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Letztes Kapitel.

Mit der Vollmacht des Grafen und der Erlaubnis der Königin versehen, sich vor einer Entdeckung seines Betruges zu sichern, indem er die Gräfin von Kenilworth wegbrachte, hatte Varney erst am frühen Morgen aufbrechen wollen, dann aber war ihm eingefallen, daß der Graf vielleicht wieder andern Sinnes werden und noch eine Unterredung mit der Gräfin nachsuchen könne; und er beschloß, durch sofortigen Aufbruch jeder Möglichkeit einer Aenderung, die dann wahrscheinlich zu seiner Entdeckung und seiner Vernichtung hätte führen können, vorzubeugen.

Die Gräfin war ohne Widerstreben in die Sänfte gebracht worden. Sie sah zu ihrer Beruhigung, daß Foster und ein andrer Diener neben der Sänfte herritten, während der gefürchtete und verabscheute Varney sich mehr im Hintergrunde hielt. Als der Weg um den See herumging, bemühte sie sich, die stattlichen Türme, die ihren Gatten Herrn nannten, im Auge zu behalten; als aber dies infolge der Richtung des Weges nicht länger möglich war, sank sie in die Sänfte zurück und befahl sich dem Schütze der Vorsehung.

Als Varney sich im Hintergrunde hielt und schließlich ein Stück zurückblieb, verfolgte er dabei nicht bloß den Zweck, die Gräfin nicht zu beunruhigen, sondern er wollte mit Lambourne allein und ohne Zeugen sprechen, sobald dieser sie eingeholt hätte. Er kannte diesen Mann als flink, entschlossen, habgierig und frei von Furcht selbst vor Blutvergießen und hielt ihn für den passendsten Helfershelfer in seinen ferneren Plänen. Aber zehn englische Meilen hatten sie zurückgelegt, ehe sie den hastigen Hufschlag hinter sich hörten und von Lambourne eingeholt wurden.

Varney empfing seinen verworfnen Diener mit heftigen Vorwürfen.

»Besoffner Schurke,« rief er, »Deine Faulheit und blödsinnige Völlerei werden Dir noch einen Strick drehen, und mir sollts recht sein, wenn es bald geschähe.«

Lambourne, dem der Kamm geschwollen war, nicht nur von einem gewaltigen Humpen Wein her, sondern vor allem seit seinem vertraulichen Auftrag in Leicesters geheimen Angelegenheiten, nahm diesen Schimpf nicht mit der gewohnten Demut hin. – Er wolle sich keine Frechheiten gefallen lassen, meinte er, nicht von dem besten Ritter, der je Sporen getragen hätte. Lord Leicester habe ihn in wichtiger Angelegenheit zurückbehalten, und das müsse Varney genügen, der selber nur ein Diener wäre wie er.

Varney war nicht wenig überrascht, als er diesen unverschämten Ton hörte. Aber er schrieb ihn dem Schnaps zu und tat so, als achte er gar nicht darauf. Wann begann er Lambourne auszuhorchen, ob er wohl zur Mithilfe bereit sei, ein Hindernis auf dem Wege des Earl of Leicester zu den höchsten Würden wegzuräumen, der dann seinen treuen Anhängern jeden Wunsch erfüllen würde. Und als Michael Lambourne sich so stellte, als verstünde er nicht, was er meinte, sagte er deutlich, »die in der Sänfte da« sei das Hindernis, das er aus dem Wege geräumt wissen möchte.

»Sehr Ihr, Ritter Richard und so weiter,« sagte Michael, »einer ist klüger, wie der andre, das ist eins, und der eine ist schlechter, als der andre, das ist noch eins. Ich weiß besser als Ihr, wie Mylord über diese Sache denkt – denn er hat mir in dieser Sache volles Vertrauen geschenkt. Hier sind seine Befehle, und seine letzten Worte waren: Michael Lambourne, denn Seine Lordschaft spricht zu mir wie ein echter Edelmann und gebraucht nicht Worte, wie besoffner Schurke oder solche Gemeinheiten, wie sie Leute in den Mund nehmen, die sich noch nicht in ihre neuen Würden hineingefunden haben, – Varney, sagte er, muß meiner Gräfin die höchste Ehrerbietung erweisen – ich vertrau es Euch an, Lambourne, sagte Seine Lordschaft, sich darum zu kümmern, und Ihr müßt mir meinen Siegelring von ihm auf alle Fälle zurückbringen.«

