Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreizehntes Kapitel.
Leben in Fort Bodo.

Die uns bevorstehenden Arbeiten. – Die Palissaden von Fort Bodo. – Instructionen für Lieutenant Stairs. – Sein Abmarsch nach Kilonga-Longa. – Von Ratten, Moskitos u. s. w. belästigt. – Die Nachtruhe durch den Maki gestört. – Armeen von rothen Ameisen. – Schlangen im tropischen Afrika. – Aufhissen der ägyptischen Flagge. – Ankunft Dr. Parke's und Kapitän Nelson's von Ipoto. – Bericht über ihren Aufenthalt bei den Manjema. – Lieutenant Stairs trifft mit dem Stahlboot ein. – Wir beschließen, sofort nach dem See aufzubrechen. – Freiwillige für die Beförderung von Briefen an Major Barttelot. – Meine und Kapitän Nelson's Krankheit. – Uledi nimmt eine Zwergenkönigin gefangen. – Unsere Kornfelder. – Leben in Fort Bodo. – Wir brechen wieder nach dem Njansa auf.

 

In West-Ibwiri angelangt und im Begriff, Fort Bodo zu erbauen, hatte ich genau dasselbe Gefühl, wie ein Bewohner der City von London, der nach seinen Ferien aus der Schweiz oder von der See zurückkehrt und findet, daß sich während seiner Abwesenheit ganze Berge von Briefen angesammelt haben, welche dringend Aufmerksamkeit und rasche Erledigung verlangen. Sie müssen geöffnet, gelesen, gesichtet und geordnet werden, und bei Erwägung ihres Inhalts bemerkt er, daß sie viele wichtige Angelegenheiten enthalten, die Verwirrung herbeiführen könnten, wenn sie nicht methodisch und fleißig erledigt werden. Unsere Ferienreise war der directe und beschwerliche Marsch nach dem Albert-See gewesen, um einem Gouverneur zu Diensten zu sein, welcher der Welt zugerufen hatte: »Helft uns rasch, oder wir kommen um.« Zu diesem Zwecke war Major Barttelot zurückgeblieben, um die Nachhut heranzubringen, waren die Kranken in den Stationen Ugarrowwa's und Kilonga-Longa's gelassen, die Extrawaaren an einer sandigen Stelle im Hungerlager Nelson's vergraben oder in Ipoto gelagert, das Boot »Advance« auseinandergenommen und im Dickicht verborgen, Nelson und Dr. Parke bei den Manjema einquartiert und alles, was gedroht hatte, den Marsch zu hindern, zu verzögern oder zu schädigen, in irgendeiner Weise beseitigt oder umgangen worden.

Nun war aber der Gouverneur, welcher der Wegweiser unserer Gedanken und der Gegenstand unserer täglichen Gespräche gewesen war, entweder nach Hause gereist, oder konnte oder wollte uns bei seinem eigenen Entsatze nicht helfen, sodaß nunmehr die verschiedenen Angelegenheiten, die um seinetwillen beiseitegelegt worden waren, unmittelbare Aufmerksamkeit erheischten. Ich stellte daher als unsere dringenden Aufgaben Folgendes auf:

Nelson und Parke aus den Klauen der Manjema befreien, sowie die Genesenden, das Stahlboot »Advance«, das Maximgeschütz und die 116 in Ipoto lagernden Lasten holen.

siehe Bildunterschrift

Fort Bodo.

Fort Bodo bauen, damit dasselbe einer Garnison einen sichern Aufenthalt bietet; eine Lichtung herstellen, und Mais, Bohnen und Taback pflanzen, damit die Vertheidiger nicht nur sicher sind, sondern auch sich ernähren können und sich behaglich fühlen.

Durch Boten eine Verbindung mit Major Barttelot herstellen oder selbst zu ihm gehen und die Genesenden von Ugarrowwa weiter geleiten.

Für den Fall, daß das Boot gestohlen oder zerstört sein sollte, ein Kanoe für den Transport nach dem Njansa bauen.

Wenn die Meldung kommen sollte, daß Barttelot im Vorrücken sei, ihm schleunigst Vorräthe von Mais und Träger zu Hülfe schicken.

Vor allen Dingen war es aber am dringendsten nothwendig, alle Anwesenden bei dem Bau eines starken Palissadenzauns zu verwenden, innerhalb dessen die Baulichkeiten dann mit größerer Muße und ohne daß wir das Gewehr beständig über der Schulter zu tragen gezwungen waren, errichtet werden konnten. Während unserer Abwesenheit hatten die Eingeborenen West-Ibwiri niedergebrannt und ebenso war bei unserer Ankunft auch Borjo's schönes Dorf ein rauchender Trümmerhaufen. Die besten Breter waren jedoch vorher von den Gebäuden entfernt und draußen aufgestapelt und das Getreide hastig nach 200 m entfernten Hütten im undurchdringlichen Dickicht gebracht worden. Beides war jetzt von unschätzbarem Werthe für uns.

Gegen den 18. Januar waren die Palissaden von Fort Bodo vollendet. Etwa hundert Mann hatten hohe Stämme gefällt und hergeschafft. Andere, welche den schmalen, den Umriß des Fort bestimmenden Graben hergestellt, hatten die Stämme fest und in einer Reihe dicht nebeneinander eingepflanzt. An diesen senkrechten Pfählen waren drei Reihen von Querbalken vermittelst starker Ranken und Rotangäste befestigt worden. An der Außenseite der Palissaden waren die Planken so angebracht, daß kein bösartiger Zwerg oder grimmiger Eingeborener, während die Garnison sich vielleicht beim Scheine der Feuer im Innern amusirte, von außen emporklettern, einen vergifteten Pfeil in die Menge schießen und dadurch Freude in Trauer verwandeln konnte. An drei Ecken des Fort waren 5 m hohe Thürme errichtet, die in ähnlicher Weise mit Palissaden und Planken befestigt und für die Wachen bestimmt waren, sodaß diese bei Tag und Nacht jede Bewegung auf den zukünftigen Feldern beobachten konnten. Um den Vertheidigern einen bessern Ueberblick zu verschaffen, war hinter den Palissaden ringsherum ein Wallgang angelegt; denn da wir vielleicht Monate brauchten, um die oben angegebenen Aufgaben zur Ausführung zu bringen, und die Manjema sich möglicherweise zu einem Angriff auf das Fort vereinigten, mußte dieses sowol kugel- als pfeilfest hergestellt werden.

siehe Bildunterschrift

Plan von Fort Bodo. Von Lieutenant Stairs.

