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Fünftes Kapitel.

Die Mähr' ist traurig, und Ihr weint vielleicht;
Sie ist voll Grau'n; Ihr könnt dabei erzittern;
Sie ist erstaunenswerth; die Stirne runzeln
Müßt Ihr gewiß, wenn aufmerksam Ihr leset.

Altes Schauspiel.

»Euer Gnaden muß zuerst erfahren, edler Herr Aymer de Valence, daß ich diese Geschichte vor langer Zeit aus dem Lande, wo sie sich ereignete, erfuhr, und zwar von einem beeidigten Spielmann und Dichter, dem alten Freund und dem Diener des Hauses Douglas, einem der Besten, wie es heißt, welcher jemals zu dieser edlen Familie gehörte. Der Dichter Hugo Hugonet mit Namen, war bei seinem jungen Herrn während dieses furchtbaren Ereignisses, sowie er sich auch stets in dessen Nähe aufzuhalten pflegte.

»Das Schloß war in gänzlichem Aufruhr; in einem Winkel waren die Kriegsleute beschäftigt, die Vorräthe herbeizuschaffen und zu zerstören; in einem anderen erschlugen sie Männer, Pferde und Rindvieh, und diese Handlungen waren mit den geeigneten Tönen begleitet. Das Rindvieh besonders hatte das Schicksal, womit es bedroht wurde, geahnet, und bezeugte durch unbeholfenen Widerstand und klägliches Brüllen den Widerwillen, womit die armen Geschöpfe auf den Schlachtplatz blickten. Das Gestöhne und das Geschrei der Männer, welche den Todesstreich erlitten oder erleiden sollten, und der ängstliche Schrei der armen Pferde, die im Todeskampf lagen, bildeten einen furchtbaren Chor. Hugonet wünschte sich dem so unangenehmen Anblick und jenen Tönen zu entziehen; sein Herr, der Douglas, war ein Mann von einiger Belesenheit, und sein alter Diener wünschte sich die Handschrift eines Gedichtes zu verschaffen, das er einst so gern gelesen hatte. Die Handschrift enthielt die Lieder eines alten schottischen Barden, der ein gewöhnliches Menschengeschöpf zu seinen Lebzeiten gewesen sein mochte, aber vielleicht jetzt nicht als solches zu bezeichnen ist.

»Kurzum, es war jener Thomas, welcher mit dem Namen der Reimer bezeichnet wird, ein Mann, welcher mit den begabten Wesen, Feen genannt, so vertraut war, daß er wie sie, eine zukünftige That, bevor sie eintrat, vorhersehen konnte, und in seiner Person die Eigenschaft des Sängers und Wahrsagers vereinigte. Seit Jahren schon war er jedoch von dem Schauplatz der Sterblichen verschwunden, und obgleich die Zeit und die Art seines Todes niemals öffentlich bekannt wurde, so glaubte man doch allgemein, daß er nicht dem Lande der Lebendigen entzogen sei, sondern im Lande der Feen lebe, von wo er bisweilen Ausflüge mache, und sich nur mit Angelegenheiten, die kommen würden, beschäftige. Hugonet wünschte um so ernstlicher den Untergang der Werke dieses alten Sängers zu verhindern, da viele seiner Gedichte und Vorhersagungen im Schlosse bewahrt sein und besonders das alte Haus Douglas, sowie andere Familien von alter Abkunft betreffen sollten, die dieser Greis zum Gegenstand seiner Prophezeiung gewählt hatte; somit beschloß er, dies Buch vor der Zerstörung in der allgemeinen Feuersbrunst zu retten, welche der Erbe der alten Besitzer dieses Gebäudes demselben bestimmt hatte. Mit dieser Absicht eilte er in ein kleines und altes gewölbtes Gemach, welches das Studierzimmer der Douglas hieß, worin etwa einige Dutzend alter Bücher sich vorfanden, welche die Caplane in der von uns Sängern sogenannten schwarzen Schrift geschrieben hatten. Er entdeckte sogleich das berühmte Sir Tristan genannte Lied, welches so oft abgekürzt und verändert worden war, daß es nur noch wenig Aehnlichkeit mit dem Originale zeigte. Hugonet, der sehr wohl mit dem Werthe bekannt war, welchen die alten Herren des Schlosses auf dieses Gedicht setzten, nahm den Pergamentband aus dem Fach der Bibliothek und legte ihn auf einen kleinen Schrank am Armstuhle des Barons. Als er so seine Vorbereitungen getroffen hatte, um es in Sicherheit zu bringen, versank er in ein kurzes Nachdenken, worein ihn die Abenddämmerung, die Vorbereitungen für die Douglas-Speisekammer, besonders aber der letzte Anblick der Gegenstände versenkte, mit denen seine Augen so lange vertraut gewesen waren, und die jetzt im Begriffe standen, zerstört zu werden. Der Sänger dachte deshalb an die ungewöhnliche Mischung des mystischen Gelehrten und Kriegers in seinem alten Herrn, als er seine Augen auf das Buch des alten Reimers richtete, und erstaunte, wie es langsam vom Schranke, woraus es lag, durch eine unsichtbare Hand entfernt wurde. Der alte Mann blickte mit Schauder auf die von selbst entstehende Bewegung des Buches, an dessen Erhaltung ihm gelegen war, und besaß auch den Muth, dem Tisch etwas näher zu treten, damit er entdecken könne, durch welche Mittel es entfernt werde. Ich habe schon gesagt, daß das Fenster sich verdunkelte, so daß es schwierig wurde, eine Gestalt in dem Lehnstuhle zu erkennen; bei schärferem Hinblicken schien es aber, daß eine Art schattenhaften Umrisses einer Menschengestalt darin saß, obgleich dieselbe nicht deutlich genug war, um der Seele eine bestimmte Gestalt einzuprägen, und obgleich die Einzelnheiten nicht in solcher Weise sich erkennen ließen, daß das Verfahren genau bemerkt worden wäre. Der Sänger des Douglas blickte deshalb auf den Gegenstand seiner Besorgnisse, als sei derselbe nicht sterblich; nichts destoweniger vermochte er bei schärferem Hinblicken den Gegenstand, welcher sich ihm zeigte, zu erkennen. Seine Augen wurden allmälig schärfer, um dasjenige, was sie sahen, zu durchdringen. Eine große dünne Gestalt, mit einem langen und schwellenden Rocke angethan, oder vielmehr davon beschattet, mit einem so wilden und mit Haaren bedeckten Gesicht, daß dasselbe kaum als menschlich erschien, boten die einzigen bestimmten Umrisse der Erscheinung. Als Hugonet aufmerksamer hinsah, erkannte er noch zwei andere Gestalten, deren Umrisse, wie es schien, die eines Hirsches und einer Hirschkuh waren; dieselben schienen hinter der Gestalt und unter dem Kleide dieser übernatürlichen Erscheinung Schutz zu suchen.«

