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Meine Geburt und Sippschaft
Ich wurde im nördlichen Teile unseres vereinigten Königreichs im Hause meines Großvaters geboren. Dieser Mann besaß ein ansehnliches Vermögen und großen Einfluß, hatte sich bei manchen Gelegenheiten um sein Land verdient gemacht und durch seine tiefe Gesetzeskunde Ruf erlangt. Als Richter machte er davon mit dem besten Erfolge Gebrauch, und zwar zumal gegen Bettler, gegen die er eine ganz besondere Abneigung hatte.
Mein Vater, sein jüngster Sohn, verliebte sich in eine arme Verwandte, die bei dem alten Herrn als Haushälterin lebte; er heiratete sie heimlich, und ich war die erste Frucht dieser Ehe. Meine Mutter hatte während ihrer Schwangerschaft einen Traum, der sie höchlich beunruhigte. Sie quälte ihren Mann mit ungestümen Anliegen so lange, bis er endlich einen hochländischen Wahrsager über das nächtliche Gesicht konsultierte. Diesen suchte er im voraus durch ein Geschenk zu einer günstigen Auslegung zu stimmen; allein der Mann war unbestechlich.
Der Traum, den man ihm vorlegte, hatte folgenden Inhalt: Meine Mutter kam mit einem Tennisball nieder, und der Teufel, der zu ihrem äußersten Entsetzen Hebammenstelle vertrat, schlug denselben so heftig mit einem Tennisschläger, daß sie ihn augenblicklich aus dem Gesichte verlor. Über diesen Verlust ihrer Erstgeburt war sie eine Zeitlang untröstlich; endlich kehrte der Ball mit der Heftigkeit wieder zu ihr zurück, mit welcher er verschwunden war, und fuhr unter ihren Füßen in die Erde. Unmittelbar darauf schoß ein schöner Baum voller Blüten auf, deren Geruch auf ihre Nerven so mächtig wirkte, daß sie erwachte.
Der aufmerksame Seher versicherte meinen Eltern nach einigem Besinnen, ihr Erstgeborner würde weit und breit herumreisen, mancherlei Fährlichkeiten und Beschwerlichkeiten zu Wasser und zu Lande erdulden und endlich in sein Vaterland zurückkehren, wo er grünen und blühen und zu Ehren kommen würde. Wie richtig dies prophezeit war, wird aus der Folge erhellen. Nicht lange nachher meldeten einige dienstfertige Personen meinem Großvater, es fielen zwischen seinem Sohn und der Haushälterin gewisse Vertraulichkeiten vor. Dies beunruhigte ihn dermaßen, daß er einige Tage darauf zu meinem Vater sagte, es wäre nun höchste Zeit für ihn, seine eigene Wirtschaft anzufangen, und er habe für eine Partie gesorgt, gegen die er vernünftigerweise nichts einwenden könne. Mein Vater merkte wohl, daß er seine Lage nicht würde verhehlen können, und legte daher ein offenherziges Geständnis ab.
»Ich habe«, führte er zu seiner Entschuldigung an, »deshalb nicht um Ihre Einwilligung angesucht, liebster Vater, weil ich doch wußte, daß es zu nichts helfen könnte und daß Sie, wenn Sie meine Neigung erführen, Maßregeln treffen würden, die es mir gänzlich unmöglich machten, glücklich zu werden. Gegen die Geburt, Tugend, Schönheit und den Verstand meiner Frau«, fügte er hinzu, »lassen sich gar keine Einwendungen machen, und was das Vermögen anlangt, so acht ich darauf ganz und gar nicht.« Der alte Herr, der alle seine Leidenschaften, eine ausgenommen, aufs beste in Schranken zu halten wußte, hörte ihn bis zu Ende mit großer Gelassenheit an und fragte darauf ganz kaltblütig, wovon er denn sich und seine Frau zu ernähren gedächte.