Nachdem das Pfahlwerk vollendet war, mußten die massiven Ständer und Balken, Hunderte von Dachsparren, Tausende von Ranken und Sprossen von Schlinggewächsen für das Gerüst der Offiziershäuser, die Speicher, Küchen, Getreidelager und Nebengebäude, sowie große Haufen von Phryniumblätter zum Decken der Häuser eingesammelt werden. Und als dann das Werk im Groben so weit vorgeschritten war, ließ ich Lieutenant Stairs am Abend des 18. December rufen und ertheilte ihm seine besondern Instructionen, die ungefähr folgendermaßen lauteten:

»Sie werden sich morgen mit 100 Gewehrträgern nach Ipoto begeben, um nachzusehen, was aus Nelson, Parke und unsern Kranken geworden ist, und falls sie am Leben sind, alle hierher zu begleiten. Bringen Sie auch das Boot ›Advance‹ und so viele Lasten wie möglich mit. Die letzten Briefe von Nelson und Parke theilen mir viel unangenehme Dinge mit. Hoffen wir das Beste. Jedenfalls haben Sie 100 Leute bei sich, stark und gesund, wie die Manjema; der Marsch nach dem Albert-See hat Männer aus ihnen gemacht. Sie sind von Haß erfüllt gegen die Manjema und jetzt vollständig unabhängig von ihnen, da sie ihre eigenen Maisrationen besitzen. Sie können mit ihnen machen, was Sie wollen. Wenn nun Nelson und Parke über weiter nichts zu klagen haben, als den Geiz und die Böswilligkeit der Manjema im allgemeinen, dann lassen Sie sich auf kein Argument, keine Anklage und keinen Vorwurf ein, sondern bringen Sie die Leute und das Boot, wenn dasselbe gut und nicht beschädigt ist, sofort mit; halten Sie sich nur einen Tag zur Rast auf und lassen Sie dann das Boot auf die Schultern nehmen und hierher tragen. Wenn die Ueberlebenden Ihnen aber beweisen, daß gewaltsam Blut vergossen worden ist, wenn irgendein Weißer oder Schwarzer als Opfer gefallen, oder wenn das Boot zerstört worden ist, dann berathen Sie sich mit den überlebenden Weißen und Schwarzen und üben Sie nach reiflicher Ueberlegung Ihrer Pläne, wie es sich gehört, volle und endgültige Wiedervergeltung. Das ist alles, doch vergessen Sie um Gottes willen nicht, daß ein jeder Tag Ihrer Abwesenheit über die unbedingt erforderliche Zeit für den Hin- und Rückmarsch hinaus uns Veranlassung zu immer weiterer Sorge geben würde, welche uns auf dieser Expedition überall verfolgt. Es ist genug, daß wir die Sorge um Barttelot, den Pascha, Nelson und Parke sowie unsere Kranken haben, mehr brauchen wir nicht.«

Drei Kühe wurden zur Verproviantirung von Stairs' Expedition geschlachtet und außerdem erhielt jeder Mann 120 Maiskolben, während für den Befehlshaber und seine beiden Freunde Ziegen, Hühner und Bananen mitgenommen wurden. Am 19. Januar brach die Expedition nach der Station Kilonga-Longa's auf.

 Tabelle

Nach der Entfernung Stairs' begann ich mit dem Bau eines Getreidespeichers, welcher 300 Scheffel Mais aufnehmen konnte, sowie mit dem Uebertünchen des Innern des Hauptquartiers. Jephson beschäftigte sich mit dem Ebnen der Fußböden in den Offiziershäusern, einige Leute schleppten Lehm herbei, andere stampften und mischten ihn. Einige waren auf den Dächern mit dem Auflegen der großen Phryniumblätter beschäftigt und befestigten eins über dem andern auf einem gerüstartigen Rahmen; andere fertigten Leitern an, machten den Lehm zurecht für das Bestreichen der Wände, stellten Thüren und Fenster für die Häuser her, bauten Küchen, gruben Latrinen oder hoben den 3 m breiten und nahezu 2 m tiefen Graben in dem harten gelben Thon aus, der unter der 60 cm tiefen Humus- und Lehmschicht der Lichtung lag. Als die Häuser fertig waren, stellten wir aus Holzasche eine Art Kalkfarbe her, welche den Gebäuden ein sauberes und nettes Aussehen gab.

Am 28. Januar war das Hauptquartier zum Beziehen bereit. Wir hatten 1,2 ha Land ausgerodet, das Gebüsch bis 182 m vom Fort vollständig abgehauen, die Bäume gefällt, die leichtern fortgetragen und die schwerern aufgestapelt und in Brand gesteckt; am nächsten Tage wurden die Zelte zusammengefaltet und nach unsern Häusern gebracht, die, wie Jephson bemerkte, »außerordentlich wohnlich« waren. Anfänglich war es in den Räumen etwas feucht, ein Tag und Nacht brennendes Holzkohlenfeuer trocknete aber die Wände bald aus.

Bis zum 6. Februar vergrößerten wir die Lichtung: als wir dann aber entdeckten, daß die Eingeborenen in der Nähe des Fort umherstreiften, auf den Pfaden vergiftete Holzsplitter in den Boden steckten, die Bananenbäume fällten und allerlei sonstiges Unheil anrichteten, theilte ich die Garnison in zwei Patrouillenabtheilungen, um die Pflanzungen und den benachbarten Wald zu säubern. Bei den Nachforschungen an diesem Tage fanden wir in der Entfernung von nur 1½ km vom Fort mehrere Zwergenlager mit Vorräthen von Bananen. Die Zwerge wurden gründlich in die Flucht gejagt und ihre Lager zerstört.

Nachdem wir einige Tage in den Gebäuden gewohnt hatten, fanden wir uns durch Scharen von Ratten, Flöhen und mikroskopisch kleinen Mücken belästigt. Die Ratten vernichteten unser Getreide, bissen uns in die Füße, liefen uns muthwillig über das Gesicht und spielten in unserm Bettzeug Versteckens; sie schienen mit ihrer wunderbaren Schlauheit entdeckt zu haben, daß die Eingeborenen West-Ibwiri in Brand zu stecken beabsichtigt hatten, und waren rechtzeitig dem Verhängniß aus dem Wege gegangen und in das Dickicht und die Kornfelder ausgewandert, wahrscheinlich in der dunkeln Ahnung, daß ein so vorzüglicher Ort nicht lange ohne Bewohner bleiben werde. Als die behaglichen Häuser der Europäer mit ihren geräumigen Böden und den mit unerschöpflichen Vorräthen gefüllten Kornspeichern gebaut wurden, warteten sie, bis alles bereit war; inzwischen hatten die fremden weißen Männer aber um das Fort senkrecht aus dem Thon einen langen, tiefen Graben ausgeschachtet, in welchen mehrere Rattenfamilien in ihrer Eile, Hals über Kopf Besitz von den Gebäuden zu nehmen, gefallen waren, und eines Morgens sprang der Dachshund Randy hinein und machte den Unglücklichen den Garaus. Einige alte Ratten aus dem Eingeborenendorfe hatten indeß einen sichern Eingang gefunden und sich dermaßen vervielfältigt, daß sie, bis wir uns an ihren spaßhaften aber rohen Zeitvertreib gewöhnt hatten, eine Quelle unerträglichen Aergernisses für uns waren.

Zugleich begann auch der warme, trockene Lehmfußboden Myriaden von Flöhen auszubrüten. Der arme Randy war ganz elend von diesen ärgerlichen Quälgeistern. Uns ging es nicht besser, denn während wir uns ankleideten, waren unsere Gliedmaßen schwarz von der großen Zahl der Thiere. Um diese Pest auszurotten, griffen wir zu dem Mittel, die Fußböden beständig feucht zu halten und sie zweimal täglich auszufegen.

