er muß uns die Waaren bezahlen, die verloren gehen, und die Anführer bestrafen, welche ihm einen Verlust bereiten. Ich werde an ihn schreiben und er wird hierher kommen und soll die Namen derjenigen erfahren, welche jetzt nicht thun, wie ich es wünsche.« Das hatte zur Folge, daß ich etwa 150 Lasten wieder in das Magazin zurückbekam. Ich schickte nun meine Leute aus, um soviel Waaren wie möglich zu sammeln, und nach kurzer Zeit hatte ich 299 Traglasten wieder. Sie waren über den ganzen Platz zerstreut, einige waren im Walde, andere in den Reisfeldern und viele in den Hütten, kurz überall verborgen. Einige Säcke mit Perlen und Kisten mit Munition waren bereits aufgerissen oder zerbrochen, und der Inhalt fehlte entweder theilweise oder ganz. Als ich nachsah, fand ich, daß mir 48 Lasten fehlten. Die Bewohner des Dorfes zählten ungefähr 200-300 Personen, ich war mit etwa 100 Mann angekommen; Muini Somai, der oberste Anführer der Manjema, hatte etwa 430 Träger und 200 Begleiter, sodaß insgesammt ungefähr 1000 Personen anwesend waren, darunter 900 Kannibalen und alle innerhalb eines Raumes von 150 m Länge und 24 m Breite. Sie können die Scene, als die allgemeine Flucht, das Kreischen, Feuern, Schreien, Plündern der Vorräthe u. s. w. begann, sich besser ausmalen, als ich sie zu beschreiben vermag. Zu meinem Bedauern muß ich sagen, daß die Sudanesen und Sansibariten sich ohne Ausnahme an dem Rauben betheiligten, doch durchsuchte ich dann ebenfalls ihre Häuser und Schlupfwinkel und nahm ihnen eine Menge Stoffe, Perlen, Reis u. dgl. fort. Ich mußte schwer strafen, ehe es mir gelang, dem Plündern ein Ende zu machen. Ich schrieb nun an Herrn Jameson, der etwa vier Tagereisen entfernt und damit beschäftigt war, die übrigen Lasten herzutransportiren, sowie an einen Beamten des Kongostaates und den Secretär Tippu-Tib's, Herrn Baert, setzte diesem auseinander, was geschehen sei und in welcher Lage ich mich befände, und bat ihn, seine ganze Kunst aufzubieten, um Tippu-Tib zu veranlassen, daß er entweder selbst komme oder einen Häuptling schicke, um Muini Somai zu ersetzen, der einer der ersten gewesen war, welche davongelaufen waren. Ich bemerkte Herrn Baert, er möge Tippu-Tib sagen, ganz Europa würde ihm die Schuld geben, wenn er uns nicht helfe. Dann ließ ich die Leiche des Majors in eine Decke nähen und beerdigte ihn; ich habe das Grab gleich vornan im Walde graben lassen, unten Blätter als Kissen hineingelegt und die Leiche in derselben Weise zugedeckt. Dann las ich ein Kirchengebet aus unserm Gebetbuche über der Leiche, womit dieser schreckliche Tag seinen Abschluß fand.
Der Major hat mir, als das Lager von Jambuja und namentlich sein eigenes Leben in großer Gefahr war, eine officielle Ordre ausgeschrieben und übergeben, welche mich zum Befehlshaber der Sansibariten und Sudanesen ernennt. Ich übernehme daher das Commando dieser zweiten Colonne der Expedition zum Entsatze Emin Pascha's, bis ich Herrn Stanley treffe oder nach der Küste zurückkehre.
Es wird meine beständige Sorge sein, die Colonne mit Gottes Hülfe erfolgreicher zu machen als bisher. Herr Jameson wird die Stellung behalten, welche ihm in den Instructionen des Herrn Stanley an Major Barttelot angewiesen ist. Während er nach den Stanley-Fällen geht, um mit Tippu-Tib wegen eines andern Anführers der Manjema zu verhandeln, hat er freie Hand, da er Befehlshaber zu sein glaubt. Ich habe ihn nicht enttäuscht. Bei der Rückkehr hierher werde ich ihm das Document zeigen, von dem ich vorstehend schon eine Abschrift mitgetheilt habe.
