Karl Simrock
Die Schildbürger
Karl Simrock

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Dreiunddreißigstes Kapitel

Von einer Schildbürgerin, welche mit Eiern zu Markte ging und eine wunderliche Rechnung machte und wie es ihr ergangen.

Es ist ein altes, gemeines Sprichwort, welches sagt:

Das Hoffen und das lange Harren,
Das macht der Leute viel zu Narren.
Wer ohne Wirth die Zeche macht,
Betrügt sich selbst und wird verlacht;
Zählt der zu wenig, der zu viel,
Ist doppelt der Verlust im Spiel.
Doch kommt ihm Eins dabei zu Gut:
Ein froher Wahn giebt frohen Muth.

Also ging es dieser Frau auch. Denn da sie eine einzige Henne hatte, die ihr alle Tage ein Ei legte, sammelte sie derselben so viel, bis sie meinte, für drei Groschen zu haben, nahm sie dann in ein Körblein und zog damit zu Markte. Unterwegs, da sie keine Gefährten hatte, fielen ihr allerlei Gedanken ein; unter andern gedachte sie auch an ihren Kram, den sie zu Markte trug, redete lange über den ganzen Weg mit sich selbst und machte sich folgende Rechnung: siehe, sprach sie bei sich selbst, du lösest auf dem Markte drei Groschen. Was willst du damit thun? du willst zwo Leghennen dafür kaufen. Diese zwo, sammt der einen, die du schon hast, legen dir in so und so viel Tagen so viel Eier, wenn du die verkaufst, willst du noch drei Hennen kaufen; das Übrige ist schon Gewinn. Nun hast du sechs Hennen: die legen dir in einem Monat so viel Eier: die willst du verkaufen (kannst dennoch wohl zuweilen ein halbes essen) und das Geld zusammen legen. Also kannst du Nutz haben von den Hennen: die alten, so nicht mehr legen, verkaufst du, das ist ein; die jungen legen die Eier: das ist das andere; sie brüten dir Junge aus, die du zum Theil ziehen und den Haufen mehren, zum Theil verkaufen und Geld daraus machen kannst: das ist das dritte; auch kannst du sie rupfen wie die Gänse, das ist das vierte. Aus dem zusammengelegten Geld willst du darnach etliche Gänse kaufen: die tragen dir auch Nutzen, mit Eiern, mit Jungen, mit Federn. Also hast du Nutzen von Hennen und Gänsen und kommst in acht Tagen so und so weit. Nach Solchem willst du eine Geiß kaufen, die giebt dir Milch und junge Zicklein. Also hast du junge und alte Hühner, junge und alte Gänse, Eier, Federn, Milch, Zicklein und Wolle; denn du willst versuchen, ob sich die Geiß vielleicht scheren lasse. Nach Solchem willst du eine Schweinemutter kaufen, so hast du Nutzen von dem vorigen Nutzen, mit jungen Ferkeln, Speck, Würsten und anderem. Nach Solchem willst du eine Kuh kaufen, die giebt Milch, Kälber und Düngung. Was willst du mit dem Dünger thun, so du keinen Acker hast? Du willst einen Acker kaufen: der giebt dir Korn, daß du keins mehr zu kaufen brauchst. Darnach willst du Pferde kaufen und Knechte dingen, die dir dein Vieh versehen und den Acker bauen. Darnach willst du Schafe kaufen. Darnach willst du dein Haus größer machen, damit du auch wohl Miethsleute haben kannst. Darnach willst du mehr Güter kaufen. Also kann dirs nicht fehlen, denn du hast Nutzen von jungen und alten Hühnern und Hähnen, von jungen und alten Gänsen, von Eiern, Geißmilch, Wolle, Zicklein, Hämmlein, Ferkeln, Kühen (denen du auch wohl die Hörner absägen und den Messerschmieden verkaufen willst), von Kälbern, von Äckern, von Wiesen, von Hauszins und anderem. Darnach willst du einen jungen Mann nehmen, mit dem willst du in Freuden leben und eine gnädige Frau sein. O wie willst du dirs lassen so wohl sein und Keinem kein gut Wort geben. Juho, juhevaho, hoppsas! drei Finger im Salzfaß ist der Bauern Wappen: das will ich alsdann nicht mehr führen.

Mit solchen Gedanken verstieg sich die gute Frau so hoch, daß sie gleichsam ganz unempfindlich wurde und ihr nicht anders war als einem Trunkenen. Darum als sie »Ju Hoppsas!« schrie, wollte sie auch einen Arm dazu aufwerfen und einen Sprung thun. Ich weiß aber bei Sanct Grix nicht, wie sie es machte. Als sie den Arm aufschwang und dazu jauchzte, stieß sie mit solchem den Korb mit den Eiern vom Kopfe, daß er sich ganz ungestüm hernieder begab und die Eier alle zerbrachen. Hiemit lag all ihre gnädige Frauenschaft im Dreck. Wer Lust dazu hat, mags auflesen und grade so ein gnädiger Herr werden wie sie eine gnädige Frau geworden ist.


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