Das gewöhnliche Moskitonetz bot gegen die Mücken der Lichtung keinen Schutz. Dieselben segelten durch die feinen Oeffnungen, wie die Mäuse durch Antilopennetze schlüpfen würden, sodaß uns kein anderes Mittel übrigblieb, als die Moskitovorhänge aus baumwollenem Musselin herzustellen, der seinen Zweck glücklicherweise erfüllte, unter dem die Schläfer aber halb erstickten.

Da unsere Seife schon lange aufgebraucht war, stellten wir zum Ersatz aus Ricinusöl und Lauge eine weiche Seife her, die allerdings keinen angenehmen Geruch besaß und ein vollständig unverkäuflicher Artikel war, indessen gelang es uns nach einigen Experimenten, eine harte Substanz in Kugelform zu erzeugen, die den von uns gewünschten Zweck erfüllte.

Auf dem ganzen Wege von Jambuja bis nach den Ebenen waren wir jede Nacht von dem widrigen Geschrei des Maki gestört worden. Dasselbe fing mit einem uns erschreckenden lauten Grundton an, der sich wiederholte und ganz allmählich lauter, rascher und höher und zu einer schnellen Aufeinanderfolge ärgerlicher, klagender, das Ohr beleidigender Schreie wurde, die in der Dunkelheit und Stille der Nacht ganz geisterhaft klangen. Bald darauf begann in der Entfernung von vielleicht 200 m die Antwort eines weiblichen Gefährten in derselben Tonart, und manchmal machten zwei oder drei Paare dieser Thiere das Schlafen vollständig zur Unmöglichkeit, namentlich wenn infolge einer Unpäßlichkeit der gewöhnliche Schlummer zeitweilig unterbrochen war.

Zuweilen kamen ganze Armeen von rothen Ameisen, deren Colonnen sich durch den Graben nicht aufhalten ließen, von der Lichtung in das Fort. In langen, dichten, ununterbrochenen Linien, auf beiden Seiten von Posten bewacht, pflegten die Insekten in unzähligen Scharen an der einen Seite des Grabens hinab und an der andern wieder hinaufzuklettern, über die Brustwehren, durch die Zwischenräume der Pfähle, über den Wallgang nach dem freien Platze des Fort zu marschiren, von wo einige Colonnen die Küchen, andere das Hauptquartier und das Speisehaus der Offiziere angriffen; wehe dem unglücklichen nackten Fuß, der auf die Myriaden trat. Durchpeitschen mit Brennesseln, Aufstreuen von Cayennepfeffer auf den abgehäuteten Körper, ein ätzendes Bad auf eine um sich fressende juckende Stelle ist besser als die Tausende beißender giftiger Thiere, welche an Beinen und Körper emporklettern, sich im Kopfhaar vergraben und ihre glänzenden hornartigen Freßwerkzeuge ins Fleisch bohren, wo bei jedem Biß schmerzhafte Eiterbläschen entstehen. Jedes lebende Wesen scheint bei ihrem Kommen zu erschrecken. Die Menschen schreien, heulen vor Schmerz, springen umher und winden sich. Ueber mir in den trockenen dürren Phryniumblättern ist ein allgemeines Geraschel, wie von einer großen Masse wandernder Thiere – die Ratten und Mäuse, Schlangen, Käfer und Heimchen sind in Bewegung. Von meiner Hängematte aus habe ich beim Licht der Kerze unsere Rächer bemerkt, die auf dem Fußboden des Hauses vordringen, die Wände erklettern, die Schlupfwinkel unter jedem Blätterhaufen untersuchen, in die Ecken und Ritzen, Spalten und Mäuselöcher dringen; ich hörte das Aechzen und Jammern der kleinen blinden Mäuse, das Quieken der Rattenmütter und -väter, und begrüßte die Ameisen als einen Segen, mit dem dringenden Wunsche, daß sie ihr Vernichtungswerk fortsetzen möchten, bis im nächsten Augenblicke einige bösartige, undisciplinirte Stämme vom Dach sich auf meine Hängematte herabfallen lassen und den ihnen Wohlwollenden in einen rachsüchtigen Feind verwandeln, der in seiner Wuth nach glühenden Kohlen schreit und sie zu Tausenden lebendig bratet, bis die Luft von dem Gestank der in Krusten sich kräuselnden Ameisen gefüllt ist. Unglück über sie!

Als wir bei der Herstellung des Grabens den festen gelben Thon ausgruben, stießen wir 1½ m unter der Humusoberfläche in dem harten, dichten Boden auf verbranntes Holz. Und doch standen an dieser Stelle 100, 150 und 200 Jahre alte stattliche Bäume. Der Platz war völlig eben und anscheinend vorher nicht berührt worden.

Zu den Ueberraschungen gehört auch, daß wir im tropischen Afrika zu unserer Freude von Schlangenbissen frei geblieben sind. Der Continent schwärmt von Reptilien aller Art, von der silberfarbigen Blödaugenschlange bis zur ungeheuern Felsenschlange ( Python), doch sind während unserer gegen 39 000 km langen Reise zu Lande und zu Wasser in Afrika nur zwei Mann verletzt worden, und beide Fälle haben sich als nicht tödlich erwiesen. In demselben Augenblick, als wir mit dem Ausroden des Waldes, dem Aufhacken der Felder oder dem Herstellen der Wege begannen, bekamen wir aber auch einen Begriff von den Gefahren, denen wir entgangen sind. Während wir die gefallenen Stämme fortschafften, das buschartige Unterholz ausrodeten und den Boden zum Anbau vorbereiteten, trafen wir viele und darunter bemerkenswerth schöne Exemplare von Schlangen. Zusammengerollt im Gebüsch, so grün wie ein junges Weizenhälmchen, lagen die schlanken Peitschenschlangen, welche sich gegen unsere Leute wandten, als diese die Haumesser gebrauchten, um ihre Nester zu zerstören. Auch mehrere Arten Baumschlangen ( Dendrophis) von glänzenden Farben wurden aufgefunden, drei aufgeblasene, in ihrem complicirten Schmuck prächtig aussehende Puffottern getödtet; vier Hornvipern krochen aus ihren Löchern, um den Angriff auf die Leute mit dem Tode zu büßen; ein Exemplar aus der durch ihre langen Zähne ausgezeichneten Familie der Kleinäugler ( Lycodontidae) wurde durch Feuer aus seinem Schlupfwinkel getrieben, während mehrere kleine blinde, silberfarbige Schlangen mit stumpfem Kopfe, nicht viel größer als Regenwürmer, mit den Hacken aus dem Boden geholt wurden. Schildkröten waren sehr allgemein; ein Stinkthier ( Rhabdogale) hinterließ zahlreiche Anzeichen seiner Anwesenheit.

