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– – Wo ist der muntre Wirth,
Von dem Ihr spracht? Ich war von je gewohnt,
Mit meinem Wirth zu sprechen.
Liebhabers Fahrt.
Ohne weiteres Abenteuer erreichte Morton das Städtchen und stieg an dem kleinen Wirthshause ab. Auf seinem Ritte war es ihm mehr denn einmal eingefallen, daß die Kleider, die er als Jüngling getragen hatte, obgleich sonst seinen Absichten günstig, ihn doch leicht verrathen könnten. Aber die in Feldzügen und auf Reisen zugebrachte Zeit hatte sein Aeußeres so verändert, das er wohl voraussetzen konnte, Niemand werde in dem erwachsenen Manne mit den entschlossenen und nachdenkenden Zügen den blöden, ungefügen Jüngling wieder erkennen, der beim Vogelschießen den Preis gewann. Er fürchtete nur, daß etwa ein Whig, den er zum Kampfe geführt hatte, sich des Hauptmanns der schützen von Milnwood erinnern könnte; doch gegen eine solche Gefahr ließ sich nichts thun. Der Gasthof schien so sehr besucht, als erfreute er sich noch seines alten Rufes. Gestalt und Benehmen des Niel Blane, der mehr Fett und weniger Artigkeit besaß, als ehemals, zeigten, daß er eben so sehr am Beutel als am Leibe zugenommen. Denn in Schottland steht die Artigkeit eines Wirths mit dessen Geld im umgekehrten Verhältniß. Seine Tochter hatte das Ansehen einer geschickten Kellnerin erhalten, ungehindert in ihrem Beruf durch Liebe oder Krieg. Beide bezeigten Morton jenen Grad von Aufmerksamkeit, den ein Reisender ohne Bedienten zu einer Zeit erwarten konnte, wo solche das Kennzeichen vornehmen Ranges waren. Er nahm ganz den Charakter an, den sein Aeußeres verkündete; – er ging in den Stall und sah selbst nach seinem Pferde, – setzte sich dann wieder in die Schenkstube – denn man hätte es damals für sehr anmaßend gehalten, wenn er ein eigenes Zimmer verlangt hätte – und befand sich wieder in demselben Gemach, wo er vor einigen Jahren seinen Sieg im Vogelschießen gefeiert hatte, eine lustige Auszeichnung, deren Folgen so ernsthaft waren.
Wie leicht zu erachten, fühlte er sich in seinem ganzen Wesen sehr verändert seit jener Festlichkeit, und doch schienen, wenn er sich umsah, die Gruppen kaum anders als damals. Einige Bürger schwatzten bei ihrem Gläschen Branntwein; einige Dragoner faullenzten bei trübem Bier und fluchten, daß man bei diesen müßigen Zeiten nichts Rechtschaffenes genießen könne. Ihr Cornet spielte zwar nicht Tricktrack mit dem Pfarrer im Priesterrocke, doch trank er ein kleines Maaß aqua mirabilis mit dem graurockigen presbyterianischen Geistlichen. Die Scene war eine andere und doch dieselbe, nur in den Personen, aber nicht im allgemeinen Charakter verschieden.
»Mag die Woge der Welt ebben und fluthen, wo sie will,« dachte Morton, als er sich umblickte, »immer werden sich genug finden, welche zufällig erledigte Stellen wieder ausfüllen; in den gewöhnlichen Beschäftigungen und Vergnügungen des Lebens lösen sich die Menschen ab, wie Blätter auf demselben Baume, mit denselben individuellen Unterscheidungen und denselben allgemeinen Aehnlichkeiten.« –
Nach einer Pause von einigen Minuten ließ sich Morton, der durch Erfahrung wußte, wie man am zuverlässigsten Aufmerksamkeit errege, eine Pinte rothen Wein geben, und als der lächelnde Wirth mit der zinnernen Kanne noch schäumend vom Zapfen erschien (denn es war damals nicht üblich, den Wein auf Flaschen zu ziehen), bat er ihn, sich zu ihm zu setzen und mit ihm zu trinken.
