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Dreiunddreißigstes Kapitel.

Trompeten schmettert, Hörner tönt!
Ruft laut, daß alle Welt es hört:
Ein Tag, von Sieg und Ruhm gekrönt,
Ist ein Jahrhundert sonder Ehre werth.

Anonymus.

 

Als das wüthende Gemetzel aufgehört hatte, befahl Claverhouse seinen Soldaten, die Leichen fortzuschaffen, für sich und ihre Pferde zu sorgen, im Pachthofe zu übernachten und am folgenden Morgen in aller Frühe aufzubrechen. Er wandte sich dann an Morton, und in der Art, wie er diesen anredete, lag Artigkeit und selbst Wohlwollen.

»Ihr würdet Euch die Gefahr von beiden Seiten gespart haben, Herr Morton, wenn Ihr meinen Rath von heute Morgen einiger Aufmerksamkeit gewürdigt hättet; aber ich achte Eure Gründe. Ihr seid ein Kriegsgefangener, und in der Gewalt des Königs und Staatsrathes; noch sollt Ihr artig behandelt werden, und mir genügt Euer Ehrenwort, daß Ihr nicht zu entfliehen versucht.«

Als Morton hierauf sein Wort gegeben, verneigte sich Claverhouse höflich, wandte sich von ihm und rief den Sergeant-Major.

»Wie viel Gefangene und wie viel Todte, Halliday?«

»Drei Todte im Hause, Sir, zwei im Hofe niedergemacht und einen im Garten – sechs in Allem, und vier Gefangene.«

»Bewaffnet oder unbewaffnet?« fragte Claverhouse.

»Drei davon bis an die Zähne bewaffnet,« antwortete Halliday; »einer unbewaffnet, – er scheint ein Prediger zu sein.«

»Ah, der Trompeter der langöhrigen Rotte wahrscheinlich?« sagte Claverhouse mit einem flüchtigen Blick auf seine Opfer. »Ich will morgen mit ihm sprechen. Bringe die drei Andern in den Hof; laß zwei Glieder aufmarschiren und sie niederschießen. Bemerke im Ordonnanzbuche: Drei bewaffnete Rebellen ergriffen und erschossen, nebst Datum und Namen des Orts – Drumshinnel, glaub' ich, heißt er. – Den Prediger bewache bis morgen; da er nicht bewaffnet war, muß er erst ein kurzes Verhör bestehen. Oder besser vielleicht, man bringt ihn vor den hohen Rath; ich denke, die können mir schon was von der unausstehlichen Plackerei abnehmen. – Herr Morton soll höflich behandelt werden; die Leute sollen nach den Pferden sehen; mein Reitknecht soll dem Wildblut den Rücken mit etwas Weinessig waschen, der Sattel hat ihn ein wenig gedrückt.«

Alle diese so sehr verschiedenen Befehle gab er in demselben gleichmüthigen Tone, und nichts verrieth, daß der Sprecher einen Befehl für wichtiger hielt, als den andern.

Die Cameronianer, die eben noch begriffen waren, die Werkzeuge einer blutigen Hinrichtung zu sein, mußten sich derselben jetzt selbst unterwerfen. Sie schienen aber auf jedes Extrem gefaßt, und Keiner von ihnen zeigte auch nur die geringste Furcht, als sie das Zimmer verließen, um sogleich den Tod zu erleiden. Ihr finsterer Enthusiasmus hielt sie aufrecht in diesem furchtbaren Augenblicke, und sie entfernten sich schweigend und mit festem Blicke. Einer nur blickte Claverhouse fest in's Gesicht, als er das Zimmer verließ, und sprach mit strenger, fester Stimme: – »Unglück soll verfolgen den Gewaltthätigen!« worauf Grahame nur mit einem verächtlichen Lächeln antwortete.

