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Mein Vaterland, leb' wohl!
Lord Byron.
Der hohe Rath von Schottland, in dessen Hände sich seit der Vereinigung beider Kronen eine große richterliche Gewalt sowohl, als auch die Oberaufsicht über die vollziehende Macht der Regierung befand, hielt jetzt seine Sitzung in dem alten, dunklen gothischen Saale, der an's Parlamentshaus in Edinburgh stieß, als General Grahame eintrat und seinen Platz an der Rathstafel einnahm.
»Ihr habt uns heut drei Stück Wild gebracht, General,« sagte ein Edelmann, der hier eine hohe Stelle begleitete. »Da ist eine Memme, die soll sich für überwunden bekennen – hier ein Hahn, der in der Klemme ist – und was soll ich aus dem Dritten machen, General?«
»Ohne Bildersprache! bitte ich Eure Gnaden, ihn als einen Mann zu betrachten, an dem ich innigen Antheil nehme,« sagte Claverhouse.
»Und als einen Whig obendrein!« sagte der Edelmann, eine Zunge heraushängend, die stets viel zu dick für seinen Mund war, und seine plumpen Züge zu einem höhnischen Lächeln stimmend, das ihm ganz in der Natur lag.
»Ja, mit Euer Gnaden Erlaubniß, ein Whig, wie Eure Gnaden war anno 1641,« versetzte Claverhouse mit seiner unwandelbaren Artigkeit.
»Da habt Ihr's, Herr Herzog,« sagte einer von den Räthen.
»Ja, ja!« erwiderte der Herzog lachend, »seit der Affaire bei Drumclog läßt er gar nicht mit sich reden – aber bringt die Gefangenen herbei – und Ihr, Herr Schreiber, verles't die Urkunde.«
Der Schreiber las eine Urkunde ab, in welcher der General Grahame von Claverhouse und Lord Evandale sich verbürgten, daß Junker Heinrich Morton von Milnwood in's Ausland gehen und dort verbleiben solle, bis Sr. Majestät Meinung hinsichtlich des Beitritts besagten Heinrich Mortons zur Empörung bekannt sein würde, und zwar bei Leibes- und Lebensstrafe für benannten Heinrich Morton und zehntausend Mark für jeden seiner Bürgen.
»Nehmt Ihr des Königs Gnade an, Herr Morton?« fragte der Herzog von Lauderdale, welcher im Rathe präsidirte.«
»Ich habe keine andere Wahl, Mylord!« erwiderte Morton.
»So unterschreibt die Urkunde.«
Morton that es ohne Einspruch, überzeugt, daß er nicht besser hätte durchkommen können. Macbriar, der in diesem Augenblick an die Rathstafel geführt wurde, aber an einen Stuhl gebunden, weil er zu schwach war zu stehen, sah Morton in einer Handlung begriffen, die er für Abtrünnigkeit hielt.
»Er hat seinen Abfall vollendet durch Anerkennung der fleischlichen Gewalt des Tyrannen,« rief er mit einem tiefen Seufzer. – »Ein gefallener Stern! – Ein gefallener Stern!«
»Schweigt!« sagte der Herzog, »und spart Eure Zunge für Euren eigenen Handel. – Ruft den andern Burschen herein, der noch etwas Verstand besitzt. Ein zweites Schaf setzt leicht über den Graben, wenn das erste schon den Versuch gemacht hat.« Ungefesselt, aber von zwei Hellebardieren begleitet, trat nun Cuddie ein und wurde neben Macbriar an's Ende der Tafel gestellt. Der arme Junge warf einen traurigen Blick umher, in welchem scheue Ehrfurcht vor den vornehmen Herren, Mitleiden mit seinem unglücklichen Gefährten und keine geringe Besorgniß für sein eigenes Heil sich malte. Er machte rechts und links eine bäurische Reverenz und erwartete die Eröffnung der furchtbaren Scene.
»War't Ihr im Gefecht an der Bothwellbrücke?« war die erste Frage, die in sein Ohr donnerte.
