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Funfzehntes Kapitel.
Zusammentreffen mit Emin Pascha.

Unser Lager in Bundi. – Mbiassi, Häuptling von Kavalli. – Getreidespeicher der Balegga. – Die Häuptlinge Katonsa und Komubi drücken ihre Reue aus. – Gabelweihen in Badsua. – Ein Billet von Jephson. – Emin, Casati und Jephson kommen zu uns ins Lager bei dem alten Kavalli. – Schilderung Emin Pascha's und Kapitän Casati's. – Die Sudanesen des Paschas. – Unsere Sansibariten. – Der Dampfer »Khedive«. – Baker und die Blauen Berge. – Die Schilderungen Dr. Junker's und Dr. Felkin's von Emin. – Kabba-Rega's Nachbarschaft. – Emin und die Aequatorialprovinzen. – Dr. Junker's Bericht von Emin. – Unterredung mit Emin über unsere zukünftigen Schritte. – Kapitän Casati's Pläne. – Lager und Lebensmittel in Nsabe. – Behandlung Kapitän Casati's und Mohammed Biri's durch Kabba-Rega. – Mabruki wird von einem Büffel durchbohrt. – Emin Pascha und seine Soldaten. – Meine Vorschläge und Emin's Antwort. – Emin's Lage. – Mohammed Achmet. – Der Kongostaat. – Die Depeschen des Auswärtigen Amtes.

 

Am 25. April brachen wir von Kavalli auf und lagerten uns dann bei Bundi in der Höhe von 1493 in über dem Meere. Das eigentliche Dorf lag noch ungefähr 120 m höher auf dem Grat einer der Hügelketten, welche die Wasserscheide zwischen dem Becken des Kongo und dem des Nils bilden. In ihren Thälern entspringen die ersten kleinen Bäche, welche dem östlichen Ituri zufließen. Auf der andern Seite des schmalen felsigen Grats entstehen die Flüsse, welche in den Albert-See hinabstürzen. Unser Lager befand sich gerade am Rande des Plateaus, von wo wir einen ungehinderten Blick über einen großen Theil des südlichen Endes des Albert-Sees hatten.

Mbiassi, der hübsche Häuptling von Kavalli, begleitete uns, um seinen Gästen die Ehren seines Stammes zu erweisen. Er befahl den Bewohnern von Bundi, schleunigst eine größere Beisteuer an Lebensmitteln ins Lager zu schaffen, und sandte auch Boten an Komubi mit der Aufforderung, nicht zu säumen und einen Mann mit Lebensmitteln zu versorgen, der vielleicht eines Tages veranlaßt werden könne, bei der Züchtigung Kabba-Rega's Hülfe zu leisten. Komubi, der berühmte Häuptling der östlichen Balegga, scheint von diesen hartnäckigen Feinden Kabba-Rega's als ihr »einziger General« betrachtet zu werden. Mbiassi, von seinem Volk gewöhnlich nach seinem District Kavalli genannt, war ein Diplomat.

Am 26. April stiegen wir in 2¾ Stunden nochmals an den Abhängen des Plateaus hinab und quartierten uns am Fuße desselben in dem Balegga-Dorfe Badsua ein, 700 m unterhalb des Lagers bei Bundi. Die Balegga waren geflohen, doch da das Dorf Eigenthum Kavalli's war, nahm er Besitz von demselben und vertheilte aus den Getreidevorräthen, je nach dem Bedarf unserer vereinigten Begleiter, für fünf Tage ausreichende Rationen an die Leute.

Von Katonsa, dem Häuptling, welcher am 14. December unsere Freundschaft abgelehnt, die ihm angebotenen Geschenke zurückgewiesen und am 16. seine Leute geschickt hatte, um unser Lager mit Pfeilen zu beschießen und zwei unserer Kranken zu ermorden, kamen Boten, um mir zu sagen, er »sterbe« vor Verlangen mich zu sehen. Er hatte jetzt gehört, daß Masamboni, Gavira, Kavalli und viele andere sehr intim mit den Fremden seien, die seine Leute demüthig um einen Trunk Wasser gebeten hatten, und beeilte sich nun, wie Schimei der Benjamite, dies wieder gut zu machen. Ehe ich noch eine Antwort geben konnte, war der handfeste Komubi, der »einzige General«, mit einer weißen Kuh, mehrern Ziegen und Bündeln süßer Kartoffeln, sowie vielen Töpfen mit kräftigem Bier von den Balegga-Hügeln herabgestiegen. Komubi und seine halsstarrigen Begleiter waren es gewesen, welche sich am 13. December mit solcher Hartnäckigkeit an die Fersen der Nachhut geheftet und den nächtlichen Angriff versucht hatten. Er kam jetzt, um freimüthig sein Bedauern und seine Zerknirschung auszusprechen, daß er uns für die Banditen Kabba-Rega's gehalten habe, und um sein ganzes Land und, wenn ich es wünschte, auch sein Leben in meine Hände zu legen. Wir machten ziemlich rasch Freundschaft mit diesem kühnen Häuptling und trennten uns erst nach längerer Unterhaltung. Katonsa antworteten wir, daß wir uns seine Botschaft überlegen würden.

Ich brauche jetzt die Tagebuchform.

27. April. Halt in Badsua. Die Gabelweihen sind in dieser Gegend sehr frech. Als wir ihre Kühnheit bemerkten, amusirten wir uns damit, auf das Dach einer Hütte Fleischstücke auf Armeslänge von einem daneben stehenden Manne zu legen, und jedesmal gelang es der Gabelweihe, mit dem Fleisch zu entkommen, da der Vogel, über der Stelle umhersegelnd und schwebend, den Augenblick, wo die Aufmerksamkeit des Mannes etwas nachließ, zu wissen schien, in demselben Moment sich plötzlich auf das Fleisch stürzte und es mit festem Griffe davontrug, ehe die ausgestreckte Hand ihn ergreifen konnte.

Unser Jäger »Three O'clock« ging auf die Jagd und kehrte mit dem Fleisch eines von ihm geschossenen schönen Kudu zurück.

28. April. Halt. Heute Morgen zog Uledi Mabruki, ein anderer Jäger, aus, um »Three O'clock« auf der Jagd Concurrenz zu machen, und nachmittags brachte er und seine Gefährten drei junge grauröthliche Antilopen mit.

29. April. Als wir um 8 Uhr gerade im Begriff standen, das Lager abzubrechen, um nach dem See zu marschiren, erschien ein eingeborener Führer mit einem vom 23. April datirten Schreiben von Jephson, welcher mir mittheilte, daß er Mswa, eine Station Emin Pascha's, wohlbehalten erreicht, und der Commandant Schukri Aga Boten abgesandt habe, um Emin Pascha von unserm Eintreffen am See in Kenntniß zu setzen. Außer dem Schreiben folgte ein Korb Zwiebeln mit, ein Geschenk von Schukri Aga.

Um 9 Uhr brachen wir nach dem See auf. Zwei Stunden später hatten wir kaum ½ km vom Ufer, nicht weit von dem am 16. December von uns besetzten Lagerplatze und der Stelle des alten Kavalli, die der Häuptling uns zeigte, uns gelagert. Wir hatten Getreiderationen auf fünf Tage bei uns und konnten Fleisch von der Ebene hinter uns bekommen, da größeres Wild verschiedener Art reichlich auf derselben umherschwärmte.

Von meinem Zelteingange sah ich um 4½ Uhr nachmittags am nordöstlichen Horizont des Sees einen dunkeln Gegenstand auftauchen, den ich für ein Eingeborenenkanoe oder vielleicht für das auf der Rückfahrt begriffene Stahlboot »Advance« hielt, allein ein Blick durch den Feldstecher enthüllte mir die Dimensionen eines viel größern Fahrzeugs, als ein Boot oder Kanoe haben konnte, und im nächsten Augenblick ließ auch das Aufsteigen einer dunkeln Rauchwolke erkennen, daß es ein Dampfer war. Eine Stunde später konnten wir unterscheiden, daß derselbe ein Paar Boote im Schlepptau hatte, und um 6½ Uhr ließ er in der kleinen Bai von Njamsassi dicht unter Land der Insel dieses Namens den Anker fallen. Es waren Dutzende von unsern Leuten vor unserm Lager am Strande, welche die Gewehre abfeuerten und durch Winken Zeichen gaben; doch schien, obwol wir nur 3 km von der Insel entfernt waren, niemand uns zu bemerken.