»Ich kann«, versetzte dieser, »nie in die Gefahr geraten, Mangel zu leiden, solange meines Vaters zärtliche Liebe fortdauert; und die zu erhalten, darauf werden meine Frau und ich mit der größten Ehrerbietung bedacht sein. Ich bin übrigens überzeugt, daß Ihre Güte mich jetzt auf einen solchen Fuß setzen wird wie meine Brüder und Schwestern, denen Sie, als sie sich etablierten, die behaglichste Lage gaben, ganz unserm Stande und Vermögen gemäß.«
»Eure Brüder und Schwestern«, sagte mein Großvater, »hielten es nicht unter ihrer Würde, mich in einer so wichtigen Sache, wie das Heiraten ist, um Rat zu fragen. Auch Ihr, denk ich, würdet in dem Stück Eurer Schuldigkeit nachgelebt haben, wenn Ihr nicht ein Kapital insgeheim zurückgelegt hättet. Davon könnt denn Ihr und Euer Weib zehren; ich habe nichts dagegen. Doch verlang ich, daß ihr alle beide noch vor heute abend mein Haus räumt. In kurzem werd ich Euch in Euer neues Logis die Rechnung schicken, was mich Eure Erziehung gekostet hat; und ich will das bei Heller und Pfennig wieder ersetzt wissen. – Ihr habt die Grand tour gemacht, Sir, seid ein feiner, artiger junger Mann, Ihr werdet schon in der Welt fortkommen. Ich wünsche Euch viel Vergnügen und bin Euer gehorsamer Diener.«
Mit diesen Worten verließ der alte Herr meinen Vater in einer Lage, die man sich leicht denken kann. Inzwischen traf dieser ohne Zögern seine Vorbereitungen, denn er kannte seines Vaters Gesinnungen zu gut und zweifelte keinen Augenblick, daß dieser Vorwand, ihn loszuwerden, ihm sehr angenehm sein würde. Da nun dessen Entschlüsse so unwandelbar waren wie die Gesetze der Meder und Perser, so hielt er einen Versuch mit Bitten und Flehen für völlig fruchtlos. Sonach zog er, ohne weiter einen Versuch zu machen, mit seiner Gattin nach einer kleinen Meierei, die ein alter Bedienter seiner Mutter bewohnte.
Sie lebten hier eine Zeitlang in einem Zustande, der sich mit ihren Wünschen nach den feineren Bequemlichkeiten des Lebens und für ihre zärtliche Liebe übel vertrug. Doch wollte mein Vater dies lieber erdulden als einen unnatürlichen und unbeugsamen Vater um Beistand anflehen. Allein meine Mutter, welche alle die Unbequemlichkeiten voraussah, denen sie ausgesetzt sein würde, wenn sie an diesem Orte niederkäme (ihre Schwangerschaft nahte sich dem Ende), beschloß, ohne ihrem Mann etwas davon zu sagen, sich verkleidet in das Haus meines Großvaters zu begeben.
Ihre Tränen und ihr Zustand, schmeichelte sie sich, sollten ihn zum Mitleid bewegen und ihn mit einem Zufall aussöhnen, der nicht mehr zu ändern war. Sie wußte die Bedienten so geschickt zu täuschen, daß sie diese als eine unglückliche Frau einließen, die Ehebeschwerden vorzutragen hätte. Man führte sie demnach bei meinem Großvater ein, vor dessen Forum besonders alle Fälle aus der skandalösen Chronik gehörten.
Sie entdeckte sich ihm, sobald sie allein waren, fiel ihm zu Füßen und bat ihn auf das rührendste um Verzeihung. Zugleich stellte sie ihm die Gefahr vor, die nicht nur ihrem, sondern auch seines Enkels Leben drohte, mit dem sie niederzukommen im Begriffe sei.
Es täte ihm leid, gab er zur Antwort, daß ihre und seines Sohnes Unbesonnenheit ihm ein Gelübde abgenötigt hätten, das es ihm unmöglich machte, ihr nur im geringsten beizustehen. Er habe bereits seine Gedanken hierüber eröffnet und bitte sie, ihn nicht ferner durch ihre Zudringlichkeit zu belästigen. Mit diesen Worten entfernte er sich.