Cuddie wollte erst läugnen, sah aber nach einigem Bedenken ein, daß die Wahrheit gegen ihn sein würde, und antwortete also mit ächt schottischer Unbestimmtheit: »Ich will nichts sagen; aber möglich ist's, daß ich dabei gewesen bin.«
»Gerad' heraus, Bursche – ja oder nein! – Ihr wißt, daß Ihr dort gewesen.«
»Es schickt sich nicht, daß ich Euer Gnaden Herrlichkeit widerspreche,« sagte Cuddie.
»Noch ein Mal, wart Ihr dort?« – Ja, oder nein!« – sagte der Herzog ungeduldig.
»Lieber Herr,« sagte Cuddie wiederum, »wie kann sich denn ein Mensch genau erinnern, wo er überall im Leben gewesen?«
»Heraus mit der Sprache, Schurke,« rief General Dalzell, »oder ich schlage dir mit dem Degenknauf die Zähne ein! – glaubst du, wir könnten uns hier den ganzen Tag mit dir herumhetzen, wie Windhunde mit einem Hasen?«
»Nun denn,« sagte Cuddie, »wenn Ihr durchaus wollt, so schreibt meinetwegen hin, daß ich da gewesen bin.«
»Gut,« sagte der Herzog, »und glaubt Ihr, daß der Aufstand Rebellion war?«
»Darüber kann ich just nicht meine Meinung frei heraussagen, wenn's mich den Hals kosten kann, Sir; aber ich glaub', viel besser war's eben nicht.«
»Besser, als was?«
»Nun, besser als Rebellion, wie's Eure Gnaden nennen,« erwiderte Cuddie.
»Gut, das heiß' ich bei der Stange geblieben,« antwortete der Herzog. »Und seid Ihr geneigt, des Königs Verzeihung als Rebell anzunehmen, Euch zur Kirche zu halten und für den König zu beten?«
»Recht gern, Sir,« antwortete Cuddie, »und will obendrein seine Gesundheit trinken, wenn's Bier gut ist.«
»Nun,« sagte der Herzog, »das ist ein braver Junge. – Was hat Euch in diese Händel verwickelt, mein lieber Freund?«
»Böses Exempel, Sir, und eine alberne Mutter, mit Respekt zu melden.«
»Nun, so Gott will, wirst du auf eigene Hand keine Verrätherei begehen. – Fertigt seinen Pardon aus und bringt den Schurken im Stuhle vor!«
Macbriar wurde vorgeführt.
»Wart Ihr im Gefecht an der Bothwellbrücke?« ward er ebenfalls gefragt.
»Ja!« antwortete der Gefangene fest und entschlossen.
»Wart Ihr bewaffnet?«
»Nein! – Ich kam in meinem Berufe, als ein Prediger des Wortes Gottes, diejenigen zu ermuthigen, so das Schwert zogen für seine Sache.«
»Mit andern Worten, um die Rebellen aufzumuntern und zu ermuthigen?« sagte der Herzog.
»So ist's!« antwortete der Gefangene.
»Gut denn!« fuhr der Fragende fort; »habt Ihr John Balfour von Burley unter dem Heere gesehen? – Vermuthlich kennt Ihr ihn.«
»Gott sei Dank, daß ich ihn kenne!« sagte Macbriar; »er ist ein eifriger, aufrichtiger Christ.«
»Und wann und wo habt Ihr diesen frommen Mann zum letzten Mal gesehen?«
»Ich bin hier, um für mich selbst zu antworten, und nicht um Andere in Gefahr zu bringen.«
»Wir wollen Euch schon die Zunge lösen,« sagte Dalzell.
»Wenn Ihr ihn glauben macht, er sei in einem Conventikel, wird sie sich schon von selbst lösen,« sagte Lauderdale. »Sprecht, Bursche, so lange Euer Handel noch gut steht. – Ihr seid zu jung für die Last, die man Euch sonst auferlegt.«
»Ich trotze Euch,« entgegnete Macbriar. »Nicht zum ersten Male hin ich gefangen; nicht zum ersten Male leide ich, und so jung ich auch bin, hab' ich doch lange genug gelebt, um sterben zu können, wenn ich berufen werde.«
»Nun, es gibt noch Manches, was einem leichten Tode vorangeht, wenn Ihr in Eurer Hartnäckigkeit beharret,« sagte Lauderdale und klingelte mit einer silbernen Schelle, die vor ihm aus dem Tische stand.
