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Sardanapal. – Das Fest
Einstellen? nicht um alle die Empörer,
Die je ein Reich erschüttert!
Byron.
Dieses Kabinett war im neuesten französischen Geschmacke eingerichtet, so wie überhaupt in der Familie des Vizekönigs viel Französierendes, vielleicht aus eben dem Grunde vorherrschte, aus dem der Besiegte die Sitten und Gewohnheiten des Siegers dem seiner Landsleute vorzieht. Das einzige Spanische, das die stolze Bewohnerin des Appartements beibehalten hatte, war die Estrada, der erhöhte Hintergrund des Kabinetts, auf dessen einer Seite eine Ottomane sich herzog, hinter welcher reiche Gardinen ein üppig schwellendes Bett durchglänzen ließen. Vor den vergoldeten Löwentatzen des Bettes war ein mit breiten goldenen Tressen eingesäumter Teppich von Jaguarfellen ausgebreitet; sanfte Wohlgerüche durchdufteten das Zimmer, in dem eine pittoreske und zugleich gesuchte Unordnung durchschimmerte – hier eine Halskette, die ihr Lager auf einer Handzeichnung gefunden hatte, dort über einem Schirm ein kostbarer Cachemir; prachtvolle, in Gold gearbeitete, mexikanische Götzenbilder und Sträuße, aus dem glänzenden Gefieder der Vögel des Landes zusammengesetzt, künstliche Blumen und kostbare Vasen, mit den tausend Erfordernissen einer Damentoilette, lagen in reicher Verwirrung umher, den Geschmack ihrer Besitzerin, und vielleicht – die Zahl ihrer Verehrer gleich sehr beurkundend.
Sie selbst, ganz Grazie, ganz Anmut, war malerisch auf die Ottomane hingegossen, einen ihrer Arme um den Leib der Doña Inés, den andern um den Emanuelens geschlungen. Vor ihr, auf der Stufe der Estrade, lag auf einem Kissen der Oberst, im Anschauen und, wie es schien, im Entzücken verloren.
Die Gruppe war wahrlich schön! –
»Es hat uns sonach gefallen, meine gnädigen und hohen Herrschaften,« lispelte Doña Isabel, »in diesem Monate einen Ball zur Feier des Sieges, den wir«, sie richtete einen anmutig lächelnden Blick auf den Obersten, »durch unsere Tapfern zu erringen hoffen, zu beschließen.«
Es erfolgte eine Pause.
»Und auf diesem Ball,« fuhr sie fort, »zum Nutzen und Frommen des guten Geschmacks der sehr adeligen Stadt Mexiko Die Hauptstadt von Neuspanien hatte das Prädikat der sehr adeligen Stadt., eine Quadrille, die, glänzend und auserwählt, in den Hofannalen der mexikanischen Terpsichore einige Anerkennung finden soll – –«
»Nicht zu zweifeln«, fiel ihr der Oberst ein.
Die Donna lächelte ihm graziös zu und winkte Stille.
»Eine Quadrille also soll diesen Ball verherrlichen, deren glückliche Auserwählte wir nun sofort bezeichnen wollen.«
»Ihre Herrlichkeit, Doña Emanuele Florentine Stephanie Vanegas de – –«
» A sus pies de Vd.« Behalten Sie mich zu Ihren Füßen. – Erlauben Sie, daß ich mich Ihnen zu Füßen werfe., lachte die Bezeichnete.
»Unsere liebe Inez. –«
» Beso á Vd. las manos« Ich küsse Ihnen die Hände., frohlockte Doña Inés.
»Isabel«, sprach die Doña stolz lachend.
»Wofür wir alle die Hände küssen«, riefen alle drei, und der Oberst hatte bereits die ihrige erfaßt.
»Doña Elvira Condesa de F–.« Sie hielt inne. Der Oberst, den Mund auf ihre Hand gepreßt, hatte das Haupt gesenkt. »Condesa de F–a«, rief sie plötzlich, indem sie sich zugleich rasch herabbog und ihre Hand vom Gesichte des Obersten wegriß. Dieses war mit einer Flammenglut übergossen.
