Tobias Smollett
Die Abenteuer des Roderick Random
Tobias Smollett

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Neunzehntes Kapitel

Beschreibung der Apothekerfamilie. Ich begehe ein Versehen, das schreckliche Folgen hat

 

Den folgenden Tag kam, eben als ich im Laden beschäftigt war, ein wohlgeputztes, dralles Mädchen unter dem Vorwand herein, sich eine Flasche zu einem oder dem anderen Behufe zu holen. Als sie glaubte, daß ich nicht auf sie acht hätte, nahm sie mich genau in Augenschein und ging stillschweigend mit einem Blick voller Verachtung fort. Ich ward ihrer Gesinnungen gar leicht inne, und mein Stolz gebot, ihr ebenso frostig zu begegnen.

Beim Mittagessen, das ich mit den Mägden in der Küche halten mußte, erfuhr ich, daß dies meines Herrn einzige Tochter sei. Sie habe, hieß es, ein ganz artiges Vermögen zu erwarten, und deshalb und wegen ihrer Schönheit bewerbe sich eine große Menge feiner junger Herren um sie. Zwei- bis dreimal hätte sie schon auf dem Punkt gestanden zu heiraten, allein jedesmal, wäre es durch die Kargheit des Vaters wieder zurückgegangen, der nicht einen Schilling Mitgift habe herausrücken wollen. Aus dem Grunde betrüge sich die Tochter nicht ganz mit der kindlichen Ehrerbietung gegen den Vater, die man erwarten sollte. Besonders habe sie den tödlichsten Haß gegen dessen Landsleute gefaßt, worin sie ihrer Mutter, einer Engländerin von Geburt, gliche.

Ich entnahm aus allem, was ich erfuhr, daß der alte Wolf noch schärfere Klauen habe als der junge; ferner, daß die alte Dame einen sehr hochfahrenden Geist besäße, der sich öfters auf Kosten derer zeige, die von ihr abhingen; daß sie Zeitvertreibe jeder Art liebe und daß sie die junge Miß stets als ihre Nebenbuhlerin ansehe. Dies war die eigentliche Ursache, weshalb die Heirat der Tochter einige Male zurückgegangen war. Denn hätte die Mutter sich das Interesse des Mädchens recht angelegen sein lassen, so würde es der Vater nicht gewagt haben, ihr Verlangen abzuschlagen.

Außer diesen Nachrichten machte ich für mich selbst noch mehrere Entdeckungen. Lavements bedeutungsvolles Grinsen über seine Frau, wenn sie anderswohin blickte, überzeugte mich, daß er mit seinem Lose nicht zufrieden sei. Und sein Benehmen in Gegenwart des Hauptmanns ließ mich vermuten, seine größte Plage sei Eifersucht.

Was mich nun anlangt, so wurde ich auf dem Fuß eines Hausknechts behandelt. Schon sechs Tage war ich bei Lavements, und noch hatte weder Mutter noch Tochter mich mit einem Wort beehrt. Diese hatte, wie ich von den Dienstmädchen erfuhr, eines Tages bei Tische ihr Erstaunen zu erkennen gegeben, wie ihr Vater einen so linkischen, gewöhnlich aussehenden Menschen habe annehmen können.

Mich wurmte diese Nachricht, und ich zog den nächsten Sonntag, an dem ich ausgehen durfte, meine neuen Kleider an. Sie waren sehr vorteilhaft gemacht, und, ohne mich zu rühmen, ich machte darin keine unebne Figur. Den größten Teil des Tages brachte ich mit Strap und einigen von dessen Bekannten zu. Gegen die Vesperzeit kam ich nach Hause; Miß Lavement ließ mich herein. Sie erkannte mich nicht und machte einen großen Knicks, als ich näher kam. Ich erwiderte ihn mit einem tiefen Bückling und schloß die Tür. Nun erkannte sie ihr Versehen, wechselte die Farbe, ging aber nicht von der Stelle. Da der Durchgang sehr eng war, so konnte ich nicht bei ihr vorbeigehen, ohne sie zu stoßen; ich sah mich deshalb genötigt, zu bleiben, wo ich war. Ich heftete die Augen auf die Erde, und mein Gesicht glühte vor Scham. Endlich kam ihr der Stolz zu Hilfe; sie ging kichernd weg, und ich hörte das Wort »Kreatur!« ganz deutlich.