Ein dunkelrother Vorhang, der eine Nische bedeckte, rauschte auf, und man erblickte den Nachrichter, einen langen Menschen mit grimmig verzerrten Zügen an einem eichenen Tische, auf welchem Daumenschrauben und die sogenannten schottischen Stiefel lagen, womit in jenen tyrannischen Zeiten die Angeklagten gefoltert wurden. Morton, der auf diese furchtbare Erscheinung nicht gefaßt war, schauderte zusammen; Macbriars Nerven waren aber fester.
Ruhig blickte er auf die entsetzliche Zurüstung, und wenn die Natur auch zum zweiten Male das Blut aus seinen Wangen trieb, so wurden sie doch bald wieder von seiner Entschlossenheit geröthet.
»Wißt Ihr, wer das ist?« fragte Lauderdale mit ernster, aber ganz leiser Stimme.
»Vermuthlich ist's der schändliche Vollstrecker Eurer blutdürstigen Befehle gegen die Männer Gottes,« sagte Macbriar. »Aber sowohl er als Ihr seid unter meiner Würde, und Gottlob, ich fürchte eben so wenig, was er mir anthun, als was Ihr befehlen könnt. Fleisch und Blut mögen schaudern unter den Leiden, die Ihr über mich verhängt, und die gebrechliche Natur mag Thränen vergießen oder laut aufschreien; aber meine Seele, hoff' ich, liegt fest geankert am Felsen der Ewigkeit.«
»Thut Eure Pflicht!« sagte der Herzog zum Henker. Der Mann trat vor und fragte mit rauher, heiserer Stimme, an welches Glied des Gefangenen er zuerst das Instrument ansetzen solle?
»Laßt ihn selbst wählen!« sagte der Herzog; »ich will ihm gern in jeder billigen Sache gefällig sein.«
»Da Ihr es mir überlaßt,« sagte der Gefangene, und streckte das rechte Bein aus, »so nehmt das Beste – gern weih' ich es der Sache, für die ich leide.«
Der Nachrichter schloß nun mit seinen Gesellen das Bein und das Knie in den engen eisernen Stiefel, schob einen Keil von demselben Metall zwischen das Knie und die scharfe Kante der Maschine,. faßte einen Hammer und erwartete weitere Befehle. Ein Wundarzt stellte sich auf die andere Seite des Gefangenen, entblößte dessen Arm und fühlte den Puls, um die Tortur nach den Kräften des Leidenden einzurichten. Nach diesen Vorbereitungen fragte der Präsident wieder mit derselben ernsten Stimme: »Wann und wo habt Ihr zum letzten Male John Balfour von Burley gesehen?«
Statt der Antwort richtete der Gefangene seine Augen gen Himmel, als wollte er sich göttliche Kraft erflehen, und murmelte einige Worte, von denen nur die letzten verständlich waren: »Du hast gesagt, dein Volk soll willig sein am Tage deiner Macht.«
Der Herzog von Lauderdale warf seine Blicke in der Rathsversammlung umher, als wolle er Stimmen sammeln, und ihre stummen Zeichen verstehend, winkte er dem Henker, der sogleich den Hammer auf den Keil trieb, was den entsetzlichsten Schmerz verursachte, und was man auch an der Röthe merkte, welche sich sogleich aus Stirn' und Wange des Leidenden zeigte. Wiederum erhob der Henker seine Waffe und war bereit, den zweiten Schlag zu versetzen.
»Wollt Ihr jetzt sagen, wann und wo Ihr zum letzten Male John Balfour von Burley gesehen?« wiederholte der Herzog von Lauderdale.
»Ihr habt meine Antwort,« sagte der Gefolterte entschlossen, und der zweite Schlag fiel. Der dritte und vierte folgte, aber beim fünften, als ein stärkerer Keil hineingelegt worden, stieß der Gefangene einen krampfhaften Schrei aus.