Ich schickte daher tüchtige Boten dem Strande entlang, um der Gesellschaft an Bord unsere Anwesenheit mitzutheilen, leider aber benahmen sich dieselben so übereifrig, daß, als sie die Gewehre abschossen, um sich bemerkbar zu machen, sie in Erwiderung von den Sudanesen beschossen wurden, die selbstverständlich die wilden Gestalten für Leute Kabba-Rega's gehalten hatten. Es wurde indeß kein Unheil angerichtet, die Bootsmannschaft erkannte das Rufen ihrer Kameraden und theilte den übrigen mit, daß die Leute am Lande Freunde seien, worauf das Boot bereit gemacht wurde, um unsere Besucher nach dem Strande in der Nähe des Lagers zu befördern. Um 8 Uhr schritt Emin Pascha unter allgemeinen großen Freudenkundgebungen und nach wiederholter Begrüßung durch Flintenschüsse ins Lager, begleitet von Kapitän Casati, Herrn Jephson und einem der Offiziere des Paschas. Ich schüttelte ihnen allen die Hand und fragte, wer Emin Pascha sei. Dann erregte eine etwas kleine, zarte Gestalt, welche eine Brille trug, meine Aufmerksamkeit durch die in vorzüglichem Englisch gesprochenen Worte: »Ich bin Ihnen viel tausend Dank schuldig, Herr Stanley, und weiß wirklich nicht, wie ich Ihnen denselben aussprechen soll.«

siehe Bildunterschrift

Zusammentreffen mit Emin und Casati im Lager am Seeufer.

»Ah, Sie sind Emin Pascha. Erwähnen Sie des Dankes nicht, sondern treten Sie ein und setzen Sie sich. Es ist hier draußen so dunkel, daß wir uns gegenseitig nicht sehen können.«

Wir saßen am Eingang des Zeltes, ein Wachslicht erhellte die Scene. Ich hatte eine große, hagere Gestalt von militärischem Aussehen in abgetragener ägyptischer Uniform zu sehen erwartet, erblickte statt dessen aber eine kleine, schmächtige Figur mit einem guterhaltenen Fes und in einem saubern, schön geplätteten und vorzüglich sitzenden, schneeweißen Anzug aus Baumwollendrillich. Ein dunkler, graumelirter Bart umrahmte das Gesicht von ungarischem Typus, obwol eine Brille demselben ein etwas italienisches oder spanisches Aussehen gab. Das Gesicht zeigte keine Spur von Krankheit oder Sorge, sondern deutete eher gute Körperbeschaffenheit und friedliches Gemüth an. Kapitän Casati dagegen sah, obwol er jünger an Jahren ist, hager, von Sorgen aufgerieben, bekümmert und alt aus. Er war ebenfalls in saubern Baumwollenstoff gekleidet und trug auch einen ägyptischen Fes.

Kurze Schilderungen der Ereignisse unserer Reise, die Ereignisse in Europa, die Vorfälle in den Aequatorialprovinzen, sowie persönliche Angelegenheiten nahmen den größten Theil von zwei Stunden in Anspruch, worauf wir zum Abschluß der glücklichen Zusammenkunft fünf halbe Flaschen Champagner, ein Geschenk meines Freundes Greshoff in Stanley-Pool, entkorkten und auf die dauernde Gesundheit Emin Pascha's und Kapitän Casati's tranken. Beim Lesen der nachstehenden Notizen darf nicht außer Acht gelassen werden, daß der Pascha 35 Tage vorher an den Herausgeber von »Petermann's Mittheilungen« ein Schreiben gerichtet hatte, welches mit den bedeutsamen Worten schloß: » Kommt Stanley nicht bald, so sind wir verloren

Alsdann geleiteten wir die Gesellschaft zum Boote, welches sie nach dem Dampfer zurückbrachte.

30. April. Marschirten mit der Expedition nach Nsabe, einem schönen, trockenen, grasbewachsenen Orte, etwa 50 m vom See und 5 km von der Insel Njamsassi entfernt. Als wir am Ankerplatz des Dampfers »Khedive« vorbeizogen, wurden wir von einem Detachement der Sudanesen des Paschas, das am Ufer des Sees in Parade aufgestellt war, mit Musik begrüßt. Der Pascha trug einen Uniformrock und sah militärischer aus als am Abend vorher.

Neben diesen strammen Gestalten erschienen unsere Sansibariten wie eine erbärmliche Truppe und nackter als je. Aber ich schämte mich ihrer nicht. So gering sie auch aussahen, hatten wir doch nur durch ihre Hülfe unzählige Schwierigkeiten überwinden können, und wenn sie auch nicht zu exerciren verstanden und keine kriegerische Stellung einzunehmen vermochten, so waren doch die besten der sudanesischen Soldaten im Vergleich zu ihnen nur Kinder für die Erfordernisse einer Expedition wie die unserige. Nach Beendigung der kleinen Ceremonie lieferte ich 30 Kisten Remingtonpatronen an den Pascha ab und begab mich an Bord des Dampfers, wo ich ein Frühstück, aus in Sirup gebackenem Hirsekuchen und einem Glase frischer Milch bestehend, zu mir nahm.

Der Dampfer war der »Khedive«, der im Jahre 1869 von Samuda Brothers gebaut, 27½ m lang, 5¼-5½ m breit und einen Tiefgang von 1½ m hat. Obgleich das Schiff fast 20 Jahre alt ist, leistet es noch Dienste, doch fährt es etwas langsam. Die obern Theile sehen ganz gut aus, indessen soll der Dampfer unter Wasser, wie ich höre, stark ausgeflickt sein.

Außer dem Pascha befanden sich an Bord Casati, Vita Hassan, ein tunesischer Apotheker, einige ägyptische Beamte, ein ägyptischer Lieutenant und einige 40 sudanesische Soldaten, sowie eine tüchtige Mannschaft. Nach den vertrauten Tönen, die ich während eines momentanen Abschweifens der Gedanken vernahm, war es mir so als sei ich in Alexandrien oder am Unterkongo, wenn ich dann aber aufblickte und einen flüchtigen Blick um mich warf, hatte ich wieder die Gewißheit, mich an Bord eines auf dem Albert-See schwimmenden Dampfers zu befinden. Wenn wir langsam nordwärts bis ungefähr 2¼ km vom Ufer gleiten, haben wir die hohe Masse des Plateaus von Unjoro zu unserer Rechten, während sich links ein ebenso gewaltiges Hochland erhebt, dessen Auf- und Abstiege uns nur zu bekannt sind. Bei einem flüchtigen Blick auf die dunkelblaue Masse von Unjoro kann ich mir erklären, weshalb Baker unserer Plateaumauer den Namen der Blauen Berge gegeben, denn wären wir der Küste von Unjoro entlang gefahren, würde der warme Dunst unser Plateau ähnlich gefärbt haben. Nachdem wir die Insel Njamsassi hinter uns zurückgelassen, erglänzte eine feuchte Felsfläche, welche von dem Fluß bespült wird, den wir gestern beim Abstieg überschritten haben, wie ein Spiegel in der Sonne, sodaß sie wie eine herabstürzende breite Wasserfläche erscheint. Baker hat ihr daher den Namen einer Cascade gegeben, wie sie sich ihm von Osten her gezeigt hat.

Dr. Junker und Dr. Felkin ließen uns, namentlich nach den Veröffentlichungen in den Nummern des »Graphic« vom Januar 1887, Emin Pascha als einen nervigen, sehnigen, großen Mann von ungefähr 1,8 m Größe erwarten, in Wirklichkeit ist er aber nicht über 1,7 m groß. Ich erinnere mich, daß ersterer ganz besorgt war, ob die für seinen Freund bestellten Hosen auch lang genug in den Beinen seien. Es mußten aber 15 cm abgeschnitten werden, ehe sie Emin paßten. Emin erzählte mir, er sei 48 Jahre alt. Sein Aussehen läßt dieses Alter nicht erkennen; sein Bart ist dunkel, nahezu schwarz, und seine Beweglichkeit würde einem Manne von 30 oder 35 Jahren anstehen.