Sie warf einen durchbohrenden Blick auf ihn.
»Sie wissen doch, Conde,« fuhr sie nach einer Weile halb spöttisch fort, »daß die sehr adelige Stadt Mexiko diese Blume von Oaxaca seit drei Tagen in ihren Mauern besitzt, und daß die Condesa Elvira von einer Familie stammt, mit der allerdings auch wir in Berührung treten dürfen.«
»Zweifelsohne,« versetzte der Oberste mit verbissenen Lippen, »und es wundert mich nur, wie Doña Isabel sich herablassen kann, Gründe da anzugeben, wo ihr bloßer Wille hinreicht.«
»Für welche loyale Submission Sie, Conde, sogleich belohnt werden sollen«, lächelte die Doña; »denn da die Quadrille«, fuhr sie mit lispelnder Stimme fort, »nun wohl nicht bloß von Damen allein aufgeführt werden kann, und Caballeros uns zur Vollendung des Rahmens einigermaßen notwendig sind, so haben wir in Huld und Gnaden beschlossen, vier Kavaliere insofern zu beglücken, als ihnen das beneidenswerte Los zuteil werden soll.«
»Oh, wie doch dieser schöne Mund so folternd sein kann!« seufzte der ungeduldige Oberst.
»Zuteil werden soll,« wiederholte Doña Isabel, »uns diese Quadrille mit aufführen zu helfen. Und zwar –« sie sah den Grafen lächelnd an.
»Conde C–i.«
»Glücklicher C–i!« rief der Oberst.
»Den General Grafen C–a.«
»Überseliger C–a!« seufzte er wieder.
»Conde Carlos de F–a.«
»O Schmerz, das ist ja ein Kreole!« riefen alle.
»Conde San Ildefonso.«
»Bravo! Bravo!« Der letzte Name entzückte wieder alle.
»Señorias!« sprach die Doña. »Ich glaube kaum bemerken zu müssen, daß diese Quadrille eine Überraschung sein soll für die sehr adelige Stadt Mexiko, der wir ein Surprise zu verschaffen gedenken, die ihr ein Typus einer schöneren Zukunft werden soll. Wir haben daher kaum nötig, zu erwähnen, daß alles mit einem gewissen Mystère behandelt werden muß, der dem Ganzen ebensosehr Reiz verleiht, als die Spannung erhält.« Sie hielt inne.
»O fahren Sie doch fort!« riefen alle.
»Wir dürfen zugleich auch nicht vergessen,« bemerkte sie, »daß wir in einer verhängnisvollen Zeit leben –« sie hielt wieder inne, »und daß der Ball an eine Bedingung geknüpft ist –«
»An deren Erfüllung doch Señora Isabel nicht zweifeln wird?« sprach der Oberst mit dem stolzen Selbstgefühle eines jungen Kriegers.
»Gewiß nicht«, lächelte die Dame. »Immerhin jedoch hängen wir von der Erfüllung einer Bedingung ab.«
Gegen diese Behauptung protestierte der Oberst hitzig, indem er versicherte, daß an dem Siege über die Rebellen zu zweifeln, ein Majestätsverbrechen gegen die spanische Ehre sei: eine Versicherung, die sich die Dame um so lieber gefallen ließ, als sie von dem Obersten mit einem Feuer ausgesprochen wurde, die ihm eine recht liebliche Röte ins schöne Gesicht jagte, und die endlich die Doña dahin berichtigte, daß ein gewisses Mystère allerdings ersprießlich sei, indem durch dieses die Spannung erhöht und so dem Ganzen ein Zauber verliehen würde, der bei einem Hofballe mit einer der Hauptreize wäre.
»Wir wollen unsere lieben Getreuen ganz à la souveraine überraschen,« äußerte sie mit der Miene einer wirklichen Souveränin, »und haben nicht umsonst unser Köpfchen angestrengt,« fuhr sie fort, den Lockenkopf schüttelnd, »den Knoten zu lösen, der diesem Balle zugleich jene hohen und wieder loyalen Airs verleihen soll, die den Spanier bei allen Gelegenheiten so herrlich vor allen Völkern der Erde strahlen gemacht haben.«
»Herrlich! Herrlich!« riefen die jungen Damen.
