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Den Kriegsruf laßt ertönen, wann die Ritter
Vorüberziehn, und schütze Gott das Recht;
Ruft dreimal Sanct Andreas laut und recht!
So sprach der gute Robert, und alsbald
Klang dreimal auch das Zeichen zum Gefecht.
Für Sanct Georg, der Kirche Knecht,
Ist dreimal auch erschallt
In Englands Heere laut und recht
Der Ruf durch Feld und Wald.
Alte Ballade auf die Schlacht von Bannockburn.
Die im vorhergehenden Kapitel erwähnte außerordentliche Entscheidung war, wie man sich denken kann, die Ursache, daß die Führer beider Parteien sich offen zeigten und ihre äußersten Streitkräfte zur Schau trugen, indem sie ihre besonderen Anhänger um sich versammelten. So sah man auch den berühmten Ritter von Douglas mit Sir Malcom Fleming und andern ausgezeichneten Herren, in enger Berathung.
Sir John de Walton, welcher durch das erste Schmettern der Trompeten überrascht wurde, während er die Flucht der Lady Augusta zu sichern sich bemühte, wurde gleich darauf gesehen, wie er seine Anhänger sammelte, und dabei in der thätigen Freundschaft des Ritters von Valence eifrigen Beistand erhielt.
Die Lady Berkeley zeigte bei diesen kriegerischen Vorbereitungen keinen feigen Muth; sie trat vor, indem ihr dicht auf den Fersen der treue Bertram und eine Frau in einem Reithut folgte, deren, obgleich sorgfältig verstecktes Antlitz, kein anderes war, als dasjenige der unglücklichen Margareth de Hautlieu; die schlimmste Furcht derselben, hinsichtlich der Treulosigkeit ihres verlobten Ritters, hatte sich erfüllt.
Es folgte eine Pause, welche einige Zeit lang keiner der Anwesenden zu brechen sich für berechtigt hielt.
Zuletzt trat der Ritter von Douglas vor und sagte mit lauter Stimme: »Ich warte hier, um zu erfahren, ob Sir John de Walton von James Douglas die Erlaubniß nachsucht, sein Schloß räumen zu dürfen, ohne jenes Tageslicht weiter zu verschwenden, welches uns zur Aussuchung eines guten Kampfplatzes dienlich sein wird, und ob er zu dem Zweck den Douglas um Schutz bittet.«
Der Ritter de Walton zog sein Schwert. »Ich halte das Schloß Douglas,« sagte er, »trotz aller tödtlicher Drohungen, und werde niemals Jemand um den Schutz ersuchen, den mir zu leisten mein eigenes Schwert genügt.«
»Ich stehe Euch zur Seite, Sir John,« sagte Aymer de Valence, »als Euer treuer Gefährte, gegen Jedermann, der sich Euch entgegenstellen will.«
»Muth, edle Engländer!« rief die Stimme von Greenleaf; »ergreift in Gottesnamen eure Waffen; Bogen und Partisanen! Ein Bote bringt uns Kunde, daß Pembroke sich in vollem Marsch hierher von den Grenzen Ayrshire's befindet, und in einer halben Stunde bei uns sein wird. Kämpfet tapfer, Engländer! Valence kömmt zum Entsatz! lange lebe der tapfere Graf von Pembroke!«
Die Engländer innerhalb und außerhalb der Kirche zögerten nicht länger, die Waffen zu ergreifen; de Walton rief aus mit lautester Stimme: »Ich bitte den Douglas, sorgfältig auf die Sicherheit der Damen zu achten,« und schlug sich bis zur Kirchthüre durch; die Schotten konnten dem Eindruck des Schreckens nicht widerstehen, welcher sie beim Anblick dieses berühmten und von seinem Waffenbruder unterstützten Ritters erfüllte, die Beide so lange Zeit der Schrecken der Gegend gewesen waren. Mittlerweile hätte sogar de Walton sich gänzlich seinen Weg aus der Kirche hinausbahnen können, wäre ihm nicht der junge Sohn des Thomas Dickson von Hazelside entgegengetreten, während sein Vater von Douglas den Auftrag erhielt, die fremden Damen vor allem Unglück des Kampfes zu schützen, welcher sich jetzt nach so langer Verzögerung in Begriff auszubrechen befand.
De Walton richtete seine Augen zur Lady Augusta, mit dem Wunsch, zu ihrer Rettung herbeizueilen; er sah sich jedoch zu dem Schluß genöthigt, daß er für ihre Sicherheit am besten sorgen werde, wenn er sie unter dem Schutz der Ehre des Douglas lasse.
