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Einige Tage später zog unser Statthalter frisch und mutig nach Lubnie. Nachdem der Dniepr überschritten war, ging er mit seinen Leuten den breiten Steppenweg, welcher Tschechryn mit Lubnie verband, über Zuki, Semi-Mogila und Chorol. Ein zweiter ebensolcher Weg führte von dem Stammsitz des Fürsten nach Kiew. In früheren Zeiten existierten diese Wege gar nicht. Nach Kiew mußte man aus Lubnie durch die große Steppenwüste, nach Tschechryn zu Wasser und von dort zurück über Chorol. Im großen ganzen waren diese Dnieprschen Länder eine Wüste, fast unbewohnt, von den Tataren durchschwärmt, den Saporoger Banden preisgegeben.
An den Ufern des Sula rauschten mächtige, vom Fuß der Menschen noch nicht entweihte Wälder; stellenweise hatten sich an den Ufern der vielen Nebenflüßchen des Dniepr große sumpfige Stellen gebildet, welche teils entblößt dalagen, teils mit dichtem Gesträuch bewachsen waren. Diese Plätze waren ein guter und sicherer Aufenthaltsort für allerlei Raubgetier. In den tiefsten Tiefen der Wälder aber lebte eine große Menge Wölfe, Bären und Wildschweine, daneben ungezählte Scharen Luchse, Marder, große Rudel Rehe und Rotwild. In den Sümpfen und Lachen hatten Biber ihre Kessel angelegt, Biber, von denen man erzählte, daß unter ihnen sich ganz weißhaarige Greise befänden. In den hohen trockenen Steppengräsern tummelten sich Herden wilder Steppenpferde mit zottigen Köpfen und roten Augen. Es war ein wunderbares Stück Erde, halb wie im Schlaf liegend, halb die Spuren menschlichen Daseins tragend. Die Flüsse wimmelten von Fischen. Überall fand man alte, eingeäscherte Wohnstätten; selbst Lubnie und Chorol waren auf solchen Aschenhaufen neu erbaut; überall Grabmäler älterer und neuerer Zeiten, schon mit Waldgesträuch überwuchert. Auch hier sollten, wie in den wilden Feldern, Geister hausen und nächtlichen Spuk treiben, und die alten Bewohner von Saporogien erzählten sich beim lichten Feuerschein Wunder, die oft in den Waldestiefen dort geschehen sollten. Diese Erde war so wenig gastfreundlich, so wenig zugänglich, stellenweise aufgeweicht, stellenweise dürstend nach Feuchtigkeit, als Wohnsitz gefährlich, da Ansiedler sehr bald von den Tataren vertrieben, ihr Hab und Gut geraubt wurde. Trotzdem versuchten immer wieder neue Ansiedler sich festzusetzen. Es entstanden in der Wüste Einzäunungen, Ansiedelungen, Kolonien, Waldparzellen. Der Boden war ertragsfähig, und der Wohlstand lockte. Aber zur Blüte gelangten diese Ländereien erst, als sie in die Hände der Wischniowiezkis übergingen.
Schon der Fürst Michael hatte nach seiner Verheiratung mit einer Prinzessin Mohilan die Verwaltung derselben energischer betrieben. Er zog Leute herbei, besetzte die verlassenen Ansiedelungen und gab ihnen Schutz auf dreißig Jahre hinaus. Ferner baute er Klöster und führte eigene fürstliche Rechte ein. Selbst solche Ansiedler, die aus früheren Zeiten noch dort auf ihren eigenen Besitzungen lebten, gaben ihr Eigentumsrecht gern auf, um sich unter den Schutz des Fürsten zu stellen, welcher ihnen weit größere Sicherheit bot. Aber voll zur Blüte gelangte das Leben dort doch erst unter der eisernen Hand des Fürsten Jeremias. Gleich hinter Tschechryn fing sein Reich an und dehnte sich aus bis hinter Konotop und Romny. Aber das waren nicht alle seine Besitzungen, denn er hatte noch Güter in den Wojewodschaften Sandomir, Wolhynien, Kiew und Ruthenen, aber diese Besitzungen hier am Dniepr waren doch sein Augapfel, der Augapfel des Siegers von Putywlo.
Seitdem lauerten die Tataren lange wie ein Wolf im Hinterhalt, ehe sie einmal wagten, um Mitternacht ihre Pferde in die Steppe zu treiben; die Niederländer wagten keine Einfälle, die einheimischen Unruhestifter gingen in Dienst, das wilde, räuberische Volk, welches früher nur von Gewalttaten und Überfällen lebte, war jetzt in harter Zucht gehalten und behütete wie eine grimmige, an der Kette liegende Dogge die Grenzen des fürstlichen Reiches. So entwickelte sich der Wohlstand schnell. Nach den Spuren der früheren Landstraßen wurden neue Wege gebaut, die Flüsse eingedämmt. Dort, wo einst im Schilf der Wind nachts grausig pfiff und die Wölfe heulten, dort klapperten jetzt Mühlen. Über vierhundert Räder, ohne die große Zahl hier und dort verstreuter Windmühlen, drehte das Wasser, um Korn zu mahlen. Vierzigtausend zinspflichtige Angesiedelte trugen ihren Zins in die fürstlichen Kassen, in den Wäldern mehrten sich die Bienenstände, immer mehr Dörfer und Höfe entstanden. In der Steppe weideten, neben den eingezäunten wilden, große Herden zahmen, einheimischen Viehs und Pferde. Die unabsehbare Einförmigkeit der Wälder und Steppen wurden wohltätig unterbrochen durch die rauchenden Schornsteine, die goldigen Kuppeln der polnischen und russischen Kirchen, kurz – die Wüste hatte sich in ein stark bevölkertes Land umgewandelt.
