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Max Eberhard erfuhr erst nach dem vollständigen Bruch mit seinem Vater, welchen Schatz er in dem Herzen Elses besaß. Erst jetzt offenbarte sich ihm der ganze Reichtum ihrer Liebe. Der süße Rausch der ersten Zeit wich einem mehr und mehr sich vertiefenden Gefühl, das allen Kummer, alle Schmerzen in sich verschloß, um den Mut, dessen der Geliebte im Kampf gegen das feindliche Leben bedurfte, zu stählen. Der Augenblick war gekommen, den das Bild auf dem Steine seines Ringes darstellte. Freilich galt es nicht, wie sie es sich einst ausgemalt, dem Geliebten mit lächelnder Miene das Schwert zum blutigen Streit für die Freiheit zu reichen, sondern nur gegen die täglich sich erneuernden Widerwärtigkeiten des Daseins, die mit ihren Dornen täglich frische Wunden ritzen. Es ist dieses aber für den Mann ein Kampf, der mehr Energie und Ausdauer verlangt, als der einer Feldschlacht.
Der Bruch mit dem Vater hatte nicht geheim bleiben können, nachdem Max dessen Haus verlassen und auf der Würzburger Gasse ein bescheidenes Quartier bezogen hatte. Über die Ursachen war freilich nichts Zuverlässiges in die Öffentlichkeit gedrungen; immerhin erfüllte es die Geschlechter mit Mißtrauen gegen ihn, so daß er auf ihre Klientel nicht rechnen durfte. Er sah sich daher hauptsächlich auf die Praxis unter den Bauern 264 angewiesen. Gemäß seiner Gesinnung, die von Else geteilt wurde, dünkte es ihn die edelste Aufgabe, den armen Leuten ein treuer Anwalt zu sein und durch sein Tun eine bittere Wahrheit über seinen Stand zu entkräften, die Theodor Murner in seiner »Schelmenzunft« in die Verse gekleidet hat:
»Es ist ein Volk, das seyendt Juristen,
wie seyndt mir das so bösliche Christen!
Sie tun das Recht so spitzig bügen
und können's wo man will hinfügen –
Darnach wird Recht fälschlich Unrecht;
das macht manchen armen Knecht!«
Leider fand Max nur spärlich Gelegenheit, seine Grundsätze in Anwendung zu bringen. Die Winter- und Frühlingsstürme schienen den Bauern die Streit- und Prozeßsucht aus den Köpfen gefegt zu haben. Ihr Verlangen war auf ein Höheres gerichtet, das all' ihr Sinnen und Trachten umspannte. Unter solchen Umständen sah Max die Aussicht, die Geliebte heimzuführen, weiter und weiter zurückweichen. Es trat noch ein anderes hinzu, das freilich nur erst nebelartig am Horizont sich ankündigte. Elses Vater wurde durch das Mißgeschick des Herzogs Ulrich um so kräftiger vorwärts auf der Bahn gedrängt, die er betreten hatte, als damit die Quelle verschüttet war, aus der ihm bisher reiche Mittel zugeflossen waren, und sein Stolz es nicht vertragen konnte, sich den Bedingungen zu unterwerfen, von denen der Rat ein Vergessen des alten Streites und seine Wiederaufnahme in das Bürgerrecht der Stadt abhängig machen wollte. Max hatte sie ihm angedeutet, da ihm nicht Verschwiegenheit auferlegt worden war. Ritter Stephan hatte sie mit einem Hohnlachen beantwortet. Er, ein Ritterbürtiger und Vertrauter von Fürsten, vor diesem städtischen Scheinadel sich beugen? Und vollends jetzt, wo das Bedenken des Innern Rates, gegen Dr. Deutschlin und den Kommentur entschieden zu handeln, die Segel seiner und seiner Partei Hoffnungen 265 mächtig schwellte? Niemals! Sein ungemessener Adelsstolz, seine Überhebung traten bei dieser Veranlassung so unverhüllt hervor, daß Max sich bis in das Innerste erkältet fühlte. Es drängte sich ihm mit Notwendigkeit die Frage auf, wenn dieses die wahre Herzensmeinung des Ritters war, wie mußte er dann über die Kleinbürger und Bauern denken?
Es kam vor, daß er scherzhaft Max einen unpraktischen Träumer nannte, wann sich das Gespräch auf deren Forderungen lenkte. Max verstimmte und verdroß es, Else jedoch, die ihren Vater besser kannte als er, sah mit weiblichem Scharfblick einen Konflikt voraus, der ihrem Herzensbunde verderblich werden mußte. Sie verschloß ihre Befürchtungen in ihrer Brust und trachtete um so mehr danach, Max mit sanfter Hand die Dornen auszuziehen, mit denen ihr Vater ihn verletzte, ihn gegen diesen milde und versöhnlich zu erhalten. Und er vergaß, wann er bei ihr war, was ihn in der Einsamkeit zuweilen wie eine Ahnung keimenden Unglücks beängstigte, las er doch auf ihrer kleinen weißen Stirn, in ihren dunkelblauen Augen nichts von ihren geheimen Sorgen, sondern nur das Glück der vollsten, hingebendsten Liebe.
Da zückte Käthe das Messer auf die schöne Gabriele. Herr Stephan ließ es gelten, daß Max die Tat als ein Symptom des überbrausenden Hasses auffaßte, den die Unterdrücker in der ländlichen Bevölkerung unablässig aufgehäuft hatten. Er leitete aber die Notwendigkeit daraus ab, daß man dem Volke nicht die Zügel lassen dürfe, wenn es nicht unberechenbaren Schaden anrichten sollte.
»Das heißt, um es nach anderer Willen zu lenken,« bemerkte Max nicht ohne Bitterkeit. »Nur den Reiter soll es tauschen.«
»Geht, geht, Ihr seid ein Schwarzseher, Doktor!« lachte Stephan von Menzingen.
Es schwebte Max eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, allein ein Blick Elses ließ sie ihn unterdrücken. 266 Nur natürlich war es, daß ihm seine Beziehungen zu den an dem Ereignis Beteiligten eine tiefere Teilnahme einflößten, Welch ein unheilvolles Verhängnis ging von diesem schönen Weibe aus, dem die ersten Regungen seines erwachenden Herzens gehört hatten! Um Gabrieles Willen war er von seinem Vater verstoßen worden, hatte den jungen talentvollen Goldschmied ein frühzeitiger Tod ereilt, war jetzt das Mädchen, das er an dessen Grabe hatte stehen sehen, zur Verbrecherin geworden! Und er erinnerte sich, mit welch zorniger Verachtung Gabriele an dem Dreikönigstage gegen ihn über das Volk sich geäußert hatte. Nun hatte gerade sie der Stachel dieses Volkes, dessen Schweiß sie ihren Reichtum verdankte, bedroht! Zufall konnte es nicht sein. Es erhöhte aber seine Teilnahme für Käthe, da ihm das Auftreten ihres Bruders in der Versammlung bei dem Tuchscherer nach Lautners Begräbnis Achtung eingeflößt hatte.