»Strahlen gemacht haben«, fuhr die Dame fort. »Da nun dieses glückliche Land, trotz der eminenten Wohltaten, die ihm unsere glorreichen Könige durch die Hand ihrer illustren Vireys zugewandt,« – ihr Gesicht verzog sich bei diesen Worten in ein unwillkürliches Hohnlächeln, »in demselben Zustande sich befindet, in dem unser Vaterland bald nach der Eroberung von Granada durch die hochherrliche Isabel war; wir meinen den zweiten Aufstand der Mauren, gedämpft von dem herrlichen Aquilar, dessen Nachkomme mütterlicherseits« – ihr Blick fiel mit einem Ausdrucke von Hoheit auf den Obersten – »sich unter uns befindet, so dürfte es allerdings genehm sein, Isabellen als Typus aufzustellen, und jenen berühmten Reigen zu wiederholen, in dem die siegenden Spanier und besiegten Mauren ihr, der Großen, der Erhabenen, vereint ihre Huldigungen darbrachten. Wir schlagen daher vor,« fuhr sie im positiven Tone fort, »den großen Triumphzug Isabellens nach der zweiten Mauren-Rebellion vorzustellen, und zwar auf eine möglichst brillante Weise vorzustellen, so, daß unserem Aufzuge ein Train von Pagen und reich gekleideten Gefangenen folgen soll, die dann am Tanze teilnehmen und überhaupt in ein Ganzes verschmelzen.«
»Die Idee ist wirklich herrlich!« rief der Oberst überrascht.
»Endlich denn«, lächelte die Doña. »Wir sind sehr verbunden für dieses Kompliment, wo Komplimente so selten sind.«
»Aber die Ausführung, wenn Geheimnis die Bedingung sein soll?« fragte der Oberst. »Woher die Kostüme? Wir haben zwar auf einem unserer Familienschlösser der Sierra Nevada die Kostümes unserer Ahnen von Vortigern herab bis auf unsern leiblichen Vater, selbst den alten Seneca nicht ausgenommen, den einer unserer hochpreislichen Ur-Ur-Großonkel sich als Escribano an die Seite malen zu lassen beflissen gewesen; aber in diesem armseligen Mexiko, mit seinem neugebackenen Zwiebeladel, ohne Geschichte, ohne Erinnerung –«
»Wir,« lächelte die Doña schmachtend, »die wir den Knoten geschürzt haben, werden ihn auch zu lösen wissen. Zudem ist der Unterschied zwischen den heutigen Kostümen der mexikanischen Nobilitad und dem Adel Spaniens zur Zeit Isabellens nur geringe. Mit der gehörigen Rücksicht auf unsere Toilette wird es Ihnen schon jetzt leicht werden, die Ihrige anzugeben. Wir haben jedoch zum Überflusse Don – Dings – wie heißt er nur wieder? – den Direktor unserer Academia de bellas artes, zu unserem Kamarillchen geladen, und ihm unsere Wünsche eröffnet, und er wird nicht säumen,« fügte sie etwas preziös hinzu, »Ihnen morgen die Zeichnungen einiger recht malerischen Kostümes zu liefern.«
»O schmähliche Egoistin!« scherzte der Oberst; »die bellas artes auf diese Weise ihren Zwecken subservierend zu machen.«
»Wozu sind sie sonst,« fiel ihm die Doña spitzig ein, »als uns Erdengöttern das Leben zu verschönern und allenfalls die müßigen Geister zu beschäftigen, und vom insidiösen Anschauen unserer selbst abzuhalten? Wozu waren sie von Perikles Zeiten herab bis auf die Medicis, vom großen Louis bis zum kleinen Napoleon? Unsere Coiffüre,« wandte sie sich wieder an die beiden Doñas in einem Tone, der, obwohl weniger preziös, doch wieder verriet, daß diese mit den schönen Künsten auf gleicher, wenn nicht höherer Rangstufe stand – »unsere Coiffüre wird recht artig ausfallen. Les chevenx relevés en deux noeuds dont sortent les coques, diadême de brillans, collier de brillans, robe de satin blance, autour du corsage des blondes, bracelets de brillans, les escarpins richement brodés, couleur la même avec celle des palladins.«
»So herrlich!« versicherte der Oberst, ihre Hand erfassend, »daß wir, in demütiger Ferne folgend, unsere eigenen Kostüme bereits im Spiegel erblickt haben.«
»Ah, Conde, haben Sie, haben Sie – und wo waren Sie, als wir gezeichnet haben?« rief die Donna aufspringend.