»Ah,« versetzte Varney, »hat er das wirklich gesagt? Ihr wißt also um alles?«

»Alles – alles – den ganzen Betteltanz, – und das Gescheiteste für Euch wäre, Ihr machtet Mich Euch zum Freunde, solange noch schönes Wetter zwischen uns herrscht.«

»Und war niemand weiter zugegen, als Mylord sprach?« fragte Varney.

»Kein lebendes Wesen,« erwiderte Lambourne, »meint Ihr, Mylord würde so wichtige Dinge einem andern noch anvertrauen, als einem so erprobten Mann der Tat wie mir?«

»Sehr wahr,« sagte Varney, und er machte eine Pause und sah vor sich hin auf den mondhellen Pfad. Sie ritten über eine weite, offne Heide. Die Sänfte war wenigstens eine englische Meile von ihnen, so daß sie von dort aus nicht gesehen und gehört werden konnten. Er sah hinter sich, und soweit die Strahlen des Mondes die Ferne erhellten, war kein menschliches Wesen in Sicht. Dann sprach er weiter:

»Und wollt Ihr nun Euch gegen Euern Herrn wenden, der Euch doch in diese Laufbahn der Hofgunst sozusagen gebracht hat – dessen Lehrling Ihr gewesen seid, Michel – durch den Ihr die Tiefen und Klippen der Hofintrige kennen gelernt habt?«

»Laßt nur das Gemichel, verstanden!« sagte Lambourne. »Vor meinen Namen läßt sich ebenso gut ein »Herr« setzen, wie vor jeden andern, und wenn ich ein Lehrling gewesen bin, so ist meine Lehrzeit jetzt um, und ich bin entschlossen, mich selbständig zu machen.«

»So nimm erst Dein Handgeld, blödsinniger Wicht!« rief Varney und schoß mit einer Pistole, die er seit einiger Zeit in der Hand gehalten hatte, Lambourne durch den Leib.

Der Elende fiel vom Pferde ohne einen Laut, und Varney sprang ab, durchsuchte seine Taschen und zog das Futter nach außen, daß es aussehen sollte, als wäre er von Räubern überfallen worden. Er nahm das Päckchen des Grafen an sich, worum ihm vor allem zu tun war, aber er nahm auch Lambournes Börse, die noch ein paar Goldstücke enthielt. Er hielt sie in der Hand, bis er an einen kleinen Fluß kam, der den Weg kreuzte, und hier schleuderte er sie ins Wasser, so weit sein Arm schleudern konnte. Ein solcher sonderbarer Bodensatz von Gewissen bleibt schließlich doch, wenn es auch gänzlich abgestorben scheint, und so hätte auch dieser grausame und gewissenlose Mensch sich für erniedrigt gehalten, hätte er die wenigen Goldstücke des Elenden, den er so ohne alle Umstände kalt gemacht hatte, zu sich gesteckt.

Der Mörder säuberte den Lauf und das Schloß seines Pistols von den Spuren des Schusses und lud es von neuem, dann ritt er gemächlich hinter der Sänfte her. – Er beruhigte, sich damit, daß er einen lästigen Zeugen seiner Ränke – den Ueberbringer von Befehlen, die zu befolgen er nicht gewillt war, und die er daher auch gar nicht erhalten haben wolle, aus dem Wege geräumt hatte.

Nach einer Weile holte Varney die Sänfte ein.

»Was macht sie?« fragte er.