Seit der Zeit verging kein Tag, wo sie nicht unter mancherlei Vorwänden wohl fünfzigmal in den Laden kam. Sie machte dabei so freundliche Mienen, daß ich leicht wahrnehmen konnte, sie habe ihre Meinung gegen mich geändert und hielte mich nun für eine ihrer nicht unwerte Eroberung. Allein Stolz und Rachgier, die beiden Haupteigenschaften meines Charakters, hatten mein Herz dermaßen gegen ihre Reize gestählt, daß ich für alle ihre Künste unempfindlich blieb. Ungeachtet ihrer Freundlichkeiten konnte sie mich doch nicht dahin bringen, ihr nur die geringste Aufmerksamkeit zu erzeigen. Diese Vernachlässigung verscheuchte alle günstigen Gefühle, die sie für mich empfunden hatte, und die Wut eines verachteten Weibes nahm in ihrem Herzen Platz. Sie offenbarte sich nicht nur durch die boshaftesten Anschwärzungen bei ihrem Vater, sondern auch dadurch, daß sie mir, um mich recht zu demütigen, die niedrigsten Bedientenarbeiten anweisen ließ.

Eines Tages gebot sie mir, meines Prinzipals Rock auszubürsten. Ich weigerte mich, und es erfolgte ein Gespräch voller Anzüglichkeiten. Sie vergoß Tränen vor Wut. Die Mutter kam dazu. Nachdem diese die Streitigkeit untersucht hatte, entschied sie zu meinem Vorteil.

Diesen Liebesdienst hatte ich nicht etwa einiger Achtung oder Gewogenheit der Mutter zu danken, sondern bloß dem Verlangen, die Tochter zu demütigen. Die Miß machte deshalb bei dieser Gelegenheit die Anmerkung, wenn auch gewisse Leute noch so sehr recht hätten, so würden doch gewisse andere Personen ihnen nie Gerechtigkeit widerfahren lassen. Dazu hätten sie nun freilich ihre Ursachen, welche die gewissen Leute recht gut wüßten, aber ihre kleinen Künste verachteten. Der Wink von gewissen Personen machte mich auf das Betragen meiner Prinzipalin aufmerksam. Nicht lange darauf bemerkte ich, daß sie ihre Tochter für eine Rivalin bei dem Hauptmann O'Donnell hielt, der in ihrem Hause wohnte.

Inzwischen gewann ich durch meinen Fleiß und meine Kenntnisse meines Herrn Gewogenheit. Dieser sagte öfters: »Pardi! C'est un bon garçon!« Er hatte viele Kunden, aber die meisten waren unter seinen geflüchteten Landsleuten, folglich sein Verdienst auch nicht sehr groß. Allein dafür gab er auch wenig für seine Waren aus. In ganz London verstand sich kein Apotheker so gut darauf, eine Spezies an die Stelle der andern zu setzen, wie er.

Ich erstaunte oft höchlich, wenn ich sah, wie er ohne allen Anstand eines Doktors Rezept besorgte, ohne von den darin vorgeschriebenen Arzneien nur eine einzige im Laden zu haben. Austernschalen verwandelte er in Krebsaugen; gemeines Öl in Süßmandelöl; Zuckersirup in balsamischen; Themsewasser in Kaneelwasser; Terpentin in Kopaivabalsam; mit einem Wort, er wußte aus den wohlfeilsten und gemeinsten Spezies der Materia medica die köstlichsten Arzneien zuzubereiten. Ward irgendeine alltägliche Medizin für einen Patienten verlangt, so wußte er sie in betreff der Farbe oder des Geschmacks oder in Rücksicht beider so zu verkleiden, daß es unmöglich war, sie wiederzuerkennen. Hierin leisteten ihm Koschenille und Nelkenöl vortreffliche Dienste.