Kaum hatten sie das Gemach verlassen, als Claverhouse einige Erfrischung zu sich nahm, die seine Leute schnell herbeigeschafft hatten, und Morton einlud, seinem Beispiele zu folgen, mit dem Bemerken, es sei doch heute für sie Beide ein saurer Tag gewesen. Morton lehnte die Einladung ab; denn der plötzliche Wechsel der Umstände – der Uebergang vom Rande des Grabes zur Aussicht auf's Leben hatten sein ganzes Wesen schwindelnd aufgeregt. Aber diese wirren Empfindungen waren von einem brennenden Durst begleitet, und er äußerte sein Verlangen zu trinken.

»Ich will Euch auf's Herzlichste Bescheid thun,« sagte Claverhouse; »hier ist ein Krug Doppelbier, das gewiß gut ist, wenn es irgend gutes im Lande gibt; denn die Whigs wissen es immer aufzufinden. – Auf Euer Wohl, Herr Morton!« sagte er, indem er einen Becher für sich füllte, und einen andern dem Gefangenen überreichte.

Morton führte ihn zum Munde und wollte ihn eben leeren, als einige Karabinerschüsse unter dem Fenster und bald darauf ein tiefes dumpfes Stöhnen, das sich mehrere Male, aber immer schwächer wiederholte, ihm das Schicksal der drei Männer verkündigten, die so eben das Zimmer verlassen hatten. Morton schauderte und setzte den unberührten Becher nieder.

»Ihr seid noch jung in solchen Dingen, Herr Morton,« sagte Claverhouse, nachdem er ganz gleichgültig ausgetrunken hatte, »und ich denke darum nicht geringer von Euch, daß Ihr, als ein junger Soldat, dieses so tief empfindet. Doch Gewohnheit, Pflicht und Nothwendigkeit versöhnen den Menschen mit Allem.«

»Ich hoffe,« sagte Morton, »sie werden mich nie mit solchen Auftritten versöhnen.«

»Ihr werdet wohl kaum glauben,« antwortete Claverhouse, »daß ich im Anfange meiner militärischen Laufbahn eben so viel Widerwillen gegen Blutvergießen hatte, als irgend Einer; es war mir immer, als flöße mein eigenes Blut, und doch, wenn Ihr einem der Whigs glauben wollt, so werden sie Euch sagen, daß ich jeden Morgen vor dem Frühstück eine Tasse warmen Blutes zu mir nehme. Aber in Wahrheit, Herr Morton, warum sollten wir uns so viel aus dem Tode machen? Täglich sterben Menschen, und keine Stunde schlägt, die nicht eine Todesstunde für Jemand ist. Warum sollten wir also zögern, die Spanne Anderer zu verkürzen, oder ängstlich besorgt sein, unsere eigene zu verlängern? Alles ist eine Lotterie. Um die Stunde der Mitternacht solltet Ihr sterben – sie hat geschlagen – aber Ihr lebt und seid wohl, und das Loos ist auf Diejenigen gefallen, die Euch ermorden wollten. Es ist nicht der Mühe werth, an den letzten Schmerz zu denken bei einem Ereigniß, das doch einmal kommen muß und das uns jeden Augenblick heimsuchen kann, – an den Nachruhm muß der Soldat denken, der ihm folgt, wie die Abendröthe der untergegangenen Sonne, – das allein ist der Mühe werth, und unterscheidet den Tod des Braven von dem des Feiglings. Wenn ich an den Tod denke, als eine Sache, die des Darandenkens werth ist, so ist es in der Hoffnung, ihn einst auf einem ruhmvollen, schwererrungenen Schlachtfelde zu finden, und zu sterben, wenn der Siegesruf in mein Ohr dringt, – das ist werth, daß man dafür sterbe, ja, es ist werth, daß man dafür gelebt hat.«