Morton, dem beim Anblick solcher Grausamkeit das Blut in den Adern kochte, konnte nicht länger an sich halten, und obgleich unbewaffnet und selbst in großer Gefahr, wollte er. vorwärts springen, als Claverhouse, es bemerkend, ihn beim Arm zurückhielt und ihm zuflüsterte: »Um Gotteswillen, bedenkt, wo Ihr seid!«
Zum Glück wurde dies von keinem der Räthe bemerkt, da ihre Aufmerksamkeit auf die schreckliche Scene vor ihnen gerichtet war.
»Er ist hin,« sagte der Wundarzt – »er ist ohnmächtig, Mylords. Die menschliche Natur kann nicht mehr ertragen.«
»Laßt ihn los,« sagte der Herzog und fuhr dann zu Dalzell gewendet fort: »der macht ein altes Sprichwort wahr. Er wird heute schwerlich reiten, obgleich er seine Stiefel anhatte. Ich glaube, wir müssen mit ihm aufhören.«
»Ja, gebt ihm das Urtheil und fort mit ihm; wir haben noch genug der Plackerei vor uns.«
Starke Wasser und Essenzen wurden nun emsig angewendet, den Unglücklichen in's Leben zurückzurufen, und kaum athmete er wieder auf, so sprach der Herzog das Todesurtheil über ihn aus, als einen Verräther, der in offener Rebellion ergriffen worden, und verurtheilte ihn, auf dem Richtplatze am Halse aufgehangen zu werden; Kopf und Hände sollten ihm nach dem Tode abgehauen werden und der Rath darüber verfügen; all' sein Hab' und Gut aber solle Sr. Majestät anheimfallen.
»Urtheilsverkünder,« fuhr er fort, »wiederholt dem Gefangenen sein Urtheil!«
Dies Amt wurde damals und noch später neben andern Verrichtungen von dem Nachrichter verwaltet, und bestand darin, dem unglücklichen Verbrecher den vom Richter gefällten Ausspruch kund zu thun; dies war um so furchtbarer, da der verhaßte Mensch, der das Urtheil verkündete, auch die angedrohten Grausamkeiten vollstrecken sollte. Macbriar hatte kaum die Worte des Präsidenten verstanden; aber er hatte sich genug erholt, um das Urtheil zu vernehmen, als es von der widerlichen Stimme des Henkers gesprochen wurde, und bei den letzten furchtbaren Worten: »Und dies thu' ich als Urtheil!« antwortete er kühn: – »Mylords, ich danke euch für die einzige Gunst, die ich begehrte, und von euch annehmen würde, nämlich: daß ihr meinen zerquetschten, zermalmten Leib, der heute Eure Grausamkeit erfahren, einem schnellen Ende widmet. Es wäre mir ziemlich gleichgültig, ob ich am Galgen, oder im Kerker sterbe; allein wenn der Tod, der schnell meine heutigen Leiden endigen muß, mich gefesselt in dunkler Zelle gefunden hätte, würden Viele des Anblicks entbehrt haben, was ein wahrer Christ für die gute Sache leiden kann. Uebrigens, Mylords, vergeb' ich euch, was ihr mir auferlegt und ich erduldet. – Und warum sollt' ich nicht? – Ihr sendet mich zu einem glückseligen Orte – aus dem Aufenthalte gebrechlichen Staubes in die Gesellschaft der Engel und der Geister der Gerechten. – Ihr sendet mich von Finsterniß zu Licht – von Sterblichkeit zur Unsterblichkeit – kurz, von der Erde zum Himmel! Wenn euch also Dank und Verzeihung eines Sterbenden angenehm ist, so nehmt beide mit meiner Hand, und mag euer letzter Augenblick so glücklich sein, als der meinige.« Als er dies mit einem von Freude und Sieg strahlenden Auge gesprochen, ward er abgeführt und nach einer halben Stunde hingerichtet. Er starb mit demselben festen Enthusiasmus, den er während seines ganzen Lebens gezeigt hatte.
