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Der Glanz der bevorstehenden Festlichkeiten zu Kenilworth bildete jetzt das Gespräch durch ganz England, und alles, was zu der Lustbarkeit oder der Pracht bei dem geplanten Empfange der Königin im Hause ihres bevorzugtesten Günstlings beitragen konnte, wurde daheim zusammengebracht oder von auswärts beschafft. Mittlerweile schien Leicester in der Gunst der Königin immer mehr zu gewinnen. Im Rate war er ständig an ihrer Seite – in den Ruhepausen zwischen den Staatsgeschäften hörte sie ihm gern zu – es kam zwischen ihnen ab und zu sogar zu herzlicher Vertraulichkeit– alle, die bei Hofe irgendetwas zu hoffen hatten, sahen zu ihm empor – fremde Minister buhlten um seine Gunst unter den schmeichelhaftesten Achtungsbeweisen von ihren Landesherren – er war das alter ego der erhabnen Elisabeth, die jetzt, wie man allgemein glaubte, nur noch Zeit und Gelegenheit erwog, daß sie ihn durch Heirat zum Gefährten ihrer Landesherrlichkeit mache.
In dieser Hochflut des Glücks war dieses Nesthäkchen in der Gunst der Königin vielleicht der unglücklichste Mensch in dem Reiche, das ihm zu Füßen zu liegen schien. Der Charakter seiner Herrin war ihm bis in die verborgensten Regungen bekannt; seine eingehende Vertrautheit mit ihren Launen im Verein mit seinen hervorragenden geistigen Fähigkeiten und glänzenden äußern Vorzügen hatte ihm einen so hohen Platz in ihrer Gunst verschafft; und eben diese Vertrautheit mit ihrer Launenhaftigkeit hielt ihn stets in der Furcht vor einer plötzlichen, vernichtenden Ungnade. Die Gunst, in der ein Walsingham oder ein Burleigh stand, war, wie Leicester wohl wußte, auf Elisabeths klugem und zielbewußtem Urteil, nicht auf ihrer willkürlichen Neigung gegründet und war daher auch vor all den Möglichkeiten einer Wandlung und eines Sturzes gesichert, der notwendigerweise eine lediglich auf persönlichen Vorzügen, und weiblicher Bevorzugung fußende Gunst angesetzt war. Diese, großen und weisen Staatsmänner wurden von der Königin nur nach den Ratschlägen, die sie erteilten, und den Gründen, mit denen sie ihre Meinung verfochten, beurteilt; der Erfolg aber von Leicesters Laufbahn war abhängig von all dem leichten, veränderlichen Wechselspiel der Grille und der Laune, das einem Verehrer den Weg zum Herzen seiner Herrin bald beschwerlich, bald glatt und eben macht – und obendrein war sie eine Herrin, die immerfort befürchtete, die Würde zu vergessen oder sich in ihrer Autorität als Königin etwas zu vergeben, wenn sie sich den Regungen des Weibes überließ. All dieser Schwierigkeiten war sich Leicester voll bewußt, und ob er nun nach Mitteln sann, mit Sicherheit von seinem hohen Posten herabzusteigen, er sah nur wenig Hoffnung, daß ihm das eine oder andre gelingen würde. In solchen Momenten verweilten seine Gedanken bei seiner geheimen Ehe und ihren Folgen, und voller Bitterkeit gegen sich selber und auch gegen die unglückliche Gräfin, schrieb er diesem voreiligen Schritt, der in der Hitze einer unbedachten Leidenschaft – wie er sie jetzt nannte – getan worden war, alle Schuld zu, daß er einerseits seine Macht nicht auf festen Grund stellen könne, und daß ihm andrerseits in jedem Augenblicke ein jäher Sturz drohte.
