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Heiß-Sporn: Mir bleibt hier keine Wahl; er ärgert mich
Mit dem Geschwätz vom Maulwurf und von Hummeln,
Vom Träumer Merlin, dessen Seherkunden,
Vom Drachen und vom schuppenlosen Fisch,
Vom Vogel Greif, dem man die Flügel stutzte,
Vom Raben, welcher mausert, von dem Löwen,
Der niederduckt, und von dem Katzensprunge,
Kurzum, mit albernem Gewäsch in Menge,
So daß ich gänzlich die Geduld verliere.
König Heinrich IV.
Das Gespräch zwischen dem Sänger und dem alten Armbrustschützen nahm natürlich eine ähnliche Richtung, wie dasjenige von Heiß-Sporn und Glendower, woran Gilbert Greenleaf allmälig einen größeren Antheil nahm, als es seiner Erziehung und seiner Denkungsweise gemäß zu sein schien. Als er aber sich anstrengte, sich der Feldzeichen militärischer Häuptlinge, ihrer Kriegsrufe, Sinnbilder und anderer Abzeichen zu erinnern, wodurch dieselben im Kriege sich auszeichneten, und in prophetischen Reimen angedeutet werden konnten, begann er das Vergnügen zu empfinden, welches die meisten Leute fühlen, wenn sie an sich unerwarteterweise den Besitz einer Fähigkeit entdecken, deren Anwendung der Augenblick erheischt, so daß sie durch den Besitz Bedeutung erlangen. Des Sängers gesunder Menschenverstand erstaunte sicherlich über die von seinem Gefährten gezeigten Widersprüche, als sich derselbe von seiner Liebhaberei hinreißen ließ, einerseits seine neu entdeckte Eigenschaft zur Schau zu tragen, und andererseits sich an die Vorurtheile zu erinnern, die er während seines ganzen Lebens gegen Sänger als gegen Leute gehegt hatte, welche mit ihrem ganzen Gefolge von Sagen und Fabeln falsch wären, und im Allgemeinen aus dem nördlichen Lande stammten.
Als sie von einer Lichtung des Waldes zu einer andern kamen, begann der Sänger über die Menge der ihnen begegnenden schottischen Andächtigen zu erstaunen, welche nach der Kirche zu eilen schienen, um der Ceremonie des Tages beizuwohnen, wie aus den von ihnen getragenen Zweigen erhellte. Einem Jeden derselben legte der Armbrustschütze eine Frage über das Dasein eines Platzes, genannt die blutige Quelle, und wo derselbe liege, vor; Alle schienen jedoch entweder den Ort nicht zu kennen, oder der Antwort auszuweichen, wozu sie einen Vorwand in der Frageweise des munteren Bogenschützen fanden, die einen zu großen Beigeschmack von dem herzerfreuenden Frühstück hatte. Die allgemeine Antwort ging immer dahin, sie kennten keinen solchen Ort, oder hätten an andere Sachen am ersten Morgen der heiligen Osterwoche, als an die Antworten auf so eitle Fragen zu denken. Als zuletzt die Antwort der Schotten ein- oder zweimal beinahe einen finsteren Ausdruck annahm, wurde die Sache dem Sänger auffallend; er bemerkte, es sei immer Unheil im Werke, wenn das Volk dieses Landes keine höfliche Antwort vornehmeren Leuten ertheile, womit es doch sonst so bereit zu sein pflege; es scheine, als ob dasselbe eine viel zu zahlreiche Versammlung für den Gottesdienst am Palmsonntag abhalten wolle.
»Ohne Zweifel, Herr Armbrustschütze,« fuhr der Sänger fort, »werdet Ihr demgemäß Eurem Ritter Bericht abstatten, und ich verspreche Euch, im Falle Ihr es nicht thun wollt, daß ich es selbst für meine Pflicht halten werde, weil auch die Freiheit meiner Gebieterin dabei betheiligt ist, die Umstände Sir John de Walton mitzutheilen, welche bei mir Verdacht erwecken, über diesen außerordentlichen Zusammenfluß der Schotten und über das finstere Wesen, welches ihre sonstige Höflichkeit ersetzt hat.«
»Still, Herr Sänger,« erwiderte der Bogenschütze, ärgerlich über Bertrams Einmischung in Kriegsangelegenheiten, »glaubt mir, daß schon manche Armee von den Berichten abhängig wurde, die ich den Feldherren abstattete; dieselben waren stets den Pflichten des Krieges gemäß klar und deutlich. Euer Spaziergang, würdiger Freund, betrifft ganz andere Stoffe, und zwar Angelegenheiten des Friedens, alte Gesänge und Prophezeiungen, sowie dergleichen andere Angelegenheiten, und ich bin weit davon entfernt, einen Wettstreit darin mit Euch eingehen zu wollen; glaubt mir aber, wir thun am besten, daß wir nicht versuchen, uns in unsere gegenseitigen Angelegenheiten einzumischen.«
»Ich bin weit von diesem Wunsche entfernt,« erwiderte der Sänger; »ich möchte jedoch wünschen, zum Schlosse schnell zurückzukehren, um Sir John de Walton's Meinung über dasjenige, was wir gesehen haben, zu erfahren.«
»Dagegen,« erwiderte Greenleaf, »läßt sich durchaus nichts einwenden, wenn Ihr aber den Gouverneur zu dieser Stunde aufsuchen wollt, so könnt Ihr ihn am sichersten in der Kirche von Douglas finden, wohin er sich bei solchen Gelegenheiten, wie der gegenwärtigen, höchst regelmäßig mit seinen hauptsächlichsten Offizieren begibt, um durch seine Gegenwart zu verhüten, daß ein Tumult zwischen Engländern und Schotten bei solchen Gelegenheiten ausbricht, was sonst sehr leicht geschehen könnte. Befolgen wir deßhalb unsere ursprüngliche Absicht, am Gottesdienste des Tages Theil zu nehmen, so kommen wir aus diesen verwickelten Wäldern heraus, und können den kürzesten Weg nach dem Schloß Douglas einschlagen.«
