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Sechstes Kapitel.

Die Gräfin war mit ihrer Zofe in Geschwätz und Tändelei begriffen, als sie Hufschlag im Hofe hörte, ans Fenster eilte und ausrief:

»Das ist Leicester! Das ist mein edler Graf! Jeder Hufschlag klingt wie fürstliche Musik! Es ist mein Dudley!«

Ein Weilchen ging es im Hofe hin und her, und Foster kam mit seinem niedergeschlagnen Blick und seinem mürrischen Wesen herein und sagte:

»Meister Richard Varney ist vom Herrn Grafen hergekommen, er ist die ganze Nacht hindurch geritten und verlangt auf der Stelle Eure Ladyschaft zu sprechen.«

»Varney?« erwiderte die enttäuschte Gräfin, »doch er bringt Nachrichten von Leicester, also laßt ihn augenblicklich herein.«

Varney trat in das Boudoir, wo sie in all ihrem natürlichen Liebreiz saß, angetan mit einem prachtvollen und geschmackvollen Morgengewande. Aber das Schönste an ihr waren die vollen, üppigen, lichtbraunen Locken, die in reicher Fülle ihren Hals umfluteten und über einen von gespannter Erwartung wogenden Busen fielen.

Varney trat in das Gemach in demselben Anzug, in dem er am Morgen mit seinem Herrn am Hofe gewesen war, und die reiche Pracht dieses Anzuges nahm sich in der Unordnung nach einem eiligen Ritt in dunkler Nacht und auf schlechten Wegen absonderlich aus. Er sah abgespannt aus, und die Gräfin erschrak sogleich über seinen Anblick und rief:

»Ihr bringt Nachricht von Mylord, Meister Varney? Um Gottes willen ist er krank?«

»Nein, Gnädige, dem Himmel sei Dank!« sagte Varney. »Beruhigt Euch und laßt mich erst zu Atem kommen, ehe ich Euch meine Botschaft ausrichte.«

»Außer Atem, Herr?« versetzte die Lady ungeduldig. »Ich kenne Eure Theaterkniffe. Wenn Euer Atem ausgereicht hat. Euch hierher zu bringen, so wird er Wohl auch noch solange reichen, bis Ihr mir Eure Sache wenigstens in Kürze und in der Hauptsache vorgetragen habt.«

»Gnädige Frau,« versetzte Varney, »wir sind nicht allein, und die Botschaft Mylords war nur für Euer Ohr.«

»Verlaßt uns, Jeanette und Herr Foster,« sagte die Dame, »bleibt aber im Zimmer nebenan, daß wir Euch rufen können.«

Foster und seine Tochter gingen dem Geheiß der Lady Leicester zufolge in das nächste Gemach, das Gesellschaftszimmer, und die Tür zum Schlafzimmer wurde sorgfältig verschlossen und verriegelt. Vater und Tochter verharrten in gespannter Erwartung, aber es war von dem Gespräche nebenan nichts zu hören, die beiden dämpften, wenn sie überhaupt sprachen, ihre Stimmen so sehr, daß kein Wort zu vernehmen war.

Plötzlich aber erklangen ihre Stimmen hastig und durcheinander und überlaut, und gleich darauf rief die Gräfin im Tone höchster Entrüstung:

»Macht die Tür auf, Herr, ich befehle es Euch! – Die Tür auf! – Ich will kein Wort weiter hören!« rief sie und erstickte mit der Heftigkeit ihrer Stimme die leise gemurmelten Laute, die Varney zwischendurch hören ließ. »Hollah! Ihr da, heraus!«, und sie tat ein paar schrille Schreie. »Jeanette, mach Alarm im ganzen Hause! – Foster, brich die Tür auf da, heraus!«, und sie tat ein paar schrille Schreie. »Jeanette, – ich werde hier von einem Verräter festgehalten! – Nimm Axt und Hebebaum, Foster! tu's auf meine Verantwortung!«

»Was soll nicht nötig sein, Gnädige,« sagte Varney endlich deutlich. »Wenn Ihr Mylords wichtige Geheimnisse preisgeben Wollt, so will ich Euch nicht daran hindern.«

Die Tür wurde aufgeriegelt und weit geöffnet, und Jeanette und ihr Vater stürzten herein, begierig, die Ursache des Auftritts zu erfahren.