Der Statthalter ritt ohne Eile und mit aller vorbereiteten Bequemlichkeit durchs Land. Es war zu Anfang des Jahres 1648, aber vom Winter spürte man nichts. In der Luft duftete der Frühling; große glänzende Wasserlachen standen in den tiefer gelegenen Teilen, die Saaten grünten in den Feldern, und die Sonne glühte so heiß um Mittag, daß die Pelze auf den Rücken brannten wie im Hochsommer.
Unterwegs hatte die Begleitung des Statthalters einen wesentlichen Zuwachs erhalten; es hatte sich ihr die walachische Botschaft zugesellt, welche der Hospodar in der Person des Herrn Roswan Ursu nach Lubnie sandte. Bei dieser Botschaft befanden sich einige hundert Mann Eskorte und mehrere Wagen mit Bedienung. Außerdem begleitete den Statthalter unser guter Bekannter, der Herr Podbipienta mit dem im Wappen befindlichen Hutabschläger, mit seinem langen Schwert unterm Arm und einiger Dienerschaft.
Die warme Sonne, der Duft des nahen Frühlings erfüllten die Herzen aller mit Frohsinn, und der Statthalter war um so heiterer, als er nach langer, beschwerlicher Reise unter das Dach des Fürsten, welches auch sein Dach war, heimkehrte, um so heiterer, als er seine Botschaft so gut durchgeführt und einen freundlichen Empfang zu erwarten hatte.
Aber sein Frohsinn hatte noch andere Ursachen.
Außer der Gnade des Fürsten, welchen er von ganzer Seele liebte, erwarteten ihn in Lubnie noch ein Paar schwarze Augen, so süß wie Honig.
Diese Augen gehörten dem Fräulein Anna Krasienska, der Respektsdame der Fürstin Griseldis, dem schönsten Mädchen des gesamten Frauenzimmers, einer großen Kokette, in welche ganz Lubnie verliebt war, während sie niemanden bevorzugte. Am Hofe der Fürstin herrschten feine Sitten und eine große moralische Zucht, welche jedoch nicht hindern konnte, daß die jungen Leute miteinander liebäugelten und nacheinander seufzten. Herr Skrzetuski sandte also seine Seufzer an die Adresse jener schwarzen Augen gleichzeitig mit vielen anderen, und wenn er sich allein in seinem Quartier befand, griff er nach der Laute und sang:
»Du bist die Schönste der Schönen –«
oder auch:
»Wie eine Tatarenhorde
Nimmst du die Herzen gefangen.«
Aber, da er ein fröhlicher Mensch war und dabei ein Krieger von Passion, so nahm er es sich nicht besonders zu Herzen, wenn Anna ihm ebenso zulächelte wie dem Herrn Bychowiez aus der walachischen Fahne, wie dem Herrn Wurzel von der Artillerie, dem Herrn Wolodyjowski von den Dragonern, und sogar dem Herrn Baranowski von den Husaren, obgleich der letztere pockennarbig war und stotterte, weil eine Kugel ihm den Gaumen lädiert hatte. Herr Skrzetuski hatte sich sogar schon einmal auf Säbel mit Herrn Wolodyjowski geschlagen, der schönen Anna wegen, aber als es nichts anderes zu tun gab, als in Lubnie zu sitzen, wurde ihm die Zeit gar lang, sogar die Anwesenheit Annas langweilte ihn, und als es hieß, fortziehen zum Khan, da zog er gern, ohne Wehmut, ohne trübe Gedanken.
Dafür kehrte er frohen Mutes zurück. Jetzt, nachdem er nach glücklicher Ausführung seiner Botschaft aus der Krim zurückkam, sang er ein frohes Lied und spornte sein Pferd zu schnellem Gange. Er ritt neben Herrn Podbipienta, welchem seiner Länge wegen der Beiname Longinus gegeben worden war. Dieser saß auf einer ungeheuren livländischen Stute und sah bekümmert und traurig aus wie immer. Die Wagen, die Dienerschaft und die übrigen Genossen blieben weit hinter ihnen zurück.