In dem Augenblicke, als Grahame diese Gefühle äußerte, und seinem Auge kriegerische Begeisterung entstrahlte, stand eine blutbefleckte Gestalt, die sich aus dem Boden des Gemachs zu erheben schien, aufrecht vor ihm mit den wilden Blicken und entsetzlichen Zügen des oft erwähnten Wahnsinnigen. Sein Antlitz sah, wo es nicht mit Blut befleckt war, geisterhaft bleich; denn die Hand des Todes lag auf ihm. Auf Claverhouse heftete er die Augen, in denen das verglimmende Feuer des Wahnsinnigen zum letzten Male noch aufzuckte, und rief mit dem ihm eigenen entsetzlichen Tone: »Willst du vertrauen deinem Bogen und deinem Speer, deinem Rosse und deinem Banner? Und soll dich Gott nicht heimsuchen wegen des vergossenen Blutes? – Willst du dich rühmen deiner Weisheit und deines Muthes und deiner Macht, und der Herr soll dich nicht richten? – Siehe, die Fürsten, um derentwillen du die Seele verkauft hast dem Verderber, sie sollen vertrieben werden von ihren Sitzen, und verbannt werden in andere Länder, und ihre Namen sollen sein eine Verwüstung und ein Erstaunen, und ein Zischen und ein Fluch. Und du, der du Theil genommen hast an dem Becher der Wuth, und davon trunken worden bist und toll: der Wunsch deines Herzens soll erfüllt werden zu deinem Verderben, und die Hoffnung deines Stolzes soll dich vernichten. Ich lade dich, John Grahame, vor Gottes Richterstuhle zu erscheinen, und Rechenschaft abzulegen wegen des unschuldigen Blutes, so du in Strömen vergossen hast!«

Er fuhr mit der Rechten über sein blutiges Gesicht, und streckte sie gen Himmel, als er folgende Worte mit lauter Stimme sprach: »Wie lange, o Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger, säumst du, Gericht zu halten und zu rächen das Blut deiner Heiligen?«

Mit dem letzten Worte fiel er rückwärts hin, ohne einen Versuch, sich zu halten, und ehe sein Haupt den Boden berührte, war er todt.

Morton war ergriffen von dieser außerordentlichen Scene und der Prophezeihung des Sterbenden, die so wundersam mit dem Wunsch zusammentraf, den Claverhouse soeben ausgesprochen hatte. Zwei Dragoner, die sich im Zimmer befanden, zeigten doch, so verhärtet und gewöhnt sie auch an solche Scenen waren, große Bestürzung über die plötzliche Erscheinung, die Worte und das Ende des Mannes. Claverhouse allein blieb unbewegt. Im ersten Augenblicke hatte er zwar nach der Pistole gegriffen, als er aber den Zustand des Unglücklichen sah, legte er sie wieder hin, und hörte mit großer Fassung die Ausrufungen des Sterbenden an.

Als dieser niedergesunken war, fragte Claverhouse gleichgültig: »Wie kam denn der Bursche her? – Sprich, Maulaffe!« fuhr er zum nächsten Dragoner gewendet fort; »sprich, wenn ich dich nicht für eine Memme halten soll, die sich vor einem Sterbenden fürchtet.«

Der Dragoner bekreuzte sich und erwiderte mit bebender Stimme: sie hätten ihn nicht bemerkt, als sie die andern Leichen fortgeschafft, weil er an einer Stelle gelegen habe, wo einige Mäntel hingeworfen worden seien, die ihn bedeckt hätten.

»Nun so schaff ihn weg. Laffe, und sieh' zu, daß er dich nicht beißt. Das ist doch ein neuer Vorfall, Herr Morton, daß Todte aufstehen und uns von den Stühlen treiben. Ich muß sehen, daß meine Schurken ihre Schwerter besser schärfen. Sonst pflegen sie nicht so fahrlässig zu sein. – Das war aber auch ein harter Tag; sie sind müde, und ich glaube, Euch wie mir werden ein paar Stündchen Ruhe willkommen sein.«

Bei diesen Worten gähnte er, nahm ein Licht, grüßte Morton höflich, und ging nach dem für ihn bereit gehaltenen Zimmer.

Auch Morton erhielt ein besonderes Zimmer für diese Nacht. Als er sich allein sah, war sein erstes Geschäft, dem Himmel für die Befreiung zu danken. Er flehte auch inbrünstig um den göttlichen Beistand, daß er ihn auf den rechten Weg leiten möge in so vielen Gefahren und Irrungen. Als er so im Gebete sein Herz ausgeschüttet hatte vor dem Allmächtigen, begab er sich zur Ruhe, deren er so sehr bedurfte.


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