Während sie hereintraten, stand Varney an der Tür und knirschte mit den Zähnen, und Wut, Scham und Angst malten sich auf seinen Zügen. Die Gräfin stand mitten im Zimmer, aufgelöst in Wut und Raserei. Auf ihrer schönen Stirn traten die Adern in geschwollnen, blauen Linien hervor – Wange und Hals glühten wie Scharlach – ihre Augen glichen denen eines gefangnen Adlers, der rote Blitze gegen die Feinde schleudert, die er mit den Krallen nicht erreichen kann.

Sobald die Tür offen war, lief Jeanette zu ihrer Herrin hin, und langsamer, doch auch mit größerer Hast, als er sonst pflegte, ging Anton Foster auf Richard Varney zu.

»Was ist meiner gnädigen Frau?« rief die erstere.

»Was im Namen des Satans hast Du mit ihr gemacht?« fragte Foster seinen Freund.

»Wer? Ich? Nichts,« antwortete Varney, aber mit gesenktem Haupt und in verbissnem Tone. »Ich habe ihr bloß Seiner Lordschaft Befehle mitgeteilt, und wenn die Dame denen sich nicht fügen will, so muß sie ja besser wissen, als ich, wie sie es verantworten kann.«

»Beim Himmel, Jeanette!« rief die Gräfin, »der falsche Verräter lügt in seinen Hals hinein! Er muß lügen, es ist gar nicht anders möglich, denn er sagt etwas, was Mylord selber Schande macht – er lügt doppelt, denn er will dabei seine eignen, genau so fluchenswerten wie unerreichbaren Zwecke fördern.«

»Ihr habt mich mißverstanden, Lady,« sagte Varney, »laßt die Sache ruhen, bis Ihr Euch beruhigt habt, dann will ich alles erklären.«

»Du sollst nie eine Gelegenheit haben, das zu tun,« sagte die Gräfin. »Sieh ihn an, Jeanette, er ist schmuck gekleidet, er hat das Aeußre eines Edelmanns, und er ist hierher gekommen, mir vorzureden, es beliebe meinem Gemahl – nein, mehr noch, mein Gemahl befehle, daß ich mit ihm nach Kenilworth gehen und vor der Königin und den Edelherren und vor meinem eignen, mir angetrauten Herrn ihn – ihn, diesen Rockausbürster und Stiefelputzer – ihn da, diesen Lakai Mylords – ihn als meinen rechtmäßigen Herrn und Gemahl anerkennen sollte!«

»Ihr hört sie, Foster, und Ihr, junges Mädchen, hört diese Dame,« antwortete Varney, und benutzte die Pause, die die Gräfin wohl mehr aus Mangel an Atem als aus Mangel an Stoff machte, »Ihr hört, daß sie in ihrer Aufregung nun mir einen Vorwurf aus den Maßregeln macht, die unser guter Lord nur zu dem Zwecke anordnet, um gewisse Dinge geheim zu halten – wie er in eben dem Briefe schreibt, den sie in der Hand hält.«

»Der Himmel verzeihe mir!« rief die Gräfin. »Nie will ich glauben, daß der edle Dudley einem so feigen und schändlichen Plane zugestimmt hat! Und wenn er es wirklich getan hat, so zertrete ich seine Niederträchtigkeit und vernichte die Erinnerung daran für immer!«

Mit diesen Worten riß sie Leicesters Brief in Stücke und stampfte in ihrer überheftigen Erregtheit mit dem Fuß auf die Fetzen, als wollte sie selbst die kleinen Schnitzel noch zu nichts zermalmen.

