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10. Kapitel

Krschywonos zog nun aus Biala-Zerkiew über Skwira und Pogrebischtsche auf Machnowka zu, und wo er durchzog, schwanden auch die letzten Spuren menschlichen Lebens. Wer sich ihm nicht anschloß, fand seinen Tod durch das Schwert, sogar das Getreide im Halm, Wälder und Gärten wurden niedergebrannt. Und der Fürst arbeitete indessen auch seinerseits an der Vertilgung alles Lebens. Nach der Vernichtung von Pogrebischtsche und der blutigen Taufe, welche Herr Baranowski Niemirow hatte zuteil werden lassen, rieben die Heere noch etliche bedeutende Kosakenbanden auf und schlugen ihr Lager bei Naigorod auf, denn ein Monat war bereits vergangen, daß sie nicht aus dem Sattel gekommen waren. Die Mühsale hatten sie schlaff gemacht, der Tod ihre Reihen bedeutend gelichtet. Es mußte Ruhe gehalten werden, denn die Hände dieser Schnitter waren von der blutigen Ernte ermattet. Der Fürst schwankte sogar und überlegte, ob es nicht besser wäre, auf einige Zeit in ein ruhigeres Land zu gehen, um zu ruhen und die Heereskräfte zu vermehren, besonders aber die Pferde zu kräftigen, die mehr Tierskeletten glichen, als lebenden Geschöpfen, da sie seit einem Monat kein Körnchen genossen und nur von dem zertretenen Grase gelebt hatten. Da, nach einwöchentlichem Stillstand, wurde gemeldet, daß Hilfstruppen herankamen. Der Fürst ritt ihnen entgegen – und stieß wirklich auf Herrn Janusch Tyschkiewitsch, den Wojewoden von Kijew, der mit fünfzehnhundert tüchtigen Reitern herankam, mit ihm Christoph Tyschkiewitsch, Unterrichter von Brazlaw, der junge Herr Aksak, fast noch ein Knabe, mit einem gut ausgerüsteten Fähnlein einiger Husaren, auch eine Anzahl Edelleute, wie die Herren Sieniutow, Polubinski, Zytniski, Tulowizki, Kerdaj, Boguslawski, die einen mit, die anderen ohne Gefolge, im ganzen etwa zweitausend Pferde, die Knechte nicht mitgerechnet. Der Fürst war freudig erregt und lud den Herrn Wojewoden voll Dankbarkeit in seine Wohnung, deren Einfachheit und Dürftigkeit diesen in Erstaunen setzte; denn der Fürst, der in Lubnie wie ein König zu leben gewohnt war, gestattete sich im Kriege keinerlei Bequemlichkeiten, um den Soldaten ein Muster zu sein. Der Fürst und der Wojewode beschlossen gemeinsam, sogleich mit dem Heere nach Machnowka aufzubrechen, das inzwischen von Krschywonos hart bedrängt worden war.

Die Abendmahlzeit währte nicht lange, und ein paar Stunden später war sogar das Fußvolk schon aus Raigorod ausgerückt.

Da, eine halbe Meile vor Machnowka, vertraten eine Anzahl Reiter im schnellsten Laufe dem Heere den Weg. Es war Herr Lew mit seinen Genossen. Da der Wojewode von Kijew ihn erblickte, erriet er bald, was geschehen war.

»Das Schloß ist genommen?« schrie er.

»So ist's,« antwortete Lew und fiel in demselben Augenblick ohnmächtig nieder, denn er war zerhauen und zerschossen und hatte viel Blut verloren. Aber auch die anderen begannen zu erzählen, was vorgefallen war. Die Deutschen waren bis auf den letzten Mann niedergehauen worden, denn sie wollten lieber sterben, als sich ergeben. Lew hatte sich durch die Menge und die erbrochenen Tore durchgeschlagen, aber in den Zimmern im Turm verteidigte sich noch eine Anzahl Adliger – diesen mußte man eilig zu Hilfe kommen.