Der Pascha sagt mir, daß er Monbuttu besucht, aber wie die Reisenden Schweinfurth, Casati, Piaggia und Junker keine astronomischen Beobachtungen gemacht, sondern sich einzig und allein auf Vermessungen mit dem Kompaß beschränkt habe. Dagegen hat er der Meteorologie dieses Gebiets mehr Aufmerksamkeit zugewendet.

Gegen Mittag ankerten wir unweit Nsabe, wo ich mich ans Land begab, um die Leute zur Herstellung eines achtunggebietenden Lagers anzutreiben, das sich für einen längern Aufenthalt in einem Lande eignete, welches wir wegen der Nachbarschaft Kabba-Rega's als gefährlich betrachten konnten. Nachdem dieser König Emin Pascha den Fehdehandschuh hingeworfen hatte, konnte er sich auch mächtig genug glauben, um mit seinen 1500 Gewehrträgern unsere Stärke zu erproben, oder es konnten die Waganda auf ihren Raubzügen von unserer Nachbarschaft hören und durch die zu erwartende Beute sich versucht fühlen, uns einen Besuch abzustatten.

Abends kam Emin Pascha ans Land und wir hatten eine längere Unterredung; doch bin ich nichtsdestoweniger nicht im geringsten im Stande zu sagen, was seine Absichten sein mögen. Ich habe ihm seine Briefschaften, den »Hohen Befehl« des Khedive und das Schreiben Nubar Pascha's ausgehändigt.

Ich dachte, daß wir vielleicht zwei Wochen zu warten haben und dann sämmtlich nach dem Plateau marschiren würden, um in Undussuma einen geeigneten Platz zu besetzen, wo ich ihn, nachdem alle Vorkehrungen in Bezug auf vollständige Sicherheit und Behaglichkeit getroffen waren, lassen konnte, um zum Beistande der Nachhut zurückzukehren. Nach unserer Wiedervereinigung konnten wir in wenigen Tagen den Marsch nach Sansibar aufnehmen. Aber der Pascha hatte eine ominöse Weise. Wenn ich ihm die Rückkehr nach dem Meere vorschlage, pflegt er sich aufs Knie zu klopfen und zu lächeln in einer Weise, als wollte er sagen: »Wir werden ja sehen.« Es wird ihm offenbar schwer, seine Stellung in einem Lande, wo er vicekönigliche Gewalt ausgeübt hat, aufzugeben.

Nachdem ich ihm die Gründe für die Räumung der Aequatorialprovinzen seitens Aegyptens ziemlich ausführlich auseinandergesetzt hatte, erwiderte er: »Ich begreife vollständig die Schwierigkeit, in welcher Aegypten bezüglich der Behauptung dieser Provinzen sich befindet, bin aber hinsichtlich meiner Rückkehr noch nicht so recht im Klaren. Der Khedive hat mir geschrieben, daß die Gehaltszahlung an mich, meine Offiziere und Mannschaften von dem Generalzahlmeister geregelt werden soll, wenn wir nach Aegypten zurückkehren, daß wir aber, falls wir hier bleiben, dies auf eigenes Risico und eigene Verantwortung thun und keine weitere Hülfe von Aegypten erwarten können. Nubar Pascha hat mir ein langes Schreiben gesandt, aber in demselben Sinne. Das nenne ich aber keine Instructionen. Sie sagen mir nicht, daß ich das Land verlassen soll, sondern überlassen es mir, nach meinem eigenen Ermessen zu handeln.«

»Nun, wenn Sie es gestatten, werde ich, da der Khedive und Nubar Pascha nicht hier sind, um Ihnen selbst zu antworten, diese Schreiben mit dem ergänzen, was ich selbst positiv weiß. Dr. Junker sagte bei seiner Ankunft in Aegypten der Welt, daß Sie sich wegen Mangels an Munition in großer Noth befänden, aber eine genügende Menge besäßen, um Ihre Stellung noch ein oder vielleicht anderthalb Jahre zu vertheidigen, vorausgesetzt, daß kein entschiedener Angriff auf Sie gemacht werde und Sie nicht einen längern Widerstand zu leisten hätten. Sie hätten die Aequatorialprovinzen bis hierher erfolgreich vertheidigt und würden dies mit Aufgebot aller Ihrer Kräfte auch in Zukunft thun, bis Sie von Ihrer Regierung Befehl erhalten würden, anders zu handeln. Sie liebten das Land und die Bevölkerung sehr, das Land befinde sich in einem gedeihlichen, ruhigen und zufriedenen Zustande und besitze fast alles, um es in dieser glücklichen Lage zu erhalten. Sie würden es nicht gern sehen, wenn alle Ihre Arbeit umsonst gewesen sei, sondern es wäre Ihnen viel lieber, wenn Aegypten diese Provinzen behielte, oder, wenn es hierzu nicht im Stande sei, eine andere europäische Macht in der Lage und gewillt sei, Ihr Werk fortzusetzen. Hat Dr. Junker correct über Sie berichtet, Pascha?«

»Ja, das hat er.«

»Nun denn, der erste Gedanke, welcher den ägyptischen Beamten kam, als sie den Bericht Dr. Junker's vernahmen, war, daß gleichviel welche Instructionen Sie erhielten, Sie nicht geneigt sein würden, Ihre Provinzen zu verlassen. Deshalb sagt der Khedive, daß wenn Sie hier bleiben, Sie dies auf eigene Verantwortlichkeit und eigenes Risico thun und keine weitere Hülfe von Aegypten erwarten können.

»Unsere Instructionen lauten dahin, Ihnen eine gewisse Menge Munition zuzuführen, und nachdem Sie dieselbe bekommen haben, Ihnen zu sagen: ›Nun sind wir bereit, Sie aus Afrika zu führen und zu geleiten, wenn Sie gesonnen sind, uns zu begleiten, und wir werden uns freuen, wenn wir das Vergnügen Ihrer Gesellschaft haben; dagegen ist unsere Mission beendet, wenn Sie es ablehnen, mit uns zu gehen.‹

»Nehmen wir nun einmal das letztere an, daß Sie es vorziehen, in Afrika zu bleiben. Nun, Sie sind noch jung, erst 48 Jahre alt, und Ihre Constitution ist noch gut. Wir wollen sagen, daß Sie noch 5, 10 oder selbst 15 Jahre länger die gleiche Kraft in sich fühlen, dann aber wird die Schwäche des Alters heranschleichen und Ihre Kraft dahinschwinden. Zweifelnd werden Sie die Aussichten für die Zukunft betrachten und vielleicht plötzlich den Entschluß fassen, sich zurückzuziehen, ehe es zu spät ist. Sie werden eine Route nach der See wählen – beispielsweise die Monbuttu-Route. Angenommen, Sie erreichen den Kongo und nähern sich der Civilisation, wie wollen Sie, da Sie Lebensmittel für Geld oder Waaren kaufen müssen, Ihre Leute erhalten? Und angenommen, Sie kommen nach der See, was wollen Sie dann thun? Wer wird Ihnen helfen, Ihre Leute in ihre Heimat zu befördern? Sie haben Aegyptens Hülfe zurückgewiesen, als sie Ihnen angeboten wurde, und können – um die Worte des Khedive zu brauchen – keine weitere Hülfe von Aegypten erwarten.