»Seid Zeugen,« sagte Varney, sich fassend, »sie hat Mylords Brief zerrissen, um mir den Plan zur Last zu legen, der von ihm ausgeht – und obgleich ich nichts weiter davon habe, als Gefahr und Plackerei, will sie es doch mir in die Schuhe schieben, als ob ich einen Sonderzweck dabei verfolgte.«

»Du lügst, Du verräterischer Sklave!« rief die Gräfin trotz Jeanettens Versuchen, sie zur Ruhe zu bringen, »Du lügst – laß mich gehen, Jeanette! – Und wäre es das letzte Wort, das ich zu sprechen hätte, er lügt! – Er hat seinen eignen gemeinen Zweck dabei gesucht, und noch deutlicher hätte er mir seine eignen Ansichten enthüllt, hätte ich mich bezwingen und noch länger die Ruhe bewahren können, die ihn zuerst ermutigt hat, seine erbärmlichen Pläne aufzudecken.«

»Gnädige Frau,« sagte Varney, bei all seiner Frechheit aufs höchste bestürzt, »ich bitte Euch, glaubt mir, Ihr irrt Euch!«

»Ebenso gern will ich glauben, Licht sei Finsternis,« erwiderte die Gräfin, die sich gebärdete, wie ein in einer Schlinge gefangnes Wild, »habe ich denn Vergessenheit getrunken? Sind mir denn nicht frühere Zudringlichkeiten bekannt, die, wenn Leicester sie erführe, Dich an den Galgen brächten? – Ich wollte, ich wäre ein Mann nur fünf Minuten lang! Das wäre Zeit genug, einen Feigling wie Dich dahin zu bringen, daß er seine Schurkerei gestünde! Aber geh – geh Deiner Wege. Sag meinem Herrn, wenn ich den schändlichen Weg einschlagen muß, auf den Deine erbärmlichen Kunstgriffe führen müssen, so will ich ihm einen Nebenbuhler geben, der seines Namens ein wenig würdiger sein soll. Er soll nicht durch einen hündischen Lakaien ersetzt werden, dessen größtes Glück es ist, einen Anzug von seinem Herrn zu bekommen, ehe er abgetragen ist, und der höchstens das Zeug dazu hat, eine Vorstadtdirne zu verführen, indem er auf die alten Pantoffel seines Herrn neue Rosetten setzt! – Geh – geh Deiner Wege, Gesell! Ich verachte Dich so sehr, daß ich mich fast schäme, mich über Dich geärgert zu haben,«

Varney ging hinaus in stummer Wut, und Foster folgte ihm, dessen von Natur schwerfälliges Begriffsvermögen von diesem heftigen, überschäumenden Wutausbruch völlig in die Enge getrieben worden war. Zum ersten Male hörte er Laute der Empörung von den Lippen eines Wesens, das bis auf diesen Augenblick zu sanft und lammfromm geschienen hatte, um auch nur einen zornigen Gedanken zu hegen, geschweige denn ein maßloses Wort auszustoßen. Foster folgte daher Varney von Zimmer zu Zimmer und drang unablässig mit Fragen in ihn, auf die jedoch der andre nicht antwortete, bis sie auf der entgegengesetzten Seite des Vierecks und in der Bibliothek angelangt waren. Hier wandte er sich an seinen hartnäckigen Verfolger, und redete ihn in verhältnismäßig ruhigem Tone an, denn er war daran gewöhnt, seine Wut zu bezwingen, und der kurze Weg hatte ihm Zeit genug gegeben, sich zu beruhigen und seine Geistesgegenwart wiederzuerlangen.

»Toni,« sagte er mit seinem gewöhnlichen Grinsen, »der Teufel steckt in der Kanaille! Sie sah so verlockend drein und verstand es so meisterhaft, ihre Züge zu beherrschen, während ich ihr Mylords Botschaft ausrichtete, daß ich wirklich auf den Einfall gekommen bin, auch ein paar Worte für mich selber miteinzuflechten. Nun denkt sie, sie hat meinen Kopf unter ihrer Fuchtel – da irrt sie sich. – Wo ist Doktor Alasko? Ich bedarf seiner. Führe mich in sein Pandämonium!«

Mit schnellen, überstürzten Schritten folgte er Foster, der ihn durch geheime Gänge, von denen manche schon fast verfallen waren, wieder nach der gegenüberliegenden Seite des Vierecks führte, wo in einem unterirdischen Gemach der Alchimist Alasko hauste. In diesem selben Gewölbe hatte einst zum großen Aergernis seiner Brüderschaft einer der Aebte von Abingdon, der eine Vorliebe für okkulte Wissenschaften hatte, sich ein Laboratorium errichtet, worin er, wie viele andre Narren jener Zeit, viel kostbare Zeit und auch viel Geld in der Suche nach dem »großen Arkanum« verschwendet hatte.