»Seine Gnaden, der Herr Gesandte, liegt auf dem Wagen wie ein Holzklotz und schläft fortwährend,« sagte der Statthalter. »Er hat mir so lange Wunderdinge von seiner Walachei vorgeschwatzt, bis er eingeschlafen ist. Ich hörte ihm neubegierig zu. Man kann nichts dagegen einwenden; es ist ein reiches Land. Das Klima ist vorzüglich, Gold, Wein, Lebensmittel und Vieh in Fülle. Ich dachte mir dabei, daß unseres Fürsten Mutter eine geborene Mohilan ist und er ein ebensolches Recht auf den Thron des Hospodaren hat als irgend jemand. Dieses Recht erwarb sich doch Fürst Michael. Die Wallachei ist für unsere Herrlein keine terra incognita mehr. Sie schlugen dort schon die Türken und Tataren.«
»Aber die Menschen sind dort auch gemütvoller; Herr Sagloba erzählte mir davon in Tschechryn,« antwortete Herr Longinus.
»Wieviel glaubt Ihr, gnädiger Herr, daß der Fürst Leute unter den Waffen hat?«
»Ohne die Kosaken, welche zerstreut in den Feldern hausen, werden es etwa achttausend Mann sein. Aber Herr Sazwilichowski erzählte mir, daß jetzt neue Aushebungen stattfinden sollen.«
»Vielleicht gibt mir Gott irgend einen Kriegszug unter dem Fürsten?«
»Man spricht davon, daß ein großer Krieg gegen die Türken sich vorbereitet, und daß der König selbst mit der großen Macht der Republik sich verbinden will. Ich weiß auch, daß den Tataren Ermahnungen zugegangen sind, in der Ackerbestellung einzuhalten. Davon hörte ich auch in der Krim, wo man mich nur deshalb so leutselig empfing, weil dort das Gerücht verbreitet ist, daß, sobald der König mit den Hetmanen sich verbindet, die Krim überfallen und sämtliche Tataren ausgehauen werden sollen.«
Herr Longinus erhob Augen und Hände gen Himmel.
»Gebe Gott der Allmächtige einen so heiligen Krieg zum Ruhme der Christenheit und unserer Nation. Und mir armem Sünder verleihe er, während seiner Dauer mein Gelübde zu erfüllen oder den Tod davonzutragen.«
»So habt Ihr ein den Krieg betreffendes Gelübde getan?«
»Einem so edlen Ritter, wie Ihr es seid, öffne ich freudig alle Kammern meines Herzens. Es gibt zwar viel zu erzählen, aber da Ihr mir ein so geneigtes Ohr schenkt, so beginne ich: Ihr wißt, gnädiger Herr, daß ich im Wappen den Hutabschläger trage. Das kommt daher: Als ein Vorfahr von mir, Stowejko Podbipienta, bei Grunwald mitfocht, sah er drei Ritter in Mönchskapuzen in einer Reihe daherreiten. Als sie ihn erreicht hatten, da hieb er mit einem Hieb allen dreien zugleich die Köpfe ab. Von dieser Heldentat schreiben die Chroniken in einer meinen Vorfahren sehr rühmlichen Weise ...«
»Da hatte er ja eine ebenso starke Hand wie Ihr, und man nannte ihn mit Recht Hutabschläger.«
»Deshalb gab ihm der König auch dies Wappen: in silbernem Felde drei Ziegenköpfe, zum Andenken an jene drei Ritter, welche auf ihren Schildern ebensolche Köpfe trugen. Dieses Wappen nebst diesem Schwert hier hat unser Vorfahr uns hinterlassen mit dem Befehl, daß wir uns bemühen sollten, den Ruhm der Familie und des Schwertes zu erhalten.«
»Alle Ehre! Ihr stammt aus einem artigen Geschlecht.«
Hier begann Herr Longinus zu seufzen, und als er sich dadurch etwas erleichtert fühlte, fuhr er fort:
»Da ich der letzte unseres Stammes bin, gelobte ich der heiligen Jungfrau im Kloster zu Troki, daß ich nicht eher vor dem Traualtar stehen und bis dahin ein reines, unbeflecktes Leben führen wolle, ehe ich nicht nach dem Beispiel meines Vorfahren mit ebendemselben Schwerte drei Feindesköpfe auf einen Hieb abgeschlagen haben würde. Barmherziger Gott, du siehst, daß ich alles mögliche getan habe. Meine Reinheit habe ich bis zum heutigen Tage bewahrt, dem liebebedürftigen Herzen habe ich Stillschweigen geboten, ich suchte Kriege, kämpfte tapfer, aber bis jetzt hatte ich das Glück nicht.«
Der Statthalter lächelte unmerklich.
