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7. Kapitel

Die Hälfte des März war vorüber, das Gras grünte üppig, die Steppenblumen blühten, die Steppe fing an, sich zu beleben. In der Morgendämmerung ritt der Statthalter mit seinen Leuten wie in einem Meere, dessen bewegliche Wellen die Steppengräser bewegten. Große Tropfen blitzten an allen Gräserenden, ein kräftiger Wind bewegte die Luft und trocknete die breiten Pfützen, die sonnenbeglänzt die Erde bedeckten. Das Gefolge des Statthalters bewegte sich langsam vorwärts, denn die Pferde sanken oft bis an die Kniee in den aufgeweichten Boden. Aber der Statthalter gönnte ihnen wenig Rast, eilte er doch dem Willkommen und gleichzeitig dem Abschied entgegen. Endlich, am zweiten Tage gegen Mittag, als sie ein Stück Wald hinter sich hatten, sah er von ferne die Windmühlen von Roslogi. Das Herz pochte ihm laut. Es erwartet ihn dort niemand; was wird Helene sagen, wenn sie ihn erblickt? Jetzt hat er schon die Hütten der Eingesessenen, das Dorf erreicht, dort sieht man zwischen den Bäumen hervor schon den Brunnenkran auf dem Schloßplatz. Der Statthalter gab dem Pferde die Sporen, sie flogen klirrend und lärmend durch das Dorf. Hier und da stürzte ein Bauer aus der Hütte, sah die fliegende Reiterschar, bekreuzte sich murmelnd und fragte sich leise: sind das Teufel oder Tataren? Der Schmutz flog so um die Reiter, daß nichts zu erkennen war. Jetzt stehen sie vor dem verschlossenen Schloßtor.

»Holla! Tut auf da drinnen!« ruft Skrzetuski.

Das Tor wurde geöffnet. Währenddessen erschien die Fürstin selbst vor dem Hause, und die Augen mit der Hand bedeckend, sah sie auf die Ankömmlinge.

»Ihr wundert Euch, Fürstin, mich hier zu sehen, und doch habe ich mein Wort nicht gebrochen, da der Fürst selbst mich nach Tschechryn und weiter schickt. Er trug mir auf, hier einzukehren und mich nach Eurem Befinden zu erkundigen.«

»Ich bin seiner fürstlichen Durchlaucht dankbar wie einem liebevollen Wohltäter. Wie bald denkt er uns aus Roslogi zu vertreiben?«

»Er denkt gar nicht daran, da er nicht weiß, daß er es tun müßte. Was ich versprochen, das halte ich. Ihr bleibt in Roslogi, ich habe genug Eigentum.«

Da die Fürstin das hörte, hellte sich ihr Gesicht auf.

»Setzt Euch, Herr,« sagte sie; »betrachtet Euch als zu Hause, wie ich Euch als den Unsrigen betrachte.«

»Und die Prinzessin! Wo ist sie? Ist sie gesund?«

»Ich weiß, Kavalier, daß Ihr nicht zu mir gekommen seid. Sie ist gesund; die Liebe hat sie noch schöner und voller gemacht.«

In diesem Augenblick kam Helene ungerufen. Tschechly hatte ihr gesagt, wer gekommen war. Atemlos und blühend wie eine Kirsche stand sie da. Glück, lachendes Glück im Auge. Skrzetuski sprang zu ihr, küßte ihr die Hände, und als die Fürstin diskret hinausgeschlichen war, auch den Mund. Sie wehrte ihm auch nicht sehr, da sie fühlte, daß das Glück sie schwach mache.

»Ich habe Euch nicht erwartet,« flüsterte sie mit geschlossenen Augen, »aber um des Himmels willen, küßt doch nicht so, das schickt sich nicht.«

»Wie soll ich deine honigsüßen Lippen nicht küssen. Ich dachte schon, ich zehre mich auf ohne dich; da schickte der Fürst selbst mich hierher.«

»So, weiß der Fürst?«

»Ich habe ihm alles gesagt. Er freute sich, an den Fürsten Wassili erinnert zu werden. O, Mädchen, du hast mir wohl einen Liebestrank gegeben, daß ich die Welt vergesse über dich. Sage mir noch einmal, daß du mich liebst.«

Helene schlug die Augen nieder, aber sie sagte ernst und deutlich:

»Ich liebe dich, wie niemanden in der Welt.«

»Wenn mich jemand mit Gold und Ehren überschüttete, so machte mich das nicht so glücklich als deine Worte, Mädchen. Ich weiß gar nicht, wie ich eine solche Wohltat verdient habe.«

»Durch dein Mitleiden mit mir, weil du mich zu dir emporgehoben, mich geschätzt und Worte zu mir gesprochen hast, wie ich sie nie von einem Menschen hörte.«

Helene schwieg bewegt, und der Statthalter küßte ihr aufs neue die Hände.

