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Der Boden, welchen die Beiden durchwandelten, war, wie Lady Augusta fühlen konnte, sehr gebrochen und uneben, und bisweilen schien er ihr mit Trümmern bedeckt, die sich nur mit großer Schwierigkeit übersteigen ließen. Die Kraft ihres Begleiters half ihr bei solchen Verlegenheiten vorwärts, allein seine Hülfe wurde auf so rauhe Weise geleistet, daß die Dame einige Male aus Furcht oder Schmerzen schwer seufzte oder stöhnte, wie sehr sie auch solche Zeugnisse ihrer Furcht oder ihrer erlittenen Pein zu unterdrücken suchte. Bei einer solchen Gelegenheit merkte sie deutlich, daß der rauhe Jäger sich von ihrer Seite entfernt hatte, und daß ein Anderer seine Stelle einnahm, dessen Stimme, eine sanftere als die seines Gefährten, sie kürzlich vernommen zu haben glaubte.
»Edle Dame,« waren die Worte, »fürchtet nicht die geringste Verletzung von unserer Seite, und nehmt meine Dienste statt derjenigen meines Bedienten an, welcher mit unserem Brief fortgegangen ist; haltet es nicht für eine übermüthige Benützung meiner Lage, wenn ich Euch in meinen Armen durch die Trümmer trage, durch welche Ihr Euch allein und mit verbundenen Augen nicht leicht hindurch bewegen könnt.«
Zugleich fühlte die Lady Augusta de Berkeley, daß sie von der Erde mit den starken Armen eines Mannes emporgehoben und mit äußerst sanfter Behandlung fortgetragen wurde, so daß sie nicht mehr die peinlichen Anstrengungen zu machen brauchte, die bisher von ihr gefordert wurden. Sie schämte sich ihrer Lage. Wie zartfühlend sie aber auch sein mochte, so war es nicht Zeit zu klagen, wodurch sie Personen hätte beleidigen können, die günstig zu stimmen ihr Interesse erheischte. Sie unterwarf sich deßhalb der Nothwendigkeit und vernahm, wie ihr folgende Worte in's Ohr geflüstert wurden:
»Fürchtet nichts, man hat gegen Euch nichts Böses im Sinne, auch soll Sir John de Walton, wenn er Euch so liebt, wie Ihr es verdient, keinerlei Unbill von uns erleiden. Wir verlangen nur von ihm, daß er uns und Euch Gerechtigkeit erweise; seid versichert, daß Ihr Euer eigenes Glück am besten erfüllt, wenn Ihr unsere Absichten unterstützt, welche sowohl die Erlangung Eurer Freiheit, wie die Erreichung Eurer Wünsche bezwecken.«
Die Lady Augusta würde hierauf eine Antwort gegeben haben; in dem Zustande jedoch, worin sie voll von Besorgniß schnell weiter gebracht wurde, stockte ihr der Athem, so daß sie nur unverständliche Töne hervorzubringen vermochte. Mittlerweile begann sie zu bemerken, daß sie in ein Gebäude, und wahrscheinlich ein verfallenes, eingeschlossen wurde; obgleich nämlich die Art ihrer Fortbringung ihr nicht länger gestattete, die Natur des Weges deutlich zu erkennen, so merkte sie doch an der Abwesenheit der frischen Luft, die bisweilen fehlte und bisweilen in heftigen Windstößen eindrang, daß sie durch Gebäude geführt wurde, welche zum Theil noch ganz waren und an anderen Stellen den Wind durch weite Risse und Spalten zuließen. Einmal schien es der Dame, als ob sie durch eine beträchtliche Menge von Leuten hindurch gegangen sei, welche sämmtlich Schweigen beobachteten, obgleich ein Gemurmel bisweilen vernommen wurde; zu einem solchen schien jeder in einigem Grade beizutragen, obgleich der allgemeine Ton nicht über ein Geflüster hinausging. Ihre Lage ließ sie auf jeden Umstand achten, und sie bemerkte auch bald, daß jene Leute demjenigen auswichen, welcher sie trug, bis sie zuletzt erkannte, daß ihr Träger eine regelmäßige Treppe hinabsteige, und daß sie jetzt mit Ausnahme seiner allein sei. Als sie, wie es der Dame schien, auf einem mehr ebenen Boden angelangt waren, ging es auf diesem sonderbaren Wege weiter, weder in gerader Richtung, noch auf bequeme Weise; die Atmosphäre war die eines verschlossenen Raumes bis zum Ersticken, und erweckte zugleich ein unangenehmes Gefühl feuchter Luft, als erhöben sich Dünste aus einem frischen Grabe. Ihr Führer redete sie wieder an:
»Ihr müßt, Lady Augusta, noch etwas länger ausharren und die Luft ertragen, die uns Allen eines Tages gemeinschaftlich sein wird. Durch die Nothwendigkeit meiner Lage muß ich mein gegenwärtiges Amt Eurem ursprünglichen Führer wieder zurückgeben, und kann Euch nur die Versicherung ertheilen, daß weder er noch irgend Jemand sonst Euch die geringste Unhöflichkeit oder Beleidigung anthun soll; darauf könnt Ihr Euch bei dem Worte eines Ehrenmannes verlassen.«
Mit den Worten legte er sie auf den weichen Rasen und machte ihr zu ihrer großen Erleichterung begreiflich, daß sie sich wieder in frischer Luft und außerhalb der dumpfen Atmosphäre befand, welche sie früher wie die eines Leichenhauses erdrückt hatte. Zugleich sprach sie in einem Geflüster den ängstlichen Wunsch aus, daß man ihr den um ihren Kopf geschlungenen Mantel abnehmen möge, welcher ihr beinahe das Vermögen zu athmen benehme, obgleich derselbe nur verhindern sollte, daß sie die Gegenstände während ihrer Fortschaffung bemerke. Ihrer Bitte gemäß wurde die Binde ihr sogleich abgenommen und sie beeilte sich mit unbedeckten Augen ihre Umgebung zu beschauen.