Während Gabelweihen, die verwegensten ihres Geschlechts, über jeder Lichtung des Waldes schwebten, trafen wir keinen einzigen Geier, bis wir das Grasland erreichten. Nur hin und wieder erschienen einige weißhalsige Adler, dagegen waren die Papagaien unzählig und gaben vom ersten Morgengrauen des Tages bis zur Dunkelheit stets und überall ihre Anwesenheit zu erkennen. Gelegentlich ruhten auch gegen Abend einige Reiher, vermuthlich von ihrem Fluge von dem Njansa her ermüdet, auf den Bäumen der Lichtung aus. Der schwarze Ibis und die Bachstelze waren in der Wildniß unsere ständigen Begleiter und Bäume mit Webervögeln und ihren Nestern ein Charakteristikum, das wir in der Nähe jedes Walddorfes fanden. Die Elefanten besuchten in Trupps unsere Nachbarschaft und kamen schließlich auch unsern Pflanzungen bis auf ein Dutzend Meter vom Fort nahe; Spuren von Büffeln und Wildschweinen trafen wir häufig an. Wir waren jedoch keine Naturforscher und hatten alle nicht die Muße und wahrscheinlich auch nicht die Lust zum Sammeln von Insekten, Schmetterlingen und Vögeln. Für uns war ein vierfüßiges Thier oder ein Vogel etwas zu essen, doch gelang es uns ungeachtet aller unserer Bemühungen nur selten eins oder das andere zu erlegen. Wir bemerkten nur, was sich zufällig unserm Blick zeigte oder unsern Weg kreuzte. Wir hatten zu viele Sorgen, um uns für etwas zu interessiren, was nicht damit in Verbindung stand. Wenn ein Eingeborener oder Sansibarite einen glänzenden langschuppigen Käfer, einen Abendfalter, schönen Schmetterling oder eine ungeheuere Fangheuschrecke fand, mir Vogeleier, eine seltene Blume, eine Lilie oder Orchidee, eine Schlange oder Schildkröte brachte, beschäftigte sich mein Geist, selbst während ich den Fund betrachtete und lobte, doch mit meinen eigenen besondern Angelegenheiten. Meine Familie war allzu groß, um mir die Beschäftigung mit Nebensächlichkeiten zu gestatten; nicht eine Stunde verfloß, ohne daß meine Gedanken zu Stairs in Ipoto flogen oder meine Phantasie Visionen von Barttelot und Jameson schuf, die, überwältigt von ihrer riesenhaften Aufgabe, sich durch den Wald kämpften, oder beschäftigte sich mit dem den Pascha umschwebenden Geheimniß, den bösartigen Zwergen, den mörderischen Balesse und ihrem Thun, oder der Nothwendigkeit, gegenwärtig sowie während der kommenden Monate Tag für Tag für Nahrung und Fleisch zu sorgen.

Am 7. Februar maßen wir mit der Lotleine die Zuführungswege zu den Thoren des Forts aus, und mehrere Tage war der größte Theil der Garnison beschäftigt, nach Osten und Westen breite gerade Straßen behufs raschern Marschirens und leichterer Vertheidigung herzustellen. Mächtige Baumstämme wurden gefällt und zur Seite gerollt und die Wege gereinigt, sodaß man eine über die Straße laufende Maus auf 200 m Entfernung entdeckt haben würde; über den westlich vom Fort fließenden Fluß wurde eine Brücke gebaut, welche es den Patrouillen ermöglichte, bei Nacht und bei Tage rasch jede der Pflanzungen zu erreichen. Man kann sich wohl denken, welche Wirkung diese Flut von Licht auf die verschlagenen Eingeborenen hatte, die es vorzogen, sich in dem tiefen Schatten zu verbergen und hinter die riesenhaften Baumstämme zu kriechen, um verstohlen eine Gelegenheit zum Angriff zu erspähen. Sie merkten, daß sie an keiner Stelle über die Straße schreiten konnten, ohne die Zielscheibe des Gewehrs einer Schildwache zu bilden, und daß ihre Spuren sie den Patrouillen verrathen würden.

Am nächsten Morgen stellten wir eine 15 m hohe Flaggenstange auf, und als die ägyptische Flagge aufgezogen wurde, gestattete ich den Sudanesen, sie mit 21 Schüssen zu salutiren.

Kaum war die kleine Ceremonie vorbei, als am Ende der westlichen Straße ein Schuß abgefeuert wurde und der Posten auf dem diese Richtung beherrschenden Thurme ausrief: »Schiff in Sicht!« Wir wußten jetzt, daß die Karavane von Ipoto herankam.

Dr. Parke war der erste, welcher eintraf. Er sah wunderbar gut aus, dagegen kam Nelson, dem die Füße schmerzten, erst eine Stunde später an. Er war vorzeitig gealtert, seine Züge waren gefurcht und hager, der Rücken gekrümmt, und die Beine so schwach wie bei einem achtzigjährigen Manne.

Der nachstehende Bericht spricht für sich selbst und beweist, daß der Aufenthalt dieser Offiziere in dem Dorfe der Manjema größere Geistesstärke und mehr moralischen Muth erforderte, als wir bei unserm stürmischen Vordringen durch das Grasland gebraucht hatten. Sie hatten keine zu besonderer Energie anregende Beweggründe, welche sie in der Zeit des Leidens, der physischen Erschöpfung, der Krankheit und des ermüdenden Lebens unter den schrecklichen Leuten, den Manjema, aufrecht erhielten und ermuthigten, während wir von den Eindrücken der neuen Scenen, der beständig bis aufs höchste angespannten Aufregung, den Gemüthsbewegungen des Marsches und des Kampfes getragen wurden. Sie litten Tag für Tag Mangel an Lebensmitteln, während wir im Ueberfluß schwelgten; die größte Schwierigkeit von allen war aber, alle von Ismaili, Chamis und Sangarameni, den Sklaven Kilonga-Longa's, des Sklaven des Abed ben Selim in Sansibar, ihnen zugefügten Leiden mit Sanftmuth und Freundlichkeit zu ertragen.

Bericht des Dr. T. H. Parke, Arzt der Expedition.

Fort Bodo, 8. Februar 1888.

Geehrter Herr!

