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Ein Ritter von dem Schlachtfeld zeucht,
Deß Roß von Blut und Regen feucht.
Finlay.
Wir müssen nun zu der Veste Tillietudlem und deren Bewohnern zurückkehren. Der erste Morgen nach der Schlacht von Loudonhill dämmerte über deren Zinnen, und die Vertheidiger hatten bereits die Arbeit begonnen, durch welche sie den Platz haltbar zu machen hofften, als der Wärter auf der Warte das Zeichen gab, daß ein Reiter sich nähere, und bald verrieth dessen Kleid den Offizier der Leibwache. Die langsamen Schritte des Pferdes, wie die vorgebeugte Haltung des Reiters, bekundeten deutlich, daß dieser krank oder verwundet sei. Das Pförtchen ward sogleich zu seinem Empfange geöffnet, und Lord Evandale ritt in den Hofraum, so sehr von Blutverlust erschöpft, daß er ohne Beistand nicht abzusitzen vermochte. Die Damen schrieen auf vor Erstaunen und Schrecken, als er auf einen Diener gelehnt in die Halle trat; denn, bleich wie der Tod, von Blut befleckt, die Uniform beschmutzt und zerrissen, das Haar in wilder Unordnung, glich er mehr einem Gespenst, als einem menschlichen Wesen. Aber der nächste Ausruf war der Ausdruck der Freude über seine Rettung.
»Gott sei Dank,« rief Lady Margaretha, »daß Ihr hier seid aus den Händen der blutdürstigen Mörder, die so viel treue Diener des Königs hingewürgt.«
»Gott sei Dank,« fügte Editha hinzu, »daß Ihr hier sicher seid! Wir haben das Schlimmste gefürchtet. Aber Ihr seid verwundet, und ich fürchte, wir haben nur wenig Mittel, Euch beizustehen.«
»Das sind nur Hiebwunden,« antwortete der junge Edelmann, indem er sich niederließ; »der Schmerz ist nicht der Rede werth und nur der Blutverlust hat mich erschöpft. Aber es war nicht meine Absicht, Eure Gefahr und Noth durch meine Schwäche zu vermehren, sondern womöglich Euch Erleichterung zu verschaffen. Was kann ich Euch thun? – Erlaubt mir, Lady Margaretha, als Euer Sohn zu denken und zu handeln, und Ihr, Editha, als Euer Bruder!«
Die letzten Worte sprach er mit einigem Nachdruck, gleichsam fürchtend, seine Ansprüche als Bewerber möchten seine angebotenen Dienste für Editha lästig machen. Sie war zwar nicht unempfindlich gegen sein Zartgefühl; aber der jetzige Augenblick gestattete keinen Gefühlsaustausch.
»Wir rüsten uns zur Vertheidigung,« sagte die alte Lady mit vieler Würde; »mein Bruder hat den Befehl über die Besatzung übernommen, und so Gott will, werden wir die Rebellen nach Gebühr empfangen.«
»Wie gern,« sagte Evandale, »würde ich an der Vertheidigung des Schlosses Antheil nehmen! Aber in meiner jetzigen Lage wäre ich Euch nur eine Last, wo nicht noch etwas Schlimmeres; denn die Nachricht, daß ein Offizier der Leibgarden im Schlosse sei, wäre für die Schurken genug, sich dessen mit desto größerer Verzweiflung zu bemächtigen. Finden sie aber das Schloß nur von den Hausgenossen vertheidigt, gehen sie vielleicht viel eher nach Glasgow, als daß sie einen Sturm wagen.«