»Sie schläft,« sagte Foster, »ich wollte, wir wären daheim – ihre Kräfte sind erschöpft.«

»Ruhe wird ihr gut tun,« antwortete Varney, »sie soll bald fest und lang schlafen. Wir dürfen sie nicht wieder in ihre Zimmer bringen, sondern in die feste Kammer, wo Du Dein Gold aufbewahrst.«

»Mein Gold?« rief Anton höchst bestürzt. »Was soll ich denn für Gold haben? Gott helfe mir, ich habe kein Gold!«

»Nun, Du stumpfsinniges Vieh, wer denkt denn an Dein Gold? Wenn mir was dran gelegen wäre, hätte ich nicht hundert bessre Wege, dazu zu gelangen? Mit einem Worte, Dein Schlafzimmer, das Du so trefflich mit Sicherheitsvorkehrungen versehen hast, muß vorderhand ihr Aufenthaltsort sein, und dafür sollst Du, Du Sklave, auf ihren Daunen schlafen. Ich sage Dir, der Graf wird keinen Pfifferling mehr nach dem reichen Mobiliar der vier Zimmer fragen.«

Diese letzte Bemerkung machte Foster gefügig, und er bat nur um Erlaubnis, vorauszureiten, um alles herzurichten.

Als sie in Cumnorplace anlangten, fragte die Gräfin angelegentlich nach Jeannette, und war sehr betrübt, als sie vernahm, daß sie auf die Dienste dieses lieben Mädchens von nun an verzichten müsse.

»Sie ist bei ihrer Tante,« sagte Foster grob, »meine Tochter ist mir lieb und wert, gnädige Frau, und ich will sie vor Hofskandalen bewahren – sie hat davon schon zuviel gesehen,«

Die erschöpfte Gräfin gab keine Antwort und drückte nur den Wunsch aus, sich auf ihr Zimmer zurückzuziehen.

»Ja, ja, das ist nur vernünftig,« murmelte Foster, »aber mit Verlaub, Ihr kommt nicht in Eure hübschen Puppenstübchen da – heute nacht sollt Ihr in sichrerem Gewahrsam schlafen.«

»Ich wollt, es war in meinem Grabe,« sagte die Gräfin.

Foster nahm ein Licht und führte Amy in einen Teil des Gebäudes, wo sie noch nie gewesen war. Eines von den alten Weibern schritt mit einer Lampe voran. Sie stiegen eine sehr hohe Treppe hinan, überschritten eine kurze Galerie aus schwarzem Eichenholz, die sehr eng war und an deren Ende eine starke, eichne Tür in das Gemach des Geizhalses führte, das in seiner Einrichtung äußerst primitiv war und in allem bis auf den Namen einem Gefängnis glich.

Foster blieb an der Tür stehen und gab der Gräfin die Lampe, die alte Frau ließ er nicht herein. Die Gräfin nahm sie rasch, riegelte die Tür zu und versicherte sie.

Varney hatte unterdessen unten gelauert; als er aber hörte, daß sie die Tür verschlossen hatte, kam er auf den Zehenspitzen herauf, und Foster winkte ihm zu und zeigte ihm mit großer Selbstgefälligkeit eine versteckte Mechanik, mittels deren mit großer Leichtigkeit und ganz geräuschlos ein Teil der hölzernen Galerie wie eine Zugbrücke herabzulassen war, so daß zwischen der Tür des Schlafzimmers und der Treppruhe der hohen Stiege, die zu ihm hinaufführte, jede Verbindung abgeschnitten war. Das Tau, an dem diese Mechanik geführt wurde, war in der Regel in das Gemach hineingeleitet, da es ja Fosters Zweck war, sich vor einem Einbruch von außen zu sichern. Jetzt aber, wo es darauf ankam, die Gefangne völlig abzuschneiden, war das Tau nach der Treppruhe hinübergeführt und wurde dort festgemacht, nachdem Foster die unvermutete Falltür herabgelassen hatte.

Varney betrachtete diese Mechanik mit großer Aufmerksamkeit und sah mehrmals in den Abgrund hinab, der unten gähnte. Es war ein schwarzes und anscheinend sehr tiefes Loch, und ging, wie Foster seinem Gefährten flüsternd mitteilte, fast bis in die tiefsten Gewölbe des Schlosses. Varney warf noch einmal einen langen, starren Blick in den Schlund und folgte dann Fostern in den bewohntern Teil des Herrenhauses.