Ich habe die Ehre u. s. w.
William Bonny.
Herrn H. M. Stanley,
Befehlshaber der Entsatz-Expedition.
Drei Tage nach der Tragödie erscheint Herr Jameson mit den letzten Mannschaften der Nachhut in Banalja und übernimmt den Befehl, tritt aber, nachdem er Herrn Bonny einige ermunternde Worte zurückgelassen hat, am 25. Juli die achte Reise nach den Stanley-Fällen an, in der Hoffnung, durch reiche Anerbietungen von Gold die Habsucht Tippu-Tib's befriedigen und ihn veranlassen zu können, daß er entweder selbst die Führung der Nachhut übernimmt oder an seiner Stelle einen seiner heißblütigen Neffen sendet, Selim ben Mohammed oder Raschid, der die Stanley-Fälle unter Kapitän Deane angegriffen und erobert hat.
Am 12. August schreibt er seinen letzten Brief (siehe Anhang) an Herrn Bonny und beginnt denselben: »Die Expedition befindet sich, wie Sie mir, glaube ich, zugeben werden, augenblicklich in sehr starker Ebbe.« Das ist eine für jedermann leicht ersichtliche traurige Thatsache.
Nachdem er dem an dem elenden Mörder Sanga vollzogenen Act der Gerechtigkeit zugesehen, der Erschießung des Mannes und dem Hinabstürzen des Körpers in den Aruwimi beigewohnt hat, reist er von den Stanley-Fällen nach Bangala ab. Denn die Herren Jameson und Barttelot waren beide an der Zurückhaltung von Ward aus irgendeinem Grunde betheiligt, und die Antwort des Comité auf ihr Telegramm vom 1. Mai war daher in seinem Besitz. Herr Jameson wünscht dringend den Inhalt desselben zu wissen, ehe er eine endgültige Bewegung unternimmt, und fährt in einem Kanoe mit 10 Sansibariten ab. Sie rudern Tag und Nacht, bis er gegenüber von dem Lomami-Flusse vom Fieber befallen wird. Seine Constitution ist für die Aufnahme des Keimes der Krankheit geeignet und sein Gemüth ist niedergedrückt, denn das Glück der Expedition ist ungeachtet der eifrigsten Bemühungen seinerseits, seiner herzlichen, vollen Hingabe, seiner Märsche und Gegenmärsche, seiner Wanderung von 2250 km (1930 km vor der Abreise von Jambuja, dann nach Banalja und von dort nach den Stanley-Fällen), seines Opfers an Geld, physischer Behaglichkeit und der Bestrebungen seines Geistes, um das zu erreichen, was geschehen sollte – tatsächlich »in sehr starker Ebbe«. Und dann steigt das Fieber ihm ins Gehirn. Tag und Nacht eilen die Kanoeleute weiter, um das Ziel, die Station von Bangala, zu erreichen, wo sie gerade noch früh genug eintreffen, um ihn Herrn Ward in die Arme zu legen, und wo er seinen letzten Athemzug thut, gerade als die Vorhut raschen, eilenden Schrittes durch den Wald und auf dem Flusse vom Albert-Njansa daherkommt und in Banalja anlangt mit der Frage: »Wo ist Jameson?«
Achtundzwanzig Tage nach dem tragischen Tode des Majors und dreiundzwanzig Tage nach der Abreise Jameson's erscheint die Vorhut, stark geschwächt an Zahl und so zerrissen an Kleidung, daß sie für am Wege aufgelesene Heiden gehalten und von ihren alten Kameraden nicht wiedererkannt werden, auf der Rückkehr vom Albert-Njansa in Banalja, um zum ersten mal die traurige Geschichte der Nachhut zu erfahren.