»Wenn Sie während Ihrer Lebenszeit hier bleiben, was wird dann später aus den Provinzen? Ihre Leute werden unter sich um die Oberhoheit kämpfen und alle dem gemeinsamen Ruin entgegenführen. Das sind ernste Fragen, die sich nicht in der Eile beantworten lassen. Lägen Ihre Provinzen in nicht gar zu großer Entfernung von der See, sodaß Sie von dort mit den Mitteln zur Behauptung Ihrer Stellung versehen werden könnten, dann würde ich einer der letzten sein, die Ihnen rathen, das Anerbieten des Khedive anzunehmen, sondern Ihnen in thätigster Weise behülflich sein mit Vorschlägen über die Mittel, sich zu halten; aber hier auf allen Seiten, wie dieser See umgeben von mächtigen Königen und kriegerischen Völkern, mit einem solch ungeheuern Walde im Westen und den fanatischen Anhängern des Mahdi im Norden, würde ich, wenn ich an Ihrer Stelle wäre, keinen Augenblick zaudern, was ich zu thun hätte.«

»Was Sie sagen, ist sehr richtig«, entgegnete der Pascha; »allein wir haben eine so große Zahl von Frauen und Kindern, insgesammt wahrscheinlich 10 000 Personen! Wie kann man sie alle von hier fortbringen? Wir werden eine große Menge Träger brauchen.«

»Träger, wofür?«

»Für die Frauen und Kinder. Sie würden sie sicherlich nicht zurücklassen wollen, und marschiren können sie nicht.«

»Die Frauen müssen gehen, und was die Kinder anbetrifft, die das nicht können, so werden sie von Eseln getragen werden, von denen Sie, wie Sie sagen, viele besitzen. Ihre Leute werden im ersten Monat nicht weit marschiren, nach und nach aber werden sie sich daran gewöhnen. Auf meiner zweiten Expedition haben unsere Weiber Afrika durchquert; Ihre Frauen werden nach kurzer Zeit dasselbe leisten.«

»Sie brauchen eine ungeheuere Menge Lebensmittel unterwegs.«

»Nun, Sie haben eine große Zahl von Rindern, einige hundert, glaube ich. Diese werden Fleisch liefern. Die Länder, welche wir passiren, müssen uns mit Getreide und vegetabilischer Nahrung versehen. Und wenn wir nach Ländern kommen, welche Bezahlung für die Lebensmittel annehmen, dann besitzen wir die Mittel, um sie zu kaufen, und in Msalala liegt für uns ein weiterer Vorrath von Waaren für den Marsch nach der Küste bereit.«

»Gut, gut. Wir wollen die weitere Besprechung der Sache auf morgen verschieben.«

1. Mai. Halt in Nsabe.

Um 11 Uhr vormittags kam Emin Pascha ans Land, und nachdem er eine kurze Weile Platz genommen hatte, setzten wir die Unterhaltung vom Abend vorher wieder fort.

»Was Sie mir gestern Abend gesagt haben«, begann der Pascha, »läßt mich glauben, daß es am besten ist, wenn wir Afrika verlassen. Die Aegypter sind, wie ich weiß, ganz bereit zu gehen. Es sind ihrer etwa 50, außer den Frauen und Kindern. In Bezug auf diese Leute herrscht kein Zweifel, und selbst wenn ich bliebe, würde ich mich freuen sie los zu werden, weil sie meine Autorität untergraben und alle meine Bemühungen wegen des Rückzuges zu Schanden machen. Als ich ihnen mittheilte, daß Chartum gefallen und Gordon erschlagen worden sei, sagten sie den Nubiern immer, ich hätte die Geschichte ausgesonnen, wir würden eines Tages die Dampfer den Fluß herauf zu ihrer Befreiung kommen sehen. Allein bezüglich der Regulären, die zwei Bataillone bilden, hege ich sehr starken Zweifel; sie haben hier ein solch freies und glückliches Leben geführt, daß sie Anstand nehmen werden, ein Land zu verlassen, wo sie sich eines Luxus erfreuen, auf den sie in Aegypten nicht hoffen können; sie sind verheirathet und außerdem hat jeder Soldat seinen Harem; dagegen würden die meisten Irregulären ohne Zweifel fortgehen und mir folgen. Angenommen nun, daß die Regulären sich weigern, das Land zu verlassen, so können Sie sich denken, wie schwierig meine Stellung sein würde. Würde ich recht thun, wenn ich sie ihrem Schicksal überließe? Würde ich sie damit nicht alle dem Ruin überantworten? Ich würde ihnen ihre Waffen und Munition lassen müssen und nach meiner Entfernung würde jegliche anerkannte Autorität und Disciplin zu Ende sein. Sie würden sofort in Streit gerathen und es würden sich Parteien bilden. Die Ehrgeizigen würden danach streben, sich mit Gewalt an die Spitze zu stellen, und aus den Eifersüchteleien Haß und gegenseitiges Gemetzel entstehen, das für alle ein gemeinsames Schicksal bedingt.«

»Das ist ein schreckliches Bild, das Sie da gemalt haben, Pascha«, sagte ich. »Nichtsdestoweniger scheint mir, der ich dazu erzogen bin, den Befehlen zu gehorchen ohne Rücksicht darauf, was mit andern geschieht, der Weg der Pflicht für einen getreuen Offizier des Khedive in Ihrem Falle klar zu sein.

»Alles, was Sie meiner Ansicht nach zu thun haben, ist, Ihren Truppen das Schreiben des Khedive vorzulesen, diejenigen, welche mit Ihnen abzumarschiren geneigt sind, auf die eine, diejenigen, welche zu bleiben vorziehen, auf die andere Seite treten zu lassen und die erstern für den unmittelbaren Abmarsch vorzubereiten, während Sie den andern zurücklassen können, was Sie an Munition und Waffen zu entbehren vermögen. Wenn die Bleibenden drei Viertel oder vier Fünftel Ihrer Truppen ausmachen, so braucht es niemand zu kümmern, was aus ihnen wird, da sie nach eigener Wahl handeln, und ebenso wenig entbindet es Sie persönlich nicht von dem Verhalten, welches die Pflicht gegen den Khedive Ihnen vorschreibt.«

»Das ist sehr wahr«, erwiderte der Pascha; »aber angenommen, die Leute umzingeln mich und halten mich mit Gewalt zurück?«

»Das ist nach meiner Ansicht bei dem Zustande der Disciplin unter Ihren Leuten sehr unwahrscheinlich. Aber Sie müssen Ihre Leute natürlich am besten kennen.«

»Gut, ich werde den Dampfer morgen mit dem Schreiben des Khedive hinabschicken, und Sie würden mich sehr verpflichten, wenn Sie einem Ihrer Offiziere gestatten würden mitzugehen und sich den Truppen in Dufilé zu zeigen. Lassen Sie ihn selbst zu den Leuten sprechen und ihnen sagen, daß er von dem Vertreter der Regierung komme, der eigens vom Khedive gesandt sei, um sie fortzubringen; vielleicht werden sie, wenn sie ihn gesehen und mit Ihren Sudanesen gesprochen haben, bereit sein, mit uns abzumarschiren. Wenn die Leute gehen, gehe ich auch; wenn sie bleiben, bleibe ich ebenfalls.«

»Angenommen nun, Sie beschließen zu bleiben, was wird dann aus den Aegyptern?«

»O, dann würde ich Sie bitten müssen, sich ihrer anzunehmen.«

»Wollen Sie nun so gut sein und Kapitän Casati fragen, ob wir das Vergnügen seiner Gesellschaft bis zur Küste haben werden? Denn wir sind angewiesen, ihm jede in unserer Macht stehende Hülfe zu leisten.«

Kapitän Casati antwortete durch Emin Pascha.