Da kam am Tage vor Mittfasten zu ihm Kaspar Etschlich, der nichts unversucht lassen wollte, um Käthe zu helfen. Nach seiner Überzeugung zog selbst der Enkel von des Teufels Großmutter den Kürzeren, wenn er sich mit einem Advokaten in Streit einließ. Von Max hatte ihm sein Freund Lautner erzählt, und er bot ihm alle seine Ersparnisse an und war überzeugt, daß Simon Neuffer ein Stück Geld hinzufügen würde, wenn er Käthe aus der Schlinge zöge. »Behaltet Eure Ersparnisse nur im Sack,« erwiderte Max; »es war bereits beschlossen, daß ich mich des Mädchens annehmen wollte, ehe Ihr kamet. Aber damit ich das kann, müsset Ihr mir alles erzählen, was Ihr etwa in bezug auf die beabsichtigte Tat des Mädchens wisset.«
Kaspar betrachtete ihn mit großen Augen. Denn ein Advokat, der den Armen in der Not umsonst beistand, erschien ihm wie ein Wunder. So weihte er denn Dr. Max in die Herzensgeschichte seines toten Freundes und Käthes ein. Nur über das, was zwischen dieser und der 267 schönen Gabriele auf dem Kirchhofe geschehen war, um der ersteren das Messer in die Hand zu drücken, vermochte er keinen Aufschluß zu geben, Erleichterten Herzens durch die Aussprache und voll Hoffnung verließ er Max. Jetzt müßte doch der Teufel sein Spiel haben, dachte er, wenn Käthe nicht auf die eine oder andere Weise frei kommt.
Max war am Morgen eben beschäftigt, dem Stadtrichter zu schreiben, daß er die Verteidigung Käthes übernähme und deshalb um freien Zutritt zu der Gefangenen bäte, als vom Galgentore her ein lustig Pfeifen und Trommeln heraufkam. Den Spielleuten vorauf tanzte ein Pickelhering mit einer kurzstieligen Fahne, die er über seinem Haupte schwenkte, in die Luft warf und wieder auffing, oder jetzt unter dem linken, jetzt unter dem rechten Beine hindurchwirbeln, hinter seinem Rücken aufflattern ließ und mit einer Drehung seines Körpers geschickt wieder auffing. Sein Fahnenspiel und seine Sprünge fanden lauten Beifall bei den Leuten, welche Trommler und Pfeifer herbeilockten. Diesen folgten in ihrem besten Zeuge, das Schwert an der Seite, einige dreißig Bauern, von deren beiden Führern, Simon Neuffer und Wendel Haim, nur der erstere Max bekannt war, Hinter ihnen trug Paul Ickelsamer ein in den Farben der Stadt rot und weiß gestreiftes Banner, das schon auf mancher Kirchweih lustig in der Luft gerauscht haben mochte.
Unter Trommel- und Pfeifenklang, mit Fahnenspiel und schallenden Jauchzern schritt der Zug, von einer immer größeren Menschenmenge begleitet, durch den Torbogen des Weißen Turmes in die innere Stadt und über den Hauptmarkt hinunter zum Bären des Gabriel Langenberger, Bei dem unerwarteten Zuspruch, der rasch den geräumigen Flur und die weite niedrige Trinkstube füllte, wurde das käsige Gesicht Langenbergers noch etwas fahler. Die Gäste schrien gar zu ungestüm nach Wein, und Mittfasten war doch nicht Kirmeß, daß 268 die Ohrenbacher mit ihren Wehren daherkamen. Zu den Ohrenbachern hatten sich Bauern aus anderen Dörfern, die gerade in der Stadt waren, darunter etliche aus Brettheim, gesellt. Von der Bürgerschaft hatten sich nur einige eingefunden, unter ihnen Hans Krätzer und ein gewisser Lorenz Knobloch, der im Dienste des Johanniterhofes stand. Er hatte Mönch werden sollen, war aber aus der Klosterschule entlaufen und hatte sich etliche Jahre als Lanzknecht umhergetrieben. Jetzt war er verheiratet, lebte jedoch lustig wie ein Junggeselle. Er drängte sich an Simon Neuffer, der in dem Schreien, Singen, Lachen und Bechergestampf eine ernste Haltung bewahrte. Kaspar Etschlich ward von einer fieberhaften Unruhe umgetrieben und rief ein über das andere Mal: »Drauf! drauf!«
Plötzlich hieß es: »Der Stadtrichter!« und Georg Hörners gedrungene Gestalt zeigte sich in der Tür der Schankstube. Simon Neuffer hob sich ihm gelassen entgegen. »Was ist dies? Was heißt das? Was wollet Ihr?« fragte der Stadtrichter mit einer den Lärm beherrschenden Stimme, und es ward stille.
»Wir halten den Freitrunk, Herr, der uns von alters her zusteht aus den Strafgeldern unseres Rügegerichts,« gab der Dorfmeister ruhig zur Antwort.
»Und dazu habt Ihr Eure Schwerter umgeschnallt, als ob es Kirchweih' oder sonst ein Fest wäre?« rief der Stadtrichter. »Das darf nicht sein; das ist ein Unfug, den ich nicht dulde!«
»Halten zu Gnaden, gestrenger Herr Stadtrichter«, mischte Wendel Haim sich demütig ein, indem er dazu die treuherzigsten Augen machte. »Wir sind der Herrschaft allzeit willig und gehorsam, aber Ihr werdet doch nit die alten Bräuch' abschaffen wollen?«
»So beweiset Euren Gehorsam, indem Ihr unverweilt die Stadt räumt,« herrschte Georg Hörner ihn an.
»Nu aber,« erscholl es aus der Menge. »Was, wir sollen unseren Freitrunk nicht halten dürfen, wo es uns 269 gefallet?« – »Die Stadt will er uns verbieten, die wir mit unserem saueren Schweiß ernähren?« – »Die alten Bräuch' will er abschaffen?«
»Ruhe,« donnerte der Stadtrichter. »Und Ihr, Dorfmeister, tut Eure Pflicht als Obrigkeit und führet die Leute hinweg.«
»Mit Gunst, Herr, das Herkomm ist auch ein Recht und es ist älter als Euer Befehl,« erwiderte Simon mit gerunzelter Stirn. »Unfug treiben wir halt nit. Wir sind nit dahergelaufen, wir sind seßhafte Bauern und zahlen unsere Steuern bei Heller und Pfennig, ob sie uns auch dermaßen beschweren, daß wir kaum das Leben haben.«
»Ihr weigert Euch, zu gehorchen? Wollt Ihr mich zwingen, Gewalt anzuwenden?« drohte Hörner.