Unter manchen Geheimmitteln, die er besaß, war auch eins für Galanteriekrankheiten, das ihm viel einbrachte. Auch verbarg er dessen Zusammenstellung immer auf das sorgfältigste vor mir. Allein in den acht Monaten, da ich bei ihm diente, war er mit diesem Mittel so unglücklich, daß ein Drittel von denen, die sich dessen bedient hatten, genötigt war, sich durch eine Salivationskur von einem andern Arzt herstellen zu lassen. Allem Anschein nach gab ihm dieser üble Ausgang mehr Anhänglichkeit als jemals für dies Spezifikum; und ich kann wohl sagen, daß er, bevor ich ihn verließ, eher der Dreifaltigkeit würde entsagt haben, ein so eifriger Hugenotte er auch war, als seinem Vertrauen in die unfehlbare Wirkung jenes Heilmittels.

Mister Lavement hatte mehr denn einmal versucht, die vegetarische Diät in seiner Haushaltung einzuführen, zu dem Ende große Lobreden auf Wurzelwerk und Kräuter gehalten und sowohl als Physiker wie auch als Philosoph wider den Gebrauch des Fleisches geeifert. Allein seine ganze Beredsamkeit hatte ihm keinen Anhänger seiner Meinung erwerben können; selbst seine eigene Ehehälfte erklärte sich gegen diesen Vorschlag. War nun die geringe Achtung vor dieser Warnung ihres Mannes oder die natürliche Hitze ihrer Konstitution daran schuld – genug, die Leidenschaften dieser Dame wurden von Tag zu Tag immer heftiger. Endlich sah sie die Wohlanständigkeit für einen unnötigen Zügel an und befahl mir eines Nachmittags, als der Mann außer Hause und die Tochter zum Besuch war, eine Mietskutsche zu holen. Sie fuhr darauf mit dem Hauptmann nach Covent Garden.

Die Miß kam gegen Abend nach Hause, aß zur gewöhnlichen Zeit und ging zu Bett. Um elf Uhr stellte sich mein Prinzipal ein und fragte, ob sich seine Frau schon zur Ruhe begeben habe. Ich sagte ihm, sie wäre den Nachmittag ausgefahren und noch nicht wieder zurückgekommen.

Diese Nachricht war ein Donnerschlag für den armen Apotheker. Er bebte zurück und rief: »Mort de ma vie. Was sagt Ihr mir da? Meine Frau noch nicht zu Haus?« In diesem Augenblick kam der Bediente eines Kranken mit dem Rezept zu einem Trank. Mein Herr nahm es und ging damit in den Laden, um es in eigener hoher Person zu verfertigen.

Indes er die Zutaten in einem gläsernen Mörser rieb, fragte er mich, ob sie allein ausgefahren sei, und sobald er hörte, daß sie mit dem Kapitän gefahren wäre, zersplitterte er den Mörser mit einem Stoß in tausend Stücke. Dabei grinste er wie der Kopf einer Baßgeige und rief: »Ah, traîtresse!«

Unmöglich hätte ich noch eine Minute länger ernsthaft bleiben können, als man zum Glück stark an die Tür pochte. Ich öffnete sie und ward meine Prinzipalin gewahr, die aus dem Wagen stieg. Sie sprang sogleich in den Laden und redete ihren Mann folgendergestalt an: »Du hast mich wohl schon für verloren gehalten, mein Schatz? Kapitän O'Donnell hat die Güte gehabt, mich in die Komödie zu führen.«

»Komödie«, erwiderte er, »oh, fürwahr, ich glaub, eine sehr gute Komödie.« – »Mein Gott!« sagte sie, »was ist denn los?« – »Was los ist?« schrie Lavement, vom Zorn ganz hingerissen. »Verflucht noch mal! Ich will Euch lehren, mir Hörner aufzusetzen. Pardieu! Der Kapitän O'Donnell ist ein . . .« Hier trat der Kapitän ein, der inzwischen den Kutscher bezahlt hatte, und sagte mit schrecklicher Stimme: »Mordelement, Herr! Wer bin ich?« Worauf ihn Lavement mit ganz verändertem Ton begrüßte: »O serviteur, Monsieur le Capitaine, vous êtes un galant homme. Ma femme est fort obligée«, (sich zu mir wendend, mit leiser Stimme) »et diablement obligeante sans doute.« Der Kapitän: »Hören Sie, Mister Lavement, ich bin ein Mann von Ehre und glaube, daß Sie viel zuviel Lebensart besitzen, um durch eine Höflichkeit beleidigt zu werden, die ich Ihrer Frau erwiesen habe.«