»Und könnt Ihr so klein von uns denken, Mylord?« sagte Editha mit jener edlen Frauen so eigenthümlichen und schönen Aufwallung, indeß ihre Stimme bebte und ihre Wange jene Glut färbte, welche ihr die Worte verlieh. »Könnt Ihr so klein von Euren Freunden denken, daß sie solchen Betrachtungen Raum geben, wenn es darauf ankommt, Euch Schutz und Obdach zu geben in einem Augenblicke, wo Ihr unfähig seid, Euch zu vertheidigen, und wo das ganze Vaterland mit Feinden angefüllt ist? Giebt es wohl eine Hütte in Schottland, deren Besitzer einem werthen Freunde erlauben würde, dieselbe in solchen Umständen zu verlassen? Und könnt Ihr glauben, wir würden Euch aus einem Schlosse scheiden lassen, welches wir für unsere eigene Vertheidigung stark genug halten?«
»Lord Evandale darf nie so von uns denken,« sagte Lady Margaretha. »Ich selbst will seine Wunden pflegen; das ist Alles, was eine alte Frau in Kriegszeiten zu thun vermag; aber das Schloß Tillietudlem verlassen, da das Schwert des Feindes gegen ihn gezückt ist – das dürfte der geringste Soldat nicht, der je des Königs Rock getragen, vielweniger also Lord Evandale. – Unser Haus darf nicht solche Schmach dulden. Das Schloß Tillietudlem ist zu sehr ausgezeichnet worden durch den Besuch Seiner allergnädigsten – – –«
Hier ward sie durch den Eintritt des Majors unterbrochen.
»Wir haben einen Gefangenen gemacht, lieber Oheim,« sagte Editha – »einen verwundeten Gefangenen; aber er will uns entfliehen. Ihr müßt uns helfen, ihn mit Gewalt zu halten.«
»Lord Evandale!« rief der Veteran. »Ich freue mich so sehr, wie damals, als ich mein erstes Patent bekam. Claverhouse berichtete, Ihr wäret gefallen oder würdet wenigstens vermißt.«
»Gewiß würd' ich auch geblieben sein, wenn nicht Euer Freund gewesen wäre,« sagte Lord Evandale, mit einiger Bewegung und niedergeschlagenen Blicken, als wünsche er den Eindruck nicht zu sehen, den seine Worte auf Editha machen würden. »Ich war ohne Pferd und wehrlos, und schon das Schwert über mich geschwungen, als der junge Morton, der Gefangene, dessen Ihr Euch gestern Morgen so sehr annahmt, auf die edelmüthigste Weise dazwischen trat, mir das Leben rettete und die Mittel zur Flucht verschaffte.«
Als er geendet, konnte er der peinlichen Neugier nicht widerstehen; er blickte aus Editha und glaubte in der Gluth ihrer Wange und ihrem glänzenden Blicke die Freude über ihres Geliebten Rettung, und den Triumph zu lesen, daß er in dem Wettstreite des Edelmuths nicht zurückgeblieben. Dies waren auch wirklich ihre Gefühle; aber sie waren vermischt mit der Bewunderung über die offene Freimüthigkeit, mit der Lord Evandale sich beeilte, dem Verdienste eines begünstigten Nebenbuhlers Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, und eine Verbindlichkeit anzuerkennen, die er doch wahrscheinlich gegen jeden Andern lieber, als gegen Morton gehabt hätte.