Der Platz, wo sie sich befand, war von dicken Eichbäumen überschattet, unter welchen sich einige Reste von Gebäuden oder von etwas Aehnlichem vorfanden, vielleicht dieselben Trümmer, über welche noch vor kurzem ihr Weg ging. Eine klare Quelle fließenden Wassers drang unter den verschlungenen Wurzeln eines dieser Bäume hervor und bot der Dame Gelegenheit einen Trank des reinen Elementes zu genießen, sowie ihr Antlitz zu waschen, welches ungeachtet der Sorgfalt und beinahe Zärtlichkeit, womit sie so eben getragen worden war, manche Schramme erhalten hatte. Das kühle Wasser hemmte bald die Blutung dieser kleinen Verletzungen, und diente zugleich, um die etwas erschütterte Besinnung der Dame wieder herzustellen. Ihr erster Gedanke ging dahin, ob ein Fluchtversuch, wenn ein solcher möglich wäre, auch zweckmäßig sein würde. Eine augenblickliche Ueberlegung überzeugte sie jedoch, daß sie an einen solchen Entwurf nicht denken dürfe. Dieser zweite Gedanke wurde durch die Annäherung der riesenhaften Gestalt des Jägers Turnbull bestätigt, dessen rauhe Stimme sie vernahm, bevor noch derselbe ihrem Auge erkennbar war.
»Habt Ihr meine Rückkehr ungeduldig erwartet, schöne Dame? Ein solcher Mann wie ich,« fuhr er mit spöttischer Stimme fort, »welcher auf der Jagd der wilden Hirsche und des wilden Rindviehs immer voran ist, pflegt auch nicht zurückzubleiben, wenn eine schöne Dame wie Ihr den Gegenstand der Verfolgung abgibt; bin ich in meiner Begleitung nicht so beharrlich, wie Ihr es vielleicht erwartet, so glaubt mir, daß es nur deßhalb geschah, weil ich mit einer andern Angelegenheit beschäftigt war, welcher ich sogar die Pflicht, Euch zu begleiten, opfern mußte.«
»Ich biete dir keinen Widerstand,« sagte die Dame; »unterlasse es jedoch bei Vollbringung deiner Pflicht, meine Unbehaglichkeit durch dein Gespräch zu steigern, denn dein Herr hat mir sein Wort gegeben, er werde nicht leiden, daß ich in Schrecken gesetzt oder mißhandelt werde.«
»Nun, schöne Dame,« erwiderte der Jäger, »ich hielt es stets für passend, mit sanften Worten das Wohlgefallen schöner Damen zu erregen, wenn Ihr aber damit nicht zufrieden seid, so finde ich auch kein Vergnügen an einer Jagd nach schönen und feiertäglichen Worten, und es ist mir deßhalb ebenso behaglich, jetzt zu schweigen. Kommt also, da wir, bevor der Morgen schließt, Euren Liebhaber erwarten und von ihm seinen letzten Entschluß über eine Angelegenheit erfahren müssen, welche so sonderbar verwickelt geworden ist. Mehr Verkehr will ich mit Euch nicht als einem Frauenzimmer halten, sondern mit Euch als einer verständigen Person reden, wenn Ihr auch eine Engländerin seid.«
»Ihr werdet,« erwiderte die Dame, »die Absichten derjenigen, auf deren Befehl Ihr handelt, dadurch am besten erfüllen, daß Ihr Euch mit mir in gar keine Unterredung einlaßt, soweit dieselbe für Euren Charakter als Führer nicht erforderlich ist.«
Der Mann zog seine Augenbrauen zusammen, schien jedoch in den Vorschlag der Lady Berkeley einzuwilligen und schwieg, als Beide einige Zeit lang ihren Weg verfolgten, indem Jeder seinen Gedanken nachhing, welche wahrscheinlich auf Gegenstände wesentlich verschiedener Art gerichtet waren. Zuletzt wurde der laute Schall eines Jagdhorns in nicht großer Entfernung von den ungeselligen Reisegefährten vernommen.