Der junge Dickson häufte mittlerweile Schlag auf Schlag, indem er mit allem jugendlichen Muth jede ihm mögliche Anstrengung machte, um den Preis der Tapferkeit zu erlangen, welcher dem Sieger des berühmten de Walton gebührte.
»Alberner Knabe,« sagte zuletzt de Walton, welcher einige Zeitlang dem jungen Manne ausgewichen war, »empfange deinen Tod von einer edlen Hand, da du denselben dem Frieden und einem langen Leben vorziehst.«
»Mich kümmert das nicht,« sagte der schottische Jüngling mit seinen letzten Athemzügen, »ich habe lange genug gelebt, da ich Euch so lange an dem Orte hielt, wo Ihr jetzt steht.«
Der junge Mann sagte dies mit Recht, denn als er fiel, um sich niemals wieder zu erheben, stand Douglas an seinem Platze und erneute wieder, ohne ein Wort zu sagen, denselben furchtbaren Einzelkampf mit de Walton, durch welchen sich Beide schon ausgezeichnet hatten, diesmal aber mit gesteigerter Wuth. Aymer de Valence stellte sich seinem Freunde de Walton auf die linke Seite und schien nur zu erwarten, bis einer von Douglas' Leuten demselben sich anschließen würde, um am Kampfe Theil zu nehmen; als er aber Niemand geneigt sah, ihm diese Gelegenheit zu geben, hielt er seine Neigung zurück und blieb ein Zuschauer wider Willen. Zuletzt schien es, als ob Fleming, welcher unter den schottischen Rittern voran stand, sein Schwert mit de Valence zu messen wünsche. Aymer selbst rief aus, von Kampfeslust entbrennend: »Treuloser Ritter von Boghall, tretet vor und vertheidigt Euch gegen die Beschuldigung, Eure Geliebte verlassen zu haben, und als Meineidiger eine Schande der Ritterschaft zu sein.«
»Meine Antwort,« sagte Fleming, »sogar auf eine weniger grobe Schmähung, hängt an meiner Seite.«
Das Schwert befand sich einen Augenblick darauf in seiner Hand, und sogar die zuschauenden geübten Krieger konnten kaum dem Fortgang des Kampfes mit den Augen folgen, welcher eher einem Gewitter im Gebirgslande, als den Streichen und dem Pariren zweier Schwerter glich, das eine auf der Seite des Angreifenden, das andere zur Ausführung der Vertheidigung.
Die Schläge Beider wurden mit überraschender Geschwindigkeit ausgewechselt, und obgleich die zwei Kämpfenden dem Douglas und dem Walton darin nicht gleichkamen, daß Beide einen gewissen Grad der Zurückhaltung in Folge ihrer gegenseitigen Achtung hegten, so wurde der Mangel an kunstgerechter Führung des Kampfes durch einen Grad von Wuth ersetzt, welcher dem Zufall einen gleichen Theil des Ausganges anheimgab.
Als die Gefolge der Ritter ihre Vorgesetzten in so verzweifeltem Gefecht erblickten, verhielten sich dieselben nach der damaligen Sitte ruhig und schauten mit einer Ehrfurcht zu, welche sie instinktartig ihren Befehlshabern und Anführern erwiesen. Ein oder zwei Weiber wurden mittlerweile nach dem Charakter des Geschlechtes aus Mitleid für diejenigen herbeigezogen, welche den Zufälligkeiten des Krieges schon erlegen waren. Der junge Dickson, welcher zu den Füßen der Kämpfenden verschied, wurde gewissermaßen durch Lady Berkeley aus dem Getümmel fortgeschafft, bei welcher die Handlung wegen des beibehaltenen Pilgerkleides weniger auffallend schien, während sie sich vergeblich bemühte, die Aufmerksamkeit des Vaters von jenem jungen Manne der von ihr übernommenen Aufgabe zuzuwenden.
»Belästigt Euch nicht mit nutzlosen Dingen,« sagte der alte Dickson, »und wendet nicht Eure und meine Aufmerksamkeit von Eurer Sicherheit ab. Es ist Douglas' Wunsch, daß Ihr gerettet werdet, und ich betrachte Euch, bei Gott und St. Bride, als meiner Sorgfalt durch meinen Häuptling anvertraut. Glaubt mir, der Tod dieses Jünglings ist keineswegs vergessen, obgleich es jetzt sich nicht geziemt, seiner zu gedenken; eine Zeit wird für die Trauer und eine Stunde für die Rache kommen.«
So sagte der finstere alte Mann, indem er die Augen von dem blutigen Leichnam hinwegwandte, welcher, ein Muster von Schönheit und Kraft, zu seinen Füßen lag.