»Und Ihr schlugt noch keine drei Köpfe ab?«
»Es schickte sich noch immer nicht so! Ich habe kein Glück! Zu zweien auf einmal, das geschah schon oft, aber niemals zu dreien. Ihnen so beizukommen gelang nicht, und man kann dem Feinde doch nicht befehlen, sich derartig aufzustellen. Gott allein kennt meinen Kummer! Die Körperstärke ist da, der Reichtum ist da – aber die Zeit vergeht, ich bin bald fünfundvierzig Jahre alt, das Herz begehrt nach Liebe, das Geschlecht stirbt aus, und ich kann die drei Köpfe nicht bekommen. Solch ein Hutabschläger bin ich nun. Den Leuten diene ich zum Gelächter, wie Herr Sagloba richtig sagt; ich ertrage alles geduldig und bringe alles dem Herrn Jesu zum Opfer.«
Der Litauer begann wieder so zu seufzen, daß seine livländische Stute wohl aus Mitgefühl mit ihrem Herrn auch zu stöhnen anfing.
»Da kann ich Euch nur sagen,« sprach Skrzetuski, »daß wenn Euch die Sache unter dem Fürsten Jeremias nicht gelingt, dann wohl überhaupt niemals.«
»Gott gebe es!« entgegnete Longinus, »deshalb reite ich auch zum Fürsten, um seine Gnade zu erbitten.«
Plötzlich, wo der Weg eine Biegung macht, hielten die Reiter an, denn ein seltsamer Anblick fesselte sie. Mitten im Wege lag, ganz auf die Seite geneigt mit zerbrochener Achse, eine herrschaftliche Kutsche. Die ausgespannten Pferde wurden von zwei Kosaken gehalten. Der Kutscher fehlte ganz, wahrscheinlich war er ausgeschickt, Hilfe zu suchen. Neben der Kutsche standen zwei Frauen; die eine angetan mit einem Fuchspelz, ebensolcher Mütze mit rundem Deckel, mit strengen, männlichen Gesichtszügen, die andere ein junges Mädchen, majestätischen Wuchses, mit feinen Gesichtszügen.
Der Statthalter parierte das Pferd; unter einer kleinen Mardermütze hervor blickten ihn zwei Augen an, wie er sie nie im Leben gesehen, schwarz wie Samt, tränenverschleiert und doch feurig glänzend, so feurig, daß die hübschen Augen Annas neben ihnen verblichen wie kleine Lichtchen neben Fackeln. Diese Augen bedeckten lange seidene Wimpern, die Wangen blühten wie die schönsten Blumen, zwischen den himbeerroten Lippen, die etwas geöffnet waren, schimmerten Zähne wie Perlen; unter dem Mützchen hervor quollen üppige schwarze Zöpfe. »Ist das Juno in höchsteigener Person oder eine andere Göttin?« dachte sich der Statthalter, als er diese herrliche Gestalt mit dem Falken auf der Schulter erblickte. Die Mütze in der Hand, starrte der Statthalter sie an wie ein Heiligenbild; die Augen glänzten ihm, und das Herz schlug ihm mächtig.
Inzwischen hatte die ältere Dame zu klagen begonnen:
»Ritter!« sprach sie, »wer Ihr auch seid, versagt Eure Hilfe nicht denjenigen, welche hilflos hier stehen und nicht wissen, was sie beginnen sollen. Wir haben nur noch drei Meilen nach Hause, aber die Achsen sind am Wagen gesprungen, und wir werden gezwungen sein, hier zu übernachten. Den Kutscher habe ich zu meinen Söhnen nach einem Wagen geschickt, aber ehe derselbe hin- und zurückkommt, wird es Nacht, und mir graut vor ihr, denn hier in der Nähe gibt es Totengräber.«
Die alte Edelfrau hatte sehr rasch und mit einer so tiefen Stimme gesprochen, daß Skrzetuski erstaunt aufgeblickt hatte. Doch antwortete er artig:
»Gnädige Frau, verwerft doch den Gedanken, daß wir Euch hier mit Eurer lieblichen Tochter ohne Hilfe lassen würden. Wir reisen nach Lubnie, da wir Soldaten vom Dienst des Fürsten Jeremias sind, und wie es scheint, haben wir denselben Weg zu nehmen. Wäre dies aber auch nicht der Fall, so biegen wir gern vom Wege ab, wenn unsere Begleitung Euch nicht unangenehm ist. Einen Wagen besitze ich leider nicht, aber der Herr Botschafter hier verfügt über einen solchen, und ich denke, er wird so gefällig sein, Euch damit zu bedienen.«
Der Botschafter, welcher die polnische Sprache etwas verstand, neigte sein zobelbedecktes Haupt zustimmend und entsandte sogleich seinen Diener mit dem Auftrage, die Wagen schleunigst herbeizuholen. Unterdes blickte der Statthalter unaufhörlich das Fräulein an, welches vor seinen flammenden Blicken seine Augen zu Boden gesenkt hielt, und die Dame mit dem Kosakengesicht sprach weiter:
»Gott vergelte Euren Beistand. Da es nach Lubnie aber noch weit ist, so weist mein Anerbieten nicht zurück, die Nacht unter meinem und meiner Söhne Dach zuzubringen. Wir sind aus Roslogi; ich bin die Witwe des Fürsten Kurzewitsch-Bulysch, und dies hier ist nicht meine Tochter, sondern das Kind des älteren Kurzewitsch, des Bruders meines Mannes, welcher die Waise unserem Schutz unterstellt hat. Meine Söhne sind jetzt zu Hause, ich kehre aus Tscherkassy zurück, wo ich der heiligen Jungfrau geopfert habe. Hier begegnete uns nun dieser Unfall.«
Sie hätte wohl noch länger so forterzählt, wären nicht die Wagen in Begleitung der Leute des Botschafters und der Soldaten Skrzetuskis angelangt.