»Gehen wir also so schnell als möglich,« sagte der Sänger, »und zwar mit um so größerer Eile, da es mir scheint, daß Etwas gerade an diesem Orte vorgefallen ist, welches beweist, daß der christliche Friede, welchen man dem heutigen Tage schuldig ist, nicht unverletzlich beobachtet wurde. Was bedeuten diese Blutstropfen (er meinte diejenigen, welche aus den Wunden von Turnbull geflossen waren)? Weßhalb hat die Erde die Eindrücke dieser tiefen Fußstapfen erhalten, welche von bewaffneten Rittern herstammen müssen, die ohne Zweifel nach den Zufällen eines heftigen und trotzigen Kampfes vordrangen und sich zurückzogen?«
»Bei unserer Frau!« erwiderte Greenleaf, »ich muß eingestehen, daß du einen klaren Blick hast; von welcher Art waren meine Augen, als sie dir gestatteten, der erste Entdecker der Zeichen eines Zweikampfes zu werden? Hier sind die Federn eines blauen Federbusches, hinsichtlich dessen ich mich hätte erinnern müssen, daß mein Ritter sie annahm, oder wenigstens mir gestattete, sie heute Morgen auf seinem Helme als Zeichen seiner wiederkehrenden Hoffnungen wegen der lebhaften Farben anzubringen. Hier liegt der Federbusch, von seinem Kopfe heruntergehauen, und wie man schließen muß, durch keine freundschaftliche Hand. Kommt, Freund, zur Kirche; du sollst an mir ein Beispiel über die Weise erhalten, wie de Walton, wenn er sich in Gefahr befindet, unterstützt werden muß.«
Er ging durch die Stadt Douglas, nachdem er am südlichen Thor eingetreten war, auf demselben Wege voran, auf welchem Sir Aymer den gespensterhaften Ritter angegriffen hatte.
Wir können jetzt bestimmter sagen, daß die Kirche von Douglas ursprünglich ein stattlicher gothischer Bau gewesen war, dessen Thürme, sich hoch über die Mauern der Stadt erhebend, die Größe ihres ursprünglichen Baues bezeichneten. Sie lag jetzt zum Theil in Trümmern, und der kleine Theil offenen Raumes, welcher noch für den Gottesdienst zurückbehalten war, war in dem Familien-Chorgang, wo die verstorbenen Lords von weltlicher Arbeit und den Kämpfen des Krieges ausruhten. Auf dem freien Raume vor dem Gebäude konnte man einen beträchtlichen Theil vom Laufe des Flusses Douglas erblicken, welcher sich von Südwesten aus der Stadt näherte und durch eine Reihe von Hügeln mit phantastischer Verschiedenheit der Umrisse begrenzt wurde, die an manchen Punkten mit Waldwuchs bedeckt waren. Letzterer stieg in das Thal hinab und bildete einen Theil des düstern und verwickelten Forstes, welcher die Stadt umringte. Der Fluß selbst, welcher sich um den westlichen Theil der Stadt zog, und von dort nordwärts wandte, versah mit Wasser den schon von uns erwähnten großen Graben der Veste. Mehrere aus dem schottischen Volke trugen Weiden oder Eibenzweige als Darstellung der Palmen, welche das Sinnbild des Tages waren, und schienen nach dem Kirchhofe zu wandern, als erwarteten sie dort die Annäherung einer besonders heiligen Person, oder eine Prozession von Mönchen und Nonnen, welche herbeikommen würde, um eine der Feierlichkeit schuldige Huldigung zu leisten. Beinahe im Augenblick, wo Bertram und sein Gefährte den Kirchhof betraten, erblickte die Lady Berkeley, welche Sir John de Walton zur Kirche folgte, nachdem sie den Kampf mit dem jungen Ritter von Douglas mit angesehen hatte, ihren getreuen Sänger, und beschloß auch sogleich, die Gesellschaft dieses alten Dieners ihres Hauses und ihres Vertrauten zu erreichen, um ihre spätere Vereinigung mit Sir John de Walton unter einer für ihre Sicherheit genügenden Abtheilung dem Zufall anheimzugeben; sie hegte nämlich keinen Zweifel, daß ihr Ritter sich alle Mühe geben werde, um eine genügende Zahl seiner Leute zu ihrer Bedeckung zusammenzubringen. Somit eilte sie von dem Wege, auf dem sie weiter gingen, hinweg und erreichte den Platz, wo Bertram mit seinem neuen Bekannten Greenleaf einige Erkundigung bei englischen Soldaten der Besatzung einzog, die der Dienst des Tages hieher gebracht hatte.
Lady Augusta de Berkeley hatte mittlerweile eine Gelegenheit, ihrem treuen Diener und Vertrauten im Geheimen zu sagen, »thut, als ob Ihr mich nicht kenntet, Freund Bertram, sondern tragt nur Sorge, daß wir wo möglich nicht wieder von einander getrennt werden.«
Als sie dem Sänger den Wink gegeben hatte, bemerkte sie, daß derselbe ihn beachtete, sogleich sich umsah und sie anblickte, als sie langsam, in ihren Pilgermantel gehüllt, sich an einen Theil des Kirchhofs entfernte und zu warten schien, bis er, von Greenleaf losgemacht, eine Gelegenheit finden könne, sich ihr anzuschließen.