Ein wildes Geschrei erhob sich. »Drohen will er uns?« – »Was soll das Schwatzen?« – »Stoß ihm Dein Messer in den Wanst, Simon!« – »Dran, dran!« So tobte es durcheinander, und manche Faust fuhr an den Schwertgriff. Auch der Stadtrichter legte die Hand an seine Wehr. Es wäre jetzt zum Losschlagen gekommen, wenn Simon nicht abwehrend seine Hand erhoben hätte. Er hatte mit raschem Blick die Anwesenden überflogen. Die Bürger, die, wie Krätzer und Knobloch nur eben abermals versichert hatten, ihnen zufallen würden, sobald sie nach Rothenburg kämen, waren ausgeblieben. Den Rat zu stürzen, daran war unter diesen Umständen nicht zu denken.
»An meinem Leben liegt nichts,« sprach der Stadtrichter unterdessen mit einer Entschlossenheit, die Eindruck machte. »Aber mein Blut kommt über Euch. Denket an Eure Weiber und Kinder.«
»Wir begehren Euer Blut nicht, wie gar leicht Ihr auch mit unserem Leben umspringet,« erwiderte Simon Neuffer. »Wir wollen unser gutes altes Recht nit daran geben, weil's Euch nit gefallen tut.«
Er wollte noch weiter reden, der Stadtrichter unterbrach ihn jedoch: »Ziehet heim, sag' ich, ziehet heim!« 270
»Gut,« entschied Simon, »aber nit anders, als daß Ihr mir meine Schwester herausgebet, die Ihr in den Turm gesteckt habt.«
»Ja, ohne die Käthe verlassen wir die Stadt nicht,« trotzten die Ohrenbacher.
»Aber so nehmt doch Vernunft an, Leute, das hängt ja nicht von mir ab, das ist des Rats Sache,« entgegnete Georg Hörner. »So er es befiehlt, lass' ich die Dirne frei.«
»So schaffet den Befehl des Rates herbei,« rief Paul Ickelsamer, und die übrigen Ohrenbacher riefen: »Wir gehen nit eher fort.«
»Lasset Euch doch von ihm nicht narren,« hetzte Lorenz Knobloch, der weit im Hintergrunde stand, und Wendel Haim sagte mit einer kläglichen Stimme: »Ach es tut nimmer gut, Ew. Gnaden, daß Ihr so hart mit uns armen Leuten seid. Wir sind's freilich nit anders gewöhnt von der Oberkeit, aber gut tut's halt nimmer.«
»Und jetzt ist's genug,« rief Kaspar Etschlich. »Mit gutem kriegen wir die Käthe nit frei. Auf, nach dem Weiberturm!«
»Nach dem Weiberturm! Nach dem Weiberturm!« wiederholten alle den Ruf.
Es entstand ein Drängen, Schieben, Stoßen. Georg Hörner wurde beiseite gedrückt, und die Ohrenbacher stürzten auf die Gasse.
»Haltet sie zurück, Dorfmeister,« schrie Hörner mit hochrotem Gesichte Simon zu. »Wenn jetzt Blut fließet, so ist's Eure Schuld.«
Aber Simon hörte nicht und er eilte hinter ihm auf die Straße.
Hier stutzten die Ohrenbacher. Denn die schmale Gasse war abwärts nach der Burggasse von einer Abteilung Stadtknechte besetzt, die ihnen die gefällten Hellebarden entgegenstreckte. Diese stachelige Eisenhecke mit den Schwertern zu durchbrechen wäre eine ebenso vergebene wie blutige Mühe gewesen. Das 271 erkannten auch die waffenkundigen Ohrenbacher und der krausköpfige Ickelsamer rief: »Über den Markt!« Sie stürmten nach diesem hinauf, Neuffer und Haim an der Spitze, während der Stadtrichter, der auf alle Fälle seine Maßregeln getroffen hatte, bevor er sich in den Bären begab, zurück blieb und den Stadtknechten befahl, den Bauern langsam nachzurücken. Aber auch die Hafen- und Schmiedgasse waren durch eine bedeutende Zahl von Stadtknechten abgesperrt, so daß den Bauern, wenn sie nicht im Rücken angegriffen werden wollten, während sie sich auf den Feind warfen, nur der Weg über den Markt offen blieb. Sie schlugen diese Richtung ein, die einen unter Schreien und Toben, die anderen mit stiller Wut. Jedoch auch die Stadtknechte in ihrer rechten Flanke setzten sich in Bewegung, indessen die zweite Abteilung ihnen stetig im Rücken blieb, und so wurden sie in die Georgengasse und nach dem Weißen Turm gedrängt. Das Spiel war verloren und unter Schelten, Drohen und Fluchen räumten die Ohrenbacher durch das Galgentor die Stadt. Kaspar, der sich draußen von ihnen trennte und durch das Röder Tor nach Hause zurückkehrte, wollte sich vor Verzweiflung schier das Haar ausraufen.
Die Ohrenbacher waren durch den Fehlschlag keineswegs entmutigt. Im Gegenteil, ihre Erbitterung war aufs höchste gestiegen, und so wie sie im Dorfe wieder angelangt waren, ließen die Dorfmeister durch Trommelschlag die Gemeinde berufen, Simon Neuffer stieg auf die Bank unter der Linde. »Jetzt ist's an der Zeit, Ihr Mannen, daß wir das Joch der Knechtschaft von uns tun,« rief er. »Wer dafür ist, daß wir uns selber zur Freiheit helfen, der heb' eine Hand auf!« Da war keiner, der die Hand nicht erhoben hätte. »Wir alle,« riefen sie und: »Bundschuh! Bundschuh!«
Sogleich wurden Boten in die benachbarten Dörfer 272 geschickt und die Dorfmeister aufgemahnt, mit ihren Gemeinden in Harnisch und Wehr schleunigst Ohrenbach zuzuziehen. Schon gegen Abend trafen die nächsten ein und am folgenden Morgen waren die wehrhaften Männer aus achtzehn Gemeinden versammelt, alle wohlgerüstet mit Sturmhaube und Brustharnisch, mit Schwert und Spieß oder Handrohr. Viele waren beritten. Aus jedem Dorfe wurden zwei Räte und von diesen Simon Neuffer und Paul Ickelsamer zu Hauptleuten über alle erwählt. Dann brachen sie nach Brettheim auf, wie es Simon mit den Bauern von dort Tags zuvor im Bären verabredet hatte.
Der Wächter auf dem Rathausturm von Rothenburg sah die bewaffneten Scharen, von Staubwolken eingehüllt, im Felde daherziehen und machte Lärm. Der Wehrgang, der sich hinter der östlichen Stadtmauer von Turm zu Turm zog, füllte sich mit Neugierigen Kopf an Kopf. Albrecht von Adelsheim, der oberste Stadthauptmann, schickte den Weinschreier zu den Toren, um diese schließen und die Zugbrücken aufziehen zu lassen. Er selbst warf sich aufs Pferd und ritt den Bauern entgegen. Wohin sie in Wehr und Waffen zögen? begehrte er zu wissen. Sie wären nach Brettheim auf eine große Hochzeit geladen, erklärten sie. Unglaublich klang der Vorwand nicht, zumal die Bauern fröhlich und guter Dinge waren, scherzten und sangen. Ländliche Hochzeiten, auf denen Tage lang geschmaust und gezecht wurde, waren so ungewöhnlich nicht, und Hauptmann von Adelsheim mußte sich mit der Antwort zufrieden geben, zu deren Bekräftigung gleichsam mancher sein Handfeuerrohr in die Luft abschoß.