»Das ist die Person, welche wir suchen,« sagte Turnbull, »ich kann den Ton seines Jagdhorns von jedem andern in diesen Wäldern unterscheiden, und mein Befehl geht dahin, Euch zur Unterredung mit demselben zu bringen.«
Das Blut schoß schnell durch die Adern der Dame beim Gedanken, daß sie auf diese Weise mit so wenigen Umständen dem Ritter vorgestellt werde, zu dessen Gunsten sie in übereilter Weise ihre Wahl mehr den Sitten jener Zeiten gemäß ausgesprochen hatte, worin übertriebene Empfindungen oft Handlungen außergewöhnlicher Großmuth einflößten, als es jetzt in unseren Tagen geziemend erscheinen würde, wo Alles für abgeschmackt gilt, was nicht auf einem Beweggrund beruht, womit die unmittelbaren selbstsüchtigen Interessen des Handelnden in Verbindung stehen. Als Turnbull deßhalb in sein Horn stieß, um Antwort auf das von Beiden vernommene Zeichen zu geben, war die Dame im ersten Antrieb der Schaam und der Furcht zur Flucht geneigt. Turnbull bemerkte ihre Absicht, hielt sie fest mit nicht sehr sanftem Griffe und sagte: »nun Lady, es ist zu erwarten, daß Ihr Eure Rolle in dem Drama weiter spielt, welches, wenn Ihr nicht auf der Bühne bleibt, sehr schlimm für uns Alle, und zwar mit einem Todeskampfe zwischen Eurem Liebhaber und mir enden muß, worauf es sich dann zeigen wird, wer von uns Eurer Gunst am würdigsten ist.«
»Ich will geduldig sein,« sagte die Dame, bedenkend, daß sogar die Gegenwart dieses fremden Mannes und der Zwang, welchen er gegen sie zu üben schien, eine Art Entschuldigung für ihre weiblichen Bedenklichkeiten sei, daß sie jetzt vor ihrem Liebhaber, wenigstens beim ersten Auftreten, in einer Verkleidung erscheinen müsse, welche, wie sie ihrem Gefühle nach bekennen mußte, nicht sehr anständig oder der Würde ihres Geschlechtes gemäß war.
Im nächsten Augenblick, als ihr diese Gedanken durch den Sinn gegangen waren, wurde der Hufschlag eines näher kommenden Pferdes vernommen, und Sir John de Walton, als er sich durch die Bäume hindurch drängte, bemerkte die Gegenwart seiner Geliebten, die wie es schien, sich als Gefangene in der Gewalt eines schottischen Geächteten befand, welcher ihm nur durch seine frühere Kühnheit während der Jagd bekannt war.
Seine Ueberraschung und seine Freude gaben dem Ritter nur die hastigen Ausdrücke ein: »Elender, laß deine Beute fahren oder stirb in deinem ruchlosen Versuche, die Bewegungen einer Dame zu hemmen, welcher zu gehorchen die Sonne selbst stolz sein würde.«
Zugleich ließ Sir John de Walton seine schwere Lanze fallen, deren vollkommenen Gebrauch die Bäume nicht gestatteten, sprang vom Pferde und nahte Turnbull mit gezogenem Schwerte, denn er besorgte, daß dieser Jäger die Dame vermittelst eines Weges im Dickicht seinen Blicken entziehen werde, sowie er früher einen solchen Weg zu seiner Flucht benutzt hatte.