»Die Leute sagen,« so gingen ihm die Gedanken in diesen Augenblicken der Furcht und Reue, »ich könnte Elisabeth heiraten und König von England werden. Alles deutet darauf hin. In Liedern wird die Heirat besungen und der Pöbel wirft die Mützen in die Luft. In Schulen ist die Rede davon gewesen – im Audienzsaal hat man davon geflüstert – von der Kanzel herab wird sie warm befürwortet – in den kalvinistischen Kirchen wird sie erfleht – und diese kühnen Andeutungen haben keinen Widerspruch erfahren, sind nicht unter Zorn und Verdruß zurückgewiesen worden, nicht einmal mit der üblichen weibischen Beteuerung, sie würde als jungfräuliche Königin sterben. – Ihre Worte sind zuvorkommender als je, obwohl sie weiß, was für ein Gerücht umgeht – ihre Haltung mir gegenüber ist noch anmutiger – ihre Blicke noch freundlicher als je zuvor – alles scheint darauf hinzuzielen, daß ich König von England werden soll, endlich den Stürmen der Hofgunst weit entrückt! – Und da ich nun diese Hand ausstrecken könnte zu dem kühnsten Griffe, da ist sie durch ein geheimes, unlösliches Band gefesselt! – Und hier sind Briefe von Amy,« fuhr er fort und nahm sie mit einer Gebärde des Verdrusses auf, – sie dringt in mich, sie öffentlich anzuerkennen – ihr und mir selber Gerechtigkeit anzutun – und wer weiß, was noch! Mich dünkt, ich habe mir selber zunächst nicht im mindesten Gerechtigkeit angetan – nichts weniger als das. Und sie redet gerade, als ob Elisabeth die Eröffnung mit der Freude einer Mutter hören würde, die erfährt, daß ihr hoffnungsvoller Sohn sich glücklich verheiratet hat! – Sie, die Tochter Heinrichs, der in seinem Zorn keinen Mann und in seiner Wollust kein Weib verschonte! Wenn sie entdeckt, daß man sein Spiel mit ihr getrieben hat, daß man sie durch eine Gaukelei der Leidenschaft dahin gebracht hat, daß sie einem Untertan ihre Liebe gesteht – und nachher entdeckt sie, daß eben dieser Mann schon verheiratet ist – wenn Elisabeth erführe, daß man mit ihr getändelt habe, wie ein Höfling mit einer Dorfschönen scherzen kann, dann würden wir wohl erfahren, was es heißt: furens quid femina!«
Dann hielt er inne und rief nach Varney, der jetzt öfter als sonst um Rat gefragt wurde, und ihre Beratung endete gewöhnlich mit emsigen Erwägungen, wie man wohl die Gräfin in Kenilworth vorführen solle. Diese Beratungen hatten fast zu dem Entschlüsse geführt, die Festlichkeiten zu verschieben. Aber schließlich wurde ein endgültiger Entschluß erforderlich.
»Elisabeth will absolut, daß sie zugegen sei,« sagte der Earl. »Ob nun ein Verdacht sich in ihre Seele gestohlen hat oder ob die Bittschrift des Tressilian von Sussex oder einem andern geheimen Feinde immer wieder aufs Tapet gebracht wird, das weiß ich nicht, aber selbst wenn sie noch so huldreich mit mir spricht, so kommt sie doch oft auf die Geschichte der Amy Robsart zu sprechen. Gib mir jetzt Deinen Rat, Varney, diese unlösbare Schwierigkeit zu beseitigen. Ich habe alle möglichen Vorwände angewendet, die ich nur irgend mit Anstand, vorbringen konnte, dieses verfluchte Fest zu verschieben, aber das Gespräch von heute hat sie alle über den Haufen geworfen. Sie hat in sehr freundlichem, aber stets bestimmtem Tone zu mir gesagt: »Wir wollen Euch keine Zeit mehr zu Vorbereitungen lassen, Mylord, damit Ihr Euch nicht noch etwa ganz und gar dem Bankerott ausgesetzt. Am Sonnabend, dem 9. Juli, wollen wir mit Euch in Kenilworth sein. Wir bitten Euch, keinen der festgesetzten Gäste zu vergessen, vor allem nicht dieses putzige Püppchen, die Amy Robsart.« Nun, Varney, wende alle Deine Erfindungskunst an – Deine Ränke haben uns schon oft geholfen; denn so wahr ich Dudley heiße, die Gefahr, die mir durch mein Horoskop angedroht worden ist, zieht sich jetzt finster um mich zusammen.«
»Ist Mylady auf keinen Fall zu bewegen, auf eine kurze Zeit die niedre Rolle zu übernehmen, die die Verhältnisse ihr auferlegen?« fragte Varney zaudernd.