Diese Einladung war Niel Blane höchst angenehm, der sie zwar nicht von jedem Gaste, der keine bessere Gesellschaft hatte, erwartete, sie aber doch von vielen erhielt, und dadurch also weder beschämt noch überrascht wurde. Er setzte sich mit seinem Gaste in einer entfernten Ecke am Kamine nieder, und während er den größten Theil des Getränkes auf Einladung des Fremden zu sich nahm, ließ er sich des Weitern über Landesneuigkeiten aus, – über Geburts- und Sterbfälle, über Heirathen, Eigenthumsveränderungen, über das Zugrundegehen alter Familien und das Emporkommen von neuen. Aber Politik, die fruchtbarste Quelle der jetzigen Unterhaltung, mischte der Wirth nicht ein, und nur auf eine Frage Mortons warf er oberflächlich hin: »Ja, wir haben immer noch Soldaten hier, bald mehr, bald weniger. In Glasgow liegt auch etwas holländische Reiterei; ihr Anführer heißt Wittybody, oder so was, und ist so ein alter griesgrämiger Holländer, wie ich nur je einen gesehen habe.«
»Wittenbold vielleicht?« fragte Morton; »ein alter Mann mit grauen Haaren, kurzem, schwarzem Backenbart – spricht wenig?« –
»Und raucht immer,« erwiderte Niel Blane. »Ich sehe, Euer Edeln kennt den Mann. Für einen Soldaten und Holländer mag er wohl ein recht artiger Mann sein, aber wenn ihm auch zehn Wittybodys im Leibe stecken, auf die Sackpfeife versteht er sich nicht; denn er ließ mich im besten Zuge aufhören.«
»Aber diese Bursche da,« fragte Morton mit einem Blick auf die Soldaten, die im Zimmer waren, »die sind doch nicht von seinem Corps?«
»Nein, das sind schottische Dragoner, altes Geschmeiß! Vor langer Zeit standen sie unter Claverhouse, und stünden vielleicht gern wieder unter ihm, wenn er noch die Zügel hätte.«
»Hat sich nicht ein Gerücht von seinem Tode verbreitet?« fragte Morton.
»Ja, Euer Edeln, man spricht davon; aber nach meiner Ansicht dauert's lange, bis der Teufel stirbt. Ich wollte, die Leute hier wären auf der Hut. Wenn es losbricht, so ist er in den Hochlanden eben so schnell, als ich dies Glas austrinke – und was gibt's dann? Alle Dragonerracker tanzen bald nach seiner Pfeife. Freilich sind sie jetzt Wilhelmsleute, wie sie früher Jakobsleute waren – sie fechten ja nur für's Geld; um was sollten sie auch fechten? Sie haben ja weder Haus noch Hof. Es ist doch ein hübsch Ding, die Revolution, wie man's heißt. Man kann doch jetzt von diesen Burschen sprechen, ohne zu fürchten, auf's Wachthaus geschleppt zu werden, oder die Daumenschrauben auf die Finger zu kriegen, gerade wie man den Pfropfzieher durch den Stöpsel treibt.«
Nach einer kleinen Pause fragte Morton, der bereits im Vertrauen des Wirths fortgeschritten war, ob Blane ein Weib in der Nachbarschaft kenne, Namens Elisabeth Maclure?
»Ob ich Bessie Maclure kenne?« antwortete Niel mit lautem Gelächter, – »wie sollt' ich meines eigenen Weibes (Gott hab' sie selig!) ersten Mannes Schwester nicht kennen? Bessie Maclure? – Ja, ein ehrlich Weib ist's, aber betrübt durch Unglück, – sie hat zwei wackere Söhne verloren zur Zeit der Verfolgung, wie man's jetzt nennt, und sanft und fromm hat sie ihre Bürde getragen, ohne Jemand zu tadeln und zu verdammen. Wenn's noch ein rechtschaffen Weib auf Erden gibt, so ist's Bessie Maclure. Wie gesagt, die beiden Söhne zu verlieren und die Dragoner noch einen Monat lang auf dem Hals zu haben – denn wer auch oben schwimmt, Whigs oder Tories, bei Wirthen werden die Schurken einquartiert –«
»Die Frau hält also ein Wirthshaus?« unterbrach Morton.
»So eine kleine Schenke,« sagte Blane, indem er sich in seiner bessern Einrichtung umblickte, – »saures Dünnbier schenkt sie für Reisende, die müde genug sind und mit Allem vorlieb nehmen; aber was man ein lebhaftes Geschäft, ein gedeihliches Wirthshaus nennt, das ist es nicht.«
»Könnt Ihr mir einen Führer dahin verschaffen?« fragte Morton.
»Euer Edeln wird doch die Nacht da bleiben? – bei Bessie werdet Ihr wohl nicht Eure Bequemlichkeit finden,« sagte der schlaue Niel.
»Ich erwarte einen Freund dort,« sagte Morton; »hier kehrte ich bloß ein, um eins zu trinken und nach dem Wege zu fragen.«
»Es wäre besser, wenn Euer Gnaden Jemand zu Eurem Freund schickte und ihn herkommen ließe,« sagte der beharrliche Wirth.