Die Fülle von Elend, welches man uns erzählte, wurde noch erhöht durch den Jammer, den wir sahen. Die Schrecknisse, deren Zeugen wir in diesem fürchterlichen Pestloche waren, vermag die Feder nicht in ihrem ganzen Umfang zu schildern noch der Mund zu erzählen. Die schmachvolle Geisel der Barbaren war auf den Gesichtern von vielen der gräßlich aussehenden menschlichen Wesen zu erkennen, die, entstellt, aufgeschwollen, verstümmelt und mit Narben bedeckt, von Neugier getrieben herbeiströmten, um uns zu hören und zu sehen, uns, die wir aus dem Waldlande im Osten gekommen waren und uns um den Schrecken nicht kümmerten, den der in ihnen verkörperte Tod einflößte. Es waren noch sechs Leichen unbeerdigt, und zu Dutzenden sahen wir die Lebenden mit Eiterbeulen vor uns. Andere waren infolge von Dysenterie und Anämie zu dünner Haut und vorstehenden Knochen abgemagert, noch andere, mit Geschwüren so groß wie eine Untertasse, krochen herbei und riefen uns mit hohler Stimme ihr schreckliches Willkommen zu, Willkommen auf diesem Kirchhofe! Schwach, erschöpft und ermattet an Körper und Geist, wußte ich kaum, wie ich die ersten Stunden ertragen habe, die unaufhörliche Geschichte des Unglücks that meinem Ohr weh, der leichenhafte Gestank der Krankheiten schwebte in der Luft und die ekelhaftesten Anblicke bewegten sich und brandeten mir vor dem geblendeten Auge. Ich vernahm von Mord und Tod, von Krankheit und Sorge, von Kummer und Noth, und wohin ich sah, begegneten meinen Blicken die hohlen Augen der Sterbenden mit solchem vertrauenden, flehenden, sich in weite Ferne sehnenden Ausdruck, daß ich glaubte, das Herz müsse mir brechen, wenn nur ein Seufzer ertönte. Ich saß in dem erstickenden Gefühl der tiefsten Niedergeschlagenheit erstarrt da, und doch ging die marternde Geschichte in ihrer schrecklichen Weise weiter, aus der weiter nichts herausklang als Tod und Unglück, Unglück und Tod. Hundert Gräber in Jambuja, 33 Mann im Lager zurückgelassen, um umzukommen, 10 Leichen am Wege, etwa 40 Personen im Dorfe, die im Begriff standen, den schwachen Halt am Leben fahren zu lassen, über 20 Desertirte und 60 in leidlichem Zustande gerettet! Und die kleine Truppe tapferer Engländer? »Barttelot's Grab ist nur wenige Schritt von hier, Troup ist als Gerippe nach Hause gereist, Ward wandert irgendwo umher, Jameson hat sich nach den Fällen begeben, ich weiß nicht weshalb.«
»Und Sie, sind Sie der einzige, der noch übrig ist?«
»Der einzige, mein Herr.«
Müßte ich alles erzählen, was ich an unsäglich tiefem Elend in Banalja sah, so würde das gleichsam ein Abreißen des Verbandes von einem ungeheuern eiternden Geschwür, durchzogen von blutenden Arterien, sein, um es dem öffentlichen Blicke auszusetzen, zu keinem weitern Zwecke in der Welt, als Grauen und Abscheu hervorzurufen.
In dem unbedingten Glauben, wie wir ihn hatten, an die Begeisterung Barttelot's, die Treue Jameson's, die kräftige Jugend und das mannhafte Versprechen Ward's, die Klugheit und Zuverlässigkeit Troup's und die Selbstbeherrschung und Beständigkeit Bonny's trafen mich diese Enthüllungen wie ein schwerer Schlag. Die Colonne war mit allen erforderlichen Dingen für längere, nützliche Arbeit so vorzüglich ausgerüstet, allein die »Flut der Gelegenheit« floß ungesehen und ungeachtet bei ihnen vorüber, und auf ihren Märschen wurde daher auch die Zeit nur nutzlos vergeudet.