Nichts konnte wirklich den treuen Sänger mehr erfreuen, als diese sonderbare Art der Mittheilung, wodurch er in Kenntniß gesetzt wurde, daß seine Herrin frei war, ihr Verfahren selbst bestimmen konnte, und, wie er hoffte, die Neigung hegte, sich durch augenblicklichen Rückzug nach ihrem Vaterlande und ihrem Gute aus den Gefahren zu retten, womit sie in Schottland umringt wurde. Er hätte sich ihr gern genähert und angeschlossen, sie benutzte aber eine Gelegenheit, um ihn durch ein Zeichen zur Vorsicht in dieser Hinsicht aufzufordern, während er zugleich einige Besorgnisse hegte, daß sein neuer Freund Greenleaf sie bemerken könnte und es vielleicht für passend halten würde, sich bei der Angelegenheit zu betheiligen, damit er einige Gunst bei dem Ritter, welcher die Garnison kommandirte, dadurch erlange. Der alte Armbrustschütze setzte mittlerweile sein Gespräch mit Bertram fort, während der Sänger wie viele andere Männer in ähnlicher Lage den herzlichen Wunsch hegte, daß sein wohlmeinender Gefährte 100 Klafter unter dem Boden sein möge, im Fall sein Verschwinden ihm Gelegenheit ertheilen würde, sich seiner Gebieterin anzuschließen. Das Einzige, was er thun konnte, bestand nur darin, daß er sich ihr so sehr näherte, als es ohne Verdacht möglich war.
»Ich möchte Euch bitten, würdiger Sänger,« sagte Greenleaf, indem er sich sorgfältig umsah, »daß wir zusammen den Plan ausführen, den wir, bevor wir hierher kamen, besprochen; ist es nicht Eure Meinung, daß die Schotten den heutigen Morgen für eine jener gefährlichen Unternehmungen bestimmt haben, die sie schon zu wiederholten Malen ausführten, und wogegen die von unserem guten König Edward, unserem rechtmäßigen Fürsten, eingesetzten Gouverneure dieses Distriktes Douglas so sehr auf ihrer Hut sind?«
»Ich sehe nicht,« erwiderte der Sänger, »auf welchen Gründen Eure Besorgniß beruht, oder was Ihr hier auf dem Kirchhofe für Dinge seht, die von denjenigen verschieden wären, wovon Ihr sprachet, als wir näher kamen, und wofür Ihr mich etwas mißachtetet, als ich einigen Verdacht derselben Art gegen Euch äußerte.«
»Seht Ihr hier nicht,« sagte der alte Armbrustschütze, »so viele Leute mit sonderbaren Gesichtern und in verschiedenen Verkleidungen, welche sich um diese alten, sonst einsamen Trümmer herumdrängen? Dort z. B. sitzt ein Knabe, welcher der Beobachtung auszuweichen scheint, und dessen Kleid, ich schwöre darauf, in Schottland niemals verfertigt wurde.«
»Wenn er ein englischer Pilger ist,« erwiederte der Sänger, als er bemerkte, daß der Armbrustschütze auf Lady Berkeley hinwies, »so gibt er sicher wenig Grund zum Verdachte.«
»Ich weiß das nicht,« sagte der alte Greenleaf, »glaube aber doch, daß es meine Pflicht ist, Sir John de Walton, wenn ich denselben erreichen kann, davon in Kenntniß zu setzen, daß es hier viele Personen gibt, welche ihrem äußeren Aussehen nach weder zur Garnison, noch zu diesem Theile des Landes gehören.«
»Bedenkt,« sagte Bertram, »bevor Ihr einen armen jungen Mann in Anklagen dieser Art ängstigt, und ihn den Folgen aussetzt, welche mit einem Verdacht dieser Art nothwendig verbunden sein müssen, wie viele Umstände um diese Zeit besonders die Menschen zur Andacht veranlassen. Nicht allein ist dies die Zeit des triumphirenden Einzuges unseres Erlösers in Jerusalem, sondern der Tag heißt auch Dominica confitentium, oder der Sonntag der Beichtenden, und die Palmbaumzweige oder diejenigen des Bux- und Eibischbaumes, welche bei uns als Ersatz gebraucht und den Priestern übergeben werden, werden heute feierlich zu Asche verbrannt, und diese Asche wird unter den Frommen von den Priestern am Aschermittwoch des nächsten Jahres vertheilt; solche Gebräuche und Ceremonien werden ja auf Befehl der christlichen Kirche in unserem Vaterlande beobachtet. Ihr dürft und könnt nicht, edler Armbrustschütze, diejenigen Leute, welche ihre Gegenwart durch ihren Wunsch, die Pflichten des Tages zu vollbringen, rechtfertigen können, ohne Verbrechen als Solche verfolgen, welche Plane gegen Eure Garnison im Sinn haben. Seht Ihr aber nicht dort eine zahlreiche Prozession mit Banner und Kreuz näher kommen, die, wie es scheint, aus einem Geistlichen von Rang und seinen Leuten besteht? Erkundigen wir uns zuerst, wer er ist, und wir werden wahrscheinlicherweise in seinem Namen und Rang eine Bürgschaft für das friedliche und ruhige Betragen derer finden, welche die Frömmigkeit heute in Douglas versammelt hat.«
Greenleaf zog somit die von seinem Gefährten empfohlene Erkundigung ein, und erfuhr, daß der heilige Mann an der Spitze der Prozession Niemand anders, als der Diözesanbischof von Glasgow sei, welcher gekommen war, um die Feierlichkeit des Gottesdienstes zu erhöhen, womit der Tag gefeiert werden sollte.