Als er noch einmal einen schmerzhaften Blick darauf geworfen hatte, wandte er sich ab und nahm eine Stellung ein, worin er, ohne auf den Leichnam seines Sohnes zu blicken, die Lady de Berkeley am besten beschützen konnte.
Mittlerweile wurde der Kampf fortgesetzt, ohne daß er von irgend einer Seite unterbrochen ward, und irgend einen entschiedenen Vortheil darbot. Zuletzt jedoch schien das Schicksal einzuschreiten. Als der Ritter von Fleming heftig vorwärts drang und durch Zufall beinahe dicht an Lady Margareth de Hautlieu gelangte, that er einen Fehlstreich, glitschte mit dem Fuße im Blute des jungen Dickson, stürzte vor seinem Gegner nieder und befand sich in Gefahr, seiner Gnade anheimgegeben zu sein, als Margareth de Hautlieu, welche die Seele eines Kriegers ererbt hatte, und außerdem eine sehr starke, sowie unerschrockene Person war, eine nicht sehr schwere Keule auf dem Boden liegen sah, wo der junge Dickson dieselbe hatte fallen lassen, in demselben Augenblicke ihre Hand bewaffnete und das Schwert des Sir Aymer auffing oder niederschlug, welcher sonst der Sieger des Tages in jenem wichtigen Augenblicke hätte werden müssen.
Fleming hatte mehr zu thun, um ein so unerwartetes Ereigniß zu seinen Gunsten zu benutzen, als sich die Art zu erklären, wie dasselbe auf so eigenthümliche Weise sich zugetragen hatte; er gewann sogleich wieder den von ihm verlornen Vortheil und konnte in dem jetzt nahenden Schluß des Kampfes seinem Gegner ein Bein stellen, welcher auf das Pflaster stürzte, während die Stimme seines Siegers, wenn man denselben als solchen bezeichnen konnte, durch die Kirche mit den Worten ertönte: »Ergib dich, Aymer de Valence – Lösung oder keine Lösung – ergib dich,« fügte er hinzu, als er sein Schwert an den Hals des gefallenen Ritters setzte, »nicht mir, sondern dieser edlen Dame, auf Lösung oder keine Lösung.«
Mit schwerem Herzen bemerkte der englische Ritter, daß er eine so günstige Gelegenheit, Ruhm zu erlangen, verloren habe, und genöthigt wurde, sich seinem Schicksal zu unterwerfen, oder den Tod zu wählen. Es wurde ihm nur der Trost geboten, daß kein Kampf ehrenvoller durchgeführt worden war, und daß er eher durch Zufall als durch Tapferkeit seines Gegners verlor.
Das Schicksal des in die Länge gezogenen und verzweifelten Kampfes zwischen Douglas und de Walton blieb nicht länger ungewiß; die Zahl der Siege im Einzelkampfe, welche Douglas in diesen Kriegen errungen hatte, war wirklich so groß, daß es zweifelhaft war, ob er nicht an persönlicher Kraft und Geschicklichkeit sogar den Bruce übertreffe; er ward wenigstens als demselben gleichstehend in der Kunst des Krieges anerkannt.