»Meine Gebieterin wirst du sein, mein Weib!« sagte er.

Eine Weile schwiegen beide; er konnte den Blick nicht von ihr wenden. Sie schien ihm noch schöner als früher. Wie ein Heiligenbild kam sie ihm vor in diesem dunklen Gemach, durch dessen bunt schillernde Fensterscheibchen der Sonne Strahlen auf dieses Mädchens Haupt fielen. Und doch strahlte dies Bild Licht und Wärme aus.

»Deine strahlende Schönheit macht mich fast blind,« sagte der Statthalter.

Sie lächelte schelmisch und antwortete:

»Fräulein Anna Borschobohata-Krasinska ist wohl viel schöner als ich.«

»Sie ist, mit dir verglichen, ein zinnernes Gefäß, neben dem Silberglanz des Mondes.«

»Rzendzian hat es mir anders erzählt.«

»Rzendzian ist ein Narr, welcher eine Ohrfeige verdient. Was geht mich jenes Mädchen an; mögen andere Bienen ihren Honig nippen, sie wird von vielen umschwärmt.«

Die weitere Unterhaltung wurde durch den Eintritt des alten Tschechly unterbrochen, welcher den Statthalter begrüßen wollte. Er grüßte ihn mit dem Salame der Türken und Tataren, da er ihn schon als seinen künftigen Herrn betrachtete.

»Nun, Alter,« sagte Skrzetuski, »ich nehme dich mit dem Fräulein. Diene ihr nur treu bis zum Tode.«

»Der wird bald kommen, Herr! Aber, solange das Leben dauert, so lange dauert der Dienst. Es lebt ein Gott!«

»Wenn ich in etwa einem Monat aus der Sitsch zurückkehre, gehen wir alle nach Lubnie,« sagte der Statthalter zu Helene; »dort wartet Probst Muchowiezki mit der Stola unser.«

Helene erschrak. »Du gehst nach der Sitsch?« fragte sie.

»Der Fürst schickt mich mit Briefen. Fürchte nichts! Die Person eines Gesandten ist den Heiden geheiligt. Dich und die Fürstin schickte ich am liebsten bald nach Lubnie, doch sind die Wege schrecklich. Man kommt kaum zu Pferde vorwärts.«

»Bleibst du lange hier?«

»Heute vor Abend breche ich nach Tschechryn auf. Gehe ich eher, komme ich eher zurück. Der Dienst geht allem vor, und die Zeit gehört nicht mir.«

»Ich bitte, eine Stärkung einzunehmen,« sagte jetzt die zurückkehrende Fürstin, »wenn es denn endlich genug des Kosens ist. Ho! Was für rote Backen das Mädchen hat. Ihr waret nicht müßig, Ritter. Aber ich kann es Euch nicht verdenken.«

Indem sie dies sagte, klopfte sie Helene auf die Schulter und führte sie hinaus. Sie war sehr gut gelaunt. Es ging ihr alles nach Wunsch. Roslogi » cum boris, lasis, graniciebus et coloniis« konnte sie bald als ihr vollständiges Eigentum betrachten, und Bohun – den bedauerte sie nicht mehr. Es waren herrliche Güter, dieses Roslogi.

Der Statthalter fragte, ob die Prinzen bald zurückkommen würden.

»Ich erwarte sie jeden Tag. Sie waren zuerst erzürnt auf Euch,« sagte die Fürstin, »aber, nachdem sie Eure Taten gesehen, gewannen sie Euch lieb wie einen Verwandten.«

Nach beendetem Mahl ging der Statthalter mit Helene in den Kirschengarten, welcher gleich an den Schloßhof stieß. Gegen Abend kam die Stunde schweren, langen Abschiedes – der Statthalter brach auf nach Tschechryn.


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