Das Getöse lockte Käthe an das stark vergitterte schmale Fenster ihrer Zelle im Weiberturm. Die östliche Lage derselben gestattete der Morgensonne, eine Weile hereinzuschlüpfen und die Arme auf ihrem Strohlager zu langen öden Tagen wachzuküssen. Der 273 sonst unermüdlich Tätigen war es schrecklich, die unendlichen Stunden müssig hinbringen zu müssen, immer nur brütend über den Toten und ihren vergeblichen Versuch, ihn zu rächen. Ihr Schicksal kümmerte sie nicht. Die gras- und saatengrünen Gefilde, die sie durch das Kerkergitter wahrnehmen konnte, und der blaue Frühlingshimmel erfüllten sie mit keiner Sehnsucht nach Freiheit; der Tod, der ihr wahrscheinlich bevorstand, schreckte sie nicht, wenn sie überhaupt einmal an ihn dachte. Die Erde war für sie leer: was sollte sie noch auf ihr? Das Waffenblinken aus der Staubwolke, der Trommelschlag und Pfeifenklang riefen Leben in ihren Blick und jetzt erkannte ihr scharfes Auge unter den Reitern, welche dem Stadthauptmann gegenüber hielten, während der große Haufe weiter zog, ihren Bruder und Ickelsamer. Wie stattlich sie in dem blanken Schmuck sich ausnahmen! Sie brauchte nicht nach dem Zwecke dieses Auszuges zu fragen; sie wußte, daß der Kampf für die Freiheit anhob. Ihr Herz schlug hoch auf und von ihren Lippen zitterte ein Gebet für den Sieg der Ihrigen. Ihre Gedanken folgten ihnen, gleichviel, wohin sie zogen.
Zu Brettheim fanden die Ankömmlinge bereits die Gemeinde versammelt und wurden von ihr mit großem Freudengeschrei begrüßt. Gemeinsam lagerte man auf der Wiese bei dem ansehnlichen Dorfe. Brot und Wein wurden herbeigeschafft und man aß und trank einander in kampffroher Stimmung zu. Der lange Lienhart war auch dort, und er und Lorenz Metzler wurden von dem Brettheimer Haufen zu Hauptleuten erwählt. Nachdem alle satt waren, hieß Simon Neuffer sie einen Ring bilden, trat in die Mitte und sagte ihnen, daß Ickelsamer aus Ohrenbach nunmehr die zwölf Artikel verlesen würde, welche seien die gründlichen und rechten Hauptartikel aller Bauerschaften und Hintersassen der geistlichen und weltlichen Obrigkeiten, von welchen sie ganz hart und hoch beschwert würden. 274
Nicht lauter Zuruf, sondern erwartungsvolle Stille begrüßte den jungen Gemeindeschreiber, als er nun das Büchlein hervorzog und zu lesen begann. Viele hatten wohl schon von den zwölf Artikeln gehört, etliche sie auch gelesen. Alle lauschten mit angehaltenem Atem. Das Manifest klagte zunächst über uralte Beschwerden und forderte die Freiheit der Jagd, des Fischens, der Holzung und Beseitigung des Wildschadens. Es verlangte ferner die Abstellung der Fronden, der drückenden Steuern, unparteiische Handhabung des Rechts. Ein dritter Teil endlich betraf die Lehre von der evangelischen Freiheit, die Aufhebung der Leibeigenschaft, des Todfalles und des kleinen Zehnten. Zum Schlusse erbot sich die Bauernschaft, auf jede Forderung zu verzichten, welche nicht mit der heiligen Schrift übereinstimmen sollte.
Nach beendigter Vorlesung nahm Simon Neuffer wieder das Wort und sprach: »Es kann niemand wider uns aufstehen, ihr lieben Brüder, und sagen, daß wir ausverschämt sind in dem, was wir fordern. Nichts wollen wir als Gerechtigkeit nach all dem Harten, was wir bislang haben dulden müssen und haben es niemand klagen können, als der Sonne, die dort oben auch heut' uns gehört hat. Auch hat der Dr. Martin Luther, dem die Oberschwaben die Artikel zugeschickt haben, die Herren ermahnt, daß sie Gerechtigkeit üben sollten gegen uns und hat's angenommen, im Schiedsgericht über unsere Klagen zu sitzen! Was hat es geholfen? Nix als das, wo etwan die Herren sich auf Verhandlungen mit ihren armen Leuten eingelassen haben, es bloß zum Schein geschehen ist, um sie hinzuhalten und über sie zu fallen, alsbald sie sich stark genug fühlten. So einer noch ein anderes Mittel weiß, uns aus der jammervollen Knechtschaft zu erretten, ohne daß wir uns mit Gewalt wider die Gewalt erheben, der sag's!«
Ein vielhundertstimmiges »Nein!« erbrauste,
»Also, lieben Brüder«, fuhr Simon fort, »wir haben 275 der Welt hingegeben unsere harte Beschwernis und unsere Forderungen. Darin sind wir armen Leute einig vom Rhein bis an den Böhmerwald und durch das ganze Land Tirol. Das ist die Kette, die uns alle zusammenschließt. Die zwölf Artikel, das ist der Bundschuh von uns allen. So lasset uns denn schwören, daß wir ihm folgen und unsere Wehren nit eher aus der Hand legen wollen, als bis unsere Beschwerden abgetan sind und aufgerichtet ist die evangelische Freiheit.« Er schloß, indem er die Schwurfinger der Rechten gen Himmel streckte: »Ich schwör' es bei Gott, dem Allmächtigen!«
Da hoben alle die Hände auf und schworen wie er, schlugen klirrend ihre Wehren gegeneinander und zum Himmel donnerte der Ruf: »Bundschuh! Bundschuh!«
Unterdessen saß zu Rothenburg der Innere Rat in Sorgen beisammen. Der gestrige Tumult war wenig geeignet, der Mitteilung, mit der Albrecht von Adelsheim von den Bauern zurückkam, große Glaubwürdigkeit zu verleihen, und zudem traf gegen Mittag ein Bote ein, der sie das Schlimmste befürchten ließ. Dieser Bote überbrachte ein Schreiben des Pfarrers Bockel, der, durch Jungfer Apollonia aus seiner geistigen Trägheit aufgerüttelt, über die Rottierung zu Ohrenbach umständlich berichtete. Die Feder war in die Galle des Weibes und des Pfaffen über die Knauserei und Ketzerei der Bauern getaucht und malte insonderheit mit giftiger Schwärze die beiden Dorfmeister und den Gemeindeschreiber.