Der Schotte hielt mit seiner linken Hand den Mantel der Dame, erhob aber mit seiner Rechten seine Streitaxt, um den Schlag seines Gegners zu pariren und zurückzugeben, indeß die Dame sprach:
»Sir John de Walton, um des Himmelswillen, unterlaßt alle Gewaltthätigkeit, bis Ihr vernehmt, zu welchem friedlichen Zwecke ich hieher gebracht bin, und durch welche friedliche Mittel dieser Kampf sich beendigen läßt. Dieser Mann, obgleich ein Feind von Euch, ist gegen mich ein höflicher und achtungsvoller Führer gewesen, und ich bitte Euch, ihn zu verschonen, während er den Zweck verkündet, wegen dessen er mich hieher gebracht hat.«
»Von Zwang und von der Dame de Berkeley in demselben Athem zu sprechen, wäre schon genügender Grund zum augenblicklichen Tode,« sagte der Gouverneur vom Schloß Douglas, »allein Ihr befehlt, Dame, und ich verschone sein unbedeutendes Leben, obgleich ich Ursache zur Klage gegen ihn habe, deren geringste, wenn er tausend Leben besäße, für die Verwirkung aller genügen würde.«
»John de Walton,« erwiederte Turnbull, »diese Dame weiß sehr wohl, daß keine Furcht vor dir Einfluß auf meine Seele übt, um diese Zusammenkunft friedlich abzuhalten. Würde ich nicht durch andere Umstände gebunden, welche sowohl für Douglas, wie für dich von höchster Wichtigkeit sind, so würde ich nicht mehr Furcht hegen, dem Aeußersten, was du thun kannst, zu trotzen, als ich jetzt empfinde, während ich dieß Bäumchen auf den Boden lege, worauf es wächst.«
Mit den Worten erhob Michael Turnbull seine Streitaxt, und hieb von einem nahen Eichbaum einen Zweig, beinahe von der Dicke eines Mannesarmes ab; derselbe stürzte mit seinen Seitenzweigen und Blättern zwischen de Walton und dem Schotten nieder, und gab einen auffallenden Beweis von der Schärfe der Waffe und von der Kraft und Gewandtheit dessen, welcher sie gebrauchte.
»Laßt also zwischen uns einen Waffenstillstand stattfinden, guter Gesell,« sagte Sir John de Walton, »da es der Dame beliebt, daß dieß der Fall ist, und verkünde mir, was du mir hinsichtlich ihrer zu sagen hast.«
»Darüber,« sagte Turnbull, »habe ich nur wenige Worte Euch zu sagen, merkt sie aber Euch genau, Herr Engländer: Die Lady Augusta de Berkeley, als sie in diesem Lande umherirrte, ist eine Gefangene des edlen Lord Douglas, des rechtlichen Erben des Schlosses und Gutes, geworden. Derselbe findet sich verpflichtet, folgende Bedingungen mit der Freiheit dieser Dame zu verknüpfen, welche in jeder Hinsicht solcher Art sind, daß ein Ritter das Recht zu ihrer Aufstellung durch guten und gesetzlichen Krieg erlangt. Ich thue dir Folgendes kund und zu wissen: Die Lady Augusta soll in aller Ehre und Sicherheit dem Sir John de Walton oder Denjenigen überliefert werden, die er zum Zweck, sie in Empfang zu nehmen, bevollmächtigt. Andererseits soll das Schloß Douglas selbst zugleich mit allen Vorposten und Garnisonen als Zubehör von Sir John de Walton in derselben Lage und mit denselben Vorräthen und Kriegsmaschinen überliefert werden, welche jetzt in diesen Mauern sich vorfinden; ein Waffenstillstand für die Zeit eines Monats soll zwischen Sir James Douglas und Sir John de Walton geschlossen werden, um die Bedingungen der Uebergabe von beiden Seiten zu verabreden, nachdem zuvor Ritterwort und Eid Beider verpfändet wurde, daß in der Auslösung der ehrenwerthen Dame gegen besagtes Schloß der volle Zweck gegenwärtiger Uebereinkunft liegt, und daß jeder andere Gegenstand des Streites nach dem Belieben benannter edler Ritter zwischen ihnen ehrenvoll ausgeglichen und beseitigt werden soll, oder daß diese streitigen Punkte je nach ihrem Belieben durch einen ritterlichen Zweikampf nach bestehendem Gebrauch in offenem Felde und in Gegenwart einer ehrenwerthen Person entschieden werden, welche letztere Würde genug besitzt, um den Vorsitz zu führen.«
Nur mit Schwierigkeit kann man sich das Erstaunen des Sir John de Walton denken, als er den Inhalt dieser Herausforderung vernahm; er blickte auf die Lady von Berkeley mit jenem Ausdruck der Verzweiflung, den man bei einem Verbrecher voraussetzen müßte, welcher seinen Schutzengel Vorbereitungen treffen sähe, um ihn für immer zu verlassen. Auch in ihrer Seele erhoben sich ähnliche Gedanken, als enthielten sie ein Zugeständniß dessen, was sie für den höchsten Gipfel ihrer Wünsche gehalten haben würde, während jedoch Bedingungen gestellt wurden, welche schmachvoll für ihren Geliebten sein mußten und deßhalb dem feurigen Schwerte des Cherubs glichen, welches eine unübersteigliche Scheidewand zwischen unsern ersten Eltern und den Segnungen des Paradieses bildete. Sir John de Walton brach nach augenblicklichem Bedenken das Schweigen mit diesen Worten:
»Edle Dame, Ihr könnt erstaunen, daß mir eine Bedingung zum Zweck Eurer Freiheit auferlegt wird, und daß Sir John de Walton, welcher schon jetzt gegen Euch solche Verpflichtungen hat, auf deren Anerkennung er stolz ist, dennoch Bedenken trägt, dieselbe mit dem größten Eifer anzunehmen, obgleich Ihr dadurch der Freiheit und Unabhängigkeit zurückgegeben würdet. Allein die jetzt gesprochenen Worte drangen durch meine Ohren, ohne meinen Verstand zu erreichen, und ich muß die Lady de Berkeley um Verzeihung ersuchen, wenn ich mir einige Zeit zur Ueberlegung ausbitte.«
»Und ich,« fiel Turnbull ein, »habe nur Vollmacht, Euch eine halbe Stunde zur Ueberlegung eines Anerbietens zu gestatten, zu dessen Annahme, wie mich däucht, Ihr vor Freude schulterhoch springen solltet, anstatt Euch Zeit zum Nachdenken auszubitten. Was verlangt diese Botschaft anders, als wozu Euch Eure Pflicht als Ritter nöthigt? Ihr habt Euch verpflichtet das Werkzeug des Tyrannen Edward zur Behauptung des Schlosses Douglas als dessen Befehlshaber zu werden, und zwar zum Schaden der schottischen Nation und des Ritters von Douglasdale, die niemals als Volk oder als Einzelne Euch den geringsten Schaden zugefügt haben; Ihr verfolgt deßhalb eine solche Richtung, die eines guten Ritters unwürdig ist. Andererseits ist die Freiheit und Sicherheit Eurer Dame unter voller Versicherung ihrer vollen Unverletztheit und Ehre gegen die Bedingung hin angeboten, daß Ihr Euer ungerechtes Verfahren, worin Ihr Euch so unvorsichtig einließet, von jetzt an aufgeben müßt. Beharrt Ihr dabei, so übergebt Ihr Eure eigene Ehre und das Glück der Dame dem Gutdünken von Männern, hinsichtlich derer Ihr Alles thatet, um sie zur Verzweiflung zu bringen, und die Ihr wahrscheinlich auch nach solchen Aufreizungen in dieser Stimmung antreffen werdet.«
»Wenigstens nicht von dir,« sagte der Ritter, »habe ich die Weise zu erfahren, wie der Douglas die Gesetze des Krieges erklären, oder de Walton dieselben auf dessen Vorschrift empfangen wird.«
»Ich werde also nicht,« fragte Turnbull, »als ein freundschaftlicher Bote empfangen? Lebt wohl und denkt an diese Dame, als befinde sie sich in solchen Händen, die vor Euch gesichert sind, während Ihr die Euch überbrachte Botschaft überlegen könnt. Kommt Frau, wir müssen fort.«
Mit den Worten ergriff er die Hand der Dame und zog sie fort, als wolle er sie mit Gewalt entfernen. Die Dame war bewegungslos und beinahe bewußtlos dagestanden, als die beiden Krieger Worte wechselten; als sie den Griff der Faust von Michael Turnbull fühlte, rief sie beinahe außer sich vor Furcht: »Helft mir, de Walton!«
Der Ritter zur augenblicklichen Wuth aufgereizt, griff den Jäger mit äußerster Hitze an, und ertheilte ihm mit seinem langen Schwerte beinahe unversehens zwei oder drei heftige Schläge, wodurch derselbe so verwundet wurde, daß er in das Dickicht zurücksank. De Walton stand im Begriff ihn zu tödten, als er durch den ängstlichen Schrei seiner Dame daran verhindert wurde. »Ach, de Walton, was habt Ihr gethan? Dieser Mann war nur ein Gesandter und hätte frei von aller Beschädigung heimkehren müssen, so lange er sich auf die Ueberbringung der ihm übertragenen Botschaft beschränkte, wenn du ihn aber erschlagen hast, so kann mir furchtbare Rache folgen!«
Die Stimme der Dame schien den Jäger aus der Betäubung zu erwecken, worin er durch die empfangenen Schläge versunken war. Er sprang auf mit den Worten: »Seid wegen meiner unbesorgt, und glaubt nicht, daß ich das Mittel sein werde, um Unheil anzustiften. Der Ritter hat mir in seiner Hast keine Warnung in einer Herausforderung gegeben und dadurch einen Vortheil erlangt, den er, wie ich glaube, sonst in solchem Fall verschmäht haben würde. Ich will den Kampf auf gleichere Bedingungen hin erneuern, oder einen andern Kämpfer herbeirufen, wenn es dem Ritter gefällig ist.«
Mit diesen Worten verschwand er.