»Eine wahrscheinliche Erzählung,« sagte der Ritter; »für Euch, Herr Sänger, der Ihr doch ein Mann von Verstand zu sein scheint, um dieselbe mit solchem Ernst zu erzählen! Von welchem weisen Gewährsmann habt Ihr die Mähre, die vielleicht unter klingenden Bechern hingehen mag, aber während der nüchternen Stunden des Morgens sehr in Zweifel gezogen werden muß.«

»Bei meinem Wort als Sänger, Herr Ritter,« erwiderte Bertram, »ich bin kein Verbreiter dieser Fabel, wenn es eine solche ist; Hugonet, der Geiger, hat sie mir so mitgetheilt, wie ich sie jetzt erzähle, als er sich in ein Kloster am See Pempelmere in Wales zurückzog. Da ich sie deshalb von dem Augenzeugen als Gewährsmann habe, so rechtfertige ich mich nicht deshalb, weil ich sie Euch erzähle, denn eine noch mehr unmittelbare Quelle der Erkenntniß würde ich nicht entdecken können.«

»Sei es so, Herr Sänger, fahre fort in deiner Erzählung und möge deine Sage Zweifel sowohl bei Andern wie bei mir finden.«

»Hugonet, Herr Ritter,« erwiderte Bertram, »war ein heiliger Mann und bewahrte einen guten Ruf während seines ganzen Lebens, wenn man auch sein Gewerbe als leichtfertig betrachten mag. Das Gesicht redete mit ihm in einer alten Sprache, welche früher im Königreiche Strath-Clyde gebraucht wurde, eine Art Schottisch oder Gälisch, welches gegenwärtig nur sehr wenige verstehen können.«

»Ihr seid ein gelehrter Mann,« sagte die Erscheinung, und mit den früher in Eurem Lande gebrauchten Dialekten nicht unbekannt, obgleich dieselben jetzt nicht mehr gesprochen werden, und Ihr sie in das gewöhnliche Sächsische von Teira oder Northumberland übersetzen müßt. Ein alter britischer Barde muß aber in dieser schon ihm fremden Zeit Jemanden hoch schätzen, der auf die Poesie seines Vaterlandes solchen Werth setzt, daß er an deren Erhaltung in einem Augenblick solcher Schrecken, wie derjenigen des heutigen Abends denkt.«

»Es ist wirklich,« sagte Hugonet, »eine Nacht des Schreckens, welche sogar die Todten aus dem Grabe ruft und sie zu furchtbaren und grauenhaften Genossen der Lebendigen macht. Im Namen Gottes, wer bist du, welcher du die Grenzen, die uns trennen, überschreitest und den Zustand so sonderbar wieder aufsuchst, dem du so lange Lebewohl gesagt hast?«

»Ich bin,« erwiderte die Erscheinung, »jener berühmte Thomas, der Reimer, von Einigen Thomas Erceldoun oder Thomas der wahre Sprecher genannt. Wie andern Weisen wird es mir zu Zeiten erlaubt, den Schauplatz meines früheren Lebens wieder zu besuchen, auch vermag ich die schattigen Wolken und das Dunkel zu entfernen, welches die Zukunft umhüllt. Wisse deshalb, du jetzt betrübter Mann, daß Alles dies, was du jetzt in diesem unglücklichen Lande siehst, nicht ein allgemeines Zeichen desjenigen ist, welches nachher darin sich ereignen wird, denn im Verhältniß wie die Douglas jetzt den Verlust und die Zerstörung ihrer Wohnung wegen ihrer Treue gegen ihren rechtmäßigen Erben des schottischen Königreiches leiden, so hat der Himmel für sie eine gerechte Belohnung bestimmt. Da sie jetzt ihr eigenes Haus und das ihrer Väter in der Sache von Bruce nicht verschonten, sondern es verbrannten und zerstörten, so ist es der Beschluß des Himmels, daß die Mauern von Douglas-Castle, so oft sie bis zum Boden verbrannt und geschleift werden, stattlicher und prächtiger wie zuvor aufgebaut werden sollen.«

Man vernahm jetzt einen Schrei der Menge im Hofe nebst einem trotzigen Jubel des Entzückens; zugleich schien sich eine breite und rothe Gluth von den Balken und Sparren zu erheben, und Funken flogen umher wie in einer Schmiede, während das Element den brennbaren Stoff ergriff und die Feuersbrunst durch jede Oeffnung emporloderte.