So gab man also den Pferden die Sporen. Bald zeigte sich auf dem Berge Stadt und Schloß und über ihnen eine dichte Rauchwolke von dem eben beginnenden Brande. Nach einem furchtbaren, blutigen Kampfe, in dem sich besonders Skrzetuski und Longinus auszeichneten, gelang es, die Saporogischen Regimenter in die Flucht zu treiben.

Den ersten der Fliehenden schnitten Kuschels und Poniatowskis Fähnlein den Rückweg ab. Sie wurden umringt und wehrten sich verzweifelt, bis der letzte Mann gefallen war, aber durch ihren Tod retteten sie die anderen, denn als zwei Stunden später vor allen anderen Wierschul mit den Leibtataren in die Stadt kam, fand er daselbst auch nicht mehr einen Kosaken vor. Der Feind hatte, die Dunkelheit benutzend – denn die Regengüsse hatten den Brand gelöscht – flugs die leeren Wagen in der Stadt genommen, sie mit der Schnelligkeit, die nur den Kosaken eigen ist, lagerfähig gemacht und war über den Fluß jenseits der Stadt gegangen, nachdem er alle Brücken hinter sich zerstört hatte.

Nun befreite man die Schar der Edelleute, die sich im Schlosse verteidigten. Außerdem befahl der Fürst dem Wierschul, die Bürger, welche sich mit den Kosaken verbunden hatten, zu bestrafen, und stellte sich dann selbst an die Spitze der Verfolgung. Aber den Wagenpark konnte er ohne Kanonen und Fußvolk nicht erobern. Der Feind, der durch die Verbrennung der Brücken Zeit gewonnen hatte (denn man mußte den Fluß in weitem Bogen umgehen), entfloh so schnell, daß die müden Pferde der fürstlichen Reiterei ihn kaum erreichen konnten. Die Kosaken aber, obwohl berühmt durch ihre Verteidigung im Wagenpark, wehrten sich nicht so tapfer wie gewöhnlich. Die entsetzliche Gewißheit, daß der Fürst selber sie verfolge, hatte ihnen den Mut genommen, so daß sie ganz an ihrer Rettung verzweifelten.

Und sicher hätte ihr letztes Stündlein geschlagen (denn Baranowski hatte schon, nachdem die ganze Nacht hindurch geschossen worden, vierzig Wagen und zwei Kanonen genommen), wenn nicht der Wojewode von Kijew sich der weiteren Verfolgung widersetzt und seine Leute zurückgezogen hätte. Es kam deshalb zwischen ihm und dem Fürsten zu scharfem Wortwechsel, den viele Hauptleute mit anhörten.

Die Jovisbrauen des Fürsten zogen sich zusammen, der Nacken schwoll ihm, die Augen schossen Blitze, so daß alle Anwesenden um den Wojewoden besorgt waren – da kam plötzlich Skrzetuski in Eile herein und sagte:

»Fürstliche Durchlaucht, Nachrichten vom alten Krschywonos.«

Die Gedanken des Fürsten wandten sich nach einer anderen Richtung, und der Zorn des Wojewoden schwand. Man brachte inzwischen vier Menschen heran, die mit den Nachrichten gekommen waren, unter ihnen zwei alte, ehrwürdige Geistliche, die beim Anblick des Fürsten in die Kniee sanken. »Rette, Herr, rette,« wiederholten sie und streckten ihm die Hände flehentlich entgegen.

»Woher seid ihr?« fragte der Fürst.

»Wir sind aus Polomna. Krschywonos, der Alte, hat das Schloß und die Stadt belagert, und wenn dein Schwert nicht sein Haupt bedroht, sind wir alle des Todes.«

Der Fürst versprach ihnen Hilfe, aber da seine Hauptkraft in Bystrschyk war, mußte er auf sie warten. Die Boten gingen getrösteten Herzens davon – er aber wandte sich an den Wojewoden von Kijew und sagte: »Verzeiht mir! Ich sehe selbst ein, daß man den kleineren Krschywonos laufen lassen muß, um den großen Krschywonos zu erreichen. Der Junge kann länger auf den Strick warten. Ich meine auch, daß Ihr mich bei diesem neuen Unternehmen nicht verlassen werdet.«

»Wahrhaftig nicht!« sagte der Wojewode.