»Fürchte dich nicht, Herrscherin der Gedanken de Walton's,« begann der Ritter auf's Neue, »sondern glaube, daß du über das Alles lachen kannst, wenn wir zusammen das Obdach von Douglas-Castle mit dem Schutz des heiligen Kreuzes von St. Georg erreichen. Wenn Ihr mir nur die maulwurfartige Verblendung verzeihen könnt, die ich mir niemals vergeben werde – eine Blindheit, womit ich nicht die Sonne bei ihrer augenblicklichen Verfinsterung erkannte, so kann mir keine Aufgabe als zu schwer für menschliche Kraft bezeichnet werden, daß ich eine solche nicht unternehmen sollte, um die Erinnerung an meinen argen Fehler zu vertilgen.«
»Erwähnt dessen nicht weiter,« sagte die Dame; »in solchen Augenblicken wie diesen, wo unsere Leben sogleich gefährdet werden können, muß man nicht auf Zänkereien leichterer Art zurückkommen. Ich kann Euch sagen, wenn ihr es noch nicht wißt, daß die Schotten hier in der Nähe unter Waffen stehen, und daß sogar die Erde sich eröffnet hat, um dieselbe vor Eurer Besatzung zu verbergen.«
»So mag sie sich öffnen,« sagte Sir John de Walton, »und jeden Teufel im höllischen Abgrund aus seinem Gefängniß entweichen lassen, um unsere Feinde zu verstärken – dennoch schönste Dame, in welcher ich eine Perle von unschätzbarem Werth erhalten habe, will ich mir die Sporen vom niedrigsten Küchenjungen abhauen lassen, wenn ich den Kopf meines Pferdes vor der größten Streitmacht nach hinten wende, welche diese rohen Gesellen versammeln können, mag ich derselben auf der Erde oder unter ihr begegnen. In deinem Namen trotze ich ihnen Allen zum augenblicklichen Kampfe.«
Als Sir John de Walton diese letzten Worte ziemlich laut ausgerufen, kam ein großer Ritter in schwarzer Rüstung aus dem Theile des Dickichts hervor, wo Turnbull verschwunden war. »Ich bin,« sagte derselbe, »James Douglas, und Eure Aufforderung ist angenommen. Ich, der Herausgeforderte, bestimme die Waffen in unserer ritterlichen jetzt von uns getragenen Wehr, und bestimme ebenso zum Ort des Kampfes dieß Feld oder diese Schlucht, genannt die blutige Quelle Der verhängnisvolle Name, blutiger Sumpf oder Quelle, bezeichnet eine kleine Schlucht, die etwa ? Meile nordwestlich von Douglas-Castle entfernt liegt. Nach Herrn Haddow stammt der Name, örtlichen Ueberlieferungen gemäß, von dem Ueberfall einer Abtheilung des Schlosses, welche Sir James Douglas hier überfiel und erschlug., und zwar sogleich, wobei die Kämpfenden wie wahre Ritter auf die Vortheile beiderseitig verzichten.«
»So sei es in Gottes Namen,« sagte der englische Ritter, welcher, obgleich durch ein so plötzliches Zusammentreffen mit einem so furchtbaren Krieger, wie der junge Douglas, überrascht, zu stolz war, um an die Zurückweisung des Kampfes zu denken.