›Seht Ihr das,‹ sagte die Erscheinung, indem sie das Auge auf die Fenster richtete und verschwand. ›Gehe, die festgesetzte Stunde zu Wegbringung dieses Buches ist noch nicht erschienen; auch ist deine Hand nicht dazu bestimmt. Es wird dort in Sicherheit sein, wo ich es berge, und die Zeit wird dereinst kommen, worin man es fortbringen darf.‹

Die Stimme wurde gehört, nachdem die Gestalt verschwunden war, und Hugonet schwindelte der Kopf über dem seltsamen von ihm geschauten Auftritt; seine äußerste Anstrengung war kaum genügend, um ihn von dem furchtbaren Platze hinwegzuziehen, und Douglas-Castle versank während jener Nacht in Asche und Rauch, um sich bald darauf in stärkerer Weise wie jemals wieder zu erheben.«

Der Sänger schwieg und sein Zuhörer, der englische Ritter, sprach ebenfalls einige Minuten lang kein Wort; endlich erwiderte er: »Allerdings ist Eure Erzählung in so weit unläugbar, daß dies Schloß dreimal von den Erben des Hauses und der Baronie verbrannt, bis jetzt eben so oft von Henry Lord Clifford und andern Heerführern der Engländer wieder aufgebaut wurde, welche bei jeder Gelegenheit sich bemühten, es künstlicher und fester als früher zu errichten, da es eine für die Sicherheit unserer schottischen Grenze zu wichtige Lage einnimmt, als daß man es jemals aufgeben sollte. Dessen bin ich zum Theil selbst Zeuge gewesen. Ich kann mir jedoch nicht denken, daß dies Schloß, nachdem es so zerstört wurde, deshalb in Zukunft nach der erwähnten Weise wieder aufgebaut werden soll, weil solche Grausamkeiten, die doch nie die Billigung des Himmels erlangen können, mit den Thaten der Douglas verbunden waren. Ich sehe jedoch, daß du entschlossen bist, dir deinen Glauben zu bewahren, und kann dich deshalb auch nicht tadeln, da die wunderbaren Schicksale dieser Festung vollkommen genügen, um Jeden zu rechtfertigen, welcher dabei die besonderen Anzeichen der besonderen Beschlüsse des Himmels erkunden will; du darfst jedoch glauben, guter Sänger, daß es meine Schuld nicht sein wird, wenn der junge Douglas Gelegenheit erhält, seine Kocherei in einer zweiten Auflage seiner Familien-Speisekammer zu üben, oder die Vorhersagung Thomas des Reimers zu benutzen.«

»Ich bezweifle nicht Eure schuldige Umsicht, was Euren Dienst betrifft, ebenso wie diejenige von Sir John de Walton,« sagte Bertram, »ich begehe aber kein Verbrechen, wenn ich sage, daß der Himmel seine eigenen Zwecke ausführen kann. Ich betrachte Douglas-Castle als einen gewissermaßen verhängnißvollen Ort, und wünsche die Veränderungen zu sehen, welche die Zeit im Laufe von 26 Jahren dort vollbracht hat. Vor Allem wünsche ich wo möglich das Buch dieses Thomas von Erceldoun in Sicherheit zu bringen, da sich darin ein solcher Schatz vergessener Lieder und Prophezeihungen über die zukünftigen Schicksale der brittischen Königreiche, sowohl des nördlichen wie des südlichen, vorfindet.«

Der Ritter gab keine Antwort, sondern ritt etwas voran, indem er sich auf dem Rücken des hochgelegenen Ufers an jenem Bache hielt, an welchem der Weg in's Thal sich etwas steil hinabzog. Zuletzt führte derselbe auf eine Anhöhe von beträchtlicher Länge. Von diesem Punkte aus bot sich hinter einem in die Augen fallenden Felsen, welcher wie die Decoration eines Theaters bei Seite geschoben zu sein schien, um eine Aussicht in den unteren Theil des Thales zu gestatten, den Reisenden der Anblick der ausgedehnten Niederung, von welcher sich einzelne Theile schon gezeigt hatten, die sich aber jetzt, als der Fluß enger wurde, in ihrer ganzen Ausdehnung ausbreitete, während in einiger Entfernung vom Strome sich das mit Thürmen geschmückte stolze Schloß erhob, wovon das ganze Thal den Namen führte. Der Nebel, welcher fortfuhr, das Thal mit seinen flockigen Wolken zu belasten, zeigte unvollkommen die rohen Vertheidigungswerke des Städtchens Douglas, welche einen vorübergehenden Angriff zurückhalten, aber keiner regelmäßigen Belagerung widerstehen konnten. Der auffallendste Bau des Städtchens war dessen Kirche, ein im Mittelpunkt des ersteren auf einer Anhöhe errichtetes gothisches Werk, welches sich aber damals in sehr verfallenem Zustande befand. Links sah man in einiger Entfernung andere Thürme und Zinnen; das gefährliche Schloß Douglas endlich war von der Stadt durch einen Wassergraben getrennt, welcher sich beinahe gänzlich um dasselbe herumzog.

Dasselbe war in dem finsteren Stil des Mittelalters mit Schloßthürmen und Zinnen befestigt; vor allen andern ragte ein großer Thurm hervor, der den Namen Lord Henry Cliffords führte.

»Das ist das Schloß,« sagte Aymer de Valence, als er den Arm ausstreckte, während ein triumphirendes Lächeln auf seiner Stirn ruhte; »jetzt urtheile selbst, ob die von Clifford hinzugefügten Werke die nächste Einnahme zu einer leichteren That wie die früheren machen werden.«

Der Sänger schüttelte den Kopf und citirte die Worte des Psalmisten » nisi dominus custodiet«; er setzte die Unterhaltung nicht weiter fort, obgleich de Valence ärgerlich antwortete: »Meine eigene Ausgabe des Textes hat keine großen Abweichungen von der deinigen, wie es mir aber scheint, ist deine Seele geistiger, als man es sonst von wandernden Sängern sagen kann.«

»Gott weiß es,« sagte Bertram, »daß ich oder ein Mann wie ich, wenn wir den Finger der Vorsehung, wie sie ihre Zwecke in dieser Welt vollbringt, nicht beachten, weit schwereren Tadel wie andere Leute verdienen, da wir stets in der Uebung unseres phantasiereichen Gewerbes Gelegenheit erhalten, die Schicksalsveränderungen zu bewundern, wodurch Glück und Unglück entsteht, und wodurch diejenigen, welche nur an ihre Leidenschaften und Zwecke denken, die Vollstrecker der Beschlüsse des Himmels werden.«