Varney ersuchte Foster, etwas zu essen und einen guten Wein zu bringen. »Ich will Alasko holen,« sagte er. »Wir haben Arbeit für ihn und müssen ihn bei guter Laune halten.«

Foster seufzte, aber er widersprach nicht. Das alte Weib versicherte, Alasko hätte, seit ihr Herr fort sei, kaum etwas gegessen oder getrunken, er halte sich fortwährend in seinem Laboratorium eingeschlossen.

Varney ergriff ein Licht und ging, um den Alchimisten zu holen. Er kehrte nach ziemlich langer Abwesenheit zurück, kreidebleich, aber mit seinem gewohnten Grinsen. »Unser Freund,« sagte er, »ist futsch.«

»Was sagt Ihr, ist er tot?« rief Anton Foster.

»Mausetot,« sagte Varney. »Und schon hübsch angeschwollen im Gesicht und am ganzen Leibe. Er hatte eine seiner Teufelsmedizinen gemischt, und dabei ist ihm die Glasmaske, die er immer trug, vom Gesicht gefallen, und so ist ihm das feine Gift ins Gehirn gedrungen und hat ihm den Garaus gemacht.«

»Sankta Maria!« rief Foster. »Ich meine, Gott in seiner Barmherzigkeit, bewahre uns vor Habsucht und Todsünde!«

»Es war ein Anblick zum Gruseln!« sagte Varney. »Er sah aus, wie ein Kadaver, der schon drei Tage auf dem Rade gelegen hat. – Prr! gib mir einen Becher Wein! Mir ist der Appetit verdorben von dem Gestank. Ich habe das Fenster aufgebrochen und die Luft hereingelassen – es roch nach Schwefel und es war ein erstickender Dunst, als wenn der Teufel dagewesen wäre.« »Und kann es nicht wirklich der Teufel selber gewesen sein?« sagte Foster. »Ich habe gehört, er ist mächtig bei solchen Leuten.«

»Du aber bist völlig sicher vor ihm, sei getrost,« antwortete Varney. »Denn der Satan hat in letzter Zeit zwei gute Happen gekriegt.«

»Wieso zwei Happen?« fragte Foster. »Wie meint Ihr das?«

»Das werdet Ihr rechtzeitig erfahren,« sagte Varney, »und dann ist noch ein andrer Bissen – denn Du wirst doch denken können. Sie wird ein ganz ausgezeichneter Leckerbissen für den Gaumen des bösen Feindes sein – sie wird mit Psalmen und Harfen und Seraphim empfangen werden.«

»Gott! Sir Richard! muß denn das geschehen?«

»Freilich, Anton, sonst bekommst Du im Leben kein Freigut,« erwiderte sein unbeugsamer Gefährte.

»Ich habe immer vorhergesehen, daß es noch darauf hinauslaufen würde,« sagte Foster. »Aber wie denn, Sir Richard, wie denn? nicht um die ganze Welt zu gewinnen. Möchte ich Hand an sie legen.«

»Ich kann Dich nicht tadeln,« sagte Varney, »ich würde es selber nur mit Widerstreben vollziehen – es fehlt uns jetzt Alasko und sein Mannah bitter, ja, und der Hund Lambourne obendrein.«

»Ja, wo bleibt Lambourne nur?«

»Frage nicht weiter,« sagte Varney, »Du wirst ihn eines Tages schon noch sehen, wenn Dein Glaube zutrifft. Aber zu unsrer wichtigen Angelegenheit. Ich will Dich lehren, wie man einen Vogel fängt – die Falltür von Dir da oben – der feine Mechanismus von Dir da – der sieht doch von außen ganz fest und ungefährlich aus, wenn auch unter ihm die Stützen weggenommen find, was?«

»Gewiß,« sagte Foster, »solange niemand drauftritt.«

»Aber wenn die Dame darüber weg zu entfliehen versuchte,« versetzte Varney, »so würde Ihr Gewicht die Falle zum Einstürzen bringen?«

»Dazu genügt schon das Gewicht einer Maus,« sagte Foster.