Nachdem er der Dame ein Zeichen gegeben hatte, daß sie sich hinter ihn begebe, damit er nicht den Vortheil verliere, den er durch ihre Befreiung von dem Jäger erlangt habe, zog er sein Schwert und näherte sich in einer überlegten und vorbereiteten Stellung des Angriffs langsam seinem Gegner. Das Zusammentreffen war furchtbar, denn der Muth und die Geschicklichkeit sowohl des Lord Douglas wie des de Walton waren damals höchst berühmt, und vielleicht konnte die ganze Ritterschaft keine zwei Ritter von ähnlich berühmten Namen aufstellen. Ihre Streiche fielen, als seien sie durch eine gewaltige Kriegsmaschine geschleudert, und wurden mit gleicher Kraft und Gewandtheit aufgefangen und parirt. Es zeigte sich innerhalb der Zeit von zehn Minuten durchaus keine Wahrscheinlichkeit, daß der Eine den Sieg über den Andern gewinnen würde. Einen Augenblick hielten beide nach gegenseitiger, stillschweigend gegebener Einwilligung ein, wie es schien um Athem zu schöpfen, während welcher Pause Douglas sagte: »Ich bitte, daß diese edle Dame begreife, ihre Freiheit sei durchaus nicht bei dem jetzigen Kampfe betheiligt, welcher allein die Ungerechtigkeit betrifft, welche dieser Sir John de Walton und seine englische Nation dem Andenken meines Vaters und meinem eigenen natürlichen Rechte erwies.«
»Ihr seid großmüthig, Herr Ritter,« erwiderte die Dame, »in welche Umstände aber versetzt Ihr mich, wenn Ihr mich durch Tod oder Gefangenschaft meines Beschützers beraubt, und mich in fremdem Lande allein laßt?«
»Ist das der Ausgang des Kampfes,« erwiderte Sir James, »so wird Euch der Douglas selbst in Euer Geburtsland sicher zurückbringen, denn niemals veranlaßte sein Schwert eine Verletzung, ohne daß er auch nicht Willens gewesen wäre, die Ausgleichung mit derselben Waffe zu bieten; will Sir John de Walton das geringste Zugeständniß mir geben, daß er auf den gegenwärtigen Kampf verzichtet, wäre es auch nur, daß er eine einzige Feder aus dem Busche seines Helmes preisgibt, so wird der Douglas seinerseits auf jeden Zank verzichten, welcher die Ehre der Dame oder ihre Sicherheit verletzen kann, und der Kampf wird verschoben werden, bis uns der Krieg beider Nationen wieder zusammen führt.«
Sir John de Walton überlegte einen Augenblick, und die Dame, obgleich sie nicht redete, schaute auf ihn mit Blicken, welche klar genug ausdrückten, wie sehr sie wünsche, daß er die weniger gewagte Wahl treffe. Des Ritters eigene Bedenklichkeiten verhinderten jedoch, daß er den Fall ihrer so günstigen Entscheidung überließ.
»Niemals soll es von Sir John de Walton gesagt werden,« erwiderte er, »daß er in der geringsten Weise seine eigene Ehre und die seines Vaterlandes preisgab. Dieser Zweikampf mag sich mit meiner Niederlage oder vielmehr mit meinem Tode enden, und dann empfehle ich dem Douglas mit meinem letzten Athemzuge die Sorgfalt um die Lady Augusta, und hege das Vertrauen, daß er sie mit seinem Leben vertheidige, und sie in Sicherheit zu den Hallen ihrer Ahnen bringen werde. So lange ich aber lebe, wird sie nie eines andern Beschützers, wie dessen bedürfen, welcher durch ihre eigene Wahl dazu bestimmt ist, mag sich vielleicht auch ein Besserer vorfinden, auch werde ich nicht das geringste Zugeständniß machen, und wäre es das einer Feder meines Helmes, wodurch ich anerkennen müßte, ich habe einen ungerechten Kampf, sowohl für die Sache Englands, wie für die Schönste seiner Töchter geführt. Nur so viel will ich dem Douglas zugestehen – einen augenblicklichen Waffenstillstand, vorausgesetzt, die Dame wird an ihrer Rückkehr nach England nicht verhindert und unser Kampf an einem andern Tage ausgefochten. Das Schloß und das Gebiet von Douglas ist das Eigenthum Edwards von England, und der Gouverneur in dessen Namen der rechtmäßige Gouverneur. Für diese Behauptung werde ich kämpfen, so lange meine Augenlider noch nicht geschlossen sind.«
»Die Zeit entflieht,« sagte Douglas, »ohne auf unsere Entschließungen zu warten; auch besitzt kein Theil ihres Verlaufes solchen Werth, wie derjenige, welcher jetzt mit jedem Athemzuge, den wir einhauchen, vergeht; warum sollen wir auf morgen vertagen, was heute geendet werden kann? Werden unsere Schwerter schärfer, oder unsere Arme, dieselben zu führen, stärker sein wie jetzt? Douglas wird Alles thun, was ein Ritter vermag, um Hülfe einer Dame in der Noth zu leisten; er wird jedoch ihrem Ritter nicht das geringste Zeichen von Achtung gewähren, welches Sir John de Walton durch Waffengewalt mir entreißen zu können wähnt.«
Mit diesen Worten begannen die Ritter wieder ihren tödtlichen Kampf, und die Dame war unentschlossen, ob sie die Flucht auf den verwirrten Pfaden des Waldes versuchen, oder den Ausgang des hartnäckigen Kampfes erwarten solle. Mehr durch den Wunsch, das Schicksal des Sir John de Walton zu sehen, als durch irgend eine andere Rücksicht, ward sie, gleichsam bezaubert, auf dem Platze zu bleiben bewogen, wo einer der heftigsten Kämpfe zwischen zwei der tapfersten Ritter geliefert wurde, welche jemals ein Schwert zogen. Zuletzt versuchte die Dame den Kampf dadurch zu beendigen, daß sie sich auf das Glockengeläute berief, welches zum Gottesdienste des Tages, wie erwähnt, eines Palmsonntages einlud.