»Ich unterwerfe mich dem, was Ihr sagt, Herr Sänger,« erwiderte der Ritter, »und es wäre sehr ungerecht von mir, setzte ich einigen Zweifel in die Wahrheit, die Ihr so feierlich aussprecht, oder in Euren Glauben, womit Ihr darauf vertraut. Ich füge nur noch hinzu, Herr, daß ich genug Gewalt in dieser Besatzung besitze, um Euch in derselben Willkommen zu bieten; auch wird Sir John de Walton, wie ich hoffe, einen Mann Eures Gewerbes, durch dessen Unterhaltung wir vielleicht manches lernen können, den Zutritt zum Schloß, zur Halle oder zum Gemach eines Ritters nicht verwehren; ich kann jedoch nicht bei Euch die Erwartung erregen, daß solche Bewilligungen auch Eurem Sohn zu Theil werden, in Betracht seines jetzigen Gesundheitszustandes; verschaffe ich ihm aber das Vorrecht im Kloster St. Bride zu bleiben, so wird er dort unbelästigt und in Sicherheit wohnen können, bis Ihr Eure Bekanntschaft mit Douglasdale und seiner Geschichte erneut habt und zu Eurer Rückreise geneigt seid.«

»Ich nehme den Vorschlag Euer Gnaden um so bereitwilliger an,« sagte der Sänger, »als ich dem Vater Abt eine Belohnung geben kann.«

»Das ist ein Hauptpunkt bei heiligen Männern und Frauen,« erwiderte de Valence, »welche in Zeiten des Krieges davon leben, daß sie ihren Besuchern Wohnung und Lebensunterhalt in ihren Klöstern auf einige Zeit geben.«

Die Abtheilung war jetzt den Wachen vor dem Schlosse näher gekommen, welche zahlreich und dicht aufgestellt, den Sir Aymer de Valence als nächsten im Befehl unter Sir John de Walton, achtungsvoll einließen. Fabian – dies war der Name des jungen Knappen im Dienste des de Valence – erwähnte es als den Willen seines Herrn, daß der Sänger ebenfalls Zutritt erhielte.

Ein alter Armbrustschütze jedoch faßte den Sänger scharf in's Auge, als derselbe dem Sir Aymer folgte.

»Es geziemt uns nicht,« sagte er, »oder einem unseres Standes, dem Willen des Sir Aymer de Valence, des Neffen vom Grafen Pembroke, sich in solchen Angelegenheiten zu widersetzen und was uns betrifft, Herr Fabian, so seid Ihr uns willkommen, wenn Ihr den Sänger auf einige Wochen im Schlosse von Douglas zu Eurem Gefährten an Tisch und Bett und zu Eurem Gaste macht, allein Euer Gnaden kennt den strengen uns ertheilten Befehl, und wenn Salomo, König von Israel, in eigener Person als reisender Sänger hieher käme, so dürfte ich ihn auf mein Wort nicht einlassen, wenn ich nicht besondern Befehl von Sir John de Walton hätte.«

»Bezweifelt Ihr, Kerl,« sagte Sir Aymer de Valence, welcher wieder umkehrte, als er den Streit zwischen Fabian und dem Bogenschützen hörte, »bezweifelt Ihr, daß ich Gewalt besitze, einen Gast zu bewirthen, oder nehmt Ihr Euch heraus, dies mir streitig zu machen?«

»Bewahre der Himmel,« sagte der alte Mann, »daß ich es mir herausnehmen sollte, mich Euer Gnaden zu widersetzen, da Ihr Euch so ehrenwerth vor Kurzem Eure Sporen verdientet. In dieser Angelegenheit aber muß ich bedenken, welcher Art der Wunsch von Sir John de Walton sein wird, welcher Euer Gouverneur sowohl wie der meine ist, deshalb halte ich es für passend, Euren Gast zurückzuhalten, bis Sir John von seinem Ritt nach den Vorposten heimgekehrt ist; da dies Verfahren meiner Pflicht entspricht, so wird Euer Gnaden daran keinen Anstoß nehmen.«

»Ich glaube,« sagte der Ritter, »daß es sich für dich nicht geziemt, vorauszusetzen, daß meine Befehle an sich etwas Unpassendes haben oder denen des Sir Walton widersprechen können. Du kannst mir wenigstens so weit vertrauen, daß du in keine Unannehmlichkeiten gerathen wirst. Behalte diesen Mann im Wachzimmer, lasse es ihm nicht an guter Bewirthung fehlen und sage dem Sir John de Walton, wenn er heimkehrt, es sei ein Mann, welcher durch meine Einladung Zutritt erlangt habe. Wenn noch mehr zu deiner Entschuldigung erforderlich ist, so werde ich ohne alles Widerstreben dasselbe dem Gouverneur angeben.«

Der Armbrustschütze machte mit der Pike, die er in der Hand trug, ein Zeichen des Gehorsams, und nahm dann das ernste Wesen einer Schildwache auf dem Posten wieder an. Er führte jedoch zuvor den Sänger in die Wachstube und versah ihn mit Nahrung und Getränk, während er zugleich mit Fabian, der hinter ihm blieb, redete. Dieser hübsche Bursch war kürzlich sehr stolz geworden, weil er den Namen von Sir Aymers Knappe erhalten hatte, und auf eine Stufe der Ritterschaft ebenso wie Sir Aymer etwas früher wie gewöhnlich vorgerückt war, der ebenfalls in derselben Weise die Ritterwürde ziemlich früh erhalten hatte.

»Ich sage dir, Fabian,« sagte der alte Armbrustschütze, dessen Ernst, Scharfsinn und Geschicklichkeit in seinem Berufe ihm das Vertrauen Aller, welche im Schlosse waren, erworben hatten, während er gelegentlich aber auch, wie er selbst sagte, zum Gespött der jungen Windbeutel und endlich auch zugleich etwas schulmeisterlich und empfindlich gegen diejenigen geworden war, welche höher als er selbst an Rang und Geburt standen. »Ich sage dir, Fabian, du wirst deinem Herrn Sir Aymer einen großen Dienst erweisen, wenn du ihm einen Wink ertheilst, er möge einem alten Bogenschützen und Kriegsmann oder anderen Leuten solcher Art eine schöne und höfliche Antwort hinsichtlich seiner Befehle ertheilen; denn ohne Zweifel hat er nicht im ersten Dutzend seiner Jahre die verschiedenen Formen des Militärdienstes erlernt und Sir John de Walton, ohne Zweifel ein besserer Befehlshaber, besitzt den ernstlichen Willen, seine Pflicht streng zu vollführen, und wird ebensowohl gegen deinen Herrn wie gegen untergeordnete Personen pünktlich streng sein; er besitzt sogar jeden Eifer für seinen Dienst, welcher ihn bewegen wird, beim geringsten Versehen dem Ritter Aymer de Valence selbst einen Verweis zu ertheilen, obgleich dessen Oheim, der Graf Pembroke, Sir John de Waltons steter Beschützer war und den Grund zum Glücke desselben legte; wegen alles dessen hat Sir John sich dem alten Grafen in der passendsten Weise dadurch dankbar erzeigt, daß er seinen Neffen für den Krieg aufzog.«