Der Stand des Kampfes aber war solcher Art, nachdem er ¾ Stunden gedauert hatte, daß sowohl Douglas wie Walton, deren Nerven nicht von wirklichem Eisen waren, einige Zeichen zu geben begannen, daß sie an ihrem menschlichen Körper die Wirkung der furchtbaren Anstrengung empfänden. Ihre Streiche wurden langsamer geführt und mit geringerer Geschwindigkeit parirt. Als Douglas sah, daß der Kampf bald beendet werden müßte, gab er großmüthig ein Zeichen, der Gegner möge auf einen Augenblick seine Hand anhalten. »Tapferer de Walton,« sagte er, »zwischen uns herrscht keine tödtliche Feindschaft, und Ihr müßt anerkennen, daß Douglas in diesem Waffengange, ob er gleich nichts weiter als Schwert und Mantel besitzt, sich eines entscheidenden Vortheils enthalten hat, als das Glück der Waffen denselben mehr als einmal ihm darbot. Meines Vaters Haus, das weitgedehnte dasselbe umringende Landgut, die Wohnung und die Gräber meiner Ahnen bieten einem Ritter einen genügenden Lohn zum Kampfe, und erheischen von mir in gebieterischer Stimme die Fortsetzung des Krieges für einen solchen Lohn, während Ihr der edlen Dame in aller Ehre und Sicherheit so willkommen seid, als hättet Ihr dieselbe aus den Händen des Königs Edward selbst erhalten. Ich gebe Euch mein Wort, daß die äußerste Ehre, welche sich einem Gefangenen erweisen läßt, und eine sorgfältige Vermeidung von Allem, welches einer Beschimpfung oder Beleidigung gleichen würde, dem Sir John de Walton zu Theil werden soll, wenn er das Schloß und sein Schwert dem James Douglas überliefert.«
»Es ist vielleicht das Schicksal, wozu ich bestimmt bin,« erwiderte Sir Walton, »niemals aber will ich es freiwillig wählen, und niemals soll man von mir sagen, daß meine eigene Zunge dieses verhängnißvolle Wort aussprach, wo nicht in den Augenblicken höchster Noth, wenn ich zugleich die Spitze meines Schwertes gegen meine eigene Brust richten würde. Pembroke ist mit seinem ganzen Heere auf dem Marsche, um die Garnison von Douglas zu entsetzen; ich höre sogar jetzt das Gestampf seiner Rosse; ich werde meinen Platz behaupten, so lange ich von Hülfe erreicht werden kann, und besorge nicht, daß der mir jetzt ausgehende Athem lange genug ausdauern wird, um den Kampf bis zur Ankunft unerwarteter Hülfe fortzuführen. Kommt also, und behandelt mich nicht als ein Kind, sondern als einen Mann, welcher sich nicht scheut, der äußersten Kraft seines ritterlichen Feindes zu begegnen, mag ich stehen oder fallen.«
»So sei es also,« sagte Douglas, indem ein dunkles Roth, ähnlich der glühenden Farbe auf einer Gewitterwolke, bei den Worten seine Stirn überzog, welches andeutete, daß er eine schnelle Beendigung des Kampfes beabsichtige.
In diesem Augenblicke aber vernahm man ein sich näherndes Pferdegestampf, und gleich darauf rief ein wallisischer Ritter, als solcher durch die Kleinheit seines Pferdes, seine nackten Beine und seinen blutigen Speer kennbar, den Kämpfenden mit lauter Stimme zu, des Kampfes sich zu enthalten.
»Befindet sich Pembroke in der Nähe?« fragte de Walton.
»Er steht bei Loudounhill,« sagte der Eilbote; »allein ich überbringe seine Befehle dem John de Walton.«
»Ich bin bereit, ihnen zu gehorchen, und zwar unter allen Gefahren,« erwiederte der Ritter.
»Wehe mir,« sagte der Walliser, »daß mein Mund eine so unwillkommene Botschaft den Ohren eines so tapferen Mannes überbringen muß! Der Graf von Pembroke erhielt gestern die Kunde, das Schloß Douglas werde vom Sohne des verstorbenen Grafen und allen Einwohnern der Gegend angegriffen. Der edle Ritter Pembroke, als er dies hörte, beschloß zu Eurer Unterstützung mit allen verfügbaren Streitkräften auszurücken. Er that dies, und hegte somit die Ueberzeugung, daß er das Schloß entsetzen könne, als er unerwarteter Weise bei Loudounhill einer Truppenmacht begegnete, welche nicht viel geringer an Zahl als die seinige war, und von jenem berühmten Bruce geführt wurde, den die schottischen Rebellen als ihren König anerkennen. Er marschirte sogleich zum Angriffe mit dem Eide, nicht eher einen Kamm durch seinen grauen Bart zu ziehen, als bis er England von dieser wieder ausbrechenden Pest befreit habe. Allein das Schicksal war gegen uns.«
Er hielt hier an, um Athem zu schöpfen.