Was, Barttelot! Der unermüdliche Mann mit den ewig eilenden Schritten, der fröhliche junge Offizier mit seiner unerschrockenen Haltung, dessen Seele sich immer nach Ruhm sehnte. Daß ein Mann, der mit allen Vorzügen der Natur so verschwenderisch ausgestattet ist, auf diese Weise vor der grauen Verschlagenheit an den Stanley-Fällen das Knie beugte! Es ist für mich ein vollständig unlösbares Räthsel. Ich würde eine Wette eingegangen sein, daß er eher Tippu-Tib an dem langen grauen Bart ergriffen und ihm die Zähne ausgeschlagen haben würde, selbst in der Gegenwart seiner Krieger, als daß er gestattet hätte, ihn einmal über das andere zum besten zu halten. Seine feurige Heftigkeit bei dem Versprechen, er werde nicht einen Tag über die festgesetzte Zeit warten, klingt mir noch jetzt in den Ohren, ich fühle seinen kräftigen Händedruck, sehe seine resoluten Züge und erinnere mich an mein festes Vertrauen zu ihm.
Man sagt: »Stille Wasser sind tief.« Nun, Jameson war solch ein stiller, geduldiger und nichtsdestoweniger entschlossener Mann, sodaß wir ihm sämmtlich eine gewisse Größe zuschrieben. Er hatte 1000 Pfd. St. bezahlt und Fleiß und Eifer im Dienste gelobt für das Privilegium, als Mitglied der Expedition aufgenommen zu werden. Er hatte eine Leidenschaft für Naturwissenschaften und besaß eine besondere Vorliebe für Ornithologie und Entomologie. Nach Barttelot war »seine Behendigkeit, Tüchtigkeit und Bereitwilligkeit bei der Arbeit unbegrenzt«, was ich ohne Zögern unterschreibe. Was sonst noch in ihm steckte, ersieht man am besten aus seinem Briefe vom 12. August und seinen Journaleintragungen. Sein Eifer und seine Thätigkeit wachsen zu Versprechungen heran, und schließlich besiegelt er, wie wir lesen, seine Hingabe damit, daß er aus seiner Tasche 10 000 Pfd. St. zu zahlen sich erbietet, sowie mit seiner unglücklichen Kanoefahrt, die er Tag und Nacht fortsetzt, bis er in Bangala auf sein Lager getragen wird, um zu sterben.
Zugegeben, daß Tippu-Tib gegen diese jungen Herren während ihrer häufigen Besuche an den Stanley-Fällen freundlich war, daß er sie willkommen hieß, mit dem Besten unterhielt und, wie es geschehen ist, mit Lasten von Reis und Heerden von Ziegen nach Jambuja zurückschickte. Aber seine natürliche Herrschsucht, seine Unkenntniß der Geographie, seine barbarische Ueberhebung, seine zunehmende Gleichgültigkeit und seine wachsende Habsucht erwiesen sich als unübersteigliche Hindernisse für die Verwirklichung der Pläne Barttelot's und Jameson's und standen ihren Interessen und höchsten Wünschen ebenso verderblich entgegen, wie offener Krieg dies gethan haben würde. Was mich wundert, ist, daß die Offiziere sich nie bewußt geworden zu sein scheinen, daß ihre Besuche und reichen Geschenke an ihn vollständig nutzlos waren, und daß der Zweck, welcher ihnen am Herzen lag, ihre ererbten Eigenschaften, ihre Erziehung, ihre Gewohnheiten und Natur ihnen die fernere Wiederholung derselben verboten. Aus irgendeinem geheimen Grunde halten sie mit äußerster Hartnäckigkeit fest an ihrem Vertrauen zu Tippu-Tib und zu seinen Versprechungen von erst »9 Tagen«, dann »10 Tagen«, darauf »42 Tagen«, die sämmtlich nur gegeben wurden, um wieder gebrochen zu werden.
