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Sorglosen Blicks und unbewegt
Ritt nordwärts er durch's Thal:
So sah er aus in wilder Schlacht,
So sah er aus im Sieg,
Hardoknute.
Der Oberst Grahame von Claverhouse begrüßte die Familie, die in der großen Halle versammelt war, mit derselben Heiterkeit und Höflichkeit, die sein Benehmen am Morgen so liebenswürdig scheinen ließ. Er hatte sogar die Besonnenheit gehabt, seinen Anzug wieder zu ordnen, Gesicht und Hände vom Blute der Schlacht zu waschen, so daß sein Aeußeres kaum anders erschien, als wenn er von einem Morgenritte zurückkehrte.
»Es thut mir leid. Oberst Grahame,« sagte die ehrwürdige alte Dame mit thränenfeuchten Augen, – »sehr leid.«
»Und mir thut es leid, meine theure Lady,« erwiderte Claverhouse, »daß dieses Unglück Euren Aufenthalt in Tillietudlem gefährlich machen kann, besonders in Betracht Eurer Gastfreundschaft, die Ihr noch eben den königlichen Truppen angedeihen ließet, und Eurer wohlbekannten Loyalität. Ich komme hauptsächlich hierher, Miß Bellenden und Euch zu bitten, meine Begleitung nach Glasgow anzunehmen, wenn Ihr anders den Schutz eines armen Flüchtlings nicht verschmäht. Von dort aus kann ich Euch sicher nach Edinburgh oder Schloß Dunbarton senden, wie's Euch am besten scheint.«
»Ich danke Euch sehr, Oberst Grahame,« erwiderte Lady Margaretha; »aber mein Bruder, Major Bellenden, hat es auf sich genommen, dies Haus gegen die Rebellen zu vertheidigen, und so Gott will, werden sie nie Margaretha Bellenden von ihrem eigenen Herde treiben, so lange noch ein braver Mann behauptet, er könne ihn vertheidigen.«
»Und Major Bellenden will dies unternehmen?« fragte Claverhouse hastig, und ein Strahl von Freude glänzte in seinem dunklen Auge, als er aus den alten Krieger blickte. – »Doch wie kann ich noch fragen? War er doch heldenmüthig von jeher! – Aber habt Ihr auch die Mittel dazu, Major?«
»Alles, bis auf Mannschaft und Lebensmittel, mit denen wir schlecht versehen sind,« antwortete der Major.
»Was die Mannschaft betrifft,« sagte Claverhouse, »so will ich Euch ein Dutzend oder zwanzig Bursche zurücklassen, die sich mit dem Teufel raufen. Es ist von höchster Wichtigkeit, wenn Ihr den Platz nur eine Woche lang vertheidigen könnt, und in dieser Zeit werdet Ihr gewiß entsetzt.«
»Für so lange steh' ich gut, Oberst,« erwiderte der Major; »mit fünfundzwanzig guten Soldaten und hinreichender Munition halt' ich ihn, und sollten wir auch vor Hunger an unsern Schuhsohlen kauen; aber ich hoffe, wir werden Lebensmittel aus der Umgegend bekommen.«
»Und wenn ich eine Bitte wagen dürfte, Oberst Grahame,« sagte Lady Margaretha, »so möchte ich Euch ersuchen, daß der Sergeant Franz Stuart die Hülfsmannschaft kommandire, mit der Ihr unsere Leute zu verstärken die Güte habt; es kann ihm zu seiner Beförderung dienen, und ich habe ein Vorurtheil für ihn wegen seiner Geburt.«
»Die Feldzüge des Sergeanten sind geendet,« sagte Grahame in unverändertem Tone, »und er bedarf jetzt keiner Beförderung mehr, die ein irdischer Herr gewähren kann.«
»Verzeiht,« sagte Major Bellenden, indem er Claverhouse beim Arm nahm und ihn von den Damen abseits führte – »allein ich bin besorgt um meine Freunde; ich fürchte, Ihr habt noch andere, wichtigere Verluste erlitten. Ich bemerkte, daß ein anderer Offizier Eures Neffen Fahne trägt.«
»Ihr habt Recht, Major Bellenden,« antwortete Claverhouse gefaßt, »mein Neffe ist nicht mehr. Er starb in seiner Pflicht, wie ihm ziemte.«
»Großer Gott!« rief der Major. »Welch ein Unglück! – Der schöne, tapfere, muthige Jüngling!«
»Er war wirklich Alles das,« erwiderte Claverhouse; »der arme Richard war mir so theuer, wie ein ältester Sohn, mein Augapfel und mein bestimmter Erbe; aber er starb in seiner Pflicht, und ich – ich – Major Bellenden« – hier drückte er das Majors Hand fest in der seinigen – »ich lebe, ihn zu rächen.«
»Oberst Grahame,« sagte der gerührte Veteran mit feuchten Augen, »es freut mich, daß Ihr Euer Mißgeschick mit solcher Standhaftigkeit ertragt.«
»Ich bin kein selbstsüchtiger Mensch,« entgegnete Claverhouse, »obgleich die Welt es von mir sagt; »ich bin nicht selbstsüchtig, weder in meinen Hoffnungen und Befürchtungen, noch in meinen Freuden und Leiden. Für mich selbst war ich weder streng, noch ehrgeizig und habsüchtig. Den Dienst des Herrn und das Wohl meines Landes habe ich stets zum Ziele gehabt. Ich mag wohl strenge bis zur Grausamkeit gewesen sein; allein es geschah zum allgemeinen Besten, und jetzt will ich meinen eigenen Schmerzen nicht mehr nachgeben, als den Schmerzen Anderer.«
»Ich bin erstaunt über Eure Standhaftigkeit bei allen diesen unangenehmen Zufällen,« fuhr der Major fort.