Gegen Abend kam die ganze Division aus Bystrschyk angezogen, mit ihnen Sakowitsch, der Gesandte vom Wojewoden von Brazlaw. Kisiel schrieb an den Fürsten einen Brief voller Bewunderung; er bitte den zweiten Marius, das Vaterland aus der äußersten Gefahr zu retten; er schilderte ihm die Freude, welche die Ankunft des Fürsten aus dem Dnieprlande in allen Herzen erregt habe und beglückwünschte ihn zu seinen Siegen. – Aber am Schlusse des Briefes kam die Ursache zum Vorschein, aus welcher er geschrieben. Der Herr von Brazlaw teilte nämlich mit, daß die Verhandlungen bereits begonnen hätten, daß er selbst mit anderen Kameraden sich nach Biala-Zerkiew begebe, und daß er die Hoffnung habe, Chmielnizki zu besänftigen und zu befriedigen. Zum Schluß bat er den Fürsten, bis zum Abschluß der Verhandlungen nicht allzu feindlich gegen die Kosaken aufzutreten und soweit wie möglich kriegerische Unternehmungen zu unterlassen.

Hätte man dem Fürsten gemeldet, daß sein ganzes Dnieprland verwüstet, daß alle Städte dem Erdboden gleichgemacht seien, es hätte ihn nicht so fürchterlich geschmerzt, wie dieser Brief.

Skrzetuski, Baranowski, die beiden Tyschkiewitsch und Nerde waren Zeugen dessen. Der Fürst bedeckte die Augen mit den Händen und ließ den Kopf nach hinten sinken, als hätte ihn ein Pfeil ins Herz getroffen.

»O Schmach, Schmach, Gott im Himmel, laß mich sterben,« rief er, »damit ich diese Dinge nicht mehr schaue!« Eine tiefe Stille herrschte unter den Anwesenden, und der Fürst sprach weiter: »Ich mag in dieser Republik nicht leben, denn man muß sich schämen. Der Kosakenpöbel, das Bauernvolk hat das Vaterland mit Blut überströmt und sich mit den Heiden gegen die eigene Mutter verbunden, die Hetmane sind geschlagen, die Heere aufgerieben, der Ruhm der Nation zertreten, die Majestät vergewaltigt, die Kirchen niedergebrannt, die Priester, der Adel hingeschlachtet, die Frauen geschändet, und auf diese Niederlagen, diese Schmach, bei deren Erwähnung unsere Ahnen gestorben wären? – Was antwortet die Republik darauf? Mit dem Verräter, mit ihren Schändern, mit den Bundesgenossen der Heiden tritt sie in Verhandlungen und verspricht ihm Befriedigung – o Gott, laß mich sterben, denn wir können in der Welt nicht mehr leben, da wir die Schmach des Vaterlandes empfinden und ihm unser Leben zum Opfer bringen.«

Der Wojewode von Kijew schwieg. Christoph, der Unterrichter von Brazlaw, aber sprach nach kurzer Pause: »Kisiel ist nicht die Republik.«

Der Fürst aber antwortete:

»Sprecht mir nicht von Kisiel allein; ich weiß sehr wohl, daß er eine große Partei hinter sich hat: Was er tut, ist ganz im Sinne des Primas, des Kanzlers, des Fürsten Dominik und vieler Herren, die heute in der Zeit des Interregnums das Steuerruder der Republik führen und Seine Majestät repräsentieren oder vielmehr durch ihre Schwachheit, die einer großen Nation unwürdig ist, schänden, denn nicht mit Verträgen, mit Blut muß dieses Feuer gelöscht werden; – es ist rühmlicher für eine ritterliche Nation, unterzugehen, als sich zu erniedrigen und die Verachtung der ganzen Welt auf sich zu ziehen.«