»Ei, dann stirbt sie bei einem Fluchtversuch, und wie könntet Ihr, ehrlicher Tony, oder ich es ändern? Laßt uns zu Bett, morgen wollen wir unsern Plan ausführen.«

Am folgenden Tage rief mit Anbruch des Abends Varney seinen, Spießgesellen zur Ausführung des Planes herbei. Der aus Kenilworth mitgebrachte Mann und Fosters alte Diener wurden mit einem erfundenen Auftrag weggeschickt, und Foster selber besuchte erst noch einmal die Gräfin in ihrem Kerker. Sie hatte sich mit so großer Sanftmut und Geduld in ihre Einsamkeit gefügt, daß sein Herz gerührt wurde und er ihr ernsthaft anempfahl, ja nicht, aus welchem Anlaß es auch sei, die Schwelle ihres Gemaches zu überschreiten, ehe Lord Leicester da sei. Amy versprach es, und Foster kehrte zu seinem hartgesottnen Kumpan zurück; er hatte sein Gewissen um die Hälfte der gefährlichen Last, die darauf lag, erleichtert.

Er ließ die Tür der Gräfin von außen unverschlossen und zog unter Varneys Aufsicht die Stützen weg, die die Falltür hielten. Dann gingen sie, unten den Erfolg ihres Beginnens abzuwarten. Aber sie warteten lange vergebens, und endlich rief Varney aus:

»In der Tat, noch nie hat ein Weib eine so günstige Gelegenheit zur Flucht unbenutzt gelassen.«

»Vielleicht ist sie entschlossen,« sagte Foster, »auf die Rückkehr ihres Mannes zu warten.«

»Gewiß, gewiß!« sagte Varney und stürzte hinaus. »Daran hatte ich nicht gedacht.«

Gleich darauf hörte Foster den Tritt eines Pferdes im Schloßhof und ein Pfeifen, ähnlich dem gewöhnlichen Signal des Grafen – einen Augenblick später öffnete sich die Tür zum Zimmer der Gräfin und im selben Augenblick wich die Falltür. Es ging ein Geräusch, als wenn ein Körper tief fällt, – ein schwaches Stöhnen – und alles war vorüber.

Zur gleichen Zeit rief Varney zum Fenster herein in einem Tone, der ein unbeschreibliches Gemisch von Grausen und Scherz war:

»Ist der Vogel gefangen – ist die Tat getan?«

»O Gott vergebe uns!« rief Anton Foster.

»Ei, Du Esel,« sagte Varney. »Deine Arbeit ist beendet und der Lohn Dir sicher; sieh in das Gewölbe – was siehst Du?«

»Nur einen Haufen von weißen Kleidern, wie eine Schneewehe,« sagte Foster; »o, Gott! sie bewegt den Arm!«

»Wirf irgendwas auf sie hinunter! Deine Goldkiste, Tonichen, die ist ja schwer.«

»Varney, Du bist der eingefleischte Satan!« versetzte Foster. »Es braucht nichts weiter – sie ist tot. O, wenn es Gerechtigkeit gibt im Himmel, Du wirst Deiner Strafe nicht entgehen! – Du hast sie zu grunde gerichtet, indem Du Dich gerade einer Regung ihrer reinen Liebe bedient hast! das heißt das Kind mit der Milch der Mutter vergiften!«

»Du bist ein fanatischer Esel,« erwiderte Varney. »Laß uns daran denken, wie wir die Sache bekannt machen – der Leichnam hat zu bleiben, wo er ist.«

Aber ihrer Verruchtheit war ein Ziel gesetzt; denn während sie sich noch berieten, stürzten Tressilian und Raleigh herein, nachdem sie von dem alten Diener eingelassen worden waren, dessen sie sich in dem Dorfe versichert hatten.

Anton Foster flüchtete bei ihrem Eintritt, und da er jeden Winkel und jeden Gang in den verschlungnen Gewölben des alten Hauses kannte, entging er jeder Verfolgung. Aber Varney wurde auf dem Fleck festgenommen, und anstatt Zerknirschung über seine Untat zu bekunden, schien es ihm noch ein teuflisches Vergnügen zu bereiten, ihnen die Ueberreste der ermordeten Gräfin zu zeigen, während er sie gleichzeitig herausforderte, ihm zu beweisen, daß er an ihrem Tode schuldig sei. Der verzweifelte Schmerz Tressilians beim Anblick der zermalmten Reste eines vor kurzem noch so liebreizenden und geliebten Wesens war so tief, daß Raleigh sich gezwungen sah, ihn mit Gewalt von der Stelle zu bringen, während er selbst alles, was geschehen sollte, anordnete.