Der Rath brach auf, und Morton fand sich wieder im Wagen mit General Grahame.
»Wunderbare Festigkeit!« rief Morton, über Macbriars Benehmen nachdenkend; »wie Schade, daß solche Selbstaufopferung, solcher Heldenmuth verbunden war mit den wilden Charakterzügen seiner Sekte!«
»Ihr meint seinen Entschluß, Euch zum Tode zu verurtheilen?« sagte Claverhouse. »Damit wäre er gleich durch einen einzigen Bibelspruch in's Reine gekommen, zum Beispiel: »Und Pinehas stand auf und vollzog das Urtheil« oder dergleichen. – Aber wißt Ihr, Herr Morton, wohin es nun geht?«
»Wir sind auf dem Wege nach Leith, bemerke ich,« antwortete Morton. »Ist mir's nicht erlaubt, meine Freunde zu sehen, bevor ich mein Vaterland verlasse?«
»Mit Eurem Oheim ist gesprochen worden; doch er mag Euch nicht besuchen,« sagte Grahame. »Der gute Mann fürchtet, und zwar nicht ohne Grund, Euer Verbrechen könne für seine Besitzungen und Ländereien Folgen haben. – Doch schickt er Euch seinen Segen und einiges Geld. Lord Evandale ist noch sehr unwohl. Major Bellenden bringt die Sachen zu Tillietudlem in Ordnung. Die Schurken haben dort viel Unheil angerichtet und den sogenannten Thron seiner geheiligten Majestät zerstört. Wünscht Ihr sonst noch Jemand zu sehen?«
Morton antwortete tief seufzend: »Nein, – es würde nichts helfen, – aber meine Vorbereitungen, so gering sie auch sind, einige muß ich doch treffen.«
»Alles ist bereits in Ordnung,« sagte der General. »Lord Evandale ist Euren Wünschen zuvorgekommen. Hier ist ein Packet von ihm mit Empfehlungsschreiben an den Hof des Statthalters, Prinzen von Oranien, denen auch ich einige beigelegt. Ich habe unter ihm die ersten Feldzüge gemacht und stand in der Schlacht von Seneff zum ersten Mal im Feuer. Hier sind auch Wechsel zur Befriedigung der dringendsten Bedürfnisse, und es wird mehr folgen, wenn Ihr es begehrt.«
Dies Alles hörte Morton, und nahm das Packet erstaunt und bestürzt über die plötzliche Vollziehung seines Verbannungsurtheils.
»Und mein Bedienter?« sagte er.
»Für ihn wird gesorgt und, wenn es thunlich, soll er im Dienste der Lady Margaretha wieder angestellt werden. Er wird wohl schwerlich wieder die Parade versäumen, oder zum zweiten Mal den Whig spielen. – Aber wir sind am Quai und das Boot wartet Eurer.«
Wirklich wartete auf Kapitän Morton ein Boot mit Koffern und Gepäck, wie seinem Range angemessen war. Claverhouse schüttelte ihm die Hand, wünschte ihm viel Glück und eine fröhliche Rückkehr nach Schottland in ruhigern Zeiten.