»Das dachte ich,« rief Douglas aus; »Robert Bruce wird jetzt der nächtlichen Ruhe pflegen können, da er dem Grafen Pembroke das Gemetzel seiner Freunde und die Zerstreuung seines Heeres im Methuenwalde heimgegeben hat. Seine Leute sind daran gewöhnt, allen Gefahren zu begegnen und dieselben zu überwinden; diejenigen, welche ihm folgen, sind unter Wallace erzogen worden, und nahmen ohnedem Antheil an den Gefahren von Bruce selbst. Man glaubte, die Wogen hätten sie verschlungen, als sie sich im Westen einschifften; wisset aber, daß Bruce entschlossen war, mit dem Beginn des jetzigen Frühlings seine Ansprüche zu erneuern, und daß er sich nicht aus Schottland zurückziehen wird, so lange er lebt und so lange noch ein einziger Lord übrig ist, um seinem Fürsten zur Seite zu stehen, aller Gewalt zum Trotz, welche so verrätherisch gegen ihn angewandt wurde.«
»Die Sache ist nur zu wahr,« sagte der Walliser Meredith, »wenn auch ein stolzer Schotte uns dies verkünden mag. Da Graf von Pembroke gänzlich geschlagen, vermag er nicht, Ayr zu verlassen, wohin er sich mit großem Verluste zurückgezogen hat; er sendet Sir John de Walton seine Verhaltungsbefehle, daß er für die Uebergabe des Schlosses Douglas die möglichst besten Bedingungen zu erhalten suchen möge, da er sich auf seine Unterstützung nicht mehr verlassen kann.«
Die Schotten, welche diese unerwartete Nachricht vernahmen, ließen vereint einen so lauten und kräftigen Ausruf erschallen, daß die Ruinen der alten Kirche zu wanken und die Häupter der dort dicht Gedrängten mit dem Einsturz zu bedrohen schienen.
De Walton's Stirne verfinsterte sich bei der Nachricht von Pembroke's Niederlage, obgleich sie ihm in einiger Hinsicht Freiheit ertheilte, Maßregeln zur Sicherheit der Lady Berkeley zu treffen. Er konnte jedoch nicht mehr Anspruch auf dieselben ehrenvollen Bedingungen machen, die ihm Douglas angeboten hatte, bevor die Nachricht der Schlacht von Loudonhill angelangt war.
»Edler Ritter,« sagte er, »es ist Euch jetzt anheimgegeben, die Bedingungen für die Uebergabe Eures Familienschlosses vorzuschreiben; auch besitze ich jetzt nicht mehr ein Recht auf diejenigen, welche Eure Großmuth mir vor Kurzem antrug. Ich unterwerfe mich meinem Schicksale. Welche Bedingungen Ihr auch mir gewähren mögt, so muß ich Euch mein Schwert überreichen, dessen Spitze ich jetzt zur Erde als Zeichen senke, daß ich es niemals mehr gegen Euch richten werde, bevor eine passende Lösung es mir wiederum zur Verfügung stellt.«
»Gott behüte,« erwiderte der edle James von Douglas, »daß ich solchen Vortheil über den tapfersten Ritter unter den Wenigen annehmen sollte, welche mir den Kampf heiß machten. Ich will das Beispiel des Ritters von Fleming befolgen, welcher ritterlicherweise seinen Gefangenen einer edlen hier gegenwärtigen Dame überlieferte; in gleicher Weise übertrage ich meine Ansprüche auf die Person des gefürchteten Ritters de Walton der hohen und edlen Lady Augusta de Berkeley, die, wie ich hoffe, die Annahme einer Gabe von Douglas nicht verschmähen wird, welche das Schicksal des Krieges in seine Hand gab.«
Als Sir John de Walton diese unerwartete Entscheidung vernahm, blickte er empor, wie der Reisende, welcher entdeckt, daß die Sonnenstrahlen die Wolken eines Ungewitters durchbrechen und zerstreuen, nachdem dasselbe ihn einen ganzen Morgen begleitet hat. Lady von Berkeley gedachte der Würde, welche ihrem Range geziemte, und bewies der Ritterlichkeit des Douglas ihre Anerkennung. Indem sie eilig die Thränen trocknete, welche ihr wider ihren Willen aus den Augen flossen, so lange die Sicherheit ihres Liebhabers und ihre eigene auf dem ungewissen Ausgang des Zweikampfes beruhte, nahm sie wieder einen Ausdruck an, wie er sich für eine Heldin jener Zeiten eignete, die keine Abneigung gegen die Wichtigkeit und Bedeutung empfand, welche ihr nach der allgemeinen Richtung des Ritterthums jener Zeiten beigelegt wurde. Sie schritt voran, indem sie ihre Gestalt anmuthig, wenn auch bescheiden, in der Stellung einer Dame hielt, welche schon gewohnt war, in Schwierigkeiten, wie den jetzigen, die Entscheidung zu geben, und sprach zur Versammlung in einem Tone, der für die Göttin des Krieges nicht ungeziemend gewesen wäre, wenn dieselbe am Schluß eines an Todten und Sterbenden reichen Kampfes ihren Einfluß geltend machen würde.