Der Prälat betrat somit die Mauern des Kirchhofs, indem seine Kreuzträger vorangingen und eine Masse von Menschen mit Zweigen des Eibischbaumes und anderer immergrünen Bäume folgte, welche man bei der Festlichkeit statt der Palmen brauchte. Ueber dieselben verbreitete der heilige Vater seine Segnungen, vom Kreuzeszeichen begleitet, welche von den ihn umdrängenden Gläubigen mit andächtigem Ausruf angenommen wurden. »An dich, ehrwürdiger Vater, wenden wir uns, um Ablaß für unsere Vergehen zu erhalten, welche wir dir demüthig beichten wollen, um Verzeihung vom Himmel zu erlangen.«
Auf diese Weise traf die Gemeinde und der würdige Geistliche mit dem Austausch frommer Begrüßungen zusammen, als werde scheinbar an nichts weiter gedacht, wie an die Religionsgebräuche des Tages. Die Ausrufungen der Versammlung mischten sich mit der tiefen Stimme des Geistlichen, welcher die heiligen Religionsgebräuche verübte; das Ganze bildete einen Auftritt, welcher, mit katholischer Geschicklichkeit und Ceremonien durchgeführt, sowohl den Eindruck der Ehrfurcht wie der Rührung hervorrief.
Der Armbrustschütze, als er den Eifer bemerkte, womit die Leute auf dem Kirchhofe, sowie auch eine Anzahl solcher, die aus der Kirche kamen, den Bischof des Sprengels zu begrüßen sich beeilten, schämte sich einigermaßen über den Verdacht, den er gegen die Aufrichtigkeit der Absicht des guten Mannes, hieher zu kommen, gehegt hatte. Bertram benutzte den Anfall von Andacht, der vielleicht bei dem alten Greenleaf nicht sehr gewöhnlich war, als derselbe sich in diesem Augenblicke vorwärts drängte, um an den geistlichen Segnungen, welche der Prälat austheilte, seinen Antheil zu haben; der Sänger machte sich somit frei von seinem englischen Freunde, eilte zur Lady Augusta und tauschte mit derselben durch einen Händedruck einen gegenseitigen Glückwunsch für das beiderseitige Wiederfinden aus. Auf ein Zeichen vom Sänger entfernten sich Beide in das Innere der Kirche, so daß sie unter dem Gedränge unbemerkt bleiben konnten, wobei sie durch die tiefen Schatten in einigen Theilen des Gebäudes begünstigt wurden.
Das Innere der Kirche, in Trümmern zwar, aber noch immer mit den Waffentrophäen der letzten Lords von Douglas behangen, bot eher den Anblick einer verbrecherisch entweihten Ruine, als eines heiligen Platzes; einige Sorgfalt war jedoch getroffen worden, um sie für den Gottesdienst des Tages herzurichten. Am unteren Ende hing das große Schild des William von Douglas, welcher vor Kurzem als Gefangener in England gestorben war; um dies größere Schild waren die kleineren der sechszehn Ahnen angebracht; ein tiefer schwarzer Schatten wurde von der ganzen Masse mit Ausnahme der Stellen verbreitet, wo die Kronen schimmerten und einzelne Theile der Waffen in besonders heiterer Ausschmückung glänzten. Ich brauche nicht zu sagen, daß das Innere der Kirche in anderer Hinsicht sehr zerstört war, denn es war derselbe Ort, worin Sir Aymer de Valence eine Unterredung mit dem Küster gehabt hatte. Dieser Ritter hatte jetzt in einem besonderen Winkel einige der ausgeschickten Streitgenossen aufgestellt, die er gesammelt und in die Kirche geführt hatte; er hielt sich bereit, und schien dort auf einen Angriff ebenso um Mittag, wie früher um Mitternacht gerüstet. Es war dies um so mehr nothwendig, da die Blicke von Sir John de Walton von einem Orte zum andern umherzuschweifen schienen, als könne er den Gegenstand, den er suche, nicht finden; wie der Leser sich denken kann, war aber derselbe die Lady Augusta de Berkeley, die er im Gedränge der Volksmenge aus den Augen verloren hatte. Am östlichen Theile der Kirche war für den Augenblick ein Altar errichtet, an dessen Seite der Bischof von Glasgow, mit seinen festlichen Gewändern angethan, seinen Sitz nebst Priestern und Dienern aufgeschlagen hatte, welche sein bischöfliches Gefolge bildeten. Letzteres war weder zahlreich, noch prächtig gekleidet, noch bot seine eigene Erscheinung ein glänzendes Beispiel von dem Reichthum und der Würde des bischöflichen Ranges. Als er jedoch sein goldenes Kreuz auf den strengen Befehl des Königs von England niederlegen und ein anderes von einfachem Holz annehmen mußte, verlor er dadurch Nichts an seinem Ansehen, und übte auf Volk und Geistlichkeit seines Sprengels deßhalb keine geringere Gewalt aus.