»Ja,« entgegnete Claverhouse, »meine Freunde im Staatsrathe werden, mir dies Unglück zur Last legen – ich verachte ihre Beschuldigungen. Sie werden mich bei meinem Fürsten verleumden – ich kann ihre Beschuldigung zurückweisen. Der Feind des Staats wird frohlocken ob meiner Flucht – ich werde die Zeit finden, ihnen zu zeigen, daß sie zu früh gefrohlockt. Dieser gefallene Jüngling stand zwischen einem habgierigen Verwandten und meiner Erbschaft, denn Ihr wißt, meine Ehe ist kinderlos – aber Friede mit ihm, das Vaterland kann ihn eher missen, als Euren Freund Lord Evandale, der nach einem höchst tapferen Kampfe gefallen ist, wie ich fürchte.«
»Welch ein Unglückstag!« rief der Major. »Ich habe wohl davon gehört, aber dem Gerücht ward widersprochen. Es wurde hinzugefügt, daß der Ungestüm des jungen Mannes den Verlust des Gefechts herbeigeführt.«
»Nicht doch, Major,« versetzte Grahame, »die lebenden Offiziere mag der Tadel treffen, wenn hier ein Tadel ist, und laßt die Lorbeeren unentweiht auf dem Grabe der Gefallenen. Indessen weiß ich nicht gewiß, ob Lord Evandale todt ist; aber ich fürchte, getödtet oder gefangen muß er sein. Er hatte sich eben aus dem Getümmel gerettet, als wir uns das letzte Mal sprachen. Wir waren just im Begriff, das Schlachtfeld mit einer Nachhut von zwanzig Mann zu verlassen; die Uebrigen waren fast Alle zerstreut.«
»Sie haben sich bald wieder gesammelt,« sagte der Major und blickte aus dem Fenster auf die Dragoner, welche unten am Bache ihre Pferde fütterten und sich selbst erfrischten.
»Ja,« antwortete Claverhouse, »meine Schufte haben wenig Versuchung auszureißen oder sich weiter zu zerstreuen, als der erste Schrecken sie treibt. Es ist just nicht viel Freundschaft und Höflichkeit zwischen ihnen und den Bauern dieses Landes; jedes Dorf, durch welches sie kommen, ist bereit, gegen sie aufzustehen, und so werden die Schurken durch eine heilsame Furcht von Spießen, Piken, Heugabeln und Besenstielen zu ihren Fahnen zurückgetrieben. – Doch laßt uns jetzt von Euren Planen und Bedürfnissen sprechen, und von den Mitteln, mit Euch in Verbindung zu bleiben. Um Euch die Wahrheit zu sagen, ich zweifle daran, mich lange in Glasgow halten zu können, selbst wenn ich mich mit Lord Roß vereinigt habe; denn dieser vorübergehende und zufällige Erfolg der Schwärmer wird den Teufel in allen westlichen Grafschaften losmachen.«
Sie besprachen sich nun über den Vertheidigungsplan gemeinschaftlich und verabredeten einen Briefwechsel im Fall eines allgemeinen Aufstandes, der zu erwarten war. Claverhouse erneuerte sein Anerbieten, die Damen nach einem sichern Orte zu geleiten; aber, Alles wohl erwogen, glaubte Major Bellenden, sie würden auf Tillietudlem eben so sicher sein.