Diese grausame Begegnung machte auf meine Mutter einen so heftigen Eindruck, daß sie auf der Stelle von Wehen ergriffen wurde. Hätte nicht eine Magd, deren Liebling sie war, ihr auf die Gefahr hin, meinem Großvater mißfällig zu werden, mitleidig beigestanden, sie und die unschuldige Frucht ihres Leibes wären als Opfer der Strenge und Unmenschlichkeit des Alten zu beklagen gewesen.
Die arme Person brachte meine Mutter mit vieler Mühe in eine Bodenkammer hinauf, wo diese sogleich von einem Knaben entbunden ward, der die Geschichte von seiner unglücklichen Geburt nun selbst erzählt.
Kaum erfuhr mein Vater diesen Vorfall, so flog er in die Umarmung seiner teuern Gattin, mich überhäufte er mit väterlichen Liebkosungen. Indessen konnte er sich einer Tränenflut nicht erwehren, als er sah, wie die traute Besitzerin seines Herzens (für deren Gemächlichkeit er Morgenlands Schätze gern hingegeben hätte) auf einem mit Scherwolle ausgestopftem Bett in einem jämmerlichen Kämmerchen lag, außerstande, sich gegen die rauhen Anfälle der Witterung zu schützen.
Es läßt sich gar nicht denken, daß der alte Herr nichts von dem gewußt haben sollte, was in seinem Hause vorging; er stellte sich aber so und spielte den äußerst Erstaunten, als einer seiner Enkel, von seinem verstorbnen ältesten Sohne, der als sein mutmaßlicher Erbe sich bei ihm aufhielt, ihm dies erzählte. Er beschloß sogleich, keine Mittelstraße einzuschlagen, sondern schickte meiner Mutter stracks (es war den dritten Tag nach ihrer Niederkunft) den gemessenen Befehl, das Haus auf der Stelle zu räumen, und jagte die Magd aus dem Hause, die ihr das Leben gerettet hatte.
Dieses Benehmen erbitterte meinen Vater dermaßen, daß er zu den schrecklichsten Verwünschungen seine Zuflucht nahm und auf bloßen Knien den Himmel anflehte, seiner nie zu gedenken, wenn er jemals die barbarische Handlung dieses Mannes vergesse oder vergebe. Das Fortbringen unter solchen Umständen war meiner Mutter nicht wenig nachteilig. Dies und Mangel an allem Notwendigen in ihrer ersten Wohnung, wozu noch Betrübnis und Angst kamen, verursachten ihr eine Auszehrung, die ihrem Leben in kurzem ein Ende machte. Mein Vater, der sie, wie schon gesagt, zärtlich liebte, ward durch ihren Tod so tief getroffen, daß er sechs Wochen lang seiner Sinne beraubt blieb.
Während der Zeit brachten die Leute, bei denen er wohnte, das Kind zu dem alten Herrn. Als dieser die tragische Erzählung von dem Tod seiner Schwiegertochter und den bejammernswerten Zustand seines Sohnes erfuhr, ward er so erweicht, daß er den Kleinen zu einer Amme schickte. Zugleich befahl er, seinen Sohn nach seinem Hause zu bringen, wo er in kurzem den Gebrauch seiner Vernunft wiederbekam.
Der hartherzige Richter mochte nun entweder wirklich einige Gewissensbisse über die grausame Behandlung seines Sohnes und seiner Tochter empfinden, oder (was wahrscheinlicher ist) er fürchtete sich, sein guter Name möchte in der Nachbarschaft leiden; genug, er bezeigte sich über sein Verfahren gegen meinen Vater sehr reuevoll. Dieser versank, sowie sich sein Wahnsinn verloren hatte, in eine tiefe Melancholie, und einige Zeit danach verschwand er. Ungeachtet aller nur ersinnlichen Nachforschungen konnte man nicht entdecken, wo er geblieben war; ein Umstand, der viele Leute auf den Gedanken brachte, er habe sich selbst in einem Anfalle von Verzweiflung aus dem Wege geräumt. Wie ich alle diese speziellen Nachrichten von meiner Geburt erhalten habe, wird man aus der Folge ersehen.