Ich habe die Ehre, Ihnen nachstehenden Bericht zu Ihrer Information zu übersenden. Ihrem Befehle vom 24. October 1887 gemäß blieb ich im Lager der Manjema, um die Aufsicht über die bei Ihrem Abmarsch am 28. October dort zurückgelassenen Invaliden und Lasten bis zur Ankunft der Entsatzabtheilung, die am 25. Januar 1888 erfolgte, zu übernehmen. Von den von Ihnen im Lager zurückgelassenen Invaliden waren 7 am 7. November so weit wiederhergestellt, daß sie mit Kapitän Jephson weiter gesandt werden konnten; die Zahl der übrigen wurde noch vergrößert durch das Eintreffen von Kapitän Nelson, seinen beiden Dienern und 3 Mann am 3. November, sowie durch den Anführer Umari und 9 Mann, welche in verhungerndem Zustande im Wald gefunden und am 9. Januar ins Lager gebracht wurden, sodaß dort insgesammt 1 kranker Offizier und 39 Invaliden blieben. Hiervon sind Kapitän Nelson und 16 Mann mit der Entsatzabtheilung abmarschirt, 12 Mann befanden sich auf der Suche nach Lebensmitteln unterwegs und sind daher in dem Manjema-Lager zurückgelassen, und 11 Todesfälle sind vorgekommen. Diese außerordentlich große Sterblichkeit wird Sie ohne Zweifel in Erstaunen setzen, zumal da dieselbe, ausgenommen in zwei Fällen, allein dem Verhungern zuzuschreiben ist. Von der Zeit Ihres Aufbruches vom Manjema-Lager bis zu unserm Abmarsche am 26. Januar gaben die Häuptlinge den Offizieren wie den Mannschaften entweder wenig oder gar keine Lebensmittel; diejenigen Leute, welche kräftig genug waren, um ein gutes Tagewerk zu vollbringen, erhielten zu Zeiten bis zu 10 Kolben Mais pro Mann, allein da die Arbeitenden nicht beständig beschäftigt wurden, betrug ihre Durchschnittsration an Mais nur 3 Kolben pro Tag. Die Invaliden, welche nicht zu arbeiten im Stande waren, und deren gab es sehr viele, erhielten von den Häuptlingen nichts zu essen und waren daher gezwungen, sich von Kräutern zu ernähren. Mit Rücksicht auf den jämmerlichen und geschwächten Zustand aller dieser Leute infolge von Entbehrungen und Krankheit werden Sie leicht begreifen, daß die herzlose Behandlung seitens der Manjema-Häuptlinge ausreichend war, um sogar eine noch größere Sterblichkeit herbeizuführen.

Die Leute waren schlecht untergebracht und ihre spärliche Bekleidung bestand aus etwa einem halben Meter des aus Rinden verfertigten Stoffes der Eingeborenen, da sie ihre eigenen Kleidungsstücke für Lebensmittel verkauft hatten; sie haben aber nicht nur die Schrecknisse des Hungers erfahren, sondern wurden auch aufs grausamste und brutalste von den Manjema behandelt, welche sie erst dadurch, daß sie ihnen die Nahrung vorenthielten, zur Begehung von Diebstählen trieben, ihre Rücken dann mit Stöcken wundpeitschten und in einem Falle einen Mann (Asmani ben Hassan) wegen Diebstahls mittels Speerwürfen tödteten.

Kapitän Nelson traf in sehr geschwächtem Zustande ein und bedurfte guter Nahrung und sorgsamer Behandlung. Er besuchte die Häuptlinge und machte ihnen hübsche Geschenke im Werth von etwa 1500 Mark, um ihre Sympathien zu erwerben; doch fuhren die Manjema fort, den Offizieren und Mannschaften wenig oder gar keine Lebensmittel zu geben; sie behaupteten, es sei wegen der Verproviantirung Kapitän Nelson's keine Vereinbarung getroffen worden, und ebenso wenig wegen meiner; was sie mir an Nahrungsmitteln schickten, gäben sie nur aus eigener Großmuth her. Ich verlangte, daß sie mir das mit Ihnen getroffene schriftliche Abkommen zeigen sollten, was sie auch thaten; außerdem wiesen sie mir ein in arabischer Schrift aufgesetztes Uebereinkommen vor, das ich aber nicht lesen konnte. Aus ihrem Contract mit Ihnen ersah ich, daß sie versprochen hatten, die Offiziere und Mannschaften, welche Sie zurücklassen würden, zu verproviantiren, und wandte mich deshalb nochmals an sie und machte ihnen Vorstellungen; allein nichtsdestoweniger lieferten sie uns weniger und immer weniger Lebensmittel, bis sie schließlich uns gar nichts mehr geben wollten, angeblich weil sie keine hätten. Ihre Großmuth pflegte ihren Höhepunkt erreicht zu haben, wenn sie uns zwei oder drei Tassen voll Maismehl schickten, die Kapitän Nelson, mich und die Diener ernähren mußten, bis nach 6 oder 7 Tagen die nächste Gabe eintraf. Während der letzten 7 Wochen haben wir überhaupt keine Lebensmittel mehr von den Häuptlingen erhalten. Infolge ihrer Weigerung, uns Nahrung zu geben, waren wir gezwungen, zunächst unsere eigenen Kleidungsstücke und schließlich 8 der Expedition gehörende Gewehre zu verkaufen, um uns und den Dienern etwas zu essen zu verschaffen. Ich habe den Häuptling Ismaili wiederholt an die Unterredung erinnert, welche er am Abend, bevor Sie das Lager verließen, in Ihrem Zelt mit Ihnen gehabt und bei der er versprochen hat, nach den Offizieren und Mannschaften, welche Sie zurückließen, zu sehen und für sie zu sorgen. Obwol die Häuptlinge keine Lebensmittel hatten, um sie uns dem Contract gemäß zu liefern, besaßen sie doch stets im Ueberfluß, wenn es galt, sie zu verkaufen, wobei sie den Zweck verfolgten, uns zur Hergabe der Waffen und Munition für Proviant zu zwingen. Ich schicke Ihnen eine vollständige Liste der Effecten, welche Kapitän Jephson am 7. November meiner Aufsicht übergeben hat und die bei Ankunft der Entsatzabtheilung vollständig vorhanden waren, mit Ausnahme der folgenden Gegenstände: 2 Kisten Remingtonmunition und 1 Gewehr, welche von einem Sansibariten (Saraboko) gestohlen und, wie ich glaube, an die Manjema-Häuptlinge verkauft worden sind.

Mehrmals ist der Versuch gemacht worden, die Waffen, Kisten u. s. w. zu stehlen; in der Nacht des 7. November wurde die Hütte, in welcher das Gepäck gelagert war, in Brand gesteckt in der Absicht, bei der infolge der Feuersbrunst herrschenden Verwirrung alles zu stehlen, doch wurde dieser Traum ihnen vereitelt, weil Kapitän Nelson, der immer wachte, den hellen Schein sah und uns und unsere Diener früh genug alarmiren konnte, um das Feuer zu löschen, ehe es das Gepäck erreichte. Ich ließ dann Ihren Anweisungen gemäß die Zelte aufschlagen, wozu ich, weil ich keine Hülfe hatte, früher nicht im Stande gewesen war. Sämmtliche Gewehre, die Munition, Kisten u. s. w. wurden zusammengepackt und Kapitän Nelson nahm das eine und ich das andere Zelt ein. Wir gaben uns alle Mühe, um das Stehlen der Sachen zu verhindern; allein dessenungeachtet wurden Kapitän Nelson die wollenen Decken von einem Diebe gestohlen, der sich von hinten ins Zelt geschlichen hatte. Bei einer andern Gelegenheit hörte ich Geräusch vor dem Zelteingange und fand, als ich rasch aus dem Bette sprang, 10 m entfernt eine Kiste Munition, welche aus meinem Zelte gestohlen war. Der Dieb entkam in der Dunkelheit.