Der Oberst nahm dann einen höflichen Abschied von Lady Margaretha und Miß Bellenden, und versicherte ihnen, daß er zwar jetzt wider Willen sie in Gefahr zurücklassen müsse; es solle jedoch seine erste Sorge sein, sich in ihrer Meinung als guter und treuer Ritter wieder herzustellen, und sie könnten darauf rechnen, ihn bald zu sehen, oder von ihm zu hören?
Voll Furcht und Zweifel, war Lady Margaretha kaum im Stande, aus eine Rede zu antworten, die mit ihrer Art zu fühlen und sich auszudrücken, so sehr übereinstimmte; sondern begnügte sich, Claverhouse Lebewohl zu sagen und ihm für den Beistand zu danken, den er ihnen zurückzulassen versprochen. Gern hätte Editha nach Heinrich Mortons Schicksal gefragt; sie konnte aber keinen Vorwand dazu finden, und tröstete sich nur mit der Hoffnung, daß ihr Oheim in der langen Unterredung mit Claverhouse davon gesprochen habe. Hierin sah sie sich aber getäuscht; denn der alte Ritter war so sehr mit den Pflichten seines neuen Amtes beschäftigt, daß er kaum ein anderes Wort mit Claverhouse gesprochen hatte, als über militärische Angelegenheiten, und wahrscheinlich hätte er unter diesen Umständen ebensowohl das Schicksal seines eigenen Sohnes, als das seines Freundes vergessen.
Claverhouse ritt jetzt den Hügel hinab, auf welchem das Schloß lag, um seine Truppen wieder in Bewegung zu setzen, und Major Bellenden begleitete ihn, um das Detachement in Empfang zu nehmen, welches auf dem Schlosse bleiben sollte.
»Ich werde Euch den Inglis hier lassen,« sagte Claverhouse, »denn in meiner Lage kann ich keinen Offizier entbehren; Alles, was wir durch vereinigte Kräfte thun können, ist, unsere Leute zusammenzuhalten. Doch, sollte einer der vermißten Offiziere sich zeigen, so ermächtige ich Euch, ihn zurückzuhalten; denn meine Burschen unterwerfen sich nicht leicht dem Befehle eines Andern.«
Die Reiter waren nun aufmarschirt; er rief sechzehn Mann bei Namen, und stellte sie unter Befehl des Corporals Inglis, den er auf der Stelle zum Sergeanten beförderte. »Und laßt Euch noch gesagt sein,« schloß er, »ich lasse Euch hier zurück, das Haus der Lady zu vertheidigen, unter dem Befehl ihres Bruders, des Majors Bellenden, eines getreuen Dieners des Königs. Ihr habt Euch tapfer, mäßig, ordentlich und gehorsam zu betragen, dann wird auch Jedem eine schöne Belohnung, wenn ich zurückkomme, das Schloß zu entsetzen. Im Falle einer Meuterei, Feigheit, Pflichtversäumniß, oder beim geringsten Exceß im Hause gilt der Profoß und der Strick. – Ihr wißt, ich halte mein Wort im Guten und Bösen.«
Er berührte seinen Hut, als er Abschied von ihnen nahm, und schüttelte dem Major herzlich die Hand.
»Lebt wohl, mein tapferer, alter Freund,« sagte er; »Glück für Euch, und bessere Zeiten für uns Beide!«
Seine Reiter waren durch die Bemühungen des Majors Allan noch einmal in erträgliche Ordnung gebracht, und obwohl ihres Glanzes beraubt, hatten sie doch wieder ein weit besseres und kriegerisches Aussehen bekommen, da sie das Schloß Tillietudlem zum zweiten Male verließen, als da sie nach ihrer Niederlage dahin zurückkehrten.
Major Bellenden, jetzt sich selbst überlassen, schickte mehrere Vedetten aus, um Lebensmittel, besonders aber Mehl, herbeizuschaffen, und Erkundigungen über die Bewegungen des Feindes einzuziehen. Alles, was er in dieser Beziehung erfuhr, war, daß die Insurgenten diese Nacht aus dem Schlachtfelde bleiben wollten. Allein auch sie hatten Streifwachen und Vorposten ausgeschickt, und groß war die Verlegenheit und das Unglück Jener, welche entgegengesetzte Befehle, hier im Namen des Königs, und dort im Namen der Kirche empfingen; Jene geboten, Lebensmittel nach dem Schloß Tillietudlem zu senden, die Andern aber befahlen, mit den Vorräthen das Lager der gottseligen Bekenner der wahren Religion zu versehen, die jetzt für die Sache der Reformation und des Covenants aufgestanden seien, und in Drumclog am Loudonhügel ständen. Jede Aufforderung schloß mit der Drohung, die Nichterfüllung mit Feuer und Schwert zu strafen; denn keine Partei konnte sich auf die Loyalität oder den Glaubenseifer der Aufgeforderten so fest verlassen, daß sie hätte hoffen können, die Leute würden sich freiwillig ihres Eigenthums begeben. So wußten die armen Leute nicht, auf welche Seite sie sich neigen sollten, und die Wahrheit zu sagen, Manche wandten sich auf mehr denn eine Seite.