»So seid Ihr, gnädige Frau, die Witwe des Fürsten Wassili Kurzewitsch?« fragte der Statthalter.
»Nein,« bestritt energisch, fast zornig die Fürstin. »Ich bin die Witwe Konstantins, und diese hier ist Helene, die Tochter Wassilis.«
»In Lubnie wird viel vom Fürsten Wassili erzählt. Er war ein tapferer Soldat und der Vertraute des Fürsten Michael.«
»Ich war nie in Lubnie,« entgegnete sie mit einer gewissen Hoheit; »ich weiß von seinen Soldaten nichts, und von den späteren Taten Wassilis spricht man lieber nicht.«
Helene hatte bei diesen Worten das Köpfchen gesenkt wie eine Blume, welcher man mit der Sense den Kopf abschlägt. Der Statthalter aber erwiderte lebhaft:
»Sagt das nicht, Eure Gnaden. Der Fürst Wassili mußte, vom Volksmund verurteilt, fliehen, später aber kam seine Unschuld vollständig ans Licht. Dies wurde überall publiziert, sein Name öffentlich zu großen Ehren gebracht, welche um so größer wurden, je größer das ihm angetane Unrecht war.«
Die Fürstin blickte den Statthalter scharf an; in ihren unangenehm stechenden Augen blitzte der Zorn auf. Aber Herr Skrzetuski, obwohl noch so jung an Jahren, hatte in seiner Erscheinung so viel ritterliche Würde, daß sie ihm nicht zu opponieren wagte. Dafür wandte sie sich an Helene.
»Dir geziemt, das nicht zu hören. Gehe lieber und schaue nach, daß unser Gepäck auf den anderen Wagen geschafft wird, den wir mit Erlaubnis dieser Herren benutzen sollen.«
»Das gnädige Fräulein erlaubt, daß ich Hilfe leiste,« sagte der Statthalter.
Sie gingen beide nach dem Kutschwagen, aber kaum standen sie einander an beiden Seiten des Wagens gegenüber, so hoben sich die seidenen Wimpern, und die dunklen Augen Helenens blickten den Statthalter an, daß es ihm wie ein lichter Sonnenstrahl über das Antlitz flog.
»Wie soll ich Euch danken, gnädiger Herr,« sagte sie mit einer Stimme, die dem Statthalter wie die süßeste Musik klang, »wie soll ich Euch danken dafür, daß Ihr die Ehre meines Vaters verteidigt habt gegen das Unrecht, welches die eigenen Verwandten ihm tun?«
»Fräulein,« antwortete der Statthalter, welchem das Herz wie Schnee schmolz. »So mir Gott helfe, für solch einen Dank wäre ich bereit, ins Feuer zu springen oder mein Blut vollständig zu vergießen, aber wo der Wille so gut ist, da ist das Verdienst klein, und deshalb geziemt es mir nicht, Euren Dank anzunehmen.«
»Wenn Ihr ihn verschmäht, so habe ich arme Waise nichts anderes, womit ich meine Dankbarkeit zeigen kann.«
»O, ich verschmähe ihn nicht,« sagte mutiger der Statthalter, »aber ich möchte eine so große Gnade erst durch lange und treue Dienste verdienen, und bitte das gnädige Fräulein nur, diese Dienste anzunehmen.«
Die junge Prinzessin wurde sehr rot und verlegen, dann erbleichte sie plötzlich. Die Hände über das Gesicht breitend, sagte sie mit wehmutsvoller Stimme:
»Ein solcher Dienst würde Euch nur Unglück bringen, Ritter.«
Und der Statthalter flüsterte, sich durch das Wagenfenster ihr zuneigend, leise und vor Erregung bebend:
»Was er mir bringen soll, ist Gottes Fügung, ich bin bereit, fußfällig darum zu bitten.«
»Es kann nicht möglich sein, daß Ihr, der Ihr mich eben erst erblicktet, eine solche Dienstbereitschaft für mich fühlt.«
»Und dennoch ist es so! Kaum hatte ich Euch erblickt, da hatte ich mich völlig selbst vergessen und sehe ein, daß aus dem bis zu dieser Stunde freien Soldaten ein willenloser Sklave geworden ist; es ist sichtbar Gottes Wille. Die Liebe ist ein Pfeil, welcher unversehens das Herz durchbohrt; ich fühle ihre Gewalt, obgleich ich das gestern noch für unmöglich gehalten hätte.«
»Wenn Ihr das gestern noch für unmöglich hieltet, wie soll es mir heute möglich scheinen?«
»Die Zeit wird Euch, Prinzessin, am besten davon überzeugen. Die Aufrichtigkeit meiner Gesinnung könnt Ihr aber jetzt schon in meinen Worten und meinem Antlitz finden.«
Und wieder hoben sich die seidenen Wimpern, und der Blick der Prinzessin fiel auf das männliche Gesicht und die voll Begeisterung sie anblickenden Augen des jungen Soldaten. Wieder überzog tiefe Röte ihr Angesicht, aber sie senkte ihr Auge nicht, und er trank Seligkeit aus ihrem süßen Blick. So blickten sie sich an wie zwei, die da fühlten, daß das Geschick sie füreinander bestimmt habe, und deren Seelen einander zujauchzten, bis die rauhe Stimme der Fürstin sie zum Bewußtsein der gegenwärtigen Lage zurückrief.