Am Abend des 9. Januar hörte ich draußen ein Geräusch und schlich, da ich einen Diebstahl vermuthete, leise nach dem Hintergrund des Zeltes, wo ich Camaroni, einen Sansibariten, dabei ertappte, als er ein Gewehr durch ein Loch, welches er zu diesem Zwecke in die Leinwand geschnitten hatte, stehlen wollte. Das Leben im Lager der Manjema war beinahe unerträglich. Abgesehen vom Hunger waren die Leute, ihr Benehmen und ihre Umgebungen von der niedrigsten Art, und der Platz war wegen der Haufen von Fäkalstoffen und verfaulender Pflanzen, die man auf den Wegen und in der Nähe der Wohnstätten sich ansammeln ließ, ein Treibhaus für Krankheiten. Kapitän Nelson war über zwei Monate durch Krankheit ans Bett gefesselt; ich bekam eine Blutvergiftung und darauf die Rose, welche mich fünf Wochen im Bette hielt. Während unserer Krankheit statteten die Häuptlinge uns häufig Besuche ab, aber stets in der Absicht, etwas von dem, was sie in unserm Zelte sahen, zu verlangen. Ihre Habgier war grenzenlos, und sie schlossen Uebereinkommen nur ab, um sie am nächsten Tage wieder zu brechen. Nach der Ankunft Kilonga-Longa's und seiner Truppe von 400 Personen, darunter Weiber, Kinder und Sklaven, wurden die Lebensmittel in Wirklichkeit knapp, sodaß die Manjema große Karavanen ausschicken mußten, um Proviant zu holen. Zwölf Sansibariten, welche bei unserm Abmarsch abwesend waren, begleiteten die Karavanen auf der Suche nach Lebensmitteln und waren, als ich das Lager mit der Entsatzabtheilung verließ, noch nicht zurückgekehrt. Die Hungersnoth war eben vor unserm Abmarsch so groß, daß die eingeborenen Sklaven einen ihrer Gefährten, welcher sich eine Strecke vom Lager entfernt hatte, um Wasser zu holen, in Stücke hackten und verzehrten.

Zum Schlusse möchte ich noch erwähnen, daß Kapitän Nelson und ich alles Mögliche gethan haben, um ein gutes Einvernehmen mit den Häuptlingen und den Leuten der Manjema zu erhalten, und daß wir in freundschaftlicher Weise von ihnen geschieden sind.

Dr. T. H. Parke.

Herrn H. M. Stanley,
Befehlshaber der Expedition.

Der Contrast zwischen den schwer mitgenommenen Leuten, welche aus jenem Treibhause der Leiden in Ipoto bei uns eingetroffen waren, und unsern wunderbar geschmeidigen, glänzenden Burschen, die mit nach dem Albert-See gezogen, war ein sehr bemerkenswerther. Bei jenen war das Fleisch abgemagert, die Muskeln waren eingeschrumpft, die Sehnen erschlafft und die die Einzelnen unterscheidende Individualität so vollständig verschwunden, daß es schwer war, sie wiederzuerkennen.

Am 12. Februar trafen Lieutenant Stairs und seine Colonne mit allen Theilen des Bootes in guter Ordnung ein; er war 25 Tage fort gewesen und hatte seine Mission, unter genauester Befolgung seiner Instructionen und ohne auch nur einmal von denselben abzuweichen, zur Ausführung gebracht.

Der Abend dieses Tages war von Bedeutung wegen einer Diskussion, welche bezüglich unserer zukünftigen Schritte sich zwischen den Anführern und uns entspann. Ich fand nämlich, daß die Anführer einstimmig dafür waren, nach dem Njansa zu gehen, das Boot zu Wasser zu bringen und nach Nachrichten von Emin zu forschen. Ich hegte den ebenso großen Wunsch, Mittheilungen von dem Pascha zu erhalten; dessenungeachtet glaube ich, daß es nur einer Kleinigkeit bedurft hätte, um mich zu veranlassen, die Nachforschung nach dem Pascha aufzugeben, um Mittheilungen von Major Barttelot zu erhalten; allein Offiziere und Mannschaften waren vollständig übereinstimmend in ihrem Verlangen, den Schleier von dem Schicksal Emin Pascha's zu lüften. Schließlich kamen wir zu einem Compromiß. Wir beschlossen nämlich, an Major Barttelot Boten mit unsern Briefen, einer Skizze von unserer Route, sowie sonstigen Bemerkungen zu senden, welche ihm von Nutzen sein könnten; und ferner, daß Lieutenant Stairs nach zweitägiger Rast die Boten bis nach der Station Ugarrowwa's begleiten und sicher über den Fluß escortiren, bei der Rückkehr aber die Genesenden mitbringen sollte, welche, als zu schwach für den Weitermarsch, am 18. September dort untergebracht worden waren. Damit Lieutenant Stairs ebenfalls »an der Ehre, bei dem Entsatze Emin Pascha's zugegen zu sein«, theilnehmen könnte, wollten wir bis zum 20. März auf ihn warten und in der Zwischenzeit die Arbeit an unserer Mais- und Bohnencultur fortsetzen, um jeden Mangel an Lebensmitteln während unsers Aufenthalts im Walde zu verhüten.

Die Entfernung zwischen Fort Bodo und Ipoto betrug 127 km 127 km auf einem und 135 km auf einem andern Wege., die Reise hin und zurück also 254 km. Zu der ganzen Reise hatte Lieutenant Stairs 25 Tage gebraucht, was eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 10,2 km im Tag ergibt. Er hatte jedoch Ipoto schon in 7 Tagen erreicht; Jephson und Uledi hatten dieselbe Entfernung in der nämlichen Zeit zurückgelegt, d. h. mit einer täglichen Geschwindigkeit von etwas über 17½ km. Da nun Ugarrowwa 167 km hinter Ipoto lag, also 294 km von Fort Bodo entfernt war, so rechneten wir, daß Stairs die 588 km lange Reise, welche er zu unternehmen im Begriffe stand, in 34 Tagen mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 17 km täglich werde machen können. Das wäre ein ganz vorzüglicher Marsch gewesen, namentlich im Walde, aber da verschiedene Umstände die Zeit in die Länge ziehen konnten, so kamen wir überein, daß wir nach dem Aufbruch zum Njansa am 25. März, da die Beförderung des Bootes ohnehin kurze Tagemärsche erforderlich machte, uns nur langsam vorwärts bewegen wollten, um Stairs Gelegenheit zu geben, uns einzuholen.