»Wenn der Gouverneur Emin geht, gehe ich auch; wenn er bleibt, bleibe ich ebenfalls.«

»Nun ich sehe, Pascha, daß Sie im Falle Ihres Bleibens eine große Verantwortlichkeit haben, da Sie Kapitän Casati in Ihr eigenes Schicksal verwickeln.«

Lächelnd erwiderte der tapfere Kapitän, nachdem ihm meine Worte verdolmetscht waren:

»O, ich spreche Emin Pascha von jeder Verantwortlichkeit in Bezug auf mich frei, denn ich lasse mich nur von meiner eigenen Wahl leiten.«

»Darf ich Ihnen dann vorschlagen, Pascha, wenn Sie hier zu bleiben wünschen, Ihr Testament zu machen?«

»Testament! Wozu?«

»Um über Ihr Gehalt zu verfügen, das bis jetzt schon sehr erheblich sein muß. Ich glaube, Sie sagten acht Jahre? Oder denken Sie vielleicht daran, das Geld Nubar Pascha zu hinterlassen?«

»Nubar Pascha bekommt meine Liebe. Pah, es können nur etwa 2000 und einige Pfund Sterling fällig sein. Was bedeutet eine solche Summe für einen Mann, der eben beiseitegeschoben werden soll? Ich bin jetzt 48 Jahre alt und eins von meinen Augen ist vollständig verloren. Wenn ich nach Aegypten komme, werden sie mir einige schöne Worte sagen und mich hinauscomplimentiren. Und alles, was ich zu thun habe, ist, mir in Kairo oder Stambul einen Winkel als endgültigen Ruheplatz zu suchen. Wirklich eine schöne Aussicht!«

Nachmittags kam Emin Pascha nochmals in mein Zelt und sagte im Laufe der Unterhaltung, er sei entschlossen, Afrika zu verlassen, »wenn seine Leute dazu bereit seien; sonst wolle er bei ihnen bleiben«.

Ich erfuhr auch, daß die Aegypter, etwa 65, nur allzu geneigt seien, nach ihrem Mutterlande zurückzukehren. Das erste Bataillon Reguläre zähle etwas über 650, das zweite fast 800 Mann; Emin habe ungefähr 750 Remingtongewehre, alle übrigen seien mit Percussionsflinten bewaffnet.

2. Mai. Heute Morgen fuhr der Dampfer »Khedive« nach Norden ab, zunächst nach der Station Mswa und von dort nach dem 14½ Stunden Dampferfahrt entfernten Tunguru; nach zwei Tagen wird das Schiff nach Wadelai und am dritten Tage nach Dufilé abgehen. Der Dampfer nimmt den schriftlichen Befehl des Paschas mit, 60-70 Soldaten, einen Major und soviel Träger wie erhältlich mitzubringen. Er wird wahrscheinlich 14 Tage fort sein; inzwischen warten wir hier die Rückkehr des Schiffes ab.

Ich habe vorher anzuführen vergessen, daß der Pascha auf meine briefliche Bitte einige Ochsen und Milchkühe, ungefähr 40 Schafe und Ziegen und ebenso viele Hühner, sowie mehrere tausend Pfund Getreide mitgebracht hatte als Proviant zum Unterhalt der Expedition während der Zeit, die wir am Njansa bleiben mußten, da es der Umgegend von Nsabe, ausgenommen was man durch die Jagd erhält, vollständig an Lebensmitteln fehlt. Bei einiger Vorsicht haben wir Proviant für volle drei Wochen zur Hand.

Inzwischen bleibt der Pascha mit Kapitän Casati und etwa 20 Soldaten hier und hat sich etwa 300 m südlich von uns gelagert. Er und seine Leute sind behaglich in Hütten untergebracht. Alle Aussichten deuten auf eine vollständig sorgenfreie Rast für mehrere Wochen, während ich und die Offiziere in dem Pascha die Gesellschaft eines höchst liebenswürdigen und gebildeten Mannes genießen. Casati versteht kein Englisch, und sein Französisch ist noch schlechter als das meinige, sodaß es mir versagt ist, mich mit ihm zu unterhalten. Von dem Pascha erfahre ich aber, daß Casati in Unjoro sehr schwere Zeiten durchgemacht hat. Bis zum December v. J. gingen die Dinge noch erträglich. Da er als Vertreter Emin Pascha's in Unjoro lebte, war er der Vermittler für den Transport der Briefe des Paschas nach Uganda, sowie für die Uebermittelung derjenigen Packete mit Briefen, Büchern, Arzneien u. s. w., die Herr Mackay, der Agent der kirchlichen Mission, entbehren konnte.

Dann kam plötzlich von Uganda her an Kabba-Rega die Nachricht von unserer Expedition, deren Stärke das Gerücht auf Tausende von wohlausgerüsteten Soldaten vergrößert hatte, welche sich mit den Truppen des Paschas zu vereinigen, durch Unjoro und Uganda zu fegen und beide Länder zu verwüsten beabsichtigten; und bald darauf gerieth ein für mich und die Offiziere bestimmtes Briefpacket dem Kabba-Rega in die Hände, wodurch in gewisser Weise die Wahrheit des Gerüchts bestätigt wurde. Kabba-Rega sandte einen Offizier nach dem Hause Casati's, die Wanjoro raubten ihm alles weg, banden ihn und seine Diener an einen Baum und behandelten ihn persönlich in schmachvollster Weise. Der Araber Mohammed Biri, welcher hauptsächlich den Verkehr zwischen Casati und Mackay unterhalten hatte, wurde, wie man mir erzählte, noch schlimmer behandelt und wahrscheinlich als Spion und Verräther hingerichtet. Kapitän Casati und seine persönlichen Diener wurden nach einer Weile von Beamten Kabba-Rega's aus Unjoro hinausgeführt und jenseit der Grenze nackt an Bäume gebunden; doch gelang es ihnen auf irgendeine Weise sich zu befreien und nach dem Ufer des Sees zu entkommen, wo einer der Diener ein Kanoe entdeckte, mit welchem er die Fahrt quer über den See nach Tunguru antrat, um von Emin Pascha Hülfe zu holen. Der kühne Bursche wurde von einem der Dampfer des Paschas angetroffen und der Kapitän dampfte, nachdem er das Schiff mit Heizmaterial versehen hatte, sofort hin, um dem Pascha Mittheilung zu machen. Wenige Stunden später war der Dampfer »Khedive« schon unterwegs, befehligt von dem Gouverneur selbst, der ein Detachement Soldaten mitgenommen hatte. Nachdem unter Leitung des Dieners eine Zeit lang die östlichen Ufer abgesucht worden waren, wurde der Dampfer von Casati selbst vom Lande aus angerufen, und wenige Minuten später lag dieser sicher in den Armen seines Freundes. Emin schickte darauf einige Soldaten ans Land, welche zur Wiedervergeltung für die seinem Agenten zugefügten Unbilden Kibiro niederbrannten. Selbstverständlich hatte Casati, als er nackt in die Wildniß gejagt wurde, sein ganzes persönliches Eigenthum, seine Tagebücher und Aufzeichnungen, und mit diesen auch unsere Briefe verloren.

Der Kapitän übergab mir einen Wegezettel, aus welchem ich ersah, daß die Postboten am 27. Juli, gerade einen Monat nachdem wir Jambuja verlassen hatten, von Sansibar aufgebrochen und unsere Briefe rechtzeitig am 11. September in Msalala und am 1. November bei der Station der Hochkirchen-Mission in Uganda eingetroffen waren, und daß Kapitän Casati am 1. December, 12 Tage vor unserer Ankunft am westlichen Ufer des Njansa, 6 Packete mit Briefen erhalten hatte. Da er nach seiner Erzählung am 13. Februar 1888 vertrieben wurde, scheinen unsere Posten sich ziemlich lange in seinen Händen befunden zu haben, vermuthlich weil sich keine Gelegenheit bot, sie dem Pascha zuzusenden.