Die Wagen waren da. Die Dienerschaft begann das Gepäck umzuladen, der Botschafter Roswan Ursu, ein galanter Bojar, trat den Damen den eigenen Wagen ab, der Statthalter stieg zu Pferde, man brach auf.
Der Tag neigte sich seinem Ende zu. Die aus den Ufern getretenen Wasser des Kahamlik glänzten golden und rosig im Lichte der untergehenden Sonne. Hoch am Himmel schwebten leichte Wölkchen, welche, stufenweise sich rosenrot färbend, langsam dem Horizont sich zusenkten, als ob sie, ermüdet vom langen Fluge in den Lüften, schlafen gehen wollten. Herr Skrzetuski ritt an der Seite der Prinzessin, aber er sprach kein Wort. Die Unterhaltung mit ihr so weiterzuführen, wie er sie begonnen, das vermochte er in Gegenwart so vieler Begleiter nicht, und gleichgültige Worte wollten ihm nicht über die Lippen. Nur im Herzen fühlte er sich so wohl, und der Kopf brannte ihm wie vom Genuß des edelsten Weines. Die ganze Karawane bewegte sich schnell fort, die Stille wurde nur durch das Schnaufen der Pferde oder das Klirren der Steigbügel unterbrochen.
Inzwischen wurde es finster. Die Sterne begannen zu funkeln, und aus den Sümpfen stiegen dichte, weiße Nebel auf. Sie fuhren eben in einen Wald hinein, als Pferdegetrappel ertönte und fünf Reiter vor der Karawane erschienen. Es waren die Söhne der Fürstin, welche, benachrichtigt von dem Unfall, der die Mutter betroffen, mit einem vierspännigen Wagen herbeieilten.
»Seid ihr das, Kinderchen?« fragte die Fürstin.
Die Reiter näherten sich dem Wagen.
»Wir, Mutter!«
»Kommt herbei. Dank der Hilfe dieser Herren bedarf ich der eurigen nicht mehr. Das sind meine lieben Söhnchen, welche ich dem Wohlwollen der gnädigen Herren empfehle,« sagte sie, zu denselben gewendet: »Simeon, Jur, Andreas und Mikolaj – und wer ist der fünfte dort?« sprach sie, scharf hinblickend – »heda! Wenn die alten Augen nicht trügen, so ist es Bohun, wie?« –
Die Prinzessin lehnte sich schnell in den Wagen zurück.
»Ich grüße Euch, Fürstin, und Euch, Prinzessin Helene!« rief der fünfte Reiter.
»Bohun!« – sprach die Alte, »bist du vom Bataillon herübergekommen, mein Falke? Und mit der Zither? Willkommen! Willkommen! Meine Söhne! Ich habe diese Herren schon ins Nachtquartier nach Roslogi gebeten, und jetzt neigt euch vor ihnen. Einen Gast ins Haus, heißt Gott ins Haus bringen. Seid unserem Hause wohlgeneigt, ihr Herren.«
Die Prinzen zogen die Mützen.
»Wir bitten demütig, unsere Gastfreundschaft anzunehmen.«
»Sie haben es mir schon versprochen. Seine Hoheit der Herr Botschafter und seine Gnaden der Herr Statthalter. Es sind edle Gäste, die wir aufnehmen, aber ich fürchte, daß dieselben zu sehr an die Delikatessen der Höfe gewöhnt sind, um Geschmack an unserer armseligen Kost zu finden.«
»Wir essen Soldatenbrot, nicht Hofkost,« sagte Herr Skrzetuski.
Und Herr Roswan Ursu setzte hinzu:
»Ich habe schon oft genug die Gastfreundschaft der Adligen genossen, um zu wissen, daß dieselben jene der Höfe weit übertrifft.«
Die Wagen rollten vorwärts, und die alte Fürstin sprach weiter:
»Es gab für uns früher bessere Zeiten; das ist lange, lange her.«
»In Wolhynien und Litauen gibt es noch eine Linie Kurzewitsch', welche auf sehr großem Fuße lebt. Diese aber will nichts von den ärmeren Verwandten wissen, wofür Gott sie strafen möge. Die gnädigen Herren müssen uns vergeben, wenn sie bei uns nur das einfache Leben wie in den Häusern der Kosaken vorfinden. Aber wir bieten aufrichtigen Herzens, was wir besitzen. Unsere kleine Besitzung muß mich, meine fünf Söhne und noch diese Prinzessin hier ernähren.«
Der Statthalter war sehr erstaunt über diese Auseinandersetzungen. Er hatte in Lubnie immer davon gehört, daß Roslogi eine große, adlige Besitzung sei, und daß diese einst dem Vater Helenens, dem Fürsten Wassili, gehört habe. Es schien ihm jedoch nicht schicklich zu fragen, auf welche Weise sie in die Hände Konstantins und seiner Witwe gekommen war.