Die verschiedenen Schotten, welche sich um ihn sammelten, schienen seine Bewegungen wie diejenigen eines vom Himmel hinabgestiegenen Heiligen zu überwachen, und die Engländer warteten in stummem Erstaunen, voll Besorgniß, daß ein unerwartetes Zeichen eines gegen sie zu richtenden Angriffs entweder von den Mächten der Erde oder des Himmels, oder vielleicht von beiden zusammen gegeben werden würde. Die Anhänglichkeit der schottischen Geistlichkeit der höheren Klassen an die Partei von Bruce war so bedeutend, daß die Engländer ihr sogar kaum die Ausführung der Kirchen-Ceremonien gestatteten, die ihrer Verwaltung anheimgegeben waren; somit war auch die Gegenwart des Bischofs von Glasgow in der Kirche von Douglas an einem hohen Festtage ein sehr seltenes Ereigniß, welches sowohl Erstaunen wie Verdacht erregte. Ein Concil der Kirche hatte jedoch vor Kurzem den hohen Prälaten Schottlands zur Vollbringung dieser Pflicht am Palmsonntag aufgefordert, und weder Engländer noch Schotten betrachteten die Ceremonie mit Gleichgültigkeit. Ein ungewohntes Stillschweigen in der Kirche, welche, wie es schien, von Personen verschiedener Ansichten, Hoffnungen, Wünsche und Erwartungen gefüllt war, glich einer jener feierlichen Pausen, die einem Kampfe der Elemente oft vorhergehen, und als die Verkündiger furchtbarer Naturerschütterungen erkannt werden. Alle Thiere drücken, je nach ihrer verschiedenen Natur, ihr Gefühl des nahen Sturmes aus; das Rindvieh, die Hirsche und andere Bewohner der Wälder ziehen sich in die innersten Schlupfwinkel ihrer Waiden zurück; die Schafe drängen sich in ihren Hürden zusammen, und die dumpfe Betäubung der allgemeinen Natur, der belebten wie unbelebten, verkündigt ihr schnelles Erwachen zur allgemeinen Erschütterung und Verwirrung, sobald ein glühender Blitz, als Vorläufer des Donners, aus den Wolken zischt.
In tiefer Spannung erwarteten die Schotten, die auf des Douglas Befehl zur Kirche gekommen waren, jeden Augenblick das Zeichen zum Angriff, während die Kriegsleute der englischen Besatzung, mit der üblen Stimmung der Eingeborenen wohl bekannt, jeden Augenblick berechneten, wenn der wohlbekannte Schlachtruf, Bogen und Partisanen, das Signal zum allgemeinen Kampfe geben würde.
Beide Parteien blickten trotzig einander an, und schienen den verhängnißvollen Angriff zu erwarten.
Obgleich der Sturm jeden Augenblick auszubrechen bereit schien, beging der Bischof von Glasgow die Ceremonien des Festtages mit äußerster Feierlichkeit. Von Zeit zu Zeit machte er eine Pause, um das Gedränge zu übersehen, und um zu berechnen, ob die heftigen Leidenschaften seiner Umgebung sich so lange zurückhalten ließen, bis er seine Pflichten in einer der Zeit und dem Orte geziemenden Weise zum Schluß gebracht haben würde.
Der Prälat hatte gerade den Gottesdienst geschlossen, als eine Person mit feierlichem und betrübtem Ausdruck auf ihn zutrat, und ihm die Frage vorlegte, ob der ehrwürdige Vater einige wenige Augenblicke den Tröstungen eines Sterbenden widmen könne, welcher verwundet in der Nähe liege.
Der Geistliche sprach seine Bereitwilligkeit während einer Stille aus, welche, als er die gesenkten Brauen eines Theiles der in der Kirche Anwesenden überblickte, ihm keine friedliche Beendigung des verhängnißvollen Tages anzudeuten schien. Er forderte die Boten auf, ihm den Weg zu zeigen, und ging an seinen Beruf von Einigen begleitet, welche als die Anhänger des Douglas bekannt waren.
Die jetzt folgende Unterredung war eindrucksvoll, wo nicht Verdacht erregend. In einem unterirdischen Gewölbe war der Körper eines starken und großen Mannes niedergelegt, dessen Blut reichlich aus zwei oder drei klaffenden Wunden floß, und durch das Strohbündel strömte, auf welchem er lag, während seine Züge ein Gemisch von Grimm und Trotz boten, welche in einen noch wilderen Ausdruck überzugehen bereit schienen.
Der Leser wird wahrscheinlich vermuthen, daß diese Person Niemand anders, wie Michael Turnbull war, welcher beim Zusammentreffen des Morgens verwundet, von Einigen seiner Freunde auf ein Strohlager hingelegt war, um dort zu leben oder zu sterben, je nachdem es ihm möglich wäre. Als der Prälat das Gewölbe betrat, verlor er keine Zeit, die Aufmerksamkeit des Verwundeten auf den Zustand seiner geistigen Angelegenheit zu wenden, und ihm diejenigen Tröstungen zu reichen, welche die Kirche sterbenden Sündern zu ertheilen vorschreibt. Die zwischen Beiden gewechselten Worte waren von ernstem und strengem Charakter, wie sie zwischen dem geistlichen Vater und einem Beichtenden gewechselt werden, wenn eine Welt vor den Augen des Sünders hinwegrollt, und eine andere sich ihm mit allen Schrecken zeigt, während die Vergeltung, die er für seine Thaten auf Erden erwarten muß, dem Büßenden vor Augen schwebt.
Es ist eine der feierlichsten Unterredungen, welche zwischen irdischen Wesen statt finden kann, und der muthige Charakter des Jägers von Jedwood wie der wohlwollende und fromme Ausdruck des alten Geistlichen erhöhten beträchtlich die Feierlichkeit der Scene.