Diese Erklärung tat auf den Apotheker eine solche Wirkung, daß er augenblicklich die ganze Höflichkeit eines Franzmanns annahm und dem Hauptmann unter den verschwenderischten Komplimenten versicherte, daß er mit der Ehre, die er seiner Frau erzeigt habe, vollkommen zufrieden sei.

Den folgenden Tag bemerkte ich durch eine Glastür, die aus dem Laden ins Putzzimmer führte, daß der Hauptmann mit der Tochter vom Hause eine ernsthafte Unterredung hatte. Sie hörte ihm mit Blicken zu, worin sich Zorn mit Verachtung mischte. Doch fand er endlich Mittel, sie zu erweichen, und die Aussöhnung wurde durch einen Kuß besiegelt. Dies ließ mich die Veranlassung ihres Streites einsehen, doch konnte ich, ungeachtet meiner genauen Aufmerksamkeit, keinen anderen Umgang unter ihnen entdecken.

Mittlerweile hatte ich Ursache zu glauben, daß ich einem von den Dienstmädchen zärtliche Gesinnungen gegen mich eingeflößt hätte. In einer Nacht nahm ich mir vor, die Früchte meiner Eroberung einzuernten und eine sich darbietende günstige Gelegenheit zu nutzen. Ihre Schlafkameradin war nämlich den Tag zuvor nach Richmond gegangen, um ihre Eltern zu besuchen. Daher stand ich auf, wie ich jedermann im Hause im Schlaf glaubte, und tappte – unbekleidet wie ich war – nach dem Dachstübchen hin, wo sie lag.

Ich war entzückt, die Tür offen zu finden, schlich mich sachte an ihr Bett und fühlte mich trunken von der Hoffnung, meine Wünsche zu erfüllen. Aber alle Schrecken der Eifersucht und der fehlgeschlagenen Erwartung ergriffen mich, als ich sie schlafend in den Armen einer Mannsperson fand, die, wie ich leicht mutmaßte, kein anderer war als des Hauptmanns Bedienter. Eben stand ich auf dem Punkt, einen raschen Schritt zu tun, als das Geräusch einer Ratte, die zwischen der Vertäfelung knusperte, mich in die Flucht jagte und mich wohl oder übel in die Sicherheit meines Bettes zurücktrieb. Hatte mich nun dieser Schreck ganz verdutzt gemacht oder leitete mich die Macht des Schicksals, das weiß ich nicht – genug, wie ich in das zweite Stockwerk kam, wandte ich mich rechts, da ich hätte links gehen sollen, und geriet in die Schlafstube meiner jungen Gebieterin, statt in die meinige zu kommen.

Ich bemerkte mein Versehen nicht eher, als bis ich gegen den Bettpfosten rannte. Nunmehr stand es nicht mehr bei mir, mich zurückzuziehen. Die Nymphe war aufgewacht und bat mich, weniger Geräusch zu machen, damit der schottische Tölpel im nächsten Zimmer es nicht höre. Dieser Wink war hinlänglich, mich zu belehren, daß die Rede von einem Stelldichein sei, dessen Beschaffenheit sich wohl erraten ließ; und da meine Leidenschaften, die zu jeder Zeit brausten, sich jetzt in voller Gärung befanden, war ich dreist genug, ohne weitere Umstände in das Bett dieses Mädchens zu schlüpfen. Sie nahm mich so günstig auf, als ich es nur erwarten konnte.

