Karl Simrock
Die Schildbürger
Karl Simrock

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Zwanzigstes Kapitel

Die folgende ganze Nacht lag meine gnädige Frau, die neue Schultheißin, in schweren tiefsinnigen Gedanken, welchermaßen sie doch den neuen Pelz anlegen und darin prangen möchte, damit sie ihres Mannes Standesehre nicht schändete noch herabwürdigte, wenn sie sich nicht gravitätisch genug, wie es einer Dorfschultheißin gebührte, anstellen sollte. Welches denn gemeinlich der Weiber Art ist, daß sie nur darauf denken, wie sie sich rechtschaffen aufmutzen, schmücken, zieren, schminken, aufdonnern, einpressen, schnüren, zöpfeln, häubeln, ums Hintertheil füttern und beharnischen, bereifen, bestreifen können u.s.w., damit sie nur ihren Männern Ehre (pfui der Ehre!) seien, ja, damit sie ihnen nur gefallen und oft ums Dinglein angesprochen werden.

Indem sie sich also hin und her wandte und von ohngefähr mit dem Ellenbogen dem Herrn Schultheißen (der auch mit einem rechtschaffenen Narren, der ihm wenig Ruh ließ, schwanger ging und die ganze Nacht über damit zu schaffen hatte) so ungestüm in die Seite stieß, daß er davon erwachte, sprach er zu ihr: »Bei Wem liegst du?« – Sie that dergleichen, als ob sie schliefe und antwortete wie ein Hund, wenn er gefragt wird. Über eine halbe Stunde fragte er wieder. Da er ihr einen Ehrentitel nicht gab gedachte sie: da kannst du ein Auge zuthun, wie jener Bettelvogt sagte, welcher, so er ein Auge zudrückte, ganz blind war. Sie sagte also ganz maulfaul: »Bei dir.« Der gute Schultheiß, welcher seinen Ehrentitel noch nicht hörte, war dessen nicht zufrieden, daß sie ihn so abfertigte, stieß sie derowegen bald wieder, fragend: »Gnädige Frau Schultheißin, bei wem liegt E.W.?« Die Frau Schultheißin ward unwillig über die Frage, weil sie schon mit ihrem Pelz genug zu schaffen hatte und sagte deßhalb in rechtem Zorn: »Was fragst und plagst du Eins doch lang? Beim Narren liege ich!« – »Ei nein, Frau,« sprach der Schultheiß, »das sage bei Leibe nicht, daß du bei einem Narren liegst, denn der, bei dem du liegst, ist der Schultheiß zu Schilde.« Aus Solchem vermerkte die Frau, daß ihr E.W. der Schultheiß etwas unwillig und erzürnt wäre, kehrte sich derowegen um, gähnte, streckte und stellte sich, als ob ihr gedrümmelet hätte und sie eben aus dem Schlaf erwacht wäre: »Was, was ists?« sagte sie. Hiemit ward es Tag und kam eine Sau und biß ihm ein Ohr ab.

Die gute Frau Schultheißin fürchtete immer, die ganze Nacht währe zu lang und es würde nimmer Tag werden, daß man ihren Pelz sehen könnte; sie freute sich also desto mehr, als sie den lieben Tag doch wirklich hereinbrechen sah. Also stand sie sehr früh auf und fing an zu mutzen und zu putzen, mit dem Vorhaben, dieweil es eben Sonntag und die Nachbarn alle in der Kirche bei einander versammelt wären, sich allda beschauen zu lassen, damit sie nicht etwa von Haus zu Haus und von einem Stalle zum andern gehen müsse, um sich besehen zu lassen, welches dann gar zu viel Zeit würde gekostet haben, indem sie auch zu mir und zu dir hätte kommen müssen.

Mit diesen Gedanken war sie ganz und gar verhaspelt, verirrt und verwirrt, also, daß sie auch des Läutens in die Predigt nicht wahrnahm. Und als sie zuletzt nicht ohne große Mühe und Arbeit fertig wurde und meinen Herrn Schultheißen, welcher vor ihr stund und den Spiegel hielt, wohl hundert Mal gefragt hatte, ob sie hinten und vorne wäre wie eine Frau Schultheißin sein sollte und er Ja dazu gesagt hatte, ging sie aus dem Haus der Kirche zu. Gewißlich hat sie über die Gasse daher geprangt wie eine Geiß an einem Strick.

Nun weiß ich nicht, was die Schuld war: ob meine gnädige Frau, die Schultheißin zu lang geschlafen oder ob der Meßner zu früh geläutet oder aber, welches eher zu glauben, ob der Pfaff des Abends zu ladridang beim Wein gesessen, also nicht auf die Predigt gestudirt und es also kudridurz gemacht habe: genug, als sie mit ihrem neuen Pelz zur Kirche hineinrauschte, war eben die Predigt aus, also daß Jedermann aufstand. Die gute Frau verstund den Handel nicht und beredete sich selbst, dieweil ihr Mann Herr Schultheiß und sie mithin Frau Schultheißin wäre und obendrein sie einen neuen Pelz an hätte, so geschehe Solches ihr zu gefallen und die Nachbarn stünden ihr und ihrem neuen Pelz zu gefallen auf. Sie sprach also ganz sittiglich und tugendlich (denn das hatte sie schon gelernt), indem sie sich auf beide Seiten kehrte, zu ihnen: »Liebe Nachbarinnen, ich bitte, bleibt sitzen, denn ich gedenke noch wohl den Tag, da ich eben so arm gewesen und so zerrissen und zerlumpt einher gegangen als ihr: darum setzt euch nur wieder nieder.«

Bald nach ihr kam auch der Herr Schultheiß, welcher so lang an seinem Bart gestrählt und gestriegelt, hinein getreten, und als er sah, daß etliche Hunde in der Kirche herum liefen und Hochzeit machen wollten, sprach er aus rechtem schultheißlichem Eifer und bitterm Ernst: »Nun will ich auch eine Ordnung unter die Hunde bringen, sowohl als unter meine Unterthanen, welches ich bisher nie können zu Wegen bringen, damit man auch von mir zu sagen habe, oder ich will nicht ihr Schultheiß und Amtmann sein.«

Daß aber die Predigt so kurz gewesen, das hatte die Ursache: der Pfaff hatte nur von vier Stücken gepredigt. Das erste, sprach er, weiß ich, aber ihr wissets nicht, sprach er; das andere, sprach er, wisset ihr, aber ich weiß es nicht, sprach er; das dritte, sprach er, wissen wir Beide nicht, sprach er; das vierte, sprach er, wissen wir Beide nur zu wohl, sprach er. Böse Hosen hab ich, das leider weiß ich; aber der lange Rock bedeckt mich, also daß ihr, so ichs nicht sage, nicht wissen mögt, sprach er. Dagegen wißt ihr, ob ihr mir wollt neue machen lassen, welches mir nicht bewußt ist, sprach er. Ich sollte euch sagen, was auf heute für ein Evangelium fällt: das weiß ich, so mir potz Kerbholz! nicht und ihr noch viel weniger, sprach er: aber das Wirthshaus wissen wir allesammt nur gar zu wohl. Hiemit nehme Jeder sein Häfelein und laßt uns Alle mit einander dahin ziehen und hinterm Tisch rathschlagen, wie man den Kaiser empfangen wolle, sprach er.


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