»Turnbull,« sagte der Geistliche, »ich hoffe, daß Ihr mir glauben werdet, wenn ich jetzt Euch sage, daß es mir im Herzen wehe thut, Euch in dieser Lage durch Wunden zu finden, hinsichtlich deren es meine Pflicht ist, Euch zu sagen, daß Ihr dieselben für tödtlich halten müßt.«
»Die Jagd also ist beendet,« sagte der Jäger mit einem Seufzer; »ich fühle darum keinen Kummer, guter Vater, denn ich glaube, daß ich mich benommen habe, wie es einem tapfern Manne geziemt, und daß der alte Wald an mir keine Unehre erlangt hat, sowohl in Verfolgung wie in Erlegung des Wildes. Selbst in dieser letzten Angelegenheit glaube ich, daß jener gestutzte englische Ritter nicht solchen Vortheil erlangt haben würde, hätte der Boden, worauf wir standen, uns gleiche Vortheile gewährt, oder hätte ich seinen Angriff vorher bemerkt; wenn Jemand sich die Mühe geben will, die Sache zu untersuchen, so wird er finden, daß des armen Michael Turnbull's Fuß zweimal im Zusammentreffen ausglitt, sonst würde es nicht sein Schicksal sein, hier auf dem Todtenbette zu liegen, sondern jener Südländer würde wahrscheinlich wie ein Hund auf diesem blutigen Stroh statt seiner gestorben sein.«
Der Bischof rieth dem Beichtenden, sich von rachsüchtigen Gedanken über den Tod Anderer hinwegzuwenden, und sich zu bemühen, seine Aufmerksamkeit auf sein eigenes Scheiden vom Leben zu richten, welches in Kurzem eintreffen zu müssen schien.
»Vater,« erwiederte der verwundete Mann, »Ihr wißt sicherlich am besten, was mir zu thun geziemt; mich däucht aber, es würde nicht gut um mich stehen, hätte ich bis auf diese Tageszeit die Aufgabe, mein Leben zu überblicken, verschoben, und ich bin nicht der Mann, um abzuläugnen, daß das meinige ein verzweifeltes und ein blutiges war. Ihr werdet mir aber zugestehen, daß ich niemals Bosheit gegen einen tapfern Feind hegte, wenn derselbe mir Schaden erwies, und zeigt mir auch den Schotten, welcher mit der natürlichen Liebe gegen sein Vaterland erfüllt, nicht in diesen Zeiten die Stahlhaube einem Hut und einer Feder vorzog, oder welcher nicht mit gezogenen Schwertern besser bekannt war, als mit Gebetbüchern. Ihr selbst, Vater, wißt ja wohl, daß wir in unserem Verfahren gegen die englische Partei stets die Unterstützung der aufrichtigen Väter der schottischen Kirche erlangten, und daß wir von ihnen ermahnt wurden, die Waffen zu ergreifen, um sie zu Ehren des Königs von Schottland und zur Vertheidigung unserer eigenen Rechte zu gebrauchen.«
»Ohne Zweifel,« sagte der Prälat, »waren dies unsere Ermahnungen, auch trage ich Euch jetzt keine andere Lehre vor; da ich mich aber von Blut umringt, und einen sterbenden Mann vor mir sehe, bin ich gezwungen, in meinem Gebete zu bezweifeln, ob ich nicht vom richtigen Pfade abgelenkt und so das Mittel wurde, auch Andere auf eine falsche Bahn zu führen. Mag der Himmel mir vergeben, wenn dies der Fall ist, denn ich kann mich nur auf eine aufrichtige und ehrliche Absicht, als Entschuldigung des irrthümlichen Rathes berufen, den ich Euch und Anderen hinsichtlich dieser Kriege ertheilte. Ich bin mir bewußt, daß ich in einigem Grade den Charakter meines Standes verläugnete, als ich Euch ermuthigte, Eure Schwerter in Blut zu baden, denn derselbe gebeut mir weder Blut zu vergießen, noch dessen Vergießung durch Andere zu bewirken. Möge der Himmel uns befähigen, unseren Pflichten zu gehorchen, und unsere Irrthümer zu bereuen, besonders aber solche, welche den Tod oder das Elend unserer Nebenmenschen veranlaßten. Vor Allem möge dieser sterbende Christ seine Irrthümer erkennen, und mit Aufrichtigkeit dasjenige Andern erwiesen zu haben bereuen, was er nicht von ihrer Hand zu erleiden wünschte.«
»Was das betrifft,« erwiderte Turnbull, »so hat es niemals eine Zeit gegeben, worin ich nicht einen Streich mit dem besten Mann, welcher jemals lebte, auszutauschen bereit gewesen wäre; befand ich mich nicht in beständiger Uebung des Schwertes, so lag es nur daran, daß ich zum Gebrauch der Streitaxt, welche die Engländer eine Partisane nennen, auferzogen wurde, und wie ich glaube, ist der Unterschied derselben vom Schwert oder Dolch nur gering.«
»Der Unterschied ist nicht groß,« sagte der Bischof, »ich besorge jedoch Freund, daß ein Leben, welches Ihr mit der Streitaxt geraubt habt, Euch kein Vorrecht vor demjenigen ertheilt, welcher dieselbe That mit irgend einer andern Waffe begeht, oder damit dieselbe Verletzung zufügt.«
»Würdiger Vater,« sagte der Beichtende, »ich muß eingestehen, daß die Wirkung der Waffen dieselbe ist, soweit sie den dadurch leidenden Mann betrifft, ich möchte Euch aber um Belehrung bitten, weßhalb ein Mann aus dem Jedwood nicht der Gewohnheit seines Landes gemäß, die Angriffswaffe brauchen darf, die seiner Gegend eigenthümlich ist.«
»Das Verbrechen des Mordes,« sagte der Bischof, »besteht nicht in der Waffe, womit das Verbrechen vollbracht wird, sondern in der Pein, welche der Mörder seinem Nebenmenschen zufügt, und in der Verletzung der guten Ordnung, die er in der lieblichen und friedlichen Schöpfung begeht. Wenn Ihr Eure Reue auf dies Verbrechen wendet, so könnt Ihr erwarten, den Himmel für Euer Vergehen günstig zu stimmen und zugleich den Folgen zu entgehen, die in der heiligen Schrift gegen diejenigen verkündet werden, welche das Blut des Menschen vergießen.«