»Der edle Lord Douglas,« sagte sie, »soll nicht ohne Belohnung das Feld verlassen, welches er auf so edle Weise gewonnen hat. Diese reiche Schnur von Brillanten, welche mein Ahne aus der Beute des Sultans von Trapezunt erhielt, wird geehrt sein, wenn sie unter der Rüstung des Douglas eine Haarlocke der glücklichen Dame trägt, welche der siegreiche Lord zu seiner Leiterin im Ritterthum angenommen haben wird; und wenn Douglas, bis er die Schnur mit ihrer Locke schmückt, der geehrten Haarlocke, welche dieselbe jetzt trägt, ihre Stellung zu behaupten gestattet, so wird diejenige, auf deren Kopf sie wuchs, es für ein Zeichen halten, daß die arme Augusta de Berkeley ihre Verzeihung für das von ihr begangene Vergehen erhält, daß sie irgend einen sterblichen Menschen zum Kampf mit dem Ritter von Douglas veranlaßte.«
»Frauenliebe,« erwiederte Douglas, »wird diese Locke niemals von meiner Brust trennen, die ich bis zum letzten Tage meines Lebens als Sinnbild weiblicher Würde und Tugend tragen werde. Ohne die Rechte des würdigen und geehrten Sir John de Walton verletzen zu wollen, thue ich hiemit allen Männern kund, daß jeder, welcher sagen wird, Lady Augusta de Berkeley habe in dieser verwickelten Angelegenheit anders gehandelt, als es der edelsten ihres Geschlechtes geziemt, eine solche Behauptung mit seiner Lanze gegen James Douglas nach den Regeln des Kampfes vertreten muß.«
Diese Rede wurde mit Beifall von allen Anwesenden vernommen, und die vom Walliser über die Niederlage des Grafen von Pembroke und dessen Rückzug überbrachte Nachricht versöhnte auch die trotzigsten der englischen Soldaten mit der Uebergabe des Schlosses Douglas. Die Uebereinkunft wegen der nothwendigen Bedingungen wurde schnell abgeschlossen, wodurch die Schotten in den Besitz der Festung nebst Vorräthen an Waffen und Munition jeder Art gelangten. Die Besatzung erhielt freien Abzug mit Pferden und Waffen, um auf dem kürzesten und sichersten Wege nach England zurückzukehren, ohne daß sie Schaden erlitt oder anrichtete.
Margareth von Hautlieu blieb in ihrer Großmuth nicht zurück; der tapfere Ritter von Valence durfte seinen Freund de Walton und Lady Augusta von Berkeley ohne Bezahlung eines Lösegeldes begleiten. Als der ehrwürdige Prälat von Glasgow erkannte, daß die Verwirrung, welche mit allgemeinem Kampf zu enden drohte, einen für sein Vaterland so günstigen Ausgang nahm, begnügte er sich damit, der versammelten Menge seinen Segen zu ertheilen, und sich mit denjenigen seines Gefolges zu entfernen, welche gekommen waren, am Gottesdienste des Tages Theil zu nehmen.
Diese Uebergabe des Schlosses Douglas am Palmsonntage des Jahres 1306 war der Beginn einer ununterbrochenen Reihe von Siegen, worin der größere Theil der Festungen und Schlösser Schottlands in die Gewalt derjenigen fiel, welche die Freiheit ihres Landes vertraten, bis endlich die Alles entscheidende Schlacht von Bannockburn geliefert wurde, worin die Engländer die schwerste Niederlage erlitten, welche jemals in ihrer Geschichte berichtet worden ist.
Ueber das Schicksal der Personen dieser Geschichte ist nur noch wenig zu sagen. König Edward war über Sir John de Walton heftig erzürnt, daß er das Schloß Douglas übergeben und zugleich seinen eigenen Zweck, die beneidete Hand der Erbin von Berkeley sich gesichert hatte. Die Ritter, denen er die Sache zur Untersuchung übertrug, gaben jedoch ihr Urtheil dahin ab, daß de Walton frei von allem Tadel sei, denn er habe seine Pflicht in vollster Ausdehnung erfüllt, bis die Befehle seines Vorgesetzten ihn zur Uebergabe des gefährlichen Schlosses nöthigten.