Major Bellenden, der die Regungen Beider nicht bemerkt haben würde, selbst wenn sie sich noch viel unzweideutiger bekundet hätten, begnügte sich zu sagen: »Da Heinrich Morton Einfluß auf die Schurken hat, so freut's mich, daß er ihn so benutzt hat; aber ich hoffe, er wird sich von ihnen losmachen, sobald er kann. Daran zweifle ich gar nicht. Ich kenne seine Grundsätze und weiß, er verabscheut ihr Geplärre und ihre Heuchelei. Ich hab' ihn oft über die Pedanterei des alten presbyterianischen Schurken Pfundtext lachen hören, der die Indulgenz der Regierung jahrelang genossen, und jetzt beim Angriff sich in seiner wahren Gestalt zeigt und sich mit drei Viertheilen seiner stutzöhrigen Gemeinde auf den Weg gemacht hat, um zu dem Heere der Fanatiker zu stoßen. – Aber wie seid Ihr entkommen, nachdem Ihr das Schlachtfeld verlassen?«
»Ich ritt aus Leibeskräften, wie ein abtrünniger Ritter,« antwortete Evandale lächelnd. »Ich schlug den Weg ein, auf welchem ich einen Feind zu treffen am wenigsten fürchten durfte, und fand mehrere Stunden Obdach. – Ihr werdet schwerlich errathen, wo?«
»Im Schlosse Bracklam vielleicht,« sagte die Lady, »oder im Hause eines andern loyalen Edelmanns?«
»Nein, gnädige Frau. Ich war in mehr als einem Hause dieser Art unter manchem erbärmlichen Vorwande abgewiesen, aus Furcht, der Feind möchte meiner Spur folgen; aber ich fand Zuflucht in der Hütte einer armen Wittwe, deren Gatte vor kaum drei Monaten von einer Abtheilung unserer Schaar erschossen worden und deren beide Söhne sich in diesem Augenblicke unter den Insurgenten befinden.«
»Wirklich?« sagte Lady Margaretha Bellenden; »war ein fanatisches Weib solcher Großmuth fähig? Mißbilligte sie vielleicht die Glaubensmeinungen ihrer Familie?«
»Durchaus nicht, gnädige Frau,« fuhr der junge Edelmann fort; »sie war in ihren Grundsätzen eine strenge Presbyterianerin; aber sie sah mein Unglück und meine Gefahr, erblickte in mir nur den Nebenmenschen und vergaß, daß ich Ritter und Soldat bin. Sie verband meine Wunden, ließ mich auf ihrem Bette ruhen, verbarg mich vor einer Abtheilung Insurgenten, welche Nachzügler aufsuchte, gab mir Speise und duldete nicht, daß ich eher den Zufluchtsort verlasse, bis sie erfahren, daß ich ohne Gefahr mich nach diesem Schlosse begeben könne.«
»Das war schön gehandelt!« sagte Fräulein Bellenden, »und ich hoffe, Ihr werdet Gelegenheit haben, solche Großmuth zu belohnen.«
»Ich lade mir in diesen unglücklichen Verhältnissen überall Verbindlichkeiten auf, Fräulein Bellenden,« versetzte Lord Evandale; »aber ich werde im günstigen Augenblicke gewiß nicht ermangeln, meine Dankbarkeit zu bezeugen.«
Alle drangen nun in Lord Evandale, nur ja nicht das Schloß zu verlassen; aber der Grund des Majors Bellenden war der wirksamste.
»Eure Gegenwart im Schlosse wird äußerst nützlich, wo nicht gar unumgänglich nöthig sein, Mylord, um durch Euer Ansehen die gehörige Mannszucht unter den von Claverhouse zurückgelassenen Leuten zu halten, die wirklich schon gezeigt haben, daß sie nicht die besten Hausgenossen sind. Ueberdies haben wir auch noch Vollmacht, jeden Offizier anzuhalten, der etwa hieher kommen möchte.«
»Nun,« sagte Lord Evandale, »das ist ein unwiderlegbarer Grund; denn er beweist mir, daß ich selbst in meinem jetzigen Zustande hier von Nutzen sein kann.«