»Aber, guter Vater,« sagte der verwundete Mann, »Ihr wißt das eben so gut, wie Jemand sonst, daß in dieser Versammlung und in dieser Kirche Haufen von Schotten und Engländern einander überwachen, welche hieher gekommen sind, nicht sowohl um die religiösen Pflichten des Tages zu vollbringen, als in der festen Absicht, einander das Leben zu nehmen und ein neues Beispiel von den Gräßlichkeiten der Fehden zu geben, welche die beiden äußersten Enden der brittischen Insel gegen einander führen. Welches Verfahren hat denn ein armer Mann, wie ich, dabei zu beobachten? Darf ich nicht gegen die Engländer diese Hand erheben, von der ich noch glaube, einen ziemlich wirksamen Gebrauch machen zu können, oder muß ich zum ersten Mal in meinem Leben den Schlachtruf hören, und meine Waffe vom Kampfe zurückhalten? Mich däucht, das ist für mich sehr schwierig und vielleicht unmöglich; ist es aber der Wille des Himmels und Euer Rath, ehrwürdiger Vater, so muß ich unzweifelhaft Alles nach meinen Kräften thun, um Euren Weisungen zu folgen, denn Ihr besitzt Recht und Anspruch, uns in jeder Verlegenheit, oder wie man es nennt, bei Gewissenszweifeln zu leiten.«
»Ohne Zweifel,« sagte der Bischof, »ist es meine Pflicht, wie ich schon sagte, heute keine Gelegenheit zum Blutvergießen oder zum Friedensbruch zu geben, und ich muß Euch als meinem Beichtenden bei der Wohlfahrt Eurer Seele anbefehlen, daß Ihr keine Gelegenheit zum Kampf oder Blutvergießen in eigener Person oder durch Aufregung anderer Personen gebet; befolgt Ihr ein anderes Verfahren, so bin ich überzeugt, daß Ihr eine Sünde begeht, und Euren Pflichten zuwider handelt, eben so wie dies von mir in demselben Falle gelten würde.«
»Ich will mich bemühen, so zu denken, ehrwürdiger Vater,« erwiederte der Jäger, »demnach hoffe ich, wird man es zu meinen Gunsten anschlagen, daß ich der Erste Mann bin, welcher den Familiennamen Turnbull nebst dem Eigennamen des Fürsten der Erzengel führt, welcher zu jeder Zeit mit einem gezogenen Schwerte dem Schimpf zu begegnen vermochte, den die Gegenwart eines Südländers veranlaßte, und der nicht dadurch veranlaßt wurde, seine Waffe zu zerbrechen oder wegzulegen.«
»Hüte dich, mein Sohn, und bedenke,« erwiderte der Prälat von Glasgow, »daß du schon wieder von den Entschlüssen abweichest, welche du noch vor wenigen Minuten nach ernstlicher und richtiger Ueberlegung gefaßt hast. Deßhalb sei nicht so, mein Sohn, wie die Sau, welche sich im Kothe wälzte, und alsdann, nachdem sie gewaschen wurde, ihre Handlung, sich zu beschmutzen, wiederholt, und noch unsauberer wird wie zuvor.«
»Wohlan, ehrwürdiger Vater,« erwiderte der verwundete Mann, »obgleich es beinahe unnatürlich scheint, daß Schotten und Engländer sich begegnen und ohne eine Rauferei sich wieder trennen, so will ich doch pflichtgemäß mich bemühen, keine Gelegenheit zum Streit zu geben, noch auch eine solche zu ergreifen, wenn sie mir geboten werden sollte.«
»Auf diese Art,« erwiderte der Bischof, »wirst du am besten deine Vergehen wieder gut machen, welche du bei früheren Gelegenheiten gegen die Gesetze des Himmels begingest; du wirst die Ursachen des Streites zwischen dir und deinen Brüdern aus dem südlichen Lande verhindern, und die Versuchung gegen die Blutschuld überwinden, welche in unsern Tagen und unserem Geschlechte so sehr gereift ist. Glaube nicht, daß ich dir durch diese Ermahnungen eine Pflicht auferlege, welche schwieriger zu ertragen ist, als dasjenige, was dir als Mensch und Christ zu thun gebührt. Ich selbst bin ein Mensch und ein Schotte, und als solcher fühle ich mich gekränkt durch das ungerechte Verfahren Englands gegen unser Vaterland und unsere Fürsten; da ich eben so denke wie Ihr, so weiß ich, was Ihr zu leiden habt, wenn Ihr Euch den Kränkungen unserer Nation ohne Vergeltung und Rache unterwerfen müßt. Betrachten wir uns aber nicht als die Werkzeuge der vergeltenden Rache, welche der Himmel ausdrücklich für ein ihm zugehöriges Amt erklärt. Während wir dies, unserem Vaterlande zugefügte Unrecht sehen und fühlen, dürfen wir auch unsererseits nicht vergessen, daß unsere Kriegszüge, Hinterhalte und Ueberrumpelungen den Engländern wenigstens ebenso verhängnißvoll waren, als ihre Einbrüche und Plünderungen uns Schaden gebracht haben. Kurzum, mögen die gegenseitigen Kränkungen der Kreuze von St. Georg und St. Andreas nicht länger feindlich den Einwohnern der gegenüberliegenden Distrikte gelten, wenigstens nicht während der Religionsfeierlichkeiten; sondern sie mögen, wie sie beiden Parteien die Zeichen der Erlösung sind, ihnen auch in gleicher Weise Ermahnungen der gegenseitigen Vergebung und des Friedens sein.«
»Ich bin zufrieden,« entgegnete Turnbull, »mich aller Beleidigungen Anderer zu enthalten, und werde mich sogar bemühen, mich von der Rache an denjenigen zurückzuhalten, welche mich selbst beleidiget haben; ich hoffe dadurch jenen ruhigen und gottseligen Stand der Dinge zuwege zu bringen, welchen Eure Worte, gottseliger Vater, mich erwarten lassen.«
Mit den Worten wandte der Gränzbewohner sein Gesicht zur Mauer und lag dort in der ernsten Erwartung des nahen Todes – einer Betrachtung, die der Bischof in ihm erweckt hatte.