»Bei meiner Ehre, Señora!« erwiderte der Jüngling mit einem Anfluge von Ernst. »Es fiel mir soeben bei, welche großartige Wesen wir sind, und wie wir einst in der Geschichte glänzen werden, die wir uns über einen Ball so ruhig besprechen, in einem Zeitpunkte, wo ganz Neuspanien in Flammen auflodert.«
Die Dame schien frappiert über diese Bemerkung und sah ihm forschend ins Gesicht.
»Ist das liberale Weichheit oder geniale Rhapsodie?« fragte sie spottend. »Lassen Sie das gut sein, Conde. Ja, um so besser; ist Mexiko in Flammen, so brauchen wir keine Brasseros auf unserm siebentausend Fuß hohen Tale. Lassen Sie sie heranbrechen, diese Flammen!« rief sie stolz.
Der Oberst sah sie befremdet an. »Wunderbares Wesen!« rief er, wie vergessend seinen Arm um sie schlingend.
Sie stieß ihn zurück, sah ihn einen Augenblick mit blitzenden Augen an; dann warf sie ihren Arm in den seinigen und zog ihn mit sich fort durch die Gemächer, den vorauseilenden Schwestern nach.
»Sie sind ein Verräter, Conde!« flüsterte sie ihm zu. »Ein Verräter!« Sie hielt ihn zurück und deutete auf die beiden Doñas, die in sorgloser Fröhlichkeit dem Saale zuhüpften und sich nur zuweilen mit jener naiven Schlauheit umsahen, mit der die jüngern Sprößlinge des schönen Geschlechtes die Herzensergießungen der ältern aufzuhaschen geneigt sind. »Ich sollte schweigen«, flüsterte sie kaum vernehmbar; »aber Isabella ist zu stolz. Hören Sie,« murmelte sie dem Jünglinge zu, »Sie haben eine Saite berührt, deren Anklang immer eine widerliche Empfindung in dem Nervensystem unserer hohen Welt hervorbringt. Man nennt das, was Sie geäußert haben, liberale Gesinnungen, die jetzt in Spanien in der Mode sein mögen, hier aber mit dem Autillo Das kleine Auto dafé, eine nicht ungewöhnliche Strafe; sie bestand im Verluste bürgerlicher Rechte. belegt werden.«
»Um welches Autillo sich der Conde de San Ildefonso doch nicht zu kümmern nötig haben wird?« erwiderte der Jüngling stolz.
»Sie irren«, sprach die Doña; »denken Sie an Iturrigaray. Selbst der König, käme er in dieses Land, müßte mit dem Strome schwimmen oder untergehen. Unsere Landsleute hier haben Mexiko so lange nach ihrem eigenen Plane und zu ihrem Besten verwaltet, daß sie es nun als ihr eigen betrachten.«
Der Oberst schüttelte unwillig den Kopf.
»Die Stützen des Staates und der Kirche sind morsch, aber in ihrer Morschheit gefährlicher als je; merken Sie sich dies wohl. Kommen Sie nun und bewundern Sie meinen Mut, mit einem Liberalen Arm in Arm in die Gesellschaft Serviler zu treten.«
»Pah! Wir sind liberal, weil uns just die Lust kommt«, lachte der Jüngling; »wir sind geborener Aristokrat«, setzte er stolzer hinzu.
»Das waren Mirabeau und Egalité auch, und doch brachten sie Louis auf das Blutgerüste.«
In den Worten, in den Blicken, die sie begleiteten, lag eine Welt von Gedanken. Der Jüngling sah sie erstaunt an.
Arm in Arm traten sie von der einen Seite in den Saal, in den von der andern der Virey geeilt kam.