»Was Eure Wunden betrifft, Mylord,« sagte der Major, »wenn meine Schwester es übernimmt, einem etwaigen Fieberanfall entgegenzukämpfen, so steh' ich dafür, daß mein alter Knappe, Gideon Pike, eine Fleischwunde so gut verbindet, wie irgend Einer aus der Barbiergilde. An Uebung hat's ihm zu Montrose's Zeit nicht gefehlt; denn wir hatten wenig ordentliche Regimentschirurgen, wie Ihr leicht denken könnt. – Also, Ihr bleibt bei uns?«
»Meine Gründe, das Schloß zu verlassen,« sagte Lord Evandale auf Editha blickend, – »waren zwar ziemlich wichtig, müssen aber nunmehr weichen, da sich's darum handelt, Euch zu dienen. – Darf ich Euch nach den Mitteln und dem Vertheidigungsplane fragen, Major? Oder darf ich in Eurer Gesellschaft die Festungswerke untersuchen?«
Es entging Editha nicht, daß Lord Evandale körperlich und geistig sehr erschöpft war. »Ich denke, da Lord Evandale eingewilligt hat, ein Offizier unserer Besatzung zu werden,« sagte sie zum Major, »so müßt Ihr ihn zuvörderst Eurer Autorität unterwerfen und ihm befehlen, auf sein Zimmer zu gehen, um einige Erfrischungen zu nehmen, eh' er sich in militärische Angelegenheiten einläßt.«
»Editha hat Recht,« sagte die Lady, »Ihr müßt sogleich zu Bette, Mylord, und Etwas gegen das Fieber einnehmen, was ich selbst zubereiten will, und meine Kammerfrau, Frau Martha Wedell, soll Euch ein Hühnchen oder sonst was zurichten. Zu Wein möcht' ich nicht rathen. – John Gudyill, laßt die Haushälterin das Baldachin-Zimmer herrichten; Lord Evandale muß sich sogleich niederlegen. Pike soll den Verband abnehmen und die Wunden untersuchen.«
»Das sind traurige Vorbereitungen, gnädige Frau,« sagte Lord Evandale, indem er der Lady dankte und im Begriff war, den Saal zu verlassen, – »aber ich muß mich Euren Anordnungen unterwerfen, und ich hoffe, Eure Geschicklichkeit wird mich bald zu einem tauglichern Vertheidiger Eurer Burg machen. Ihr müßt meinen Körper so bald als möglich dienstfähig machen, denn meines Kopfes bedürft Ihr nicht, so lange Major Bellenden bei Euch ist.«
Mit diesen Worten verließ er das Zimmer.
»Ein trefflicher und bescheidener Jüngling!« sagte der Major.
»Gar nicht so eingebildet,« sagte die Lady, »wie junge Leute oft sind, welche glauben, sie wüßten besser Krankheiten zu behandeln, als erfahrene Leute.«
»Und so ein edelmüthiger, schmucker, junger Herr,« sagte Jenny Dennison, die während des letzten Theils der Unterhaltung eingetreten war und nun mit ihrer Gebieterin allein gelassen wurde, da sich der Major zu seinen militärischen Geschäften, und Lady Margaretha zu ihren medicinischen Vorbereitungen wegbegeben hatten.
Editha beantwortete diese Lobeserhebungen mit einem Seufzer; aber trotz ihres Schweigens wußte sie doch besser, als irgend ein Anderer, wie sehr das Lob verdient sei.
Jenny versäumte indessen nicht, nach ihrer Weise fortzufahren.
»Am Ende hat die gnädige Frau doch Recht, wenn sie sagt, den Presbyterianern sei nicht zu trauen – treuloses, nichtsnutziges Gesindel. Wer hätte denken sollen, daß der junge Milnwood und Cuddie Headrigg sich zu den schurkischen Rebellen schlagen!«
»Was meinst du mit diesem unsinnigen Geschwätz, Jenny?« sagte das Fräulein höchst unwillig.
»Ich weiß, Ihr hört's nicht gern,« antwortete Jenny dreist, »und ist mir auch just nicht angenehm, davon zu sprechen; aber am Ende kommt's Euch ja doch zu Ohren, denn das ganze Schloß ist voll davon.«
»Voll, voll was, Jenny? Willst du mich toll machen?« sagte Editha ungeduldig.