»Mein Fürst,« wagte Sazwilichowski zu sagen – »mögen jene mit der Zunge fechten, wir werden mit dem Schwerte weiter kämpfen.«

»So soll es sein,« antwortete der Fürst – »das Herz bricht mir bei dem Gedanken, was uns jetzt zu tun geziemt? Sind wir nicht, da wir von dem Unglück des Vaterlandes hörten, durch die wilden Felder, durch die unüberschreitbaren Sümpfe hierher gekommen, haben wir uns nicht Schlaf, Speise und Trank versagt, haben wir nicht die letzten Kräfte aufgeboten, um diese unsere Mutter vom Untergange, vor der Schande zu retten? Man sagt mir, ich sei gekränkt, weil ich den Oberbefehl nicht erhalten. Die Welt mag richten, ob diejenigen, die ihn erhalten haben, würdig sind, und ich rufe Gott und euch zu Zeugen auf, daß ich so wie ihr nicht um des Lohnes und der Würde willen mein Blut zum Opfer bringe, sondern aus reiner Liebe zum Vaterlande; und da wir den letzten Atemzug aushauchen – was teilen sie uns mit? Daß diese Herren in Warschau und dieser Herr Kisiel in Huschtscha daran denken, den Feind zu befriedigen. Schmach und Schande.«

»Kisiel ist ein Verräter!« schrie Baranowski.

Darauf erhob sich Sakowitsch, ein ernster und ruhiger Mann, und sagte, zu Baranowski gewendet:

»Als Freund des Wojewoden von Brazlaw und als sein Gesandter kann ich nicht dulden, daß man ihn hier einen Verräter nennt, auch ihm ist der Bart vor Kummer ergraut – auch er dient dem Vaterland, wie er es für gut hält, vielleicht irrig, aber ehrlich!«

Der Fürst hatte diese Antwort nicht gehört, denn er war in Gedanken und Schmerz versunken.

Baranowski wagte auch nicht in seiner Gegenwart weiter zu sprechen, er heftete nur seinen kalten Blick auf Sakowitsch, als wollte er ihm sagen: »Ich finde dich!« und legte die Hand auf den Griff des Schwertes. – Inzwischen war Jeremias aus seinem Brüten emporgefahren und sagte düster:

»Hier gibt es keine andere Wahl, als entweder den Gehorsam zu verweigern (denn in der Zeit des Interregnums führen sie das Regiment), oder die Ehre des Vaterlandes, für die wir so viele Mühsale ertragen haben, hinzuopfern ...«

»Aus dem Ungehorsam entspringen alle Übel in dieser Republik,« sagte voll Ernst der Wojewode von Kijew.

»So sollen wir die Schändung des Vaterlandes dulden? Wenn sie uns also morgen befehlen, mit dem Strick um den Hals zu Tuhaj-Bey und Chmielnizki zu gehen, sollen wir ihnen auch da gehorchen?«

»Veto,« sagte Christoph, der Unterrichter von Brazlaw, »veto,« wiederholte Kerdaj.

Der Fürst wandte sich an die Hauptleute.

»Sprecht, alte Kameraden,« sagte er.

Sazwilichowski ergriff das Wort.

»Mein Fürst, ich zähle 70 Jahre, ich bin ein ehrenhafter Ruthene, ich war kosakischer Kämmerer. Chmielnizki selbst nannte mich einst einen Vater. Ich müßte hier zu Verhandlungen raten, aber wenn ich entscheiden soll, Schmach oder Krieg, so werde ich noch auf dem Wege zum Grabe sagen: Krieg!«

»Krieg!« wiederholte Skrzetuski.

»Krieg, Krieg!« wiederholten zahlreiche Stimmen, unter ihnen Christophs, die Kerdajs, Baranowskis und fast aller Anwesenden.

»Krieg! Krieg!«

»Es geschehe nach euren Worten« – sagte der Fürst würdevoll – und schlug mit dem Zepter nach dem geöffneten Briefe Kisiels.


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