»So habt Ihr fünf Söhne, Fürstin?« unterbrach sie Herr Roswan Ursu.
»Ich hatte fünf, stark wie Löwen,« entgegnete sie. »Meinem Ältesten aber, dem Wassili, haben die Heiden in Bialogrod die Augen ausgebrannt; dabei hat auch sein Verstand gelitten. Wenn die Jungen einen Ausfall machen, so bleibe ich allein mit ihm im Hause, mit ihm und der Prinzessin, die mir mehr Kummer als Freude macht.«
Der wegwerfende Ton, in welchem die Tante von ihrer Nichte sprach, entging der Aufmerksamkeit des Statthalters nicht. Seine Brust hob sich zornig, fast hätte er einen Fluch ausgestoßen, aber als er nach Helene blickte und im Lichte des Mondes ihr tränenüberflutetes Antlitz sah, da blieb ihm derselbe in der Kehle stecken.
»Was ist Euch, Prinzessin? Warum weint Ihr?« fragte er leise.
»Ich kann den Anblick Eurer Tränen nicht ertragen,« fuhr er fort, sich tief zu ihr hinabneigend, und da er sah, daß die Fürstin sich in ein Gespräch mit dem Botschafter vertieft hatte, bat er weiter:
»Um Gottes willen, sprecht nur ein Wort, denn Gott weiß, ich gäbe gern Blut und Gesundheit hin, um Euch zu trösten.«
Da fühlte er plötzlich, daß einer der Reiter ihm so nahe kam, daß die Pferde sich eng berührten. Das Gespräch mit der Prinzessin wurde unterbrochen. Herr Skrzetuski wandte sich erstaunt und wütend dem dreisten Störer zu.
Beim hellen Mondschein erblickte er zwei Augen, welche ihn herausfordernd und höhnisch ansahen. Diese häßlichen Augen glänzten wie die eines Wolfes im dunklen Walde.
»Zum Kuckuck?« dachte der Statthalter, »was soll das bedeuten,« und indem er die blitzenden Sterne fest ins Auge faßte, fragte er:
»Weshalb kommt Ihr mir so nahe, als wolltet Ihr mich mit Euren Augen durchbohren?«
Der Reiter erwiderte nichts, aber behielt seine Stellung bei und verwandte keinen Blick von Skrzetuski.
»Wenn es Euch zu finster ist, so kann ich Feuer schlagen, und wenn Euch die Landstraße zu schmal ist, so reitet in die Steppe,« sagte Skrzetuski sehr nachdrücklich.
»Und du, Leche, mache, daß du vom Wagen fortkommst,« entgegnete der Reiter.
Der Statthalter, welcher niemals lange sich besann, gab dem Pferde des Reiters neben ihm mit dem Fuße einen Stoß in die Seite, daß es mit einem Satz bis dicht an den Rand der Landstraße sprang. Der Reiter parierte es jedoch sogleich. Es hatte den Anschein, als wollte er sich auf den Statthalter werfen, ihn zum Kampfe herausfordern, aber in diesem Augenblick rief die scharfe Stimme der Fürstin befehlend ihm zu: »Bohun! Was tust du?«
Diese Worte hatten eine sofortige Wirkung. Der Reiter wendete das Pferd und ritt an die andere Seite des Wagens, neben der Fürstin, welche noch einmal fragte:
»Was tust du? Du bist nicht in Perejeslaw und in der Krim, sondern in Roslogi, merke dir das. Und jetzt reite mir voraus und führe die Wagen, wir kommen in das Gehege, und du weißt, dort ist es finster.«
Herr Skrzetuski war ebenso zornig als erstaunt.
Dieser Bohun suchte augenscheinlich Streit und hätte ihn gefunden, aber weshalb suchte er ihn? Weshalb diese unvermutete Attacke?
Dem Herrn Skrzetuski kam der Gedanke, daß hier die Prinzessin mit ins Spiel komme, und dieser Gedanke gewann an Wahrscheinlichkeit, als er sah, daß ihr Gesicht weiß wie gebleichtes Leinen war und den Ausdruck größten Schreckens trug.
Unterdes befolgte Bohun den Befehl der Fürstin, welche, vor sich hinblickend halb zu sich, halb zum Statthalter sagte:
»Das ist ein Tollkopf und ein Kosakenteufel.«
»Wie es scheint, ist er nicht recht bei Verstand,« sagte Skrzetuski verächtlich. »Ist das ein Kosak in Diensten der Söhne Euer Gnaden?«
Die Fürstin lehnte sich in den Wagen zurück.