Allein selbst das eisigste Herz wird schmelzen vor Mitgefühl mit diesen jungen Leuten, die so vorzeitig und trotz alledem so nahe der Rettung abgerufen wurden. Sie haben wacker versucht, den umwölkten Geist freizumachen und klar zu beurtheilen, in welcher Richtung ihre Pflicht lag. Sie sitzen an der Tafel und erörtern, was geschehen sollte; der Geist strebt zum Geist und entzündet einen Funken der richtigen Sorte; der Funke tritt zu Tage, aber irgendjemand oder irgendetwas erstickt ihn, während er aufblitzt, und der gute Zweck geht in die Irre. Sie wollen eine Anzahl Pläne ausführen, die weitab von den Vorschlägen liegen, welche ich ihnen gemacht habe, und kaum geboren, wird jedes Project bald darauf von einem unvorhergesehenen Ereigniß wieder zu Schanden gemacht. Obwol alle ohne Zweifel von den reinsten Motiven beseelt sind und ohne alle Frage bis zum Ende loyal bleiben, so thun sie sich doch selbst fortwährend nicht wieder gut zu machenden Schaden und bringen, ohne es zu wissen, ihre Freunde bei der Vorhut vor Sorge bis an den Rand der Verzweiflung.
Nachstehenden Bericht des Herrn Herbert Ward fühle ich mich gezwungen zu veröffentlichen, um diesem Herrn Gerechtigkeit widerfahren zu lassen:
New-York, Windsor-Hotel, 13. Febr. 1890.
Geehrter Herr Stanley!
Am 14. August 1887 trafen Troup, Bonny und ich mit den Leuten und Lasten von Bolobo in Jambuja ein. Wir fanden, daß Tippu-Tib seit Ihrem Abmarsche am 28. Juni 1887 nichts von sich hatte hören lassen und der Major und Jameson die Zeit dazu verwendet hatten, Heizmaterial für den Dampfer zu erhalten. Am nächsten Nachmittage nach unserer Ankunft griff eine Bande Manjema das provisorische Dorf an, welches der Häuptling Ngunga an der gegenüberliegenden Seite des Flusses gerade unterhalb der Stromschnellen gebaut hatte. Bonny und ich fuhren in einem Kanoe hinüber, um zu erfahren, wer sie seien, doch entfernten sie sich, anscheinend sobald sie den Dampfer neben unserm Lager liegen sahen, in den Wald und kehrten nach ihrem eigenen Lager zurück, das nach der Erzählung der Eingeborenen nur wenige Stunden weiter flußaufwärts war. Am folgenden Tage kam der Anführer der Manjema, Namens Abdallah, mit einigen Begleitern zu uns und erzählte, daß Tippu-Tib seinem Worte getreu etwa 500 Mann unter Selim ben Mohammed in Kanoes an uns abgeschickt hätte, daß dieselben aber auf viele Feindseligkeiten seitens der Eingeborenen gestoßen seien und nachdem sie mehrere Tage gegen den Strom gerudert hätten, ohne Spuren von unserm Lager zu finden, sich getrennt hätten. Selim hätte kleine Abtheilungen nach verschiedenen Richtungen ausgeschickt, um unsern Aufenthalt zu entdecken. Abdallah stellte sich uns als der Anführer eines dieser zur Aufsuchung unsers Lagers ausgesandten Trupps vor. Eine andere Version von der Geschichte von der Trennung der 500 Mann auf der Fahrt den Aruwimi hinauf besagte, daß ihre Munition erschöpft gewesen sei und die Eingeborenen sich als zu stark für sie erwiesen hätten. Abdallah erklärte, Tippu-Tib sei vollständig bereit, die Leute zu liefern, und da die Stanley-Fälle nur ein paar Tagemärsche entfernt seien, so könnten wir leicht selbst hingehen und mit Tippu-Tib sprechen; er selbst werde am nächsten Tage bereit sein, uns zu begleiten und als Führer zu dienen.
Der Major befahl Jameson und mir, uns nach den Fällen zu begeben. Dort erzählte man uns dieselbe Geschichte, daß Tippu-Tib uns eine große Zahl von Leuten zugeschickt, daß sie sich am Aruwimi getrennt hätten, weil sie nicht im Stande gewesen wären, bei einigen volkreichen Dörfern vorbeizukommen, wo die Eingeborenen sie angegriffen und, da sie Mangel an Schießpulver gehabt, zurückgetrieben hätten. Tippu-Tib behauptete seine Bereitwilligkeit, die Leute zu liefern, sagte aber, daß er einige Zeit brauche, um sie nochmals zusammenzubringen.