An diesem Morgen machte der Jäger Saat Tato sich auf, um Wild für das Lager zu schießen, begleitet von einigen jungen Burschen, welche gern an dem Sport theilnehmen wollten. Zwei Büffel waren bereits dem nie fehlenden Gewehr des Jägers zum Opfer gefallen, ein dritter aber, der nur am Bein verwundet wurde, war mit dem schlauen Instinct des Thieres davongestürzt, im Kreise umhergerannt und hatte sich zwischen breitästigen Akazien verborgen, um seine Gegner zu erwarten. Inzwischen hatte Mabruki, der Sohn des Kassim, welcher die Kunst der Büffeljagd kennen wollte, sich aufgemacht, um die Spur des verwundeten Thieres zu verfolgen. Kaum hatte der auf der Wacht stehende Büffel aber seinen Feind entdeckt, als er mit heiserm Gebrüll auf denselben zustürzte und ihn in die Höhe schleuderte, wobei eins der Hörner dem unglücklichen Mann in die Hüfte drang. Als er dann am Boden lag, wurde er von dem wüthenden Thiere mit dem Kopfe gestoßen, in der Seite und an den Armen durchbohrt und am Leibe aufgerissen, bis Saat Tato das Geschrei des Verwundeten hörte, rasch hinzueilte und dem Büffel, allerdings fast schon zu spät, eine Kugel in den Kopf schoß, sodaß er todt zusammenstürzte. Während einer der jungen Burschen schleunigst ins Lager lief, um uns den traurigen Vorfall zu melden, ging Saat Tato weiter und schoß noch vier schöne grauröthliche Antilopenböcke. Als Mabruki dann entsetzlich verstümmelt in einer Hängematte ins Lager getragen wurde, schleppte ein starkes Detachement unserer Leute die Ueberreste der drei Büffel und die vier Antilopen herbei, die als Proviant dienen sollten. Obwol die Leute mit Getreide und Fleisch schon vollgestopft waren, herrscht doch eben solch eifriges Geschrei und lauter Begehr nach den ihnen zukommenden Antheilen, als wenn sie Hunger gelitten hätten.

Am Abend des 30. April setzte ein schwerer Sturm ein, der fast die ganze Nacht anhielt, sodaß der Pascha dem »Khedive« signalisirte, beide Anker fallen zu lassen. Da der Ankergrund aber gut war, hielt der Dampfer den Sturm wohlbehalten aus. Seitdem haben wir mehrere heftige Böen gehabt, die Tag und Nacht von Regen begleitet waren.

3. Mai. Lager bei Nsabe.

Wie es guten Unterthanen ziemt, kamen heute die Leute Kavalli's, um ihren abwesenden Fürsten zu besuchen, und brachten zehn Körbe mit Kartoffeln mit, die wir freundschaftlich zwischen uns und Emin Pascha theilten.

Im Laufe einer langen Unterredung erklärte Emin Pascha heute Nachmittag: »Ich bin überzeugt, daß meine Leute niemals nach Aegypten gehen werden. Aber Herr Jephson und die Sudanesen, welche Sie bei mir zu lassen so freundlich waren, werden Gelegenheit haben, sich selbst durch Sehen und Hören zu überzeugen. Und ich möchte gern, daß Sie eine Proclamation oder Botschaft aufschrieben, welche den Soldaten vorgelesen werden kann und in der Sie ihnen sagen, was Ihre Instructionen sind, und daß Sie auf ihre Erklärung warten. Soweit ich sie kenne, werden sie nie nach Aegypten wollen. Die Aegypter werden natürlich gehen, aber ihrer sind nur wenige und sie sind sicherlich weder für mich noch für sonst jemand von Nutzen.«

Das war die bestimmteste Antwort, welche ich bis jetzt bekommen habe. Ich habe eine positive Erklärung dieser Art erwartet, ehe ich es wagen kann, ihm weitere Vorschläge zu machen. Um nun meine verschiedenen Parteien gegebenen Versprechen zu halten, habe ich, obwol dieselben etwas in Widerspruch zu stehen scheinen, zwei andere Propositionen zu machen. Die erste Pflicht habe ich natürlich gegen den Khedive, und ich würde mich freuen, wenn ich den Pascha folgsam finden würde, wie es einem gehorsamen Offizier ziemt, der seinen Posten tapfer behauptet hat, bis er den Befehl erhält, sich zurückzuziehen. Auf diese Weise würde er das Ideal eines Gouverneurs verwirklichen, wie es seine Briefe mir im Geiste vorgemalt hatten. Nichtsdestoweniger braucht er nur sich bestimmt zu äußern, um mich zu veranlassen, ihm in jeder Beziehung nach meinen besten Kräften zu helfen.

»Nun gut«, sagte ich, »und nun bitte ich Sie, Pascha, zwei andere Vorschläge anzuhören, welche ich die Ehre habe Ihnen von Parteien zu machen, die sich gern Ihrer Dienste bedienen würden. Mit dem Vorschlage Sr. Hoheit des Khedive macht das drei, und ich möchte Ihnen, da Sie Zeit genug vor sich zu haben scheinen, anheimgeben, jeden derselben nach seinem Verdienste zu prüfen und dann selbst die Wahl zu treffen.

»Lassen Sie mich dieselben wiederholen. Der erste Vorschlag geht dahin, daß Sie fortfahren, ein gehorsamer Soldat zu sein, und mich nach Aegypten begleiten. Nach Ihrer Ankunft werden Sie, Ihre Offiziere und Soldaten den Sold bis zu dem betreffenden Tage erhalten. Ob Sie von der Regierung im activen Dienste weiter beschäftigt werden, weiß ich nicht, doch sollte ich meinen, daß dies geschehen wird, da Offiziere Ihrer Art knapp sind und Aegypten eine Grenze hat, wo solche Dienste, wie Sie leisten könnten, von Werth sein würden. In Antwort auf diesen Vorschlag sagen Sie aber, Sie seien überzeugt, daß Ihre Leute nicht von hier fort wollen und daß Sie im Falle einer Erklärung derselben in diesem Sinne bei ihnen bleiben werden.

»Nun, mein zweiter Vorschlag an Sie kommt von Leopold, dem König der Belgier. Er hat mich ersucht, Ihnen mitzutheilen, daß, um das Zurücksinken der Aequatorialprovinzen in die Barbarei zu verhindern und vorausgesetzt, daß dieselben verhältnißmäßige Einkünfte zu liefern vermögen, der Kongostaat die Regierung derselben vielleicht übernehmen könnte, wenn dies mit einem Aufwande von 10 000-12 000 Pfd. St. im Jahre möglich wäre; und ferner, daß Se. Majestät König Leopold, in der Meinung, daß eine derartige Beschäftigung Ihrer eigenen Neigung entsprechen dürfte, gewillt ist, Ihnen ein genügendes Gehalt – 1500 Pfd. St. – als Gouverneur mit dem Range eines Generals zu zahlen. Ihre Pflicht würde darin bestehen, die Verbindungen zwischen dem Nil und dem Kongo offen zu halten und für Gesetz und Ordnung in den Aequatorialprovinzen zu sorgen.

»Mein dritter Vorschlag ist: Wenn Sie überzeugt sind, daß Ihre Leute sich positiv weigern werden, das Anerbieten des Khedive zur Rückkehr nach Aegypten anzunehmen, so begleiten Sie mich mit den treu gebliebenen Soldaten nach der Nordostecke des Victoria-Njansa und gestatten mir, Sie dort im Namen der Englisch-Ostafrikanischen Gesellschaft einzusetzen. Wir werden Ihnen helfen, ein Fort an einer für die Zwecke einer solchen Gesellschaft geeigneten Stelle zu erbauen, Ihnen unser Boot und sonstige Waaren, welche für Sie nothwendig wären, zurücklassen, dann durch das Massai-Land heimeilen und die Angelegenheit der Ostafrikanischen Gesellschaft vorlegen, um deren Genehmigung für diesen Schritt und ihren Beistand zu Ihrer dauernden Installirung in Afrika zu erlangen. Ich muß Ihnen erklären, daß ich nicht die Befugniß habe, Ihnen diesen letzten Vorschlag zu machen, sondern daß derselbe der Ausfluß meines guten Willens gegen Sie und des ernstlichen Wunsches ist, Sie und Ihre Leute vor den Folgen Ihres Entschlusses, hier zu bleiben, zu bewahren. Ich bin überzeugt, daß ich die herzliche Billigung und die Mitwirkung der Gesellschaft erlangen kann, und daß dieselbe den Werth von einem oder zwei geschulten Bataillonen in ihrer neuen Erwerbung, sowie die Dienste eines Administrators wie Sie bereitwillig anerkennen wird.