Bei einem zweiten Verhör machte Varney gar kein Geheimnis aus dem Verbrechen und seinen Beweggründen. Aus seinen weitern Aeußerungen glaubte man vermuten zu sollen, daß er Selbstmord begehen wolle, und man nahm ihm daher alles ab, was ihm zur Ausführung dieses Vorsatzes hätte dienen können. Aber er trug beständig ein sehr starkes Gift bei sich, das ihm wohl Alasko bereitet haben mochte. Dies nahm er über Nacht zu sich und am andern Morgen fand man ihn tot in seiner Zelle. Er schien keine Todesqual gelitten zu haben, denn sein Gesicht zeigte noch den Ausdruck von grinsendem Sarkasmus, den es im Leben zur Schau getragen hatte.

Was aus seinem Spießgesellen geworden war, blieb lange unbekannt. Cumnorplace wurde gleich nach dem Morde verlassen, denn in der Nähe der sogenannten Lady-Dudley-Kammer behaupteten die Diener Stöhnen und Geschrei und unnatürliche Laute zu hören. Nach einiger Zeit wurde Jeanette, als immer noch nichts von ihrem Vater verlautete, Besitzerin seines Besitztums und übertrug dies mit ihrer Hand an Wieland den Schmied, der jetzt ein Mann in fester Stellung war und im Haushalt der Königin Elisabeth einen guten Posten hatte. Aber als sie schon ein paar Jahre lang tot waren, stellte ihr ältester Sohn und Erbe Nachforschungen in der Gegend von Cumnorplace an und entdeckte einen geheimen, von einer eisernen Tür verschlossnen Gang, der hinter dem Bett der Lady-Dudley-Kammer anfing und in eine Zelle hinunterführte. Hier fand er eine eiserne Kiste voll Gold und ein menschliches Gerippe, das darüber gestreckt war. Nun war es klar, was aus Anton Foster geworden war. Er hatte sich in diese Höhle geflüchtet, aber er hatte den Schlüssel der Springfeder vergessen, und da er nicht wieder hatte entkommen können, nachdem er das Gold gerettet hatte, um das er sein Seelenheil verkauft hatte, war er jämmerlich umgekommen. Ohne Frage war das Gestöhn und Geschrei, das die Diener vernommen hatten, nicht bloß eingebildet, sondern kam von diesem Elenden, der in seiner Todesangst um Rettung und Hilfe schrie.

Die Nachricht von dem entsetzlichen Schicksal der Gräfin gebot den Festlichkeiten zu Kenilworth jähen Einhalt, Leicester zog sich vom Hofe zurück und überließ sich eine Zeitlang ganz seiner Reue. Da aber Varney in seiner letzten Erklärung darauf bedacht gewesen war, nichts dem Grafen Nachteiliges zu sagen, so wurde Leicester von allen bemitleidet. Endlich rief die Königin ihn an den Hof zurück, und er war noch einmal ausgezeichnet als Staatsmann und Günstling. Seine fernere Laufbahn ist geschichtlich bekannt. Aber in seinem Tode schien doch eine Art Vergeltung zu liegen, denn dem allgemeinen Gerücht nach starb er am Genuß eines Giftes, das ihm von einer andern Person zugedacht war.

Sir Hugh Robsart starb bald nach seiner Tochter und vermachte sein Besitztum Tressilian. Aber weder die Aussicht, auf dem Lande ein unabhängiges Leben zu führen, noch die Versprechungen höfischer Gunst rissen ihn aus seiner tiefen Schwermut heraus. Wohin er auch ging, überall glaubte er den entstellten Körper seiner jungen und einzigen Geliebten zu sehen. Endlich begleitete er seinen Freund Raleigh auf einer Expedition nach Virginien, und jung an Jahren, doch alt an Leid, ist er vorzeitig in diesem fremden Lande gestorben.

Ende.

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