»Wie, Bursche? Meine Gräfin soll sich Deine Frau nennen? das ist weder mit ihrer noch mit meiner Ehre vereinbar.«
»Und doch hält Elisabeth sie für nichts andres,« sagte Varney, »und ihr in dieser Meinung widersprechen hieße alles entdecken.«
»Denke etwas andres aus, Varney,« sagte der Earl in großer Erregung. »Diese Erfindung ist unbrauchbar, denn wenn ich auch mich dazu verstehen könnte, so doch sie nicht. Denn ich sage Dir, Varney, so Du es noch nicht weißt: Elisabeth auf dem Throne hat nicht mehr Stolz als diese Tochter eines niedern Edelmanns von Devonshire. Es ist unmöglich. Weder durch Bitten noch durch Gewalt ist sie dazu zu bringen, Deinen Namen auch nur für eine Stunde anzunehmen.«
»Das ist freilich recht bitter,« sagte Varney trocken, und dann setzte er hinzu: »Wenn wir nun eine Person finden würden, die sie vertreten könnte? Solche Maskeraden sind schon oft dagewesen.«
»Das ist purer Blödsinn, Varney,« antwortete der Earl. »Die falsche Gräfin würde Tressilian gegenübergestellt werden, und die Entdeckung wäre unvermeidlich.«
»Tressilian könnte vom Hofe entfernt werden,« sagte der skrupellose Varney.
»Auf welche Weise?«
»Es gibt mancherlei Mittel,« sagte Varney, »durch die ein Staatsmann in Eurer Lage, Mylord, einen unbequemen Burschen, der sich in Eure Angelegenheiten mischt und sich in gefährliche Opposition zu Euch stellt, vom Schauplatz verschwinden lassen kann.«
»Sprich mir nicht von derartigen Kunstgriffen, Varney,« sagte der Earl hastig. »Im vorliegenden Falle würde es uns nicht einmal was nützen. Es sind viele andre am Hofe, denen Amy bekannt sein mag. Und wenn Tressilian nicht mehr da ist, so wird ihr Vater oder einer ihrer Bekannten unverzüglich hierher gerufen werden. Strenge noch einmal Deinen erfinderischen Kopf an!«
»Mylord, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Aber wenn ich in der Klemme säße, so würde ich auf der Stelle mich nach Cumnorplace begeben und meine Frau zwingen, in die Maßregeln zu willigen, die die Rücksicht auf ihre und meine Sicherheit vorschreiben. Ich möchte doch wissen, ob Mylady Euch zu Danke verpflichtet ist, oder ob das Verhältnis bei diesem schönen Bunde so liegt, daß Ihr der Lady Dank schuldig seid. Ich möchte wohl wissen, wer die meiste Ursache hat, dem andern gefällig zu sein und auf die Wünsche, Anordnungen und die Sicherheit des andern Rücksicht zu nehmen.«
»Ich sage Dir, Varney,« sagte der Graf, »alles, was in meiner Macht lag, ihr zu geben, hat sie tausendmal vergolten, allein durch ihre Tugend und Schönheit.«
»Na, wenn Eure Lordschaft so sehr zufrieden gestellt ist, so ist ja das recht erfreulich,« antwortete Varney, mit seinem gewohnten sardonischen Lächeln, das selbst die Achtung vor seinem Gönner nicht zu unterdrücken vermochte, »Ihr werdet Zeit genug haben, die Gesellschaft einer so graziösen und schönen Frau ungestört zu genießen, das heißt, sobald die Kerkerhaft vorüber ist, durch die Ihr das Verbrechen, Elisabeth Tudor hintergangen zu haben, werdet büßen müssen.«