Anton Foster blieb vor der Tür stehen, die ängstlich von innen verschlossen war, und schien sich zu bedenken, ob er den Weisen stören solle. Aber Varney klopfte ohne Zaudern an und rief solange, bis endlich langsam und mit Widerstreben der Insasse die Tür aufmachte. Der Alchimist erschien, seine Augen tränten von der Hitze und den Dünsten des Ofens oder Tiegels, über dem er gearbeitet hatte. Der Alte murmelte mit verächtlicher Ungeduld:

»Soll ich immer von dem Treiben des Himmels herab zu dem der Erde zurückgerufen werden?«

»Zum Treiben der Hölle,« versetzte Varney, »denn das ist Dein eigentliches Element. Foster, wir brauchen Dich bei unsrer Verhandlung.«

Foster trat langsam herein, Varney folgte und verriegelte die Tür, und sie setzten sich, um geheimen Rat zu pflegen.

Inzwischen durchmaß die Gräfin das Zimmer, und Scham und Zorn brannten noch immer auf ihrer Wange.

»Der Schurke,« sagte sie, »der kaltblütige, berechnete Sklave! Aber ich habe ihn entlarvt, Jeanette – ich habe die Schlange sich mit all ihren Ringeln vor mir aufrollen lassen, bis sie in ihrer nackten Mißgestalt vor mir kroch – ich habe meine Empörung bezwungen auf die Gefahr hin, vor Anstrengung zu ersticken, bis er mich tief auf den Grund seines Herzens hatte sehen lassen, das schlimmer ist als der finsterste Winkel der Hölle. – Und Leicester – aber es ist unmöglich, der Schurke hat in allem gelogen. Jeanette, ich will nicht länger hier bleiben – ich fürchte mich vor ihm – ich fürchte mich vor Deinem Vater – es tut mir leid, daß ich das sagen muß – aber ich fürchte mich vor Deinem Vater – und am meisten vor diesem abscheulichen Varney. Ich will von Cumnorplace entfliehen.«

»Ach, gnädige Frau, wohin wolltet Ihr denn fliehen, oder wie wolltet Ihr denn aus diesen Mauern entkommen?«

»Das weiß ich nicht, Jeanette,« sagte die unglückliche junge Frau, sah gen Himmel und rang die Hände. »Ich weiß nicht, wohin ich flüchten soll oder wie ich entrinnen soll, aber ich weiß, der Gott, dem ich gedient habe, wird mich in dieser furchtbaren Not nicht verlassen, denn ich bin in der Hand von Bösewichten.«

»Glaubt das nicht, teure Lady,« sagte Jeanette, »mein Vater ist barsch und schroff und verrichtet streng seinen Dienst, aber doch ...« In diesem Augenblick trat Anton Foster herein, einen gläsernen Becher und einen kleinen Flacon in der Hand. Sein Benehmen war sonderbar: denn wenn er bisher auch der Gräfin mit der ihrem Range gebührenden Achtung gegenüber getreten war, so hatte er doch immer die hartnäckige Griesgrämigkeit seines Wesens merken lassen, die sich, wie es bei Leuten seines unglücklichen Temperaments immer der Fall ist, hauptsächlich an denen ausließ, die durch die Verhältnisse ihm unterstellt waren. Aber in diesem Augenblick ließ er nichts von dem finstern Autoritätsbewußtsein merken, das er unter einem plumpen Gebaren der Höflichkeit und Unterwürfigkeit zu verbergen pflegte, wie ein Strauchdieb Pistole und Dolch unter seinem lumpigen Kaftan versteckt.