»Ich sage Euch ja, Herr Wirth,« antwortete Morton ungeduldig, »das dient mir nicht; ich muß durchaus zu der Frau Maclure gehen und wünsche deßhalb einen Führer.«
»Nun, macht's wie Ihr wollt, Herr; aber Ihr braucht keinen Führer. Wenn Ihr eine halbe Meile gerade am Wasser hinuntergeht, als wolltet Ihr nach Milnwoodhouse, und dann den ersten holprigen Weg nach den Bergen einschlagt, nämlich an der morschen Esche, die an einem Brunnen steht, gerade wo der Weg sich kreuzt, und dann den Fußpfad weiter reitet: so könnt Ihr der Frau Wittwe Maclures Schenke nicht verfehlen; denn zehn schottische Meilen weit ist weder Haus noch Hütte sonst zu bemerken. Es thut mir leid, daß Eure Gnaden die Nacht nicht hier bleiben will; aber meiner Frau ihre Schwägerin ist eine brave Frau, und was ein Freund gewinnt, ist leicht verloren.«
Morton zahlte seine Zeche und ritt fort. Als die Sonne unterging, war er an der Esche, wo der Pfad aufwärts gegen die Moore führte.
»Hier,« sagte er zu sich selbst, »fing mein Unglück an; denn gerade hier, als Burley und ich in der ersten Nacht unseres Zusammentreffens uns trennen wollten, wurde er durch die Nachricht beunruhigt, daß ihm die Soldaten in den Pässen auflauerten. Unter dieser Esche saß das alte Weib, das ihm die Gefahr mittheilte. Wie seltsam, daß mein ganzes Schicksal mit dem dieses Mannes so unzertrennlich verwebt ist, ohne etwas mehr von meiner Seite, als die Erfüllung einer gewöhnlichen Pflicht der Menschlichkeit. Wollte Gott, ich fände meine anspruchslose Ruhe auf der Stelle wieder, wo ich sie verloren!« Diesen Gedanken nachhängend, lenkte er sein Pferd den Pfad hinan, und kam endlich in das kleine grüne Thal, wo in einer Umfriedung etwas Getreide wuchs. Nahe daran stand eine Hütte, deren Mauern nicht über fünf Fuß hoch waren, und deren Strohdach, von Schimmel, Hauslauch und Gras ganz grün, an einigen Stellen durch zwei Kühe beschädigt wurden, deren Appetit durch die grüne Bekleidung von der Weide abgelockt worden. Eine unrichtige, schlechtgeschriebene Inschrift belehrte den Reisenden, daß ein Mann mit einem Pferde hier unterkommen könne; – keine unwillkommene Einladung, so roh auch die Hütte schien, wenn man den schlechten Weg erwog, der hierher führte, und die hohen, öden Gebirge, welche in einsamer Majestät hinter diesem demüthigen Asyl sich erhoben. Ja, dachte Morton, nur an einem solchen Orte konnte Burley einen gleichgesinnten Freund finden. Als er sich näherte, fand er sogleich die gute Frau an der Thüre sitzen; sie war durch ein dichtes Erlengebüsch bisher vor ihm verborgen.
»Guten Abend, Mütterchen,« sagte der Reisende. »Euer Name ist Frau Maclure?«
»Elisabeth Maclure, Sir, eine arme Wittwe,« war ihre Antwort.
»Könnt Ihr einen Fremden über Nacht beherbergen?«
»Ja, Sir, wenn er mit dem Brod und dem Krug der Wittwe vorlieb nimmt.«
»Ich bin ein Soldat gewesen, gute Frau,« antwortete Morton, »und selten ist mir bei der Bewirthung etwas zu gering.«
»Ein Soldat, Sir?« seufzte die alte Frau; »Gott geb' Euch ein besseres Gewerbe!«
»Man hält diesen Stand für ehrenvoll, gute Frau, und ich hoffe, Ihr denkt darum nicht schlimmer von mir, weil ich ihm angehörte.«
»Ich richte Niemanden, Sir,« erwiderte die Frau; »Eure Stimme tönt wie die eines Biedermannes. Aber ich habe so viel Unglück von den Soldaten in diesem Lande erfahren, daß ich recht froh bin, mit diesen Augen gar nichts mehr zu sehen.«
Morton merkte jetzt, daß die Frau blind war.
»Werd' ich Euch nicht beschwerlich fallen, gute Frau?« sagte er gerührt; »Eure Krankheit verträgt sich nicht gut mit Eurem Geschäft.«
»Nein, Sir,« antwortete die alte Frau, »ich kann recht flink im Hause herumgehen; ich hab' auch ein kleines Mädchen, und die Dragoner werden nach Eurem Pferde sehen, wenn sie von der Streifwache heimkehren. Sie thun's um ein Geringes; denn sie sind jetzt höflicher als sonst.«
Nach diesen Versicherungen stieg Morton ab.
»Paggy, lieb Schätzchen,« fuhr die Wirthin zu einem kleinen zwölfjährigen Mädchen fort, das inzwischen herbeigekommen war, »führe des Herrn Pferd in den Stall, mache den Gurt los, nimm ihm die Zügel ab und wirf ihm etwas Heu vor, bis die Dragoner zurückkommen. – Hierher, mein Herr!« fuhr sie fort; »Ihr werdet mein Haus rein finden, so arm es auch ist.«
Morton folgte ihr in die Hütte.