Bei der Musterung am Morgen des 16. Februar erklärte ich den Leuten, daß ich 20 der Allerbesten als Freiwillige brauchte, um unsere Briefe an Major Barttelot zu befördern, und zwar sollte jeder derselben, wenn es ihnen gelänge, den Genannten zu erreichen, 10 Pfd. St. Belohnung erhalten. »Denn«, sagte ich, »ihr habt euch alle in der Absicht vereinigt, daß wir zuerst den Pascha aufsuchen sollten. Gut. Aber ich bin in ebenso großer Sorge um den Major wie um den Pascha. Wir müssen beide finden. Ihr, die ihr noch nicht vergessen habt, was wir gelitten haben, müßt begreifen, wie dem Major und seinen Freunden in jenem schrecklichen menschenleeren Walde zu Muthe ist, wo sie keine Idee davon haben, wohin sie gehen und was ihrer noch wartet. Ihr wißt, wie dankbar wir gewesen wären, wenn wir jemand getroffen hätten, der uns vor dem uns bevorstehenden Hunger und Elend hätte warnen können. Deshalb muß jeder der Freiwilligen von allen als der geeignetste für diese edle Aufgabe anerkannt werden. Herr Stairs, den ihr alle als einen Mann kennt, der nie ermüdet und nie ›genug‹ sagt, wenn noch etwas geschehen muß, wird euch den Weg bis zu Ugarrowwa zeigen und dafür sorgen, daß ihr mit Lebensmitteln und genügenden Patronen versehen über den Fluß gesetzt werdet. Wenn ihr aufbrecht, müßt ihr euch auf unserer alten Straße, die ihr nicht verlieren könnt, halten und eilen, als ob ihr um einen hohen Preis um die Wette laufen solltet. Diese Briefe müssen den Händen des Majors übergeben werden, damit er gerettet werden kann. Wo sind die Funfzig-Dollars-Leute?«

siehe Bildunterschrift

[Karte von Stairs]

Selbstverständlich sind die Sansibariten bei solchen Gelegenheiten leicht zu Enthusiasmus angeregt, und jeder betrachtet sich als Helden. Es traten mehr als 50 Mann vor, welche jeden herausforderten, etwas gegen ihre Mannhaftigkeit und ihren Muth zu sagen; doch wurden sie von ihren Gefährten und Offizieren einer prüfenden Kritik und scherzhaften Untersuchung unterzogen und bezüglich ihres Muthes, ihrer Kraft, Ausdauer, Behendigkeit, Neigungen, Stärke, Gesundheit an Körper und Geist befragt, bis endlich 20 Mann den Befehlshaber und die Leute befriedigten und ihre Rationen erhielten. Sie wurden in der Liste derjenigen, welche bei der Rückkehr nach Sansibar für ausgezeichnete Dienste mit verschiedenen Geldsummen außer ihrem Gehalt belohnt werden sollten, besonders erwähnt. Um 9 Uhr trat Lieutenant Stairs mit Hühnern, Ziegen und Proviant an Mais und Bananenmehl die lange Reise nach Ipoto und zu Ugarrowwa an.

Am 18. Februar entwickelte sich in meinem linken Arm, der mich schon seit vier Tagen sehr geschmerzt hatte, eine drüsenartige Anschwellung, welche, wie der Arzt sagte, sich als ein Absceß erweisen würde.

Folgendes ist meinem Tagebuche entnommen:

19. Februar bis 13. März. Am 19., Sonntag abends, wurde ich von einer Magenentzündung befallen, die von Dr. Parke als subacute Gastritis bezeichnet wurde und so heftiger Natur war, daß ich während der ersten Woche nur eine verworrene Erinnerung von großen Schmerzen im Arm und Magen und allgemeiner Unbrauchbarkeit habe. Dr. Parke war außerordentlich eifrig in der Sorge um meine Bedürfnisse und bei seiner Pflege so zart wie ein Weib. Zum ersten mal in meinem Leben stand jede Seele um mich herum zu meinen Diensten und war ich bei Tag und Nacht Gegenstand allgemeiner Sorge. Meine treuen Freunde Parke und Jephson pflegten mich. Der arme Nelson war selbst ein Opfer von Krankheit, Fieber, Schwäche, Hautanschwellungen und Geschwüren, den Folgen seiner schrecklichen Leiden im Hungerlager, doch pflegte auch er, schwankend vor Schwäche, zu mir zu kommen, um mir seine Sympathie auszudrücken. Nachmittags gestattete der Doctor den Anführern mich zu besuchen, damit sie den besorgten Sansibariten ihre persönlichen Ansichten und Eindrücke von meinem Falle übermitteln könnten. Während dieser 23 Tage bin ich meistens unter der Einwirkung von Morphium bewußtlos gewesen. Doch bin ich jetzt in langsamer Wiederherstellung begriffen. Vor zwei Tagen ist der Absceß, der sehr groß geworden war, geschnitten und bin ich von diesem Schmerz befreit worden. In der ganzen Zeit bestand meine tägliche Kost nur aus einem Viertelliter mit Wasser verdünnter Milch, die wir der Balegga-Kuh verdankten. Ich bin daher so schwach, daß ich mich kaum bewegen kann.

Während meiner Krankheit habe ich wieder zwei gute Leute verloren, Sarmini und Kamwaija, welche durch Pfeile getödtet worden sind, während einer der Anführer schwer verwundet wurde. Dies geschah auf einer Patrouillentour zum Ihuru, etwa 26 km gerade nördlich von hier. Uledi hat mit seiner Truppe entdeckt, daß die Lager der Zwerge und größerer Eingeborenen, welche unsere Bananenpflanzungen plündern, sich bei Alesse und Nderi, 26 km östlich von hier, befinden.

siehe Bildunterschrift

Die Königin der Zwerge.

Ich fand, daß Uledi eine Königin der Zwerge, die Frau des Häuptlings von Indekaru, gefangen genommen hat. Als man sie mir zur Besichtigung vorführte, trug sie drei Ringe aus polirtem Eisen um den Hals, deren Enden nach Art einer Uhrfeder aufgerollt waren, sowie drei Ringe an jedem Ohr. Sie hat eine hellbraune Hautfarbe, ein breites, rundes Gesicht, große Augen und kleine, aber volle Lippen. Ihr Benehmen ist ruhig und bescheiden, obwol ihre Kleidung nur aus einem schmalen, geschlitzten Streifen aus Birkenrindenstoff besteht. Sie ist etwa 1,32 m groß und vielleicht 19 oder 20 Jahre alt; wenn sie die Arme gegen das Licht hält, bemerkt man einen weißlich-braunen Flaum aus denselben. Die Haut fühlt sich beim Berühren nicht so glatt und seidenartig an, wie bei den Sansibariten. Alles in allem ist die Frau ein sehr nettes, kleines Geschöpf.

13. März bis 1. April. Gegen den 25. März war ich wieder so weit hergestellt, daß ich einige hundert Meter weit auf einmal gehen konnte. Der Arm war mir noch steif und ich fühlte mich außerordentlich schwach. Nelson hat sich von seinen anhaltenden Krankheitsanfällen etwas erholt. Während meiner Genesung half man mir jeden Nachmittag nach der Mitte einer aus hohen Bäumen gebildeten Colonnade, durch welche unsere Straße nach dem Njansa führt und wo ich in einem Lehnsessel die Zeit mit Lesen und Träumen verbrachte.