»Mag das sein, wie es will, alter Gilbert Greenleaf,« erwiderte Fabian, »so weißt du, daß ich niemals mich in einen Zank über deine Predigten einlasse, und glaube mir, daß ich mir manche Vorlesungen von Sir John de Walton und dir selbst unterwerfe; allein du treibst es ein wenig zu weit, wenn du keinen Tag vorübergehen lassen kannst, ohne mich durchzuhecheln. Glaube mir, Sir John de Walton wird dir keinen Dank wissen, wenn du sagst, er sei zu alt, um sich daran zu erinnern, daß er selbst ein Bursch gewesen ist. Ja, so ist es, der alte Mann wird nicht vergessen, daß er selbst einmal jung war, und der junge, daß er eines Tages alt werden muß; der Eine verändert sein Wesen in die langsame Förmlichkeit des vorgerückten Alters, und der Andere bleibt wie ein Waldstrom, der im Sommer vom Regen anschwillt, worin jeder Tropfen von Wasser Lärmen macht, Schaum bildet und überfließen will. Das ist ein Spruch für dich, Gilbert, um darnach zu verfahren! Hast du jemals einen bessern gehört? Hänge ihn auf unter deine Lehren der Weisheit und sieh, ob er nicht sich dort verhält wie fünfzehn zum Dutzend. Die Lehre wird dir auch dienlich sein, Mann, wenn der Weinkrug dein einziger Fehler, dich gelegentlich in Verlegenheit gebracht hat.«

»Behaltet diese Lehre für Euch selbst, guter Herr Knappe,« sagte der alte Mann, »mich däucht, sie wird dir wahrscheinlich dereinst sehr zu gute kommen. Wer hat jemals von einem Ritter oder vom Holze, woraus ein Ritter geschnitten wird, d. h. von einem Knappen gehört, daß ein solcher wie ein alter armer Armbrustschütze oder Reitknecht körperlich gezüchtigt wurde? Euer schlimmster Fehler wird durch einige Eurer witzigen Sprüche gebessert werden, und Euer bester Dienst wird kaum eine passendere Belohnung erhalten, als wenn man Euch Fabian den Schwätzer, oder überhaupt mit einem so witzigen Namen benennt.«

Nachdem der alte Mann seine Antwort bis zu dieser Ausdehnung erweitert hatte, nahm er einen gewissen ernsten Gesichtsausdruck wieder an, welcher bei solchen Leuten als charakteristisch sich bezeichnen läßt, deren Vorrücken durch dessen Langsamkeit gleichsam erfroren ist, und welche deshalb einen Aerger gegen Alle zeigen, die eine höhere Stellung, wonach Alle streben, leichter, früher und wie sie glauben, bei geringerem Verdienst, als ihr eigenes ist, erlangen. Von Zeit zu Zeit richteten sich die Augen des alten Kriegsmannes von der Spitze seiner Pike und ruhten mit einem triumphirenden Ausdruck auf dem jungen Fabian, als wolle er sehen, wie tief die Wunde ihn geschmerzt habe, während er zu gleicher Zeit wachsam blieb, um jede von seinem Posten erheischte mechanische Pflicht auszuführen. Sowohl Fabian wie sein Herr befanden sich in der glücklichen Lebensperiode, worin solche Unzufriedenheit, wie die des ernsten Armbrustschützen, sie nur wenig kümmerte, und im schlimmsten Fall als der Scherz eines alten Mannes und guten Soldaten betrachtet wurde, um so mehr, da derselbe stets den Dienst seiner Gefährten gern übernahm und das Vertrauen von John de Walton in hohem Grade besaß, welcher, obgleich weit jünger als Greenleaf, in den Kriegen Edwards I. auferzogen war und sehr eifrig auf strenge Disciplin hielt, welche nach dem Tode dieses großen Fürsten von der jungen und heißblütigen Tapferkeit Englands sehr vernachlässigt worden war.

Mittlerweile fiel es Sir Aymer de Valence ein, daß der angebliche Sänger in Wirklichkeit nicht der Mann derjenigen Würde, die er annahm, sein könne, mochte er auch nur den gewöhnlichen Grad der Gastfreundschaft, der einem solchen Manne, wie Bertram, gewöhnlich zu Theil wurde, erwiesen, und bloß dasjenige gethan haben, was sich für seinen eigenen Rang, da er die höchste Würde der Ritterschaft besaß, geziemte.

Es fand sich in seinem Gespräch ein größerer Ernst wo nicht Strenge, als bei Leuten seines Berufes gewöhnlich war. Wenn er sich an manche Punkte von Sir John de Waltons Pünktlichkeit erinnerte, empfand er einige Zweifel, ob der Gouverneur es billigen werde, daß er in das Schloß einen Mann von Bertrams Charakter eingeführt habe, welcher Beobachtungen machen könne, durch welche der Garnison nachher viele Gefahr und Unannehmlichkeit entstehen möchte. Er bedauerte deshalb im Geheimen, daß er dem wandernden Sänger nicht mit klaren Worten gesagt habe, seine Aufnahme und überhaupt die eines jeden Fremden in das gefährliche Schloß sei unter den jetzigen Umständen nicht gestattet. In diesem Fall würde die genaue Beobachtung seiner Dienstvorschriften ihm zur Rechtfertigung gedient haben, und es wäre ihm Lob und Ehre von seinem Vorgesetzten zu Theil geworden, während er vielleicht jetzt Kaltsinn und Tadel zu erwarten habe.