»Davon, daß Heinrich Morton von Milnwood bei den Rebellen, und einer der Anführer ist.«
»Das ist eine Lüge!« sagte Editha – »eine unverschämte Verläumdung! Und du nimmst dir viel heraus, mir das wieder zu erzählen. Heinrich Morton ist unfähig, eine solche Verrätherei zu begehen an König und Vaterland – solche Grausamkeit gegen mich – gegen – alle unschuldige, wehrlose Opfer, wollt' ich sagen, die im Bürgerkriege leiden müssen. Ich sage dir, er ist dessen ganz und gar unfähig.«
»Ach, theures Fräulein,« erwiderte Jenny, immer noch auf ihrem Text beharrend, »man muß besser bekannt sein mit jungen Leuten, als ich es bin, oder je werden mag, um genau zu wissen, zu was Allem sie fähig find. Aber da ist der alte Tom und ein anderer Geselle dagewesen in Mützen und grauen Plaids, wie Landleute, um zu recog – recognosciren – wie's John Gudyill nennt; diese sind unter den Rebellen gewesen und haben ausgesagt, sie hätten den jungen Milnwood auf einem erbeuteten Dragonerpferd reiten sehen, bewaffnet mit Schwert und Pistolen, wie die Andern, Hand in Hand mit den Rebellen, und er habe die Leute einexercirt und commandirt; der Cuddie immer hinterdrein in einer gestickten Weste Bothwells und einem aufgekrämpten Hut mit blauer Schleife daran, wegen der Covenantsgeschichte (Cuddie hatte aber sonst die blauen Bänder gern), und in einem gefältelten Hemde, just wie ein Edelmann – das ziemt sich für Seinesgleichen, freilich!«
»Jenny,« sagte Editha hastig, »der Bericht dieser Leute kann unmöglich wahr sein; mein Oheim hat ja bis auf diesen Augenblick noch nichts davon gehört.«
»Weil Tom Halliday,« antwortete die Zofe, »fünf Minuten später als Lord Evandale in's Schloß kam, – und als er hörte, Seine Herrlichkeit sei da, vermaß er sich hoch und theuer, der gottlose Wicht, er wolle dem Major keinen Rapport bringen, wie er's nannte, da ein Offizier von seinem eigenen Regimente da sei. So wollt' er durchaus nichts sagen, bis Lord Evandale am nächsten Morgen erwachte; nur mir hat er was davon gesagt –« (hier blickte Jenny zu Boden), »um mich wegen des Cuddie zu kränken.«
»Siehst du, einfältig Ding,« sagte Editha, wieder Muth fassend, »das ist ein Kniff von dem Burschen, um dich zu necken.«
»Nein, nein, gnädiges Fräulein, das kann nicht sein; denn John Gudyill nahm den andern Dragoner – ('s ist ein alter garstiger Kerl, ich weiß nicht, wie er heißt,) – mit in den Keller und gab ihm ein Glas Branntwein, um ihn sich ausschwatzen zu lassen, und da erzählte er denn Alles, so wie's der Tom Halliday gesagt hat, Wort für Wort, und Herr Gudyill war in solcher Wuth, daß er's uns gleich wieder erzählte und sagte, die ganze Rebellion komme nur von der Dummheit der Lady, des Majors und Lord Evandale's her, die gestern Morgen den jungen Milnwood und Cuddie losgebettelt hätten; denn wenn diese ihre Strafe erlitten, wäre Ruhe im Lande – und wahrhaftig, ich glaub's selbst.«
Diese letzte Erklärung setzte Jenny aus Unwillen über die äußerst hartnäckige Ungläubigkeit ihrer Gebieterin hinzu, ward aber augenblicklich durch die Wirkung beunruhigt, die ihre Nachricht auf das Fräulein hervorbrachte, eine um so heftigere Wirkung, da Editha in den Grundsätzen und Vorurtheilen der bischöflichen Kirche erzogen war. Sie war plötzlich leichenblaß, ihr Athem stockte, ihre Glieder bebten, und so sank sie halb ohnmächtig auf den Sessel. Jenny versuchte es mit kaltem Wasser, verbrannte Federn, löste das Schnürband und wandte alle in solchen Fällen gewöhnlichen Mittel an, doch ohne merklichen Erfolg.