Während man mir nach meinen Laubarcaden half, war es täglich mein Vergnügen, die rasche Veränderung des Wachsthums des Getreides auf den Feldern zu beobachten und zu sehen, welche Eingriffe wir auf den Wald machten. Unser in Cultur genommenes Gebiet behielt, nachdem es gesäubert, aufgehackt und bepflanzt war, nicht lange seine braune, kahle, nackte Oberfläche. Eines Tages grünte es von jungen Maisblättern, die wie auf Commando zu Tausenden aus der Erde gesprossen waren. Gestern vielleicht blickten wir noch lächelnd auf die zarten weißen Stengel, die sich wie eine Feder unter den langsam sich hebenden Erdschollen bogen, und jetzt sind die letztern zur Seite gesprengt, die gekrümmten Stengel in die Höhe gesprungen und die jungfräulichen Pflanzen haben ihre zarten grünen Köpfe entfaltet. Tag für Tag wundert man sich, wie das Korn gedeiht und wächst, mit welcher Gewalt die Stengel sich verdicken, blattreicher und dunkler grün werden. Seite an Seite in gehöriger Entfernung und Ordnung sind sie emporgeschossen, die Blätter haben sich untereinander in liebender Umarmung verschlungen, bis das Ganze ein solides vierseitiges Kornfeld geworden ist, dessen Rauschen wie das schwache Getöse eines fernen Meeres klingt, das seine Wellen über den mit Kieseln bedeckten Strand rollt.

Andächtig horche ich auf diese Musik, während mein ärztlicher Freund nicht weit von mir sitzt und mich bewacht und an jedem Ende der Allee Schildwachen still auf ihrem Posten stehen. Ueber den Wald weht eine sanfte Brise, welche das Getreide fächelt und ein allgemeines Schütteln und Wogen desselben verursacht, und sitzend beobachte ich, wie die Halmspitzen mit dem leisen lieblichen Geräusch zahlreicher kleiner Wellen sich hübsch und anmuthig hin- und herschwingen, nicken und sich gegenseitig grüßen, bis die Schläfrigkeit mich überkommt und meine Sinne umfängt und der Schlummer mich ins Reich der Phantasie entführt. Wenn die Sonne tief im Westen steht und ihre Strahlen mit mildem Schein horizontal auf das Unterholz fallen, hilft mein freundlicher Arzt mir wieder auf die Füße und stützt mich, während das Korn mir mit tanzender Bewegung und anmuthigem Wogen Lebewohl sagt, bevor ich nach dem Fort zurückwanke.

In dem warmen, fruchtbaren Boden ist das Getreide ruckweise gewachsen, bis es eine erstaunliche Höhe erreicht hat und so hoch geworden ist, wie das Unterholz des Waldes. Noch vor wenigen Wochen suchte ich zwischen den Erdschollen nach Anzeichen des Sprossens, etwas später hätte man dort noch eine davonlaufende Maus sehen können; vor einigen Tagen war das Getreide brusthoch und heute muß ich hinaufblicken, vermag kaum noch mit einem anderthalb Meter langen Stocke die Spitzen der rappierförmigen Blätter zu berühren, und eine ganze Heerde Elefanten könnte ungesehen unter demselben stehen. Das Korn hat schon geblüht; die großen, schwellenden Aehren liegen behaglich in ihren zahlreichen Scheiden und versprechen eine reiche Ernte, und ich bin außer mir vor Freude bei dem Gedanken, daß während meiner Abwesenheit kein Grund zu Besorgniß für die Zukunft ist.

Ich bin entschlossen, morgen mit dem Boote den Marsch nach dem Njansa anzutreten. Dies ist der 46. Tag von Stairs' Abwesenheit. Ich habe 20 Boten, von denen einer später zurückgekehrt ist, an Major Barttelot abgesandt. Stairs und seine persönlichen Begleiter zählten sieben Personen. Ich werde 49 im Fort zurücklassen; einschließlich Nelson werden 126 Mann da sein, um das Boot nach dem Njansa zu begleiten. Insgesammt sind von den 389 Mann der Vorhut noch 201 übrig, außer den Genesenden, welche vielleicht bei Ugarrowwa mitgenommen werden können.

Tippu-Tib ist offenbar treulos gewesen und der Major macht deshalb, Hunderte von Kilometern hinter uns, doppelte Märsche. Die 19 Boten eilen ihm entgegen und befinden sich jetzt vermuthlich dem Népoko gegenüber, während Stairs noch so viele an Geschwüren leidende Invaliden gefunden hat, daß er nicht rasch vorwärts kommen kann. Mit 126 Mann versuche ich zum zweiten male den Entsatz Emin Pascha's. Die Garnison besteht aus allen denen, welche infolge von Schwäche, Blutarmuth (bei den Leuten, welche Nelson's Leidensgefährten im Hungerlager waren) und Beinwunden, von denen einige vollständig unheilbar sind, leiden.

siehe Bildunterschrift

Im Innern von Fort Bodo.

Die um das Fort ausgeführten Arbeiten sind umfangreich. Nelson hat einen uneinnehmbaren Platz; die Korn- und Bohnenfelder gedeihen. Heute habe ich das erste Gericht Bohnen gegessen. Die Bananenbäume scheinen unerschöpflich zu sein.

Auf beiden Seiten reichen unsere breiten Straßen etwa ¾ m weit. Die Pflanzungen werden jeden Morgen von 10 Kundschaftern abpatrouillirt, damit die bösartigen Zwerge die Vorräthe der Garnison nicht zerstören und die Eingeborenen nicht einen plötzlichen Angriff auf die auf den Feldern beschäftigten Arbeiter machen können.

Dr. Parke begleitet uns auf seinen eigenen dringenden Wunsch morgen nach dem Njansa. Obwol sein Platz unter den Invaliden im Fort ist, gibt es dort keine, welche größerer Aufmerksamkeit bedürfen, als Kapitän Nelson ihnen durch seine Diener zutheil werden lassen kann, denen wir die Kunst gelehrt haben, die Wunden mit in Wasser verdünnter Carbolsäure auszuwaschen.

Unsere Leute pflegten sich Sonntags mit militärischen Evolutionen nach der Methode des Generals Mathews in Sansibar zu amusiren; sie sind so vorzügliche Schauspieler, daß sie sogar seine Stimme und Geberden getreu nachahmen.

Das Leben in Fort Bodo war im großen und ganzen nicht unangenehm, außer für Kapitän Nelson und mich. Nichtsdestoweniger haben wir uns gegrämt und sind nie frei von Sorge um den Aufenthalt und das Schicksal unserer Freunde gewesen; auch hatten wir den dringenden Wunsch, zu marschiren und etwas zur Beendigung unserer Arbeiten zu thun, allein es treten beständig allerlei unvorhergesehene Umstände ein, welche unsere Absichten durchkreuzen. Wir sind daher bestrebt gewesen, jede müßige Stunde dazu zu verwenden, unbeschränkte Vorräthe von Lebensmitteln zu schaffen, in der Hoffnung, daß das Glück sich einmal zu unsern Gunsten wenden und Barttelot, sowie unsere Freunde Jameson, Ward, Troup und Bonny mit ihrer kleinen Armee von Leuten vor unserer zweiten Rückkehr vom Njansa nach Fort Bodo bringen möge.



 << zurück weiter >>