Völker wie Kinder durch Schläge zu stillen, statt ihren Bedürfnissen abzuhelfen, ist den väterlichen Regierungen von jeher als der höchste Gipfel der Weisheit erschienen. Demgemäß erließ der Innere Rat an die aufgestandenen Gemeinden strenge Gebotsbriefe, welche die Bauern bei ihrem Untertaneneid, bei dem kaiserlichen Landfrieden und dem Evangelium ermahnten, von jeglichem Aufruhr abzustehen. 276 Ehrenfried Kumpf redete ihnen nicht zum Nutzen, sich selbst aber zum Schaden, indem er begehrte, daß den strengen Briefen die Aufforderung angehängt werden sollte, so die Bauern Grund zur Klage zu haben vermeinten, sollten sie dieselbe an den Rat bringen. Die Herren ließen ihn nicht einmal aussprechen.
»Allzu lange schon hat ein Rat Milde geübt«, rief Konrad Eberhard, und noch selbigen Tages erhielt seine Ansicht eine wuchtige Unterstützung. Denn als die Herren nach der Unruhe und Arbeit sich abends auf der Trinkstube beim Wein erholten, ward ein Bote zu ihnen hereingeführt, der den ersten Bürgermeister vergebens in seinem Hause aufgesucht hatte. Der nicht mehr junge Mann, der sich den Herren mit feiner Artigkeit vorstellte, war der Geheimschreiber des Markgrafen Kasimir, von dem er ein eigenhändiges Schreiben überbrachte. Der Markgraf bot darin dem Rate seine Hilfe an und riet ihm, den Aufruhr sofort mit Gewalt zu unterdrücken, ehe er mächtig würde. Wie er schrieb, hätten sich die Bauern von Hasselbach unter dem Vorwande, einen Wursthof zu halten, in der Fastnacht zusammengerottet, wie vor etlichen Jahren die Bauern des Remstales zu dem armen Konrad. Da habe er an 60 Reiter hingeschickt, die sie durch die Köpfe gehauen hätten, daß sie Mordio schrien und gelobten, sich niemals wieder zu einem Wursthof zusammentun zu wollen. Der Rat von Rothenburg solle beizeiten ebenso verfahren.
Erasmus von Muslor ersuchte den Geheimschreiber, in einem Nebengemach zu verziehen, derweil der Rat über die Antwort sich schlüssig machte. Damit ihm die Zeit nicht lang werde, ließ der Rat ihm vom besten Weine der Trinkstube schenken. Anton Graber, so hieß der Geheimschreiber, brauchte nicht lange zu warten. Der Rat lehnte die angebotene Hilfe dankend ab; er wolle erst in Güte zu handeln versuchen, und der Geheimschreiber schied mit der Versicherung, daß der 277 Rat stets auf die Waffenhilfe des Markgrafen von Ansbach zählen dürfe; Eile täte um so dringender not, als die Bauern in der Gegend von Ulm, in Oberschwaben und im Schwarzwald sich bereits offen empört hätten. Er verließ jedoch nicht unmittelbar die Stadt, sondern schickte den Reitknecht, der mit seinem Pferde vor der Trinkstube wartete, an das innere Rödertor voraus und trat in das Haus Stephans von Menzingen.
Dieser sah den Geheimschreiber mit höchstem Erstaunen in seine Stube treten, Anton Graber erklärte ihm kurz, mit welchem Auftrage der Markgraf ihn an den Rat geschickt hätte und ging auf den Zweck seines Besuches über: »Ich habe Euch, Herr Ritter«, so äußerte er, »vor allen Dingen der fortdauernden Huld Seiner fürstlichen Gnaden des Herrn Markgrafen zu versichern. Das kaiserliche Kammergericht ist auf seinen Befehl durch mich mit allen Dokumenten, Schriften und Aussagen versehen, die in dem häßlichen Creglinger Handel Euch günstig sein können.« Stephan von Menzingen dankte ihm mit einem Händedrucke und er fuhr fort: »Nicht mir, sondern Sr. Gnaden müsset Ihr danken, die einen treuen Diener nie vergessen. In diesen schweren Zeitläuften wiegt ein guter Rat schwerer als Gold.«
Ritter Stephan legte die Hand auf die Brust und versicherte, daß sein gnädigster Herr zu Onolzbach über ihn gebieten könne. »Obwohl mein Rat kaum von Gewicht sein kann, wo Se. fürstliche Hoheit über so fürtreffliche Köpfe wie den Euren gebietet, Herr Graber«, fügte er hinzu, und der Geheimschreiber versetzte, indem er seinen kalten Mienen ein Lächeln aufzwang: »Ihr müsset es meiner Armut anrechnen, Herr Ritter, daß ich auf die feine Münze Eurer Schmeichelei nicht Euren großen Verdiensten gemäß herauszugeben vermag. Doch gestattet, daß ich fortfahre! Für mich unterliegt es kaum einem Zweifel, daß der Rat aus eigener Kraft den Aufruhr niederzuschlagen nicht 278 vermögend ist. Warum lehnt er den Beistand meines gnädigen Herrn ab?«
»Timeo Danaos et dona ferentes. Die Hilfe Sr. Gnaden dünket den Rat ein Danaergeschenk«, erwiderte Herr Stephan mit einem Lächeln unter seinem emporgekräuselten Schnurrbarte. »Gerufen ist der Herr Markgraf ja bald, aber wie man Se. fürstliche Hoheit wieder los wird, das ist eine andere Frage. Der Rat wählet daher von zwei Übeln dasjenige, was ihm das geringere erscheint.«
»Ich dachte es«, rief der Geheimschreiber. »Aber das Gesamtwohl der Herren heischt ein rasches Ersticken der Empörung, Diese sogenannten freien Städte mit ihrem Krämerregiment sind ein Pfahl im Fleisch des Reiches.«
»Mit dem Wohl der Bürgerschaft ist das Regiment der Geschlechter freilich schwer vereinbar«, sprach Stephan von Menzingen nachdenklich. »Um den Ruin von ihr abzuwenden, braucht es eine starke Hand, die durch keine Vetterschaftsrücksichten gebunden ist, und das Gesamtwohl bleibt höchstes Gesetz.«
»Unleugbar! Und Euer Rat, Herr von Menzingen?«
Dieser schloß die Augen und strich langsam seinen Knebelbart. Erst nach einer langen Weile, während der Anton Graber geduldig gewartet hatte, begann er, anfangs noch mit geschlossenen Augen, zu sprechen, und sagte: »Das Gute, so wünschenswert es sei, ist gewöhnlich nicht leicht zu erlangen. Der Augenblick wäre schlecht gewählt, um eingewurzelte Übel mit dem Eisen heilen zu wollen, da Medikamente nichts verfangen. Geduld, Herr Geheimschreiber, Geduld! Möge der Markgraf nicht ermüden, seine bewaffnete Hilfe dem Rate anzubieten. Denn der Zeitpunkt dürfte nicht allzufern sein, wo der bedrängte Rat dankbar die dargereichte Hand ergreifen muß.«
»Mir scheint, daß Euer Rat das Rechte trifft«, antwortete Anton Graber nach einigem Besinnen. »Nehmet 279 einstweilen mit meinem Danke fürlieb, Herr Ritter. Und itzt lebet wohl, ansonst ein längeres Verweilen in der Stadt Verdacht erregen könnte.«
»Leget Sr. fürstlichen Gnaden meine Ergebenheit zu Füßen, Herr Graber«, ersuchte Ritter Stephan den Scheidenden. Allein geblieben, blies er die Backen auf und nickte langsam einige Male mit dem Kopfe. Er war zufrieden.