»Gott sei mir gnädig, was hab' ich gethan!« rief die reuige Zofe. »Wäre mir doch die Zunge ausgeschnitten gewesen! – Wer hätte geglaubt, daß sie's so aufnimmt, und das Alles um eines jungen Menschen willen? – Ach, liebes Fräulein, fasset Muth am Ende ist doch nichts dran. – Wäre mir doch die Zunge verdorrt – die Leute sagten's immer, sie brächte mich in's Unglück. Wenn nun die Lady käme, oder der Major! Und sie sitzt noch dazu auf dem Throne, wo keine Menschenseele gesessen hat, seit dem leidigen Morgen, da der König hier war. – Ach, was soll ich thun? Was soll aus uns werden?«
Während Jenny so jammerte, erholte sich Editha langsam von dem Anfall.
»Wäre er unglücklich gewesen,« sagte sie, »ich hätte ihn nie verlassen. Ich that's auch nie, selbst als es Gefahr und Unglück brachte, seine Sache zu führen. Wäre er gestorben, ich hätte ihn bedauert, wäre er treulos geworden, ich hätte ihm vergeben, aber ein Empörer gegen seinen König, – ein Verräther an seinem Vaterlande – ein Gefährte und Spießgeselle von Meuchelmördern und Banditen – ein offener, höhnender Feind alles Heiligen – ich will ihn aus meinem Herzen reißen und sollt' ich auch darob verbluten!«
Sie trocknete die Augen und erhob sich hastig von dem großen Sessel (oder Thron, wie ihn die Lady zu nennen pflegte), während das erschrockene Mädchen die Kissen aufrüttelte und jede Spur zu vertilgen strebte, daß Jemand diesen heiligen Sitz eingenommen; obgleich ihn König Karl selbst nicht für entweiht gehalten hätte, wenn er die Jugend und Schönheit derjenigen gesehen, die seinen heiligen Stuhl in kummervollem Augenblick sich angemaßt; darauf eilte sie dienstfertig hin, Editha zu unterstützen, als diese anscheinend in tiefen Gedanken durch die Halle schritt.
»Nehmt meinen Arm, Fräulein; nehmt lieber meinen Arm; der Kummer will sich aussprechen und ohne Zweifel – –«
»Nein, Jenny,« sagte Editha fest, »du hast meine Schwäche gesehen; nun sollst du auch meine Stärke sehen.«
»Aber Ihr stütztet Euch doch jüngst auf mich, als Ihr so betrübt waret.«
»Uebelangebrachte, verirrte Neigung mag der Stütze bedürfen, Jenny, – die Pflicht bedarf keiner; doch ich will nicht zu schnell handeln. Ich will den Grund seines Benehmens erwägen und dann – ihn für immer aufgeben.«
Betroffen über ein Benehmen, dessen Gründe sie nicht begriff und dessen Adel sie nicht zu würdigen verstand, murmelte Jenny zwischen den Zähnen: »Mein' Seel', wenn die erste Hitze verfliegt, nimmt's das Fräulein eben so leicht, wie ich, und noch leichter, obschon ich mir nie halb so viel aus Cuddie gemacht habe, als sie sich aus dem jungen Milnwood. Außerdem ist's noch gut, auf beiden Seiten einen Freund zu haben; denn wenn die Whigs das Schloß einnehmen, wie's wohl geschehen kann, da wir so wenig Lebensmittel besitzen und die Dragoner so rechtschaffen einbeißen: nun, dann haben Milnwood und Cuddie die Oberhand und ihre Freundschaft ist dann Goldes werth – daran hab' ich schon heute Morgen gedacht, als ich die Nachricht hörte.«
Mit diesen Trostgedanken ging die Zofe an ihre Beschäftigung und überließ es ihrer Gebieterin, sich zu beherrschen und die Gefühle zu unterdrücken, die sie bis jetzt gegen Heinrich Morton gehegt hatte.