Unsere Unterredung war von meiner Seite sehr sparsam. Sie ihresteils gab der Person, die ich vorstellte, wegen ihrer Eifersucht auf mich starke Verweise. Dabei kam ich so übel weg, daß ich vor Ärger mehr denn einmal losbrechen wollte. Allein ich wurde für ihren Haß dadurch hinlänglich entschädigt, daß ich aus ihrem eigenen Munde erfuhr, es sei nun hohe Zeit, ihren guten Namen durch die Ehe in Sicherheit zu setzen, weil sie Anlaß habe, zu besorgen, daß die Folgen ihres beiderseitigen Umgangs sich nicht länger würden verbergen lassen.

Indes ich der Antwort auf diesen Vorschlag nachsann, hörte ich in meiner Kammer ein Gepolter, als wenn etwas Schweres niederfiele. Ich fuhr auf und kroch nach der Tür meines Stübchens. Sieh da, beim Mondenlicht sah ich den Schatten eines Mannes, der nach dem Wege tappte. Ich zog mich auf die eine Seite, um ihn passieren zu lassen. Er eilte so schnell als er nur konnte die Treppe hinunter.

Ich erriet gar leicht, daß dies der Hauptmann sei sowie den ganzen Zusammenhang. Er hatte die Zeit verschlafen und war endlich aufgestanden, um sich zu seinem Rendezvous einzustellen. Da er meine Tür offen gefunden, war er in mein Zimmer gegangen statt in das seiner Geliebten, wo ich seine Stelle vertrat. Er stolperte über meinen Stuhl, und nun ward er erst sein Versehen inne. Da er aber durch dies Geräusch die ganze Familie in Alarm gebracht zu haben glaubte, machte er sich aus dem Staube und verschob die Erfüllung seiner Wünsche auf eine andere Gelegenheit.

Ich war nunmehr völlig befriedigt; und statt nach dem Ort zurückzukehren, von wo ich herkam, zog ich mich in meine Burg zurück, verriegelte sie und schlief, sehr erfreut über mein glückliches Abenteuer, ein.

Der wahre Zusammenhang konnte meiner jungen Miß nicht verborgen bleiben. Den folgenden Morgen kam es zwischen dem Hauptmann und ihr zu einer Auseinandersetzung, wie jener sich wegen der fehlgeschlagenen Erwartungen der letzten Nacht beklagte und wegen des gemachten Lärms um Verzeihung bat.

Man kann sich unschwer vorstellen, wie verdrießlich sie beide waren, als sie von allem hinlänglich Kenntnis hatten. Jeder von ihnen fühlte noch einen besonderen Verdruß, den der andere Teil nicht empfand. Denn sie war sich bewußt, mir nicht nur die Geheimnisse ihres Umganges mit ihrem Anbeter entdeckt, sondern mich auch durch die Art, wie sie von mir gesprochen hatte, so aufgebracht zu haben, daß an keine Aussöhnung zu denken sei. Von der anderen Seite gab die Eifersucht dem Hauptmann ein, ihre Bekümmernis sei Verstellung und ich habe seine Stelle nicht ohne ihr Mitwissen und Gutheißen vertreten. Daß dies beider Gedanken wirklich waren, wird sich aus der Folge zeigen.

Noch desselben Tages kam sie in den Laden, als ich mich darin befand. Ihre Augen, die sie auf mich heftete, schwammen in Tränen, und sie seufzte gar kläglich. Aber ihre Betrübnis machte keinen Eindruck auf mich, da ich mich der Ehrentitel erinnerte, womit sie mich in der vorigen Nacht belegt, und da ich überzeugt war, daß die günstige Aufnahme, die mir bei ihr widerfuhr, einem anderen gegolten hatte. Sie mußte daher die Kränkung erfahren, daß ich ihre bisherige Verachtung mit dem reichlichsten Wucher zurückgab.

Dessenungeachtet fand das Dämchen es für gut, mir viel artiger als sonst zu begegnen, da sie wußte, daß es bei mir stand, ihre Schande zu jeder Zeit bekanntzumachen. Dadurch wurde mein Aufenthalt in diesem Hause viel angenehmer, wiewohl ich es nicht über mich gewinnen konnte, meinen nächtlichen Besuch zu wiederholen; und da ich jeden Tag mehr Bekanntschaften in der Stadt machte, so legte ich nach und nach mein linkisches Wesen ab und fing an, für einen ganz feinen Apothekergesellen zu gelten.


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