Nichts von diesem Gefühl verriet sich in den Mienen der dreizehn Mitglieder vom Inneren Rate, die am nächsten Tage nach den Mitteln suchten, um mit den Bauern in Güte zu handeln. Die Vorsicht zwang sie dazu, denn die Bauernschaft Rothenburgs konnte nicht nur 700 bis 800 Mann, die vollständig kriegsgerüstet und waffenkundig waren, ins Feld führen, sondern sie besaß auch an ihren mit Dornen und Pallisaden umhegten Dörfern und in den ummauerten Kirchhöfen wahre Festungen. Nun war die Bürgerschaft zwar nicht minder tapfer und hatte in ihren Zunfthäusern reichlich gefüllte Waffenkammern, allein seit der Ächtung Deutschlins und Dr. Karlstadts Grabrede war das Vertrauen des Rates in sie in ein bedenkliches Schwanken geraten. Dazu liefen, wie stets in aufgeregten Zeiten, die unheimlichsten Gerüchte um. Man wollte von Verschwörungen wissen, die nichts geringeres bezweckten, als die Ermordung sämtlicher Ratsherren, und das schlechte Gewissen erzeugte die gläubige Furcht. Ehrenfried Kumpf lachte die Herren aus. »Führet die Reformation ein«, rief er ihnen zu, »und aller Zwiespalt ist ausgeglichen, alle Mißhelligkeiten vergessen.« Aber die Mehrzahl des Innern Rates sträubte sich auch jetzt noch so heftig dawider wie je. Da erhob sich der Ratsherr Hieronymus Hassel, ein Mann, auf dessen dünnen weißlichen Brauen und zusammengepreßter Stirn der Hochmut thronte, zu dem Vorschlag, die Handwerksknechte für den Felddienst um je einen Gulden Sold die Woche aufzubieten. 280 Erasmus von Muslor aber riet, ehe man sich dazu entschlösse, erst die Bürgerschaft zu befragen, ob sie zum Rate stehen wollte. Zu dem Zwecke sollte sie nicht auf einmal, sondern in den sechs Wachen, in die sie geordnet war, der Reihe nach auf das Rathaus berufen werden.
Dort im großen Saale saßen dann auch nächsten Morgens beide Räte vereinigt und den Anfang machte das patrizische Viertel, welches die Herrengasse und den Hauptmarkt umfaßte, als erste Wache. Mit ihr stellte Stephan von Menzingen sich ein, obwohl er noch nicht wieder in das Bürgerrecht aufgenommen war. Jeder einzelne wurde bei seinem Namen aufgerufen und von dem ersten Bürgermeister bei Pflicht und Gewissen befragt, ob der Rat auf seinen Beistand zählen dürfe, um die Empörung der Bauern zu ersticken. Schon waren 25 Bürger auf die Seite des Rates getreten, als Stephan laut seine Stimme erhob: »Wo denket Ihr hin? Seid Ihr Knechte oder Bürger? Wollet Ihr ohn' Bedacht und Überlegung in Euer Verderben rennen, an Euren Brüdern zu Mördern werden? Tretet ab, überlegt erst!«
Die Bürger wurden stutzig, so ohne war die Mahnung nicht. Herr Stephan fuhr fort zu rufen: »Raus! Raus!« Bald war niemand mehr im Saale als die fünfundzwanzig und von diesen bat der alte Lienhart Stock: »Ihr Herren, ich bin ein alter, kranker und tauber Mann, ich kann zu solchen Sachen nichts tun, ich bitt' um Urlaub.« Damit folgte er den anderen, die Ritter Stephan in den Ring führte, in dem das Blutgericht gehalten wurde.
Es war dieses ein großer hoher Saal mit einer kunstvoll geschnitzten Holzdecke, der durch viele hoch angebrachte quadratische Fenster vom Westen her sein Licht empfing. Eine steinerne Schranke von zierlicher Arbeit schied das Tribunal von dem übrigen Teil des Saales. Von Stein waren auch der Hochsitz des 281 Richters und auf beiden Seiten die Bänke für die Schöffen. Die Wand dahinter schmückte ein kolossaler Reichsadler, und über einer Seitentür las man auf einer Steintafel in altdeutschen Buchstaben den Spruch:
Ains . Mannes . red . ein . halbe . red .
Recht . ist . man . sol . sie . verhoren . bed .
Seyt . eins . mans . red . ein . halbe . ist .
So . sol . man . merken . ir . beder . list .
An derselben Wand befand sich in einem verschließbaren Schrein aus Stein gehauen und reich gefärbt eine Darstellung des jüngsten Gerichts.
Auf Menzingens Vorschlag wurde der Rat von den Versammelten ersucht, ihnen sein Begehren zur reiflichen Erwägung schriftlich zuzustellen. Unterdessen füllte sich der Saal mehr und mehr; die Anhänger Menzingens in den sechs Wachen sorgten dafür, daß die beiden Räte in ihrer Stube einsam blieben. Eine unabsehbare Menge staute sich vor dem Rathause auf der Herrengasse und dem Marktplatze, und auf dem letzteren stand der blinde Mönch und mahnte zur Brüderlichkeit mit den Bauern. Gearbeitet wurde an diesem Tage in keiner Werkstatt und so befanden sich auch viele Gesellen in der Menge. Am zahlreichsten waren die von der Zunft der Tucher, welche nicht nur die Weber, sondern auch die Wollkrämpler, Spinner, Scherer und Färber umfaßte. Sie hatten ihre Degen angehängt und schienen gar guter Dinge zu sein. Ursache dessen war Kaspar Etschlich, dessen Bemerkungen ihre Heiterkeit erregten.
Unterdessen sprach Stephan von Menzingen im Saal zu den Meistern und Bürgern. »Wollet Ihr«, fragte er sie, »dem Rate zu Lieb gegen Euch selbst sein, der uns bisher so gedrückt hat und Euch bald noch härter, unerträglich drücken wird? Folget mir, ich will Euch den Weg zur Freiheit führen! Ich will es verantworten vor Kaiser und Reich!« Die stolze Haltung seiner großen, zur Fülle neigenden Gestalt, das Rollen seiner dunklen 282 Augen unter den breiten Lidern, seine kühne Sprache rissen die Versammlung fort. Mit einhelliger Zustimmung begrüßte sie seinen Vorschlag, einen Gemeinde-Ausschuß zu wählen, der dem Rate zur Seite stehen und ihm gegenüber das Volk wahrhaft vertreten sollte. »Nicht nur Beschwerden führen soll er«, verfolgte er sich. »Er hat mehr zu tun; denn wann hätte der Rat den Beschwerden der Bürgerschaft ein geneigtes Ohr geliehen? An die Spitze muß er sich stellen, die Gewalt mit dem Rate teilen, die Streitigkeiten zwischen ihm und der Bürgerschaft entscheiden, seine Schritte überwachen, die Rechnungen kontrollieren und die Hut der Stadt übernehmen.«
Noch mancher ergriff nach ihm das Wort, um seinen Vorschlag zu unterstützen und die Notwendigkeit der Aufgaben des Ausschusses in seiner Weise durch Beispiele aus seiner eigenen Erfahrung zu erhärten. Es war für viele eine willkommene Gelegenheit, das erlittene Unrecht, das sie bisher stumm hatten tragen müssen, offen auszusprechen. Es goß Öl ins Feuer. Über die Wahl des Ausschusses, der aus zweiundvierzig Mitgliedern bestehen sollte, der gleichen Zahl, wie der äußere Rat, drang die Nachricht in den Ring, daß ein Bote des Markgrafen Kasimir mit einem Schreiben an den Rat eingeritten sei.