»Um des Himmels willen,« sagte sie, »um Eurer selbst und der Frauenliebe willen, so wie wegen der Pflichten der Ritterschaft haltet Eure Hände nur eine Stunde lang zurück und tragt Sorge, daß bei so gleicher Kraft Mittel gefunden werden, den Waffenstillstand in festen Frieden zu verwandeln; bedenket, dieß ist Palmsonntag; wollt ihr ein den Christen so eigenthümliches Fest mit Blut beflecken? Unterbrecht eure Fehde wenigstens so lange, daß ihr zur nächsten Kirche Zweige tragend geht, und zwar nicht mit der prahlerischen Weise irdischer Sieger, sondern um euch vor den Regeln der gesegneten Kirche und den Einrichtungen unserer heiligen Religion zu demüthigen.«
»Zu dem Zweck war ich, schöne Dame, nach der heiligen Kirche von Douglas unterwegs,« sagte der Engländer, »als ich so glücklich war, Euch an diesem Orte zu begegnen; auch habe ich nichts dagegen, jetzt wieder dorthin zu gehen, und einen Waffenstillstand auf eine Stunde abzuschließen. Auch zweifle ich nicht, dort Freunde vorzufinden, denen ich Euch mit Sicherheit anvertrauen kann, im Fall ich unglücklich bei dem jetzt abgebrochenen Kampfe sein sollte, welcher nach dem Gottesdienste wieder beginnen wird.«
»Auch ich gehe,« sagte der Douglas, »einen Waffenstillstand von so kurzer Zeit ein, und zweifle nicht, daß gute Christen genug in der Kirche sind, welche ihren Herrn nicht im Kampfe überwältigt sehen wollen. Laßt uns dorthin gehen, und möge Jeder das Schicksal auf sich nehmen, welches uns der Himmel senden wird.«
Aus diesen Worten mußte Sir John de Walton schließen, daß Douglas einer Anzahl Menschen dort versichert sei, welche sich als seine Anhänger versammeln würden; er hegte aber auch keinen Zweifel, so viele Leute seiner Besatzung dort zu finden, daß sie jeden Versuch zum Aufstand niederhalten konnten; auch war nach seiner Meinung das Wagniß wohl des Versuches werth, weil er vielleicht sich dadurch eine Gelegenheit verschaffen konnte, die Lady Augusta de Berkeley in Sicherheit zu bringen, wenigstens in so weit, daß ihre Freiheit von dem Ausgang eines allgemeinen Kampfes statt des ungewissen Verlaufes eines Zweikampfes zwischen ihm und Douglas abhängig gemacht würde.
Beide ausgezeichnete Ritter hegten innerlich die Ansicht, daß der Vorschlag der Dame, ob er sie gleich von ihrem gegenwärtigen Kampfe befreite, sie durchaus nicht verbindlich machte, sich auch der Folgen zu enthalten, welche sich durch eine Vermehrung ihrer Streitkräfte zu ihrem Vortheil ergeben würden; ein Jeder verließ sich dabei auf seine Ueberlegenheit, für die er durch vorhergehendes Verfahren bis zu einem gewissen Grade Vorkehrungen getroffen hatte. Sir John de Walton hielt es beinahe für gewiß, daß er mit mehreren Abtheilungen von Soldaten zusammentreffen werde, welche das Land durchsuchten, und die Wälder in jeder Richtung durchforschten. Douglas, wie man sich denken kann, hatte sich nicht in ein Land, wo ein Preis auf seinen Kopf gesetzt war, ohne die Begleitung einer genügenden Anzahl zuverlässiger Anhänger zu begeben gewagt, die mit einander in größerer oder geringerer Verbindung standen und so aufgestellt waren, daß sie sich gegenseitig unterstützen konnten. Jeder hegte deßhalb gegründete Hoffnung, daß er durch den vorgeschlagenen Waffenstillstand einen Vortheil über seinen Gegner erhalten werde, obgleich Niemand genau wußte, in welcher Weise und bis zu welcher Ausdehnung ein solcher Erfolg sich erringen lasse.