Da im Lager von Jambuja mehr als 600 werthvolle Lasten gelagert, von vollständig tüchtigen Leuten aber nur so viel vorhanden waren, um 175 Lasten zu befördern, hielten wir alle es für besser, die Lasten im Lager, wo reichlich Lebensmittel für die Leute waren, zu bewachen, bis die von Tippu-Tib versprochene Hülfe einträfe, anstatt einen Theil der Waaren zu opfern und dreifache Märsche zu machen, da nach den gemachten Erfahrungen, wonach die Leute sogar aus dem Lager desertirten, wir insgesammt der Ueberzeugung waren, daß die meisten unserer Träger schon nach den Märschen der ersten wenigen Tage davonlaufen und sich der Horde arabischer Wasuaheli- und Manjema-Räuber anschließen würden, welche, wie wir gefunden hatten, das Land nach allen Richtungen durchzogen und deren freie, ungebundene Lebensweise unsere Leute unzufrieden mit ihrem Lose machte und sie in Versuchung führte, von uns zu desertiren und ihre Landsleute zu begleiten. Der Major, unser Chef, war persönlich den Sansibariten nicht wohlgesinnt und es fehlte ihm an dem gehörigen Einfluß über sie.
Tippu-Tib fuhr fort zu zaudern, und inzwischen war eine große Zahl unserer Sansibariten, von denen übrigens viele schon von Anfang an organisch leidend und elend waren, erkrankt und gestorben. Sie wurden stets beschäftigt, sodaß man die Ursache ihres Todes nicht der Unthätigkeit zuschreiben kann. Als Fatalisten ergeben sie sich ohne Widerstand in ihr Geschick, da die Bwana Makubwa mit ihren Kameraden in den dunkeln Wald gegangen und, wie sie bestimmt glaubten, umgekommen waren. Als sie fanden, daß für sie unter keinen Umständen Aussicht sei, in ihr Land zurückkehren zu können, außer auf der todbringenden Waldroute, betrachteten sie die Lage als hoffnungslos, fielen ab und starben.
Wir erwarteten, daß Sie gegen Ende November nach Jambuja zurückkehren würden, allein die Zeit verging und wir erhielten keine Nachrichten von Ihnen. Wegen des traurigen Zustandes unserer Leute waren wir nicht im Stande, dreifache Märsche zu machen. Wir versuchten jedes Mittel, um Tippu-Tib zu veranlassen, Leute zu schaffen, aber vergeblich.
Im Februar 1888 begaben sich der Major und Jameson wieder nach den Fällen, und am 24. März kehrte der Major nach Jambuja zurück. Er erzählte, er habe Tippu-Tib die Zahlung einer großen Geldsumme garantirt, wenn er Leute beschaffen wolle, daß Jameson nach Kasongo gegangen sei, um die Beschaffung der Leute zu beschleunigen, und daß das Comité seiner Ansicht nach von dem Zustand der Dinge in Kenntniß gesetzt werden müsse, erstens, daß wir seit Ihrem Abmarsche vor neun Monaten keinerlei Nachrichten von Ihnen erhalten hätten, zweitens, daß Tippu-Tib mit seiner Hülfe nicht komme und wir uns noch in Jambuja befänden, unfähig zu marschiren. Seit der Ankunft des letzten Kontingents hatten keine Dampfer das Lager besucht.
Es schien uns, daß offenbar Umstände Sie verhindert hatten, sich nach Ihrem Abmarsche mit uns in Verbindung zu setzen, und möglicherweise Nachrichten von Ihren Bewegungen die Ostküste erreicht haben könnten.