Als diese Gedanken ihm durch den Kopf fuhren, erhoben sich auch einige stille Besorgnisse vor einem Verweise des befehlenden Offiziers, denn Sir Aymer liebte denselben ungeachtet seiner Strenge eben so sehr, als er ihn fürchtete. Er ging deshalb nach dem Wachzimmer des Schlosses unter dem Vorwand, nachzusehen, daß die Pflichten der Gastfreundschaft seinem Reisegefährten gehörig erwiesen würden. Der Sänger stand achtungsvoll auf, und schien nach der Weise, wie er seinen Gruß abstattete, wenn er auch diese neue Befragung nicht erwartet hatte, dennoch darüber durchaus nicht zu erstaunen. Sir Aymer nahm andererseits einen Ausdruck größerer Zurückhaltung an, als er gegen Bertram früher gezeigt hatte; indem er auf seine frühere Einladung zurückkam, bestimmte er jetzt dieselbe dahin näher, daß er sagte, der Sänger wisse, daß er nur der zweite im Oberbefehl sei, und daß die wirkliche Erlaubniß, das Schloß zu betreten, von Sir John de Walton gegeben werden müsse.

Es gibt eine höfliche Weise, womit man den Schein annimmt, als glaube man an eine Entschuldigung, welche ein anderer auch geneigt ist als Bezahlung anzunehmen, ohne daß ein Verdacht über die wahre Geltung des Complimentes laut wird.

»Es war ein bloßer Wunsch vorübergehender Neugier,« sagte er, »welcher, nicht gewährt, weder unbequeme noch unangenehme Folgen nach sich ziehen kann. Thomas von Erceldoun war der Dreiheit von Wales gemäß, einer der drei Barden Britanniens, welche weder einen Speer mit Blut befleckt hatten, noch jemals der Einnahme und Wiedereinnahme von Schlössern und Festen schuldig waren; somit war er auch kein Mann, bei welchem man kriegerische Thaten nach seinem Tode beargwohnen könnte. Ich kann jedoch leicht begreifen, weshalb Sir John de Walton die gewöhnlichen Gebräuche der Gastfreundschaft in Abnahme kommen ließ, und weshalb ein Mann von öffentlichem Charakter wie ich, Nahrung und Wohnung nicht erwarten darf, wo dies für so gefährlich gehalten wird; Niemand darf auch erstaunen, daß der Gouverneur nicht einmal seinem würdigen jungen Stellvertreter die Gewalt ertheilte, Andere von einer so strengen und ungewöhnlichen Regel zu entbinden.«

Diese Worte, sehr kalt gesprochen, hatten etwas Beleidigendes für den jungen Ritter, weil damit angedeutet war, daß er nicht genügende Eigenschaften besitze, um des Vertrauens von Sir John de Walton werth zu sein, mit dem er auf dem Fuße großer Freundschaft und Vertraulichkeit gelebt hatte, obgleich der Gouverneur schon über sein dreißigstes Jahr hinaus, und der Stellvertreter selbst noch nicht 21 Jahre alt war; das volle Alter des Ritterthums war ihm nämlich früher erlassen worden, weil er Thaten früherer Mannheit vollbracht hatte. Ehe er noch die ärgerlichen Gedanken, die in seiner Seele sich erhoben, verscheuchte, wurde der Schall eines Jagdhornes am Thore vernommen, und aus der allgemeinen in der Besatzung sich verbreitenden Bewegung ergab es sich, daß der Gouverneur von seinem Ritte heimgekehrt war. Eine jede Schildwache, durch seine Heimkehr offenbar belebt, schulterte die Pike aufrechter, gab das Losungswort mit stärkerer Stimme und schien sich ihrer Pflicht mehr bewußt zu sein. Nachdem Sir John de Walton von seinem Pferde gestiegen war, fragte er Greenleaf nach den Vorgängen während seiner Abwesenheit, worauf dann der alte Armbrustschütze es für seine Pflicht hielt, zu sagen, daß ein Sänger, der ein Schotte oder ein herumstreichender Grenzbewohner zu sein scheine, in das Schloß eingelassen sei, während sein Sohn, der an der jetzt so viel besprochenen Pest leide, auf einige Zeit sein Unterkommen im St. Bridekloster gefunden habe.

»Wir brauchen keinen solchen Zeitvertreib,« erwiderte der Gouverneur, »und es hätte uns mehr zur Zufriedenheit gereicht, wenn unser Stellvertreter andere Gäste für uns aufgefunden hätte, welche sich für offenen und freimütigen Verkehr besser eignen, als ein Mann, welcher seinem Gewerbe nach ein Lästerer Gottes und ein Betrüger der Menschen ist.«

»Doch,« sagte der alte Soldat, der sogar kaum seinen Befehlshaber anhören konnte, ohne sich seiner Neigung zum Widerspruch hinzugeben, »ich habe Euer Gnaden bemerken hören, daß das Gewerbe eines Sängers, wenn es gerecht betrieben wird, ebenso viel Werth besitzt, als sogar die Würde der Ritterschaft.«

»Das mag in früheren Tagen der Fall gewesen sein,« erwiderte der Ritter, »die gegenwärtigen Sänger aber haben die Pflicht zur Tugend anzufeuern vergessen, und es ist noch ein Glück, wenn die Dichtkunst, die unsere Väter zu edlen Thaten anregte, deren Kinder nicht zu niedrigem und unwürdigem Leben antreibt. Ich will jedoch darüber mit meinem Freund Aymer sprechen, im Vergleich mit welchem ich keinen ausgezeichneteren oder muthigeren jungen Mann kenne.«