»Ich werde nie vergessen,« sagte er, »wie edel Ihr Euch gegen meinen Freund Evandale benommen zu einer Zeit, als Viele ihn aus dem Wege zu räumen suchten.«
Noch ein Händedruck – und sie schieden. Als Morton den Quai Hinabstieg, um in's Boot zu gehen, wurde ihm ein kleiner Brief in die Hand geschoben. Er sah sich um. Die Perlon, die ihn gegeben hatte, war dicht verhüllt, drückte den Finger an den Mund und verschwand unter der Menge. Dieser Vorfall erweckte Mortons Neugier, und als er sich an Bord des Schiffes befand und alle seine Reisegefährten mit ihrer Einrichtung beschäftigt sah, öffnete er den ihm auf so heimliche Weise übergebenen Brief. Er lautete: –
»Dein Muth an dem unglücklichen Tage, da Israel floh vor seinem Feinde, hat einigermaßen deine unselige Neigung für die erastinianische Sache wieder gut gemacht. Es ist jetzt nicht Zeit für Ephraim, mit Israel zu streiten. – Ich weiß, Dein Herz ist bei der Tochter der Bösen. Aber wende Dich ab von der Thorheit; denn in der Verbannung und auf der Flucht, ja selbst im Tode wird meine Hand schwer lasten auf diesem blutigen, übelgesinnten Hause, und die Vorsehung hat mir die Mittel gegeben, ihnen mit ihrem eigenen Maße des Untergangs und Verderbens zu messen. Der Widerstand ihrer Veste war die Hauptursache unserer Vernichtung an der Bothwellbrücke, und ich habe mir's auf's Herz geschrieben, es an ihnen heimzusuchen. Darum denke nicht mehr an sie, sondern schließe Dich in der Verbannung unfern Brüdern an, deren Herz noch immer trachtet, das unglückliche Land zu retten und aufzurichten. Es ist ein wackerer Ueberbleibsel in Holland, dessen Auge sich umschaut nach der Befreiung. Vereinige Dich mit ihnen als der Sohn des tapfern und würdigen Silas Morton, und sie werden Dich willkommen heißen seinetwegen und wegen deiner eigenen Thaten. Solltest Du wieder würdig befunden werden, im Weinberge zu arbeiten, so wirst Du zu jeder Zeit hören von meinem Eingange und Ausgange, wenn Du fragst nach Quintin Mackel von Irongray, im Hause jenes trefflichen Weibes, Bessie Maclure, nahe am Platze, welcher der Howff heißt, wo Niel Blane Gäste bewirthet. Indessen vermahne ich Dich zur Geduld. Halte Dein Schwert umgürtet und Deine Lampe brennend, wie Einer, so wachend ist in der Nacht. Denn Er, welcher richten wird den Berg Esau's und falsche Bekenner machen wird zu Stroh und Uebelgesinnte zu Stoppeln, wird kommen in der vierten Nachtwache, das Gewand gefärbt in Blut, und das Haus Jakobs wird werden zur Beute, und das Haus Josephs zur Feuerflamme. Ich bin's, der es geschrieben hat, dessen Hand gewesen ist über den Gewaltigen in dem weiten Gefilde.«
Dieser sonderbare Brief war unterzeichnet J. B. v. B.; allein es bedurfte für Morton dieser Anfangsbuchstaben nicht, um zu wissen, daß Burley der Verfasser war. Morton hatte wieder Gelegenheit, den unbändigen Geist dieses Mannes zu bewundern, der mit eben so viel Schlauheit als Muth und Hartnäckigkeit bemüht war, das Gewebe des Aufruhrs wieder herzustellen, welches eben erst zerstört worden. Aber er fühlte jetzt kein Verlangen, einen Briefwechsel zu unterhalten, der gefährlich sein mußte, oder jene Verbindung zu erneuern, die in so vieler Hinsicht unglücklich für ihn gewesen. Burley's Drohungen gegen die Familie Bellenden betrachtete er als eine bloße Aeußerung des Verdrusses über die Vertheidigung von Tillietudlem, und nichts schien ihm unwahrscheinlicher, als daß gerade fetzt, wo ihre Partei so siegreich war, deren flüchtiger Gegner nur den geringsten Einfluß auf ihr Geschick haben könne.
Morton war erst geneigt, dem Major oder Lord Evandale Burley's Drohungen mitzutheilen, nach einiger Erwägung glaubte er jedoch, dies nicht thun zu können, ohne ein Vertrauen zu verrathen. Er zerriß also den Brief, nachdem er sich den Namen und den Ort bemerkt, wo der Schreiber zu erfragen war, und warf dann die Stücke in's Meer.
Inzwischen wurden die Anker gelichtet und ein günstiger Nordwest schwellte die weißen Segel. Das Schiff lehnte sich gegen den Wind und rauschte durch die Wellen. Bald schwanden Stadt und Hasen, und Morton war auf mehrere Jahre von seinem Vaterlande getrennt.