Da es möglich schien, Loanda zu erreichen, mit dem Comité telegraphisch in Verkehr zu treten und nach Jambuja zurückzukehren bis zu der Zeit, wo Jameson von Kasongo erwartet wurde, so befahl mir der Major, ein von ihm selbst aufgesetztes und unterzeichnetes Telegramm weiter zu befördern und abzusenden. Ich legte die Reise in 30 Tagen zurück und eilte sofort nach Empfang der Antwort (der Passus »Wir verweisen Sie auf die Instructionen des Herrn Stanley vom 24. Juni« war genau das, was Troup und ich vor meiner Abreise erwartet hatten) bis hinauf nach Bangala, wo ich die Anweisung von dem Major erhielt, dort zu bleiben, bis ich weitere Nachrichten vom Comité erhielte, dem er geschrieben habe, daß er keine weitere Verwendung für meine Dienste oder die mit dem »Stanley« flußabwärts geschickten Lasten habe. Ich zögere nicht Ihnen zu erklären, daß der Major dieses Arrangement aus Vorurtheil gegen mich getroffen hat.
Fünf Wochen nach meiner Ankunft in Bangala kam mit dem »En Avant« die Nachricht herab, der Major sei ermordet worden. Jameson, der sich bei den Fällen befand und die Bestrafung des Mörders sowie die Reorganisation des Manjema-Contingents betrieb, schrieb mir, ich solle in Bangala bleiben. Da er in Kanoes von den Fällen herabgefahren war, befand er sich im letzten Stadium des Gallenfiebers und starb ungeachtet aller Sorge und Aufmerksamkeit am nächsten Morgen. Er war nach Bangala gekommen, um die Antwort des Comité auf das Telegramm des Majors zu erfahren und die Bangala-Lasten und mich mit dem Dampfer hinaufzubringen, der nach der Versicherung des Staatsbeamten an den Fällen auf dem Wege nach dort gerade ungefähr in Bangala sein würde, wenn er dort ankäme. Die Nachricht bezüglich des Dampfers war falsch, und am ersten Tage seiner Kanoefahrt zog er sich eine schlimme Erkältung zu, welche seinen Tod am Gallenfieber zur Folge hatte. Da für mich keine Aussicht vorhanden war, mich Bonny anzuschließen, weil während der nächsten Monate kein Dampfer die Fälle besuchen sollte, so begab ich mich nach der Küste, um das Comité von dem Tode Jameson's und der Lage der Dinge, wie letzterer sie mir vor seinem Sterben mitgetheilt hatte, in Kenntniß zu setzen. Das Comité telegraphirte mir den Befehl, nach den Fällen zurückzukehren, die noch vorhandenen Vorräthe der Station des Kongostaates auszuhändigen und Bonny und die Leute zur Einschiffung stromabwärts zu bringen. Bei meinem Eintreffen am Stanley-Pool fand ich, daß gerade die Nachricht von Ihrer Ankunft in Banalja und Rückkehr zu Emin Pascha eingetroffen war. Ich setzte jedoch die Reise nach den Fällen fort und nahm alle Lasten mit hinauf, welche der Major nach Bangala hinabgeschickt hatte. Ich blieb einen Monat an den Fällen und hoffte dringend, weitere Nachrichten von Ihnen zu erhalten.
Nachdem ich alles versammelt hatte, was von den durch den Major an Tippu-Tib überwiesenen Kranken da war, fuhr ich mit Kanoes wieder den Kongo hinab und kehrte auf telegraphische Anweisung des Comité nach Europa zurück.
Das ist die einfache, wahre Schilderung der Thatsachen über den Miserfolg der Nachhut.
Kein Mensch kann sich über den unglücklichen Ausgang der Sache bitterer enttäuscht fühlen als ich. Ich bedauere aufs tiefste, daß meine Dienste so nutzlos gewesen sind.
Ich verbleibe stets Ihr ergebener
Herbert Ward.
Herr Ward theilte mir mit, daß er meine acht Kisten mit Reservekleidern und sonstigen Bedürfnissen für die Expedition in Bangala entdeckt und mit sich nach den Stanley-Fällen – 800 km oberhalb Bangala – genommen und dann nach Banana Point an der Meeresküste gebracht, wo er alles zurückgelassen habe. Obgleich die eifrigsten Nachforschungen angestellt worden sind, hat doch niemand erfahren, was weiter damit geworden ist.