»Ha«, rief der Ritter von Menzingen mit mächtiger Stimme, »der bringt die Zusage, daß Herr Kasimir kommen und die Stadt einnehmen will. Der Rat hat an ihn um Hilfe geschrieben, Gebet acht, die Reiter sind schon im Anzuge!«
»Zu den Toren! Zu den Toren!« riefen Jos Schad, der Gerber, und Lorenz Knobloch.
»Die Schlüssel dem Ausschuß!« rief von Menzingen den Davoneilenden nach, denen ein Teil der Versammlung folgte,
Unter den Zurückbleibenden schlug die augenblickliche Bestürzung über die Nachricht in heftigen Zorn um. 283 »Verrat!« riefen die einen. »Da sieht man, was die Bürgerschaft sich von dem Rat zu versehen hat«, die anderen. »Verräter sind sie alle«, knarrte Melchior Mader, der Schuhmacher. Hans Krätzer forderte, daß man sie aus dem Rathaus jage und Hans Leupold der Beck rief in den wachsenden Tumult: »Schmeißt sie aus den Fenstern!« Fritz Dalk, der Metzger, überdröhnte ihn mit dem Ruf: »Stecht sie ab! Schlagt sie tot!«
Schon machte man Miene, nach dem Sitzungszimmer des Rats zu stürmen, als auf dessen Bitten, der den Tumult vernahm, der Altbürgermeister Ehrenfried Kumpf in den Saal sich wagte. Georg Bermeter begleitete ihn. Herr Ehrenfried sprang auf die nächste Schöffenbank und bei dem Anblick des wegen seiner Redlichkeit und protestantischen Gesinnung allgemein beliebten Mannes beruhigte sich die Aufregung so weit, daß er sprechen konnte. Er berichtete kurz, daß Markgraf Kasimir wie schon einmal so auch jetzt wieder dem Rate seine Hilfe gegen die Bauern angeboten, der Rat sie aber abgelehnt habe. »Narrengeschwätz, Fabeln«, rief ihm von Menzingen entgegen. »Lasset uns den Brief des Markgrafen sehen und die Antwort des Rates!« Herr Ehrenfried reichte beide Schreiben hin. Sie bestätigten seine Angaben. »Wohl«, sprach Stephan von Menzingen, »will der Rat ernstlich in Güte mit den Bauern handeln, so saget ihm, daß wir, der Ausschuß, die Hand dazu bieten.« Es wurde ihm laut beigestimmt und Ehrenfried Kumpf entfernte sich mit der Bemerkung, daß er es dem Rate berichten werde.
Während die Versammlung nun weiter in der Wahl des Ausschusses fortfuhr, waren von der bei dem Rathause versammelten Menge, die auf den Ruf Krätzers und Knoblochs nach den vier Stadttoren gestoben war, diese geschlossen worden. Kaspar war mit seinen Zunftgenossen nach dem Rödertor geeilt, dort aber mit ihnen links an der Stadtmauer entlang nach dem Weiberturm gestürmt, vor dem sie Halt machten. Mit Fäusten und 284 Schwertknäufen hämmerten sie an die Pforte. Das graubärtige Gesicht des Gefangenwärters erschien an einem vergitterten Fensterlein in mittlerer Höhe und Kaspar rief ihm zu, daß er öffnen sollte. »Was soll's? Was gibt's?« fragte jener herunter. »Sperr' die Tür auf«, wiederholte Kaspar seine Aufforderung. »Eil Dich, in drei Teufels Namen!« Der Alte maß ihn und seine Gefährten mißtrauisch und verschwand. Die Pforte aber blieb geschlossen. »Wartet einen Augenblick«, rief Kaspar und lief nach dem nur wenige Schritte entfernten Hause seines Vaters, von wo er mit einer Axt zurückkehrte, und sogleich hieb er auf die eichene Pforte ein, so daß die Späne flogen. Wieder zeigte sich der Graubart am Fenster. »Was ist denn los? Was wollt Ihr?« fragte er mit starker Stimme. »Gib die Käthe heraus, die Käthe Neuffer«, riefen die jungen Gesellen im Chor, während Kaspars Axt wuchtig gegen die Pforte zu schmettern fortfuhr, und von den Leuten, die inzwischen vom Rödertor auf den Lärm herbeigekommen waren, riefen viele: »Heraus mit der Käthe!«
Der Kerkermeister blieb stumm, Er drückte sein Gesicht so nah als möglich an das Gitter und schaute hinunter und links und rechts. Es war ihm unfaßbar, daß dergleichen am hellen lichten Tage geschehen konnte, ohne daß auch nur eine Feder von einem Stadtknecht sich zeigte. Diese wurden auf Befehl des Herrn Erasmus auf der Burg zusammengehalten, um alle Reibungen zwischen ihnen und der Bürgerschaft, woraus leicht ein Blutvergießen entstehen konnte, zu vermeiden.
»Will der alte Dachs nit aus dem Bau, so räuchern wir ihn aus«, traf eine Stimme des Gefangenwärters Ohr, und es folgte ein Beifallsgeschrei, ein Knirschen und Krachen. Die Gesellen rissen die Stiegen ein, die zu beiden Seiten des Turmes auf den Wehrgang führten, und der Alte sah, daß sie das Holz vor der Pforte aufhäuften. Kein Zweifel, die Tollköpfe wollten dieselben durch Feuer zerstören, und ihm sank das Herz. »Zum 285 letzten Mal, sperr auf, wenn Dir Dein Leben lieb ist!« So schrie Kaspar hinauf. Das Gesicht des Alten verschwand von dem Gitter und es trat eine lautlose Stille ein. Das Schloß der Pforte kreischte. »Juch! Juch!« schrien die Burschen. Im Nu waren die Treppenschwellen beiseite geschleudert und Kaspar drang als erster in den Turm, packte den Alten an der Brust und schrie, ihn schüttelnd: »Wo ist sie, die Käthe? Mach fort!«
»Hat euch alle denn der Satan?« stotterte jener. »Ja, ja, ja, laß' mich schon los!« Und er begann die gewundene Steintreppe hinanzusteigen, viel zu langsam für Kaspar, der ihm mit einigen Kameraden folgte und ihn unbarmherzig vorwärts drängte. Im dritten Stockwerke schob er den schweren Riegel von einer niedrigen schmalen Tür aus starken Bohlen zurück. Kaspar, dem das Licht entgegenfiel, sah in der engen Zelle nur eine schwarze Gestalt, Aber es war Käthes Stimme, die seinen Namen rief, und ihre Arme umschlangen ihn.