Während er mit dem Armbrustschützen in dieser Weise sich unterredete, trat Sir John de Walton, eine schlanke und schöne Gestalt, unter den weiten Bogen des Kamines im Wachzimmer; der zuverlässige Gilbert horchte auf ihn mit achtungsvollem Schweigen, und füllte mit Winken und Zeichen als ein aufmerksamer Zuhörer die Pausen im Gespräche aus. Das Verfahren eines anderen Zuhörers war nicht in gleicher Weise achtungsvoll; wegen seiner Stellung entging derselbe aber der Beobachtung. Diese dritte Person war Niemand anders, als der Knappe Fabian, welcher durch seine Stellung hinter dem Vorsprunge des Kamins der Beobachtung entging und sich noch sorgfältiger versteckte, als er vernahm, daß das Gespräch zwischen dem Gouverneur und dem Armbrustschützen sich auf die Ansichten seines Herrn, die er für Vorurtheile hielt, richtete. Die Beschäftigung des Knappen war die niedrige Aufgabe, Sir Aymers Waffen zu reinigen, was dadurch geschah, daß die einzelnen Stücke der Stahlrüstung auf dem schon erwähnten Vorsprung erwärmt wurden, damit sie den gewöhnlichen dünnen Ueberzug von Firniß annehmen könnten. Wurde er entdeckt, so konnte sein Benehmen deshalb nicht als unverschämt oder achtungswidrig gelten. Er wurde vor der Entdeckung um so mehr geschützt, da ein dicker Rauch aus Eichenholz mit Schnitzwerk emporstieg, von welchem manches das Wappen und die Thaten der Douglas-Familie darstellte; dies Holzwerk, welches gerade für Feuerung bereit gelegen war, dampfte auf dem Kamine, um bald in helle Flammen auszuschlagen.

Der Gouverneur setzte sein Gespräch mit Gilbert fort, ohne daß er merkte, die Zahl seiner Zuhörer habe sich vermehrt.

»Ich brauche Euch nicht zu sagen, daß ich ein Interesse an der schnellen Beendigung dieser Belagerung oder Blokade habe, womit der Douglas uns zu bedrohen fortfährt; meine eigene Ehre und meine Gefühle erheischen, daß ich dies gefährliche Schloß für England bewahre, aber die Zulassung dieses Fremden macht mir Unruhe. Der junge de Valence wäre seinen Vorschriften genauer nachgekommen, wenn er dem Wanderer jede Verbindung mit der Besatzung ohne meine Erlaubniß untersagt hätte.«

»Es ist Schade,« erwiderte der alte Gilbert, indem er seinen Kopf schüttelte, »daß dieser gutmüthige und tapfere junge Ritter bisweilen durch den unbedachten Rath seines Knappen, des Knaben Fabian, von seiner Bahn abgebracht wird, welcher zwar tapfer ist, allein so wenig Beharrlichkeit besitzt, als eine Flasche von gegornem Dünnbier.«

»Der Henker hole dich,« dachte Fabian. »Altes Ueberbleibsel aus den Kriegen, voll von Eigendünkel und Kriegsausdrücken, wie ein Soldat, welcher sich zum Schutz gegen die Kälte in eine zerlumpte Fahne als Mantel eingewickelt hat, damit selbst seine Außenseite nichts wie Lumpen und kriegerische Sinnbilder zeigt.«

»Ich würde nicht zweimal an die Sache denken, wäre mir der Mann weniger theuer,« sagte Sir John de Walton; »ich möchte diesem jungen Mann aber von Nutzen sein, selbst wenn ich seinen Fortschritt in militärischer Kenntniß auf Kosten einigen Schmerzes erkaufen müßte, der ihm durch mich dabei ertheilt würde. Die Erfahrung sollte der Seele eines jungen Mannes eingebrannt und nicht bloß ihm durch Zeichnung einiger Umrisse mit Kreide, wie bei einer Landkarte, ertheilt werden. Ich will des Winkes gedenken, den Ihr mir, Gilbert, gegeben habt, um diese beiden jungen Männer von einander zu trennen; obgleich ich den Einen sehr liebe, und weit davon entfernt bin, dem Andern Böses zu wünschen, so führt doch jetzt, wie Ihr sehr richtig bemerkt, der Blinde nur den Blinden. Denn der junge Ritter hat als Gehülfen und Rathgeber einen zu jungen Knappen; das aber muß gebessert werden.«

»Der Teufel hole dich, alte Wanderraupe,« dachte der Page, »habe ich dich also auf der That ertappt, daß du mich und meinen Herrn verlästerst, wie du deiner Natur gemäß gegen alle hoffnungsvollen jungen Knospen der Ritterschaft verfahren mußt. Müßte ich nicht die Waffen eines Zöglings im Ritterthum dadurch beschmutzen, daß ich sie mit einem Manne deines Ranges kreuzte, so möchte ich dich mit einer ritterlichen Aufforderung zum Kampfe beehren, so lange die von mir gesprochene Verläumdung noch stinkend auf deiner Zunge ist; wie es jetzt steht, sollst du nicht eine Art Sprache öffentlich im Schlosse auf der Zunge haben, und eine andere für den Gouverneur bereit halten, weil du mit ihm unter dem Banner von König Edward gefochten hast. Ich will meinem Herrn diese deine bösen Absichten berichten, und wenn wir unsere Verabredung getroffen haben, wird es sich zeigen, ob die jungen Leute mit kühnem Muth oder die Graubärte die Ordnung und der Schutz dieses Schlosses Douglas sein werden.«

Wir brauchen hier nur zu bemerken, daß Fabian seinen Zweck ausführte und seinem Herrn in nicht sehr guter Laune die Unterredung zwischen Sir John de Walton und dem alten Soldaten berichtete. Es gelang ihm, das ganze als eine förmliche gegen Sir Aymer de Valence beabsichtigte Beleidigung darzustellen, während Alles, was der Gouverneur that, um den Verdacht des jungen Ritters zu beseitigen, bei diesem keine freundschaftliche Ansicht von den Gefühlen seines Befehlshabers gegen ihn erwecken konnte. Er behielt den Eindruck, den er von Fabians Erzählung erhalten hatte, und glaubte jetzt, er erweise dem Sir John de Walton kein Unrecht, wenn er bei ihm den Wunsch voraussetze, den größten Antheil am Ruhme in der Vertheidigung des Schlosses für sich in Anspruch zu nehmen und seinen Gefährten zu entziehen, welche einen bedeutenden Antheil nach aller Billigkeit daran erhalten mußten.