Und doch schien es, als lächle er mehr aus Furcht als aus Höflichkeit, und als trüge er schon eine weitre Bosheit im Sinne, als er die Gräfin aufforderte, von dem kostbaren, stärkenden Tranke zu genießen, der ihr nach der letzten Aufregung gut tun und beruhigend auf sie wirken würde. Seine Hand zitterte auch, seine Stimme stockte, und sein ganzes äußres Wesen wirkte in der Tat so verdachterregend, daß seine Tochter Jeanette ihn ein Weilchen erstaunt ansah und sich mit einem Male zu einem kühnen Entschluß aufzuraffen schien. Sie hob den Kopf, nahm eine entschiedne und gebieterische Haltung an, trat langsam zwischen ihren Vater und ihre Herrin, nahm ihm das Glas aus der Hand und sagte in leisem, aber entschlossnem Tone:

»Vater, ich will meiner edeln Herrin einschenken, wenn sie es wünscht.«

»Nu, mein Kind?« rief Foster furchtsam, »nein, mein Kind! Nicht Du sollst der Lady diesen Dienst erweisen.«

»Und warum denn nicht,« erwiderte Jeanette, »wenn es überhaupt angebracht wäre, daß meine edle Herrin von dem Tranke genießt?«

»Warum? Warum?« sagte der Seneschall zaudernd, und dann brach er in Wut aus, das Feste Mittel, wenn sich keine Gründe finden lassen. »Weil es mir so paßt, und nun mach, daß Du in die Abendandacht kommst!«

»Nun, so wahr ich noch einmal eine Andacht zu hören hoffe,« erwiderte Jeanette, »ich will heute abend nicht hingehen, ehe ich nicht beruhigt bin, daß meiner Herrin kein Leid geschieht. Gib mir das Fläschchen, Vater,« und sie nahm es ihm aus der widerstrebenden Hand, während er es wie unter Gewissensbissen losließ. »Und nun, Väter,« sagte sie, »was meiner Herrin gut tun soll, das kann mir nichts schaden. Vater, ich trinke Dir zu.«

Ohne ein Wort zu sprechen, stürzte Foster auf seine Tochter zu und riß ihr das Fläschchen aus der Hand.

»Das ist sonderbar, mein Vater,«, sagte Jeanette und hielt den Blick fest auf ihn geheftet, »soll ich weder meiner Herrin einschenken noch selber trinken?«

Die Gräfin verdankte es nur ihrem mutigen Herzen, daß sie diese Szene so ruhig mit angesehen hatte, deren Bedeutung ihr um so klarer war, als der geheime Zweck mit keinem Worte erwähnt wurde. Ihre Wange war wohl beim ersten Schreck blaß geworden, aber ihr Auge sah ruhig und fest verächtlich drein.

»Wollt Ihr von diesem kostbaren Trunke kosten, Meister Foster? Vielleicht weigert Ihr Euch nicht, uns Bescheid zu tun, wenn Ihr es auch Jeanetten nicht erlaubt. Trinkt, Herr, ich bitte Euch.«

»Ich will nicht,« antwortete Foster.

»Und für wen ist denn das köstliche Getränk bestimmt?« fragte die Gräfin.

»Für den Teufel, der es gebraut hat!« antwortete Foster und stürzte hinaus.

Jeanette sah ihre Herrin mit einem Antlitz voll Scham, Entsetzen und Schmerz an.

»Weine nicht um mich, Jeanette,« sagte die Gräfin sanft.

»Nein, gnädige Frau,« versetzte ihre Zofe unter Schluchzen, »nicht um Euch weine ich, sondern um mich selber – und um diesen unglücklichen Mann. Wer vor den Menschen entehrt ist – und von Gott verflucht ist, der hat Grund zu klagen – nicht der, der unschuldig ist. Lebt wohl, Herrin!« setzte sie rasch hinzu und nahm hastig den Mantel, in dem sie auszugehen pflegte.