»Bitte, schenken Sie mir geduldig noch ein paar Augenblicke Gehör, damit ich Ihnen Ihre hiesige Stellung genau auseinandersetzen kann. Das ganze System der Ausdehnung Aegyptens bis hinauf zum Albert-Njansa war falsch. In der Theorie war es schön und natürlich. Was ist selbstverständlicher, als daß die Regierung, welche an der Mündung eines Flusses herrscht, den Wunsch hegt, ihre Autorität auch an den Ufern bis zur Quelle hinauf, und bis zu einer Quelle, wie sie der Nil hat, auszudehnen. Leider war es aber eine ägyptische Regierung, welche, so ehrlich ihre Absichten auch waren, sich nur auf Beamte von den niedrigsten moralischen Eigenschaften und Charakteranlagen verlassen konnte. Allerdings sind die obersten Beamten in diesen Gegenden ein Baker, Gordon und Emin gewesen, allein alle Subalternbeamten waren Aegypter oder Türken. In dem Maße, als Sie Ihre Stationen vervielfachten und Ihre Posten vermehrten, verringerten Sie Ihren eigenen Einfluß. Während in dem Mittelpunkt Ihres Kreises vielleicht etwas einer Regierung Aehnliches war, blieben die äußern Kreise unter dem Einflusse der türkischen und ägyptischen Beamten, irgendeines kairinischen Paschas, Beys und Effendis von zügellosem, launenhaftem Wesen. Durch militärische Gewalt war das Land erobert und besetzt und mit Gewalt ist die Occupation seitdem aufrecht erhalten worden. Eine anerkannte Regierung hat, und wenn es auch diejenige von Aegypten ist, das gesetzliche und moralische Recht, ihre Autorität auszudehnen und ihr Gebiet zu erweitern. Wenn sie ihren Willen wirksam durchsetzt, um so besser; die Civilisation wird den Nutzen davon haben und alle Völker befinden sich unter einer constitutionellen Regierung besser als unter gar keiner. War dort aber eine wirksame Regierung? Bis nach Ladó und Gondokoro war dieselbe, wie ich zugebe, erträglich. Dampfer konnten von Berber bis hinauf nach Ladó fahren, und der Chef vermochte die Unterregierungen, soweit solche vorhanden waren, zu beaufsichtigen. Allein als die ägyptische Regierung ihre Genehmigung zur Ausdehnung über das ungeheuere weglose und unzugängliche Gebiet des äußersten Sudan billigte, noch bevor Straßen angelegt oder die Mittel für den Verkehr vorbereitet oder gesichert waren, forderte sie die Katastrophe heraus, die nun eingetreten ist. Als Mohammed Achmet den Brennstoff, den die Unterbeamten durch ihre Gewaltthätigkeiten gesammelt hatten, entzündete, waren die Mittel zur Unterdrückung der Flammen über ein Gebiet von weit mehr als 1 Million Quadratkilometer zerstreut. Der Generalgouverneur war erschlagen, seine Hauptstadt genommen; eine Provinz nach der andern fiel, und ihre Gouverneure und Soldaten, die isolirt und weit voneinander entfernt waren, capitulirten; und Sie, der letzte von ihnen, retteten sich und Ihre Leute nur durch den Rückzug von Ladó. Diese frühern ägyptischen Erwerbungen, ausgedehnt nach demselben System und nur durch die Anwesenheit des Militärs regiert, würden, wenn man sie wiedereroberte, dasselbe Schicksal herausfordern. Wäre die militärische Besatzung eine wirksame und stände jede Unterregierung mit der andern in Verbindung, dann brauchte man den Zusammenbruch der Regierung nicht zu befürchten; allein sie kann unter Aegypten niemals wirksam sein. Seine Einkünfte und die Bevölkerung vermögen das auch nicht aufzubringen. In Ermangelung dessen kann nur das Selbstinteresse der regierten Völker diese fernen Territorien an die Regierung von Aegypten fesseln, und das ist ein Element, welches von denjenigen, die für die plötzliche Ausdehnung der kairiner Herrschaft verantwortlich sind, niemals in Betracht gezogen zu sein scheint. Wann ist dieses Selbstinteresse des Volkes je gepflegt und genährt worden? Die Hauptleute marschirten mit ihrer Soldateska nach einem Eingeborenengebiet, stellten eine Flaggenstange auf, hißten das rothe Banner mit dem Halbmond und erklärten unter dem Salut der Gewehre den fraglichen District als formell von Aegypten annectirt. Dann wurden Proclamationen an alle Betreffenden erlassen, daß der Elfenbeinhandel hinfort ein Monopol der Regierung sei, und infolge dessen wurden die etwa im Lande befindlichen Händler ihres Lebensunterhalts beraubt. Wendeten dieselben, um sich für die durch diese Maßregeln ihnen verursachten Verluste schadlos zu halten, ihre Aufmerksamkeit dann den Sklaven zu, so vernichtete eine weitere Proclamation ihr Geschäft in diesem Handel ebenfalls. Eine große Zahl von Eingeborenen hatte seinen Verdienst aus dem Verkauf des Elfenbeins an die Händler, andere waren an der Gefangennahme und dem Verkauf von Sklaven stark betheiligt, während die Händler selbst, die ihr Kapital in diesen Unternehmungen angelegt hatten, sich vollständig ruinirt sahen und sowol Geld als auch Beschäftigung verloren hatten. Vergessen Sie nicht, daß ich nur die Politik im Auge habe. Auf diese Weise waren im Sudan Hunderte von bewaffneten Karavanen geblieben, von zwanzig bis zu Hunderten von Gewehren zählend. Als Mohammed Achmet die Fahne der Empörung erhob, konnte er den durch ihre Verluste zur Verzweiflung gebrachten Führern dieser Karavanen einige Vortheile bieten; was hatten dagegen die Regierungsbeamten zu bieten? Nichts. Infolge dessen wurde jede Spur der Regierung, die so streng, willkürlich und unklug gewesen war, wie Spreu vor dem Winde fortgefegt. Es lag im Interesse der Händler, der Regierung Widerstand zu leisten und sich zu bemühen, daß ein Zustand wiederhergestellt werde, der von uns allerdings für höchst unmoralisch gehalten wird, für sie aber Verdienst und, was noch mehr ist, Befreiung von Unterdrückung bedeutet.

»Betrachten Sie nun den Kongostaat, der sich sehr viel rascher ausgedehnt hat, als die ägyptische Regierung im Sudan. Kein Schuß ist abgefeuert, keine Gewaltthat gegen die Eingeborenen oder Händler begangen und keine Steuer erhoben worden, außer in dem Seehafen, wo der Händler seine Ausfuhrartikel einschifft. Die Häuptlinge der Eingeborenen haben freiwillig ihr Gebiet angeboten und sich unter der blauen Flagge mit dem goldenen Stern vereinigt. Weshalb? Weil sehr viele Vortheile von den unter ihnen lebenden Fremden zu erzielen sind. Zunächst werden sie gegen ihre stärkern Nachbarn geschützt, und alles Eßbare, was sie produciren und verkaufen können, bringt ihnen den vollen Werth an Kleidungsstücken und sonstigen Gegenständen, die sie brauchen. Was sie an Handelsartikeln hatten: Elfenbein, Guttapercha, Palmöl oder Palmkerne, blieb frei und unbesteuert, und niemand mischte sich in ihre heimischen Gebräuche und häuslichen Angelegenheiten. Der Kongostaat wurde ohne Gewaltthätigkeit gegründet und besteht ohne solche; wenn er aber eine andere Politik beginnt, den Handel besteuert, seine Hand auf das Elfenbein als Regierungsmonopol legt, sich in die häuslichen Einrichtungen der Eingeborenen mischt, in tyrannischer Weise den ganzen Verdienst des europäischen Kaufmanns an sich nimmt, ehe er sich auf dem neuen Boden genügend befestigt und um seine Stationen ausreichend physische Kraft gesammelt hat, um dies ungestraft thun zu können – dann wird der Kongostaat ebenso unglücklich und plötzlich zusammenbrechen, wie es mit der ägyptischen Autorität im Sudan der Fall gewesen ist. Das bei der Station an den Stanley-Fällen eingetretene Unglück ist ein Beispiel von dem, was alsdann zu erwarten steht.