»Niederträchtiger Schurke!« antwortete Leicester, »spottest Du noch meiner in meinem Unglück? – Mach es, wie Du willst.« »Wenn es Euer Ernst ist, Mylord,« sagte Varney, »so müßt Ihr auf der Stelle nach Cumnorplace.«
»Geh Tu selber, Varney, der Teufel hat Dir die Beredsamkeit verliehen, die am stärksten ist, wenn es eine böse Sache gilt.«
»Wenn es Euch damit Ernst ist, Mylord,« sagte Varney, »daß ich die Aufgabe übernehmen soll, diese überaus erforderliche Maßregel durchzusetzen, dann müßt Ihr mir ein, Schreiben an Mylady mitgeben, das ich als Kreditiv vorzeigen kann.«
Leicester griff zum Schreibzeug und begann einige Male einen Brief an die Gräfin, den er nachher wieder zerriß. Endlich brachte er ein Paar verworrene Zeilen zu Papier, in denen er sie beschwor, aus Gründen, die dringend sein Leben und seine Ehre beträfen, auf ein paar Tage während des Festes zu Kenilworth den Namen Varneys anzunehmen. Er setzte hinzu, daß Varney ihr all die Gründe, die eine solche Täuschung erforderlich machten, mitteilen würde. Dieses Beglaubigungsschreiben unterzeichnete und versiegelte er, dann schleuderte er es über den Tisch hinweg Varney zu mit einer Gebärde, die ihn zum Aufbruch mahnte, und sein Ratgeber zauderte nicht, diesen Wink, den er sogleich verstand, auszuführen.
Varney nahm sich nicht einmal Zeit, die Kleidung zu wechseln, er warf sich sofort in den Sattel und verließ Berkshire, ein einziger Diener folgte ihm. Varney war voll höher Hoffnung. Er hatte Lord Leicester an den Punkt gebracht, wo er ihn hin haben wollte, daß er ihm die geheimsten Winkel seiner Brust aufschloß und ihn als Vermittler bei seinem vertraulichsten Verkehr mit seiner Gattin gebrauchte. Hinfort, das sah er voraus, würde es seinem Gönner schwer fallen, seiner Dienste zu entbehren oder seine Forderungen abzuwerfen, auch wenn sie unvernünftig waren. Und wenn die hochnäsige Dame, so nannte er die Gräfin, sich dem Verlangen ihres Gatten fügte, dann mußte Varney, der angebliche Gatte, zu ihr in ein derartiges Verhältnis treten, daß, es sich noch gar nicht absehen ließ, wo seine Kühnheit eine Grenze finden würde, ja vielleicht verschafften ihm die Umstände einen Triumph, den er mit teuflischen Empfindungen ausmalte, der ihm vor allem vollgültige Rache für ihre frühere Verachtung bringen würde. Dann erwog er wieder die Möglichkeit, daß sie auch gar nicht mit sich könne reden lassen und sich hartnäckig weigern könne, die ihr in dem Drama zu Kenilworth zuerteilte Rolle zu spielen.
»Dann muß Alasko das seine tun,« sagte er. »Krankheit muß dann die Entschuldigung gegenüber Ihrer Majestät sein, daß Frau Varney ihr nicht ihre Huldigung zu Füßen legen kann. – Ja, und vielleicht muß es eine schwere und verzehrende Krankheit sein, wenn Elisabeth noch weiterhin ein so huldvolles Auge auf den Grafen von Leicester wirft. Mags biegen oder brechen, ich will mir die Aussicht, der Günstling eines Monarchen zu sein, nicht Verscherzen. Vorwärts, gutes Pferd, vorwärts – Ehrgeiz und hochfahrende Hoffnung, Wollust und Rache treiben ihre Stachel so tief in meine Brust, wie ich Dir die Sporen in die Flanken drücke. Hei, gutes Pferd – der Teufel sitze uns beiden im Nacken!«