Die friedliche Stimmung, welche durch den Prälaten dem Michael Turnbull mitgetheilt war, hatte sich einigermaßen unter die Anwesenden verbreitet, welche mit Ehrfurcht den geistlichen Ermahnungen zuhörten, den Nationalhaß zu unterbrechen, und mit einander in Frieden und Freundschaft zu leben. Der Himmel jedoch hatte beschlossen, daß der Nationalstreit, in welchem schon so viel Blut vergossen war, an jenem Tage wiederum die Veranlassung zu tödtlichem Kampfe werden solle.
Ein lautes Schmettern von Trompeten, welches aus der Erde hervorzukommen schien, erklang durch die Kirche, und erregte die Aufmerksamkeit der versammelten Soldaten und Andächtigen. Die Meisten, welche diese kriegerischen Töne vernahmen, ergriffen ihre Waffen, als hielten sie es für nutzlos, das Zeichen zum Kampfe länger zu erwarten. Rauhe Stimmen, heisere Ausrufungen, das Rasseln der Schwerter in den Scheiden und deren Klirren gegen andere Theile der Rüstung, waren die furchtbaren Vorbereitungen eines Angriffs, welcher jedoch durch die Ermahnungen des Bischofs auf einige Zeit abgewandt wurde. Ein zweites Schmettern von Trompeten wurde vernommen, und die Stimme eines Herolds verkündete die folgende Proklamation:
»In Betracht, daß viele edle Ritter gegenwärtig in der Kirche Douglas versammelt sind, und in Betracht, daß unter ihnen die gewöhnlichen Ursachen des Kampfes über Streitpunkte, und Vorrang im Ritterthum vorhanden sind, stellen sich die schottischen Ritter als bereit, den Kampf mit jeder Anzahl englischer Ritter aufzunehmen, hinsichtlich derer man überein gekommen ist, sowohl um die überlegene Schönheit ihrer Damen zu vertreten, wie wegen der National-Streitigkeit, oder irgend eines Theiles derselben, oder über irgend einen Punkt, welcher sich zwischen ihnen in der Schwebe befindet, und welcher für werth eines Kampfes von beiden Seiten gehalten wird; und die Ritter, welche in solchem Streit besiegt wurden, müssen auf die Fortsetzung desselben, oder auf das Tragen der Waffen in dem späteren Kriege verzichten, und sich den andern Bedingungen als Folge ihrer Niederlage unterwerfen, welche durch einen Rath der in besagter Kirche von Douglas jetzt anwesenden Ritter bestimmt werden soll. Jedoch vor Allem wird irgend eine Zahl schottischer Ritter eine Sache vertheidigen, hinsichtlich derer schon Blut vergossen ist, nämlich die Freiheit der Lady Augusta de Berkeley, und der Uebergabe des Schlosses Douglas an den anwesenden Eigenthümer. Deßhalb ist es erforderlich, daß die englischen Ritter ihre Einwilligung zu solcher Probe der Tapferkeit geben werden, welche sie nach den Regeln des Ritterthums nicht ausschlagen können, ohne allen Ruhm der Tapferkeit zu verlieren, und der Verminderung jeden anderen Grades von Achtung sich zu unterziehen, worin jeder muthige Kriegsmann, sowohl bei den Rittern seines Vaterlandes, wie bei denen anderer Länder zu stehen wünscht.«
Diese unerwartete Herausforderung zum Kampfe verwirklichte die schlimmsten Besorgnisse derjenigen, welche mit Verdacht die außerordentliche Versammlung der vom Hause Douglas abhängigen Leute betrachtet hatten. Nach kurzer Pause erklang wieder das helle Schmettern der Trompeten, und die Erwiderung der englischen Ritter wurde in folgender Weise verlesen:
»Gott verhüte, daß die Rechte und Vorrechte der Ritter Englands und die Schönheit seiner Frauen von seinen Söhnen nicht vertreten würden, oder daß die hier versammelten englischen Ritter das geringste Bedenken in der Annahme des dargebotenen Kampfes zeigen sollten, mag derselbe auf der überlegenen Schönheit ihrer Damen oder auf den Ursachen des Streites beider Länder beruhen. Für Alles dies sind die hier gegenwärtigen Ritter von England zu kämpfen bereit, nach den Bedingungen besagten Vertrages, so lange Schwert und Lanze ihnen aushält; ausgenommen jedoch ist die Uebergabe des Schlosses Douglas, welches durch Niemand überliefert werden kann, als durch den König von England, oder diejenigen, welche in seinem Namen befehligen.«