»Verläßt Du mich, Jeanette?« rief ihre Herrin. »Willst Du von mir gehen in so großer Not?«

»Euch verlassen, liebe Frau?« rief Jeanette, lief zu ihr zurück und deckte ihre Hand mit Küssen, »Euch verlassen? Eher mag mich die Hoffnung auf Gott verlassen! – Nein, Gnädige, mit Recht habt Ihr gefügt, der Gott, dem Ihr dient, werde Euch einen Weg zur Befreiung erschließen. Es gibt einen Weg zur Flucht. Ich habe Tag und Nacht gebetet um Licht, daß ich erkennen möchte, wie ich meiner Pflicht gegen jenen unglücklichen Mann und gegen Euch zugleich genügen könne. Schrecklich und grell ist dieses Licht jetzt aufgedämmert, und die Tür, die Gott aufmacht, darf ich nicht schließen. Fragt mich, nichts weiter. Ich bin binnen kurzem wieder zurück.«

Mit diesen Worten hüllte sie sich in den Mantel und ging hinaus.

Inzwischen war ihr Vater wieder ins Laboratorium getreten, wo er die Helfershelfer seines geplanten Verbrechens antraf.

»Hat der süße Vogel genippt?« fragte Varney mit einem Lächeln, während der Astrolog dieselbe Frage mit den Augen tat, doch ohne ein Wort zu sagen.

»Nein, und sie soll es auch nicht von meiner Hand,« versetzte Foster, »ich soll vor den Augen meiner Tochter zum Mörder werden?«

»Ist Dir nicht gesagt worden, Du verbissner und doch schwachherziger Sklave,« antwortete Varney bitter, »daß von Mord, wie Du es nennst, dabei keine Rede ist? Ist Dir nicht gesagt worden, daß eine kurze Krankheit – ein Unwohlsein, wie es die Weiber oft aus bloßer Launenhaftigkeit erheucheln, das Ganze ist, was hierbei erzielt werden soll? Hier dieser gelehrte Mann wird es Dir beschwören beim Schlüssel zum Schlosse der Weisheit.«

»Ich beschwöre es,« sagte Alasko, »das Elixir, das Du dort in der Flasche hast, schadet dem Leben nichts. Ich schwöre es bei der unsterblichen, unzerstörbaren Quintessenz von Gold, die jede Substanz in der Natur durchzieht, wenn auch ihr geheimes Vorhandensein allein von dem nachgewiesen werden kann, dem Trismegistus den Schlüssel der Kabbala verleiht.

»Das, ist ein nachdrücklicher Schwur,« sagte Varney. »Du warst schlimmer als ein Heide, daß Du nicht daran geglaubt hast. Gib her, ich werde gleich wieder hier sein.«

Mit diesen Worten nahm Varney Foster das Fläschchen aus der Hand und ging hinaus.

Er ließ die beiden allein. Als er nach einiger Zeit wiederkehrte, war seine erste Frage:

»Weißt Du auch ganz bestimmt, Alasko, daß Du nicht mehr und nicht minder hineingemischt hast als das genaue, richtige Maß?«

»Ja,« sagte der Alchimist, »so genau, wie Menschenhände überhaupt bei diesen heikeln Messungen verfahren können.«

»Nun, dann fürchte ich nichts,« sagte Varney, »ich weiß, Du bist bezahlt worden, eine Krankheit zu erzeugen, und Du würdest es für verwerfliche Verschwendung halten, zu demselben Preise einen Mord zu begehen. Komm, wir wollen ein jeder auf unser Zimmer. – Wir werden morgen sehen, wie die Sache wirkt?«

»Wie hast Du sie dazu gebracht, daß sie getrunken hat?« fragte Foster schaudernd.

»Nichts hab ich getan,« antwortete Varney, »ich habe sie nur angesehen mit jenem Blick, der Tollhäusler, Weiber und Kinder in Bann hält. Im Sankt Lukas-Hospital haben sie mir gesagt, ich hätte den richtigen Blick, einen widerspenstigen Patienten zu bewältigen. Die Krankenwärter machten mir ihr Kompliment deswegen. Wenn die Hofgunst mich verläßt, so weiß ich wenigstens, womit ich mir mein Brot verdienen kann.«

»Und fürchtest Du nicht, die Dosis könnte nicht genau abgemessen sein?« fragte Foster.

»In dem Falle wird sie nur um so tiefer schlafen,« versetzte Varney. »Die Furcht davor soll mir nicht die Ruhe rauben. Gute Nacht, Ihr Herren.«


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