Eine eigenthümliche Erneuerung des Verkehrs fand einige Monate später zwischen Margareth von Hautlieu und ihrem Liebhaber, Sir Malcolm Fleming, statt. Der Gebrauch, welchen die Dame von ihrer Freiheit und der Entscheidung des schottischen Parlaments machte, welches sie in den Besitz der Güter ihres Vaters setzte, bestand darin, daß sie ihrem abenteuerlichen Geiste und den Gefahren sich hingab, denen ihr Geschlecht sich gewöhnlich nicht unterzieht; die Dame von Hautlieu war nicht allein eine kühne Jägerin, sondern sie soll sogar das Schlachtfeld nicht gescheut haben. Sie blieb den politischen Grundsätzen treu, welche sie während ihrer Jugend ergriffen hatte; es schien, als ob sie den tapferen Entschluß hege, den Gott Cupido von der Mähne ihres Rosses abzuschütteln, wo nicht ihn von dessen Füßen zertreten zu lassen.
Fleming, obgleich er aus der Nähe der Grafschaften Lanark und Ayr verschwunden war, machte einen Versuch, sich bei Lady Hautlieu zu rechtfertigen; diese jedoch schickte seinen Brief uneröffnet zurück, und blieb allem Anschein nach entschlossen, niemals wieder auf ihr früheres Verlöbniß zurückzukommen. In einer späteren Zeit des Krieges mit England, als Fleming eines Abends nach dem gewöhnlichen Verfahren derer, die Abenteuer suchten, die Grenze durchreiste, ereignete es sich, daß eine auffallend gekleidete Dienerin um den Schutz seines Armes im Namen ihrer Dame nachsuchte, welche, wie sie sagte, spät am Abend von Räubern zur Gefangenen gemacht war, die sie mit Gewalt durch den Wald schleppten. Flemings Lanze wurde natürlich gegen die Missethäter eingelegt, und wehe dem, welcher den Stoß derselben empfing; der Erste fiel ohne weiteren Kampf, und ein Anderer erlitt dasselbe Schicksal nach etwas längerem Widerstande. Die Dame, von dem Stricke befreit, welcher ihr die Freiheit, sich zu bewegen, benahm, trug kein Bedenken, sich dem braven Ritter anzuschließen, von welchem sie erlöst war, und obgleich das Dunkel ihr nicht gestattete, ihren alten Liebhaber als Befreier zu erkennen, so mußte sie doch ein williges Ohr dem Gespräche leihen, als er mit ihr weiter ritt. Er sprach von den gefallenen Räubern, als seien es Engländer, welche ein Vergnügen in Uebung von Unterdrückung und Grausamkeiten gegen reisende schottische Damen übten, deren Sache deßhalb die Kämpfer Schottlands vertreten müßten, so lange Blut in ihren Adern fließe. Er sprach von der Ungerechtigkeit des Nationalkrieges, welcher einen Vorwand für Plane solcher Unterdrückung darbiete, und die Dame, welche soviel von der Einmischung der Engländer in die Angelegenheiten Schottlands gelitten hatte, stimmte bereitwillig mit den Gefühlen überein, welche er über einen Gegenstand aussprach, die sie als unheilvoll zu betrachten so sehr berechtigt war. Ihre Antwort wurde mit der Lebhaftigkeit einer Person gegeben, welche keine Bedenken tragen würde, im Fall die Zeiten ein Beispiel erheischten, sogar mit ihrer Hand die Rechte zu vertreten, für welche ihre Zunge sprach.
Im Wohlgefallen über die von ihr ausgedrückten Gedanken und durch einen geheimen Zauber ihrer Stimme getroffen, welcher, einmal dem menschlichen Herzen eingeprägt, durch eine lange Reihe nachfolgender Ereignisse aus der Erinnerung selten vertilgt wird, war er beinahe überzeugt, daß die Töne ihm bekannt seien, und einstens den Schlüssel zu seinen innigsten Gefühlen gebildet hätten. Während der weiteren Reise wurde des Ritters aufgeregter Seelenzustand eher gesteigert als vermindert, Ereignisse seiner frühesten Jugend wurden ihm durch so unbedeutende Umstände wieder vorgeführt, daß dieselben unter gewöhnlichen Umständen gar keine Wirkung auf ihn hätten machen können; die Gefühle schienen denjenigen ähnlich, welche sein früheres Leben ihm aufdrängte, und er hatte sich beinahe eingeredet, daß die Morgenröthe des Tages für ihn der Anfang gleich sonderbaren und außerordentlichen Schicksals sei.