Die Mutter des Unheils, sagt ein schottisches Sprüchwort, ist nicht größer als ein Mückenflügel. In dieser Ursache zum Streit hatten weder der junge Mann noch der ältere Ritter einander gerechte Ursache zur Beleidigung gegeben. De Walton war ein strenger Beobachter der Militärdisciplin, worin er von frühester Jugend an erzogen worden war, und wodurch er sich beinahe ebenso wie durch seinen natürlichen Charakter bestimmen ließ; seine gegenwärtige Lage ertheilte um so größere Kraft seinen durch Erziehung erlangten Eindrücken. Das Gerücht hatte die militärische Geschicklichkeit, die Liebe zu Abenteuern und die Mannigfaltigkeit der Unternehmungen sogar noch übertrieben, welche James, dem jungen Lord von Douglas, zugeschrieben wurden. Er besaß in den Augen der englischen Garnison eher die Fähigkeiten eines Teufels als eines bloßen Sterblichen; wenn nämlich die englischen Soldaten die Langeweile einer fortwährenden Wache verfluchten, welche keinen Nachlaß von ihrem strengen Dienste gestattete, so konnten sie nach ihren übereinstimmenden Angaben sich darauf verlassen, daß ihnen eine große Gestalt mit der Streitaxt in der Hand erschien, sich mit ihnen auf höchst einschmeichelnde Weise in ein Gespräch einließ, und jedesmal mit einer Freimütigkeit und Beredtsamkeit, wie sie nur ein gefallener Geist besitzen konnte, der unzufriedenen Wache eine Weise angab, wodurch dieselbe sich in Freiheit setzen könne, wenn sie Beistand beim Verrathe der Engländer leiste. Die Mannigfaltigkeit dieser Entwürfe und die Häufigkeit ihres Vorkommens hielt de Walton's Aengstlichkeit so fortwährend rege, daß er zu keiner Zeit sich für gesichert vor dem schwarzen Douglas hielt, eben so wenig wie der gute Christ sich für unerreichbar hinsichtlich der Schlingen des Teufels hält; jede neue Versuchung bestätigt alsdann nicht die Hoffnung, daß man den weiteren entgehe, sondern scheint nur anzukündigen, daß auf den augenblicklichen Rückzug des bösen Feindes, ein neuer mit größerer Schlauheit ersonnener Angriff folgen wird. Bei diesem allgemeinen Zustand der Aengstlichkeit und der Besorgniß verschlimmerte sich stets die Stimmung des Gouverneurs; sogar diejenigen, welche ihn am meisten liebten, bedauerten, daß er sich stets über Mangel an Sorgfalt von Seiten derjenigen beklage, welche nicht mit derselben Verantwortlichkeit wie er behaftet, noch auch von der Hoffnung so glänzender Belohnung beseelt, nicht denselben Grad wachsamen und unaufhörlichen Verdachtes hegten. Die Soldaten murrten, daß die Wachsamkeit ihres Gouverneurs zu streng sei; die Offiziere und Männer höheren Ranges, von welchen mehrere im Schlosse sich befanden, da dasselbe als Waffenschule berühmt war, und sogar der bloße Dienst innerhalb seiner Mauern ein gewisses Ansehen ertheilte, beklagten sich, daß Sir John de Walton keine Hirsch- oder Falken-Jagden anstellte, und überhaupt keine Vergnügungen erlaubte, welche die Strenge der Kriegführung mildern könnten, sondern kein anderes Treiben, als die Uebung der pünktlichsten Disciplin gestattete. Andererseits muß man gewöhnlich zugestehen, daß ein Schloß wohl bewacht ist, wo der Gouverneur auf strenge Kriegszucht hält; daß ferner bei Streitigkeiten und persönlichen Zänkereien in einer Besatzung die jüngeren Leute mehr Schuld haben, als diejenigen, deren größere Erfahrung sie von der Nothwendigkeit strenger Vorsichtsmaßregeln überzeugt hat.

Eine großmüthige Seele, wie eine solche sich bei Sir John de Walton vorfand, wird oft in dieser Weise durch die Gewohnheit zu großer Wachsamkeit verändert und über die natürlichen Grenzen der Aufrichtigkeit hinausgeführt. Auch Sir Aymer de Valence war nicht frei von ähnlicher Veränderung; Verdacht, obgleich aus verschiedener Quelle entsprungen, schien auf seinen offenen und edlen Charakter, Eigenschaften, die bisher ihm eigen gewesen waren, Einfluß zu üben. Vergeblich suchte Sir John de Walton mit Eifer nach Gelegenheiten, um seinem jüngeren Freunde Nachsicht zu zeigen, welche zu Zeiten sich so weit ausdehnte, als die Pflicht der Besatzung es gestattete. Der Schlag war geschehen, ein stolzer und feuriger Charakter war auf beiden Seiten in Unruhe versetzt worden; während de Valence die Meinung hegte, daß ein Freund, welcher in mancher Hinsicht ihm verbunden sei, ihn ungerechter Weise im Verdacht habe, meinte de Walton andererseits, daß ein junger Mann, den er mit eben so voller Sorgfalt behandelte, als sei derselbe sein eigener Sohn, welcher ferner seinen Lehren Alles verdankte, was er vom Kriege wußte und was er an Erfolgen während seines Lebens gewonnen hatte, sich wegen Kleinigkeiten für beleidigt und auf sehr unpassende Weise für mißhandelt hielt. Der so zwischen Beiden gesäte Samen der Zwietracht verbreitete sich bald wie der unter dem Waizen durch einen Feind verbreitete Lolchsamen, von einer Klasse der Besatzung zu einer andern; die Soldaten, obgleich aus keinem andern Grunde als wegen des Zeitvertreibs, nahmen Partei für den Gouverneur oder dessen Lieutenant; als so der Ball der Zwietracht zwischen Beide geworfen war, fehlte es nicht mehr an dem einen oder anderen Arm, um ihn in Bewegung zu erhalten.



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