»Was Ihr da redet. Das ist Bohun, Hauptmann der Kosaken, ein ausgezeichneter Held, der Busenfreund meiner Söhne, und mir der sechste Sohn. Es ist unmöglich, daß Ihr seinen Namen nicht kennen solltet, da ein jeder ihn kennt.«
In der Tat war dieser Name Herrn Skrzetuski wohlbekannt. Er war von den Namen aller Kosakenhetmane und Hauptleute der hervorragendste und bekannteste auf beiden Ufern des Dniepr. Die Blinden sangen Lieder über Bohun auf allen Jahrmärkten, beim Kienfeuer erzählten die Mägde seine Taten. Wer er war, woher er kam, das wußte niemand. Gewiß war, daß die Steppe seine Wiege war, und die Wälder, Flüsse und Niederungen der Schauplatz seiner Jugend. Er war von Kindesbeinen aus mit der wilden Natur verwachsen. In Friedenszeiten ging er mit den anderen auf Fischfang und Jagd, monatelang hielt er sich in den Sümpfen auf. Seine Schule waren die Ausflüge in die wilden Felder, in die Pferdekoppeln der Tataren, Überfälle, Kämpfe und Züge gegen die Freibeuter an den Flüssen, nach Bialogrod, in die Walachei, oder auf Flußkähnen nach dem Schwarzen Meer. Ein anderes Leben als zu Pferde, die Nächte am Feuer in der Steppe, kannte er nicht. Frühzeitig wurde er der Liebling der Bewohner in den Niederungen, frühzeitig lernte er andere leiten, und bald übertraf er alle an Mut. Jederzeit war er bereit, mit hundert Pferden nach Backschiserail zu ziehen und dem Khan selbst den Bart anzuzünden; er verbrannte Höfe und Städte, tötete alle Bewohner derselben, ließ gefangene Mohren von Pferden in Stücke reißen, überfiel alles wie das böse Wetter, zog einher wie der Sensenmann, reiche Ernte haltend. Auf dem Meere warf er sich tollkühn auf die türkischen Galeeren und stieg sozusagen dem Löwen in den Rachen. Viele seiner Taten grenzten an Wahnsinn. Andere weniger tapfere Krieger endeten langsam ihr Dasein auf Pfählen in Stambul oder faulten an den Rudern türkischer Galeeren; er ging gesund und beutebeladen aus jeder Gefahr hervor. Man sagte, daß er ungeheure Schätze gesammelt habe, die er in dem Dickicht am Dniepr verborgen hielt. Oft aber sah man, daß er golddurchwirkte Stoffe mit Füßen trat, kostbare Teppiche den Pferden unter die Füße breitete oder in Kleidern von Seidendamast sich im Teer wälzte, um recht mit Absicht zu zeigen, wie sehr er solche Dinge verachte. Nirgends blieb er lange. Bei allem ließ er sich von seiner Phantasie leiten. Unter dem Adel war er der gastfreieste Höfling, unter den Kosaken der wildeste Kosak, unter den Rittern der tapferste Ritter und unter den Räubern ein Räuber. Viele hielten ihn für verrückt, und es war in der Tat eine ungezügelte, leidenschaftliche Natur. Wozu er in der Welt lebte, was er wollte, welchen Zielen er zustrebte, wem er diente – er wußte es selbst nicht. Er diente der Steppe, dem Sturme, dem Kriege und der eigenen, zügellosen Phantasie. Von allen Führern personifizierte er am besten den ritterlichen Kosaken; deshalb wurde er so im Liede verherrlicht, und sein Name kam zu Ehren in der ganzen Ukraine. Vor kurzer Zeit war er Unterhauptmann der Perejeslawer Kosakenabteilung geworden, aber er vertrat in allen Stücken die Hauptmannswürde, denn der alte Loboda war schon altersschwach und führte den Feldherrnstab mit zitternder Hand.
Herr Skrzetuski wußte also sehr gut, wer Bohun war, und als er die Fürstin fragte, ob er ein Kosak in ihren Diensten sei, so tat er dies mit dem Ausdruck der Verachtung, weil er instinktiv den Gegner in ihm fand, und trotz des Ruhmes dieses Führers wallte das Blut des Statthalters zornig auf, als der Kosak ihn so frech insultierte. Er vermutete sogleich, daß ein Streit zwischen ihnen nicht so leicht ohne weitere Folgen verlaufen würde. Herr Skrzetuski, fast zu sehr selbstbewußt, stach wie eine Wespe und scheute ebenfalls vor nichts zurück, ja er suchte die Gefahr mit Vergnügen auf. Wäre er nicht an der Seite der Prinzessin geritten, so würde er gewiß dem Kosakenführer gefolgt sein. Übrigens hatte die Karawane eben das Gehölz verlassen, und von weitem glänzten ihr die Lichter von Roslogi entgegen.