Während dieser Aufregung hatte Sir Malcolm Fleming keine Ahnung, daß die Dame, die er bis dahin verschmäht hatte, ihm wiederum nach Jahren der Trennung zugeführt war; noch weniger war er, als die Morgenröthe ihm einen theilweisen Anblick des Antlitzes seiner schönen Gefährtin gestattete, zu dem Glauben vorbereitet, daß er wiederum sich als Ritter der Margareth von Hautlieu bezeichnen konnte, wie es wirklich der Fall war. Die Dame, als sie sich an jenem ereignißvollen Morgen aus der Kirche von Douglas zurückzog, hegte nicht den Entschluß, wie es auch bei keiner Dame der Fall sein wird, auf die Schönheit, welche sie einmal besessen, ohne Bemühung zu deren Wiedererlangung, zu verzichten. Eine Behandlung von geschickten Händen während eines längeren Zeitraums hatte mit Erfolg die Narben beseitigt, welche als Zeichen ihres Sturzes zurückgeblieben waren. Dieselben waren beträchtlich verwischt, und das verlorne Organ des Gesichtes schien nicht länger eine bedeutende Entstellung zu sein, denn es wurde durch ein schwarzes Band und die Künste ihrer Kammerfrau versteckt, welche dasselbe durch eine Haarlocke bedeckte. Kurzum, er sah dieselbe Margareth von Hautlieu fast mit derselben Art des Ausdrucks wieder, wie ihn ihr Antlitz, dem hohen und leidenschaftlichen Charakter ihrer Seele gemäß, stets gezeigt hatte. Beiden schien es deßhalb, daß ihr Schicksal, als es sie nach einer scheinbar so entscheidenden Trennung wieder zusammenführte, ihnen seinen Entschluß verkünde, wornach sie unzertrennlich sein sollten. Zur Zeit, als die Sommersonne hoch am Himmel stand, ritten die beiden Reisenden, von ihrem Gefolge abgesondert, zusammen und unterhielten sich mit einem Eifer, welcher andeutete, daß sie wichtige Gegenstände besprachen. Kurz darauf ward es in Schottland allgemein bekannt, daß Sir Malcolm Fleming und Lady Margareth de Hautlieu sich am Hofe des guten Königs Robert vermählen würden, und daß der Gatte mit den Ehren von Biggar und Cumbernauld belehnt werden solle – einer Grafschaft, die im Besitz der Familie Fleming so lange verblieben ist.
Dem freundlichen Leser wird hier mitgetheilt, daß dies wahrscheinlich die letzten Dichtungen sein werden, welche der Verfasser dem Publikum vorlegt. Er steht jetzt im Begriff, fremde Länder zu besuchen; ein Kriegsschiff ist von seinem königlichen Herrn dazu bestimmt, den Verfasser des Waverley in fremde Klimate zu führen, in welchen er möglicherweise eine solche Herstellung seiner Gesundheit erlangen wird, daß er seinen Lebensfaden bis zu dessen Beendigung in seinem eigenen Vaterlande fortspinnen kann. Hätte er seine literarischen Arbeiten fortgesetzt, so ist es wirklich wahrscheinlich, daß der Krug, um die nachdrucksvolle Sprache der heiligen Schrift zu gebrauchen, schon jetzt an der Quelle zerbrochen wäre. Niemand, der einen ungemeinen Theil des unschätzbarsten weltlichen Glückes genossen hat, ist zu Klagen berechtigt, wenn sein Leben, dem Schlusse nahe, das gewöhnliche Verhältniß von Schatten und Stürmen darbietet. Dieselben haben ihn wenigstens in einer nicht schmerzhafteren Weise getroffen, als eine solche von der Abstattung der Schuld der Menschheit unzertrennlich ist. Von denjenigen seiner Freunde, auf deren Mitgefühl er jetzt rechnen könnte, sind viele schon todt, und andere, welche ihm auf seiner Leidensreise folgen werden, können mit gutem Recht von ihm erwarten, daß er ein Beispiel der Festigkeit und Geduld gebe, um so mehr, als er während seiner Pilgerschaft keinen geringen Theil von Glück genossen hat.
Das Publikum hat Ansprüche auf seine Dankbarkeit, welche der Verfasser des Waverley in der geziemenden Weise nicht auszusprechen vermag; es sei ihm jedoch die Hoffnung gestattet, daß sein Geistesvermögen, wie es sich jetzt noch befindet, zugleich mit seinem Körper ausdauern werde, und daß er seinen Freunden, wenn auch nicht ganz in der früheren Weise, doch in einem Zweige der Literatur wieder begegne, welcher jene Bemerkung von ihm ferne halten mag, »daß ein Veteran der Bühne überflüssig ist, wenn er noch immer in seinen alten Tagen auf derselben erscheinen will.«
Abbotsford, September 1831.