»Nun wird jeder, der überhaupt nachdenkt, begreifen, daß diese Ihre Provinzen niemals wieder von Aegypten besetzt werden können, solange letzteres von ägyptischen Beamten regiert wird. Aegypten vermag die Summen nicht aufzubringen, die erforderlich sind, um eine wirksame Regierung über ein so entferntes Gebiet aufrecht zu erhalten. Es ist zu weit entfernt von Wadi Halfa, der gegenwärtigen wirklichen Grenze ihres Territoriums. Wenn Aegypten Wadi Halfa mit Berber oder Chartum oder Suakin mit Berber durch eine Eisenbahn verbindet, dann kann Ladó vielleicht als die äußerste südliche Grenze seines Gebiets betrachtet werden; verbindet eine Eisenbahn Ladó mit Dufilé, dann wird das südliche Ende dieses Sees die wirkliche Grenze der ägyptischen Autorität sein, immer vorausgesetzt, daß ihre Militärmacht ausreicht, nur diese Art des Verkehrs ununterbrochen zu halten. Wann glauben Sie aber, daß dies der Fall sein wird? Zu Ihren Lebzeiten?

»Wer wird aber sonst so donquixotisch sein, den begehrlichen Blick auf diese Provinzen zu werfen? Der König der Belgier? Nun, es ist eine Bedingung an seinen Vorschlag geknüpft, nämlich ›wenn die Provinzen verhältnißmäßige Einkünfte zu liefern vermögen‹. Sie können in dieser Sache am besten beurtheilen, ob eine Subsidie von 10 000 oder 12 000 Pfd. St. zur Unterhaltung der Regierung dieser Provinzen ausreichen wird. Die Einkünfte, wie groß sie auch sein mögen, müssen im Verein mit dieser Summe genügen, um zwischen hier und Jambuja, eine Entfernung von mehr als 1000 km, ungefähr 20 Stationen zu unterhalten, d. h. etwa 1200 Soldaten, 50 oder 60 Offiziere und einen an der Spitze stehenden Gouverneur zu bezahlen, denselben die Ausrüstung, die Vertheidigungsmittel zu liefern und eine solche Transporttruppe zu beschaffen, wie vielleicht nothwendig ist, um die entferntesten Theile mit dem Kongo zu verbinden.

»Wenn nicht der König der Belgier, wer sonst wird es unternehmen, Sie entsprechend Ihrer Stellung und der Nothwendigkeit zu unterstützen und zu erhalten? Es gibt genug warmherzige Leute in der Welt, welche ausreichend überflüssige Mittel haben, um, vielleicht alle drei Jahre einmal, eine Expedition auszurüsten; das ist indeß nur ein zeitweiliges Mittel, nur allein, um Sie am Leben zu erhalten, und das entspricht wol kaum Ihren Wünschen. Was nun? Ich erwarte Ihre Antwort, Pascha, und bitte Sie nochmals zu entschuldigen, daß ich so redselig gewesen bin.«

»Ich danke Ihnen vielmals, Herr Stanley, und zwar von ganzem Herzen. Wenn ich Ihnen meine Dankbarkeit nicht auszusprechen vermag, so ist es, weil die Sprache nicht ausreicht. Aber ich fühle Ihre Freundlichkeit aufs tiefste und werde, das versichere ich Ihnen, offen antworten.

»Nun, auf den ersten Vorschlag, den Sie mir machten, habe ich Ihnen meine Antwort bereits gegeben.

»Was den zweiten betrifft, so möchte ich bemerken, daß ich vor allen Dingen Pflichten gegen Aegypten habe. Solange ich hier bin, gehören die Provinzen Aegypten und sie bleiben sein Eigenthum, bis ich fortgehe. Wenn ich weggehe, werden sie ›Niemands Land‹. Ich kann meine Flagge nicht in solcher Weise streichen und die rothe mit der blauen vertauschen. Ich habe der erstern mehr als zwanzig Jahre lang gedient, die letztere sah ich nie. Außerdem darf ich Sie wol fragen, ob Sie es nach Ihren neuerlichen Erfahrungen für wahrscheinlich halten, daß die Verbindung mit vernünftigen Kosten offen gehalten werden könnte?«

»Ohne Zweifel anfänglich nicht. Unsere Erfahrungen sind zu schrecklich gewesen, um sie so rasch zu vergessen, doch werden wir wegen der Nachhut, wie ich erwarte, unter viel weniger Beschwerden nach Jambuja zurückkehren. Der Pionier hat am meisten auszuhalten. Den Nutzen von dem, was wir gelernt haben, werden stets diejenigen haben, die nach uns kommen.«

»Das mag sein, aber es werden wenigstens zwei Jahre vergehen, ehe Nachrichten uns erreichen können. Nein, bei aller schuldigen Dankbarkeit gegen Se. Majestät König Leopold, ich glaube nicht, daß ich diesen Vorschlag annehmen kann; lassen Sie uns daher zu der letzten Proposition kommen.

»Ich denke nicht, daß meine Leute etwas dagegen haben würden, mich nach dem Victoria-Njansa zu begleiten, da ihr Widerstand, soviel ich weiß, sich nur gegen den Marsch nach Aegypten richtet. Unter der Voraussetzung, daß die Leute bereit sind, bewundere ich das Projekt sehr, es ist die beste und bei weitem die vernünftigste Lösung der Schwierigkeit. Denn bedenken Sie, daß drei Viertel von den 8000 Personen Frauen, Kinder und junge Sklaven sind; was wollte die Regierung mit einer solchen Menge Leute thun? Würde sie dieselben ernähren? Und dann bedenken Sie die Schwierigkeit des Marsches mit einer solchen Armee von hülflosen Leuten. Ich kann die Verantwortlichkeit nicht auf mich nehmen, eine solche Menge zartfüßiger Geschöpfe zu führen, damit sie unterwegs sterben. Die Reise nach dem Victoria-Njansa ist möglich; sie ist verhältnißmäßig kurz. Ja, der letzte Vorschlag ist bei weitem der thunlichste.«

»Wir haben keine Eile, da Sie die Ankunft der Nachhut abwarten müssen. Ueberlegen Sie sich die Sache, während ich den Major herbeihole. Sie haben jedenfalls noch mehrere Wochen vor sich, um über die Angelegenheit gründlich nachzudenken.«

Ich zeigte ihm dann die gedruckten Depeschen des Auswärtigen Amtes, die mir auf Anordnung von Lord Iddesleigh übergeben worden waren. Darunter befand sich die Abschrift eines an Sir John Kirk gerichteten Briefes, in welchem er im Jahre 1886 seine Provinz England angeboten und erklärt hatte, es würde ihn sehr glücklich machen, wenn er dieselbe der britischen Regierung oder thatsächlich irgendeiner Macht überliefern könne, welche die Erhaltung der Provinz übernehmen würde.

»Ach«, sagte der Pascha, »sie hätten den Brief nicht veröffentlichen sollen. Er war privat. Was wird die ägyptische Regierung von meinem Verfahren denken, daß ich es wage, über diese Angelegenheit zu verhandeln?«

»Ich vermag kein Unheil darin zu entdecken«, erwiderte ich; »die ägyptische Regierung erklärt ihre Unfähigkeit, die Provinz zu behaupten, die englische Regierung will nichts mit derselben zu thun haben, und ich kenne keine Gesellschaft oder Körperschaft, welche die Erhaltung eines nach meiner Ansicht unter allen Umständen nutzlosen Besitzes unternehmen würde. Nach meiner Meinung liegt die Provinz gerade 750 km zu weit ins Innere hinein, um irgendwelchen Werth zu haben, es sei denn, daß Uganda und Unjoro vorher botmäßig gemacht werden, d. h. wenn Sie dabei beharren, das Anerbieten König Leopold's abzulehnen. Wenn Sie sich absolut weigern, dem König der Belgier zu dienen, und entschlossen sind, in Afrika zu bleiben, dann müssen Sie meinem Versprechen vertrauen, daß ich eine englische Gesellschaft veranlassen werde, Sie und Ihre Truppen zu beschäftigen; wahrscheinlich ist eine solche in diesem Augenblicke bereits gebildet worden, um einen englischen Besitz in Ostafrika herzustellen.«



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