»Diese kitzlichen Zeiten können den Gescheidtesten von uns aus dem Concepte bringen,« sagte Niel Blaue, der kluge Bierwirth; »aber nur hübsch ruhig, hübsch ruhig. – Jenny, wie viel Mehl ist auf dem Speicher?«
»Vier Scheffel Hafermehl, zwei Scheffel Gerstenmehl und zwei Scheffel Erbsenmehl,« war Jenny's Antwort.
»Gut, Kind,« fuhr Niel Blane mit einem tiefen Seufzer fort; »Bauldin soll das Erbsen- und Gerstenmehl in's Lager von Drumclog bringen – er ist ein Whig und war der alten Meierin Ackerknecht – die Kuchen von solchem Gemengsel werden ihren bäurischen Magen schon bekommen. – Er muß sagen, es sei die letzte Unze Mehl im Hause, oder, wenn er's nicht über's Gewissen bringt, zu lügen, – doch das ist nicht wahrscheinlich; denn es geschieht ja zum Besten des Hauses, – so mag er warten, bis Duncan Glen, der alte versoffene Reitknecht, das Hafermehl nach Tillietudlem bringt, nebst meinem untertänigsten Empfehl an die Lady und den Major, und ich hätte nicht mehr so viel, um mir eine Suppe davon zu kochen; und wenn Duncan seine Sache gut macht, so kriegt er ein Glas Whisky, daß ihm die blaue Flamme aus dem Munde schlagen soll.«
»Aber was sollen wir denn selbst essen, Vater,« fragte Jenny, »wenn wir alles Mehl fortschicken, das im Kasten und aus dem Speicher ist?«
»Wir müssen uns ein Weilchen mit Weizenmehl begnügen,« sagte Niel mit ergebungsvollem Tone; »es ist keine üble Speise, obgleich nicht so stärkend für einen schottischen Magen, als Hafermehl; die Engländer leben fast ganz davon; aber freilich, die Puddingsmenschen kennen nichts Besseres.«
Während die Klugen und Friedfertigen, wie Niel Blane, es mit beiden Parteien zu halten suchten, griffen Diejenigen überall zu den Waffen, welche mehr Gemein- oder Parteigeist hatten. Die Royalisten im Lande waren nicht zahlreich, aber diese waren durch Vermögen und Einfluß angesehen, da sie aus Landeigentümern von alter Herkunft bestanden, die mit ihren Brüdern, Vettern und Angehörigen bis in's neunte Glied, sowie mit ihrem Gesinde, eine Art von Militz bildeten, die es wohl vermochte, ihre eigenen Besitzungen gegen einzelne Insurgentenhaufen zu verteidigen, ihnen Kriegsvorräthe zu verweigern, und diejenigen aufzufangen, welche den Andern in's presbyterianische Lager geschickt wurden. Die Nachricht, daß das Schloß Tillietudlem verteidigt werden solle, ermutigte die Anhänger des Königs, denn sie betrachteten es als einen festen Punkt, in welchem sie Zuflucht finden könnten, wenn es ihnen unmöglich werden sollte, den kleinen Krieg fortzusetzen, den sie jetzt begannen.
Dagegen stellten die Städte, Dörfer, Pachthäuser und kleinen Landgüter zahlreiche Verstärkungen für die presbyterianische Sache. Diese hatten durch den Druck der Zeit am meisten gelitten. Sie waren erbittert und zur Verzweiflung getrieben durch vielfältig erlittene Erpressungen und Grausamkeiten, und obgleich sie keineswegs unter sich einig waren, weder über den Zweck dieses furchtbaren Aufstandes, noch über die Mittel, durch welche dieser Zweck erreicht werden sollte, so sahen doch die Meisten in ihm einen von der Vorsehung eröffneten Ausweg, um die langentbehrte Gewissensfreiheit zu erhalten, und das Joch einer Zwingherrschaft abzuschütteln, die Leib und Seele zugleich fesselte. Viele dieser Leute griffen also zu den Waffen und rüsteten sich, nach der Redensart ihrer Zeit und Partei, ihr Loos zu werfen mit den Siegern von Loudonhill.