Wie ein Schwindel überkam es ihn, Er konnte kein Wort hervorbringen. In seine starken Arme nahm er Käthe und trug sie die Stiegen hinunter. Dabei brach er in ein lautes Lachen aus und seine Genossen, die ihm vorauseilten und die ihn unten erwarteten, und die Menschen auf der Gasse jubelten und schrien, als er mit Käthe erschien, Mit den Worten: »Jetzt bist frei!« setzte er sie nieder und führte sie an der Hand nach seines Vaters Haus, mitten in dem Schwarm, der sich nun verlief.
Käthe war bisher stumm gewesen. In der kleinen Stube neben dem Flur strich sie mit beiden Händen über das Gesicht; dann faßte sie tief aufatmend die Hände ihres Vetters und sagte: »Ich danke Dir auch von ganzem Herzen, Kaspar. Machen wir, daß wir aus der Stadt fortkommen!«
»Es eilt nicht; verruh' Dich erst, iß und trink was« beschwichtigte er sie und wollte nach der Küche, um 286 der alten Gundel, der Magd, die das Hauswesen führte, einen Auftrag für die Bewirtung zu geben. Käthe hielt ihn zurück. »Der Turmknecht wird nicht den Mund halten und sie werden mich wieder greifen«, sagte sie unruhig. »Sie wissen ja, wo ich bin, und schau, Kaspar, itzt möcht' ich leben. Ich hab den Bruder mit den Ohrenbachern daher ziehen sehen in Wehr und Waffen, itzt hebt's an. Du wirst es auch entgelten müssen, was Du an mir getan hast.«
»Wie mich das freut, daß Dir das Leben wieder lieb ist, Käthelein«, rief Kaspar mit Blicken, in denen sich seine ganze Liebe verriet. »Freilich wird der Kerl im Turm das Maul nicht halten; aber die Oberkeit hat keine Ohren, um ihn zu hören. Wenn einer am Ersaufen ist, denkt er bloß an sich.« Er erzählte dem Mädchen von den Vorgängen in der Stadt, zu dem ihre Verhaftung den Anlaß gegeben, indem die Ohrenbacher nach ihres Bruders mißglückten Versuch zu ihrer Befreiung sich erhoben hätten. »Es ist halt wunderbar, wenn ich's bedenk', wie Dein schweres Herzeleid an den ganzen Ehrbaren gerächt wird. Wär' ich dazumalen erschlagen worden, nach mir hätte kein Hahn gekräht.« So schloß er mit einer eifersüchtigen Regung, die er nicht zu unterdrücken vermochte.
Käthe erwiderte mit einem vorwurfsvollen Blick: »Red' nit so ungescheit. Was du wegen mir getan und gewagt hast, das vergess' ich Dir in meinem ganzen Leben nicht.« Sie reichte ihm die Hand, die er beschämt festhielt. »Muß ich noch warten, bis es dunkelt, Kaspar, daß ich aus der Stadt komme? Ich möcht' gar zu gern heim!«
»Ja, Käthelein, Du mußt Dich noch gedulden, vielleicht gar bis morgen«, versetzte er, ihre Hand immer noch in der seinigen haltend. »Der Menzingen hat die Tore schließen lassen, so daß keiner aus noch ein kann. Der Ansbacher soll draußen lauern, um in die Stadt zu brechen. Wir müssen warten, bis der Vater vom 287 Rathaus kommt; der wird wissen, wie's steht. Einstweilen sitzen wir wie zwei Mäuslein in der Falle. Nu, es soll uns an Speck nicht fehlen, bis daß die Tür sich auftut. Sitz daher in dem Großvaterstuhl, ich hol' was zum Knuspern.«
Sie fügte sich mit einem kleinen Seufzer. Er dachte, daß ihr die Neugierde der alten Gundel lästig fallen müßte und bediente sie daher selbst. Sie sah ihm mit Grübchen in den braunen Wangen zu, wie er einen Schinkenknochen, Brot, Messer, Teller und einen irdenen Krug mit Wein nacheinander auftrug. Ein geschickter Trugseß war er eben nicht und er selbst spottete über sein Ungeschick. »Nu, ich bin im Gefängnis halt nit verwöhnt worden«, tröstete sie ihn, und wie sie hinzufügte, wäre die Kost so schlecht und unsauber gewesen, daß sie sich die ganze Zeit über vor Ekel nicht habe sattessen mögen. Um so besser schmeckte es ihr jetzt, und Kaspar, der ihr mit Vergnügen zusah, fand darüber seinen Humor wieder. Seine Bemerkungen riefen mehr als einmal das Lächeln auf ihre kerkerblassen Lippen, das von ihnen seit Lautners Tod verschwunden war. Beide vergaßen die Gefahr, in der sie schwebten, und über Käthe kam nach all den Aufregungen der letzten Zeit etwas Weiches, wohlig Abgespanntes, das ihren Vetter wie ein Frühlingshauch anwehte.
Ein Pochen an der Haustür, die Kaspar vorsichtig verschlossen hatte, schreckte sie in die drohende Gefahr zurück. Schon war die Abenddämmerung hereingebrochen. Kaspar schlich zum Fenster. »Es ist mein Alter«, beruhigte er Käthe, die aufgesprungen war und jetzt das Messer, nach dem sie gegriffen hatte, wieder auf den Tisch fallen ließ.
»Dacht ich's doch, daß ich den Vogel hier finden würde«, rief Kilian Etschlich, als er seiner Nichte ansichtig wurde, mit einem so heiteren Tone, wie ihn der Sohn noch nie von seinem Vater gehört hatte.
»Schließ' die Läden, Kaspar, und laß' uns in die 288 Hinterstub gehen und Licht machen! Sah da einen Kerl an unserem Haus vorüberschleichen, der mir gar übel gefiel. In der Nacht laß' ich Dich nit aus, Mädel; ist keines Menschen Freund, wenn auch der Markgraf nit draußen lauerte.« Er nahm den Weinkrug vom Tische und tat einen tüchtigen Zug daraus. »Dem Rat geschäh' übrigens kein Gefallen, wenn Dich die Knechte griffen«, fuhr er fort, indem sie in die Hinterstube gingen, wo die Lampe angezündet wurde. »Der Rat will ja in Güte mit den Bauern handeln.« Er ließ sich mit einem leisen Lachen hinter dem Tische nieder. Kaspar betrachtete ihn mit einer stillen Verwunderung. Das Griesgrämliche war aus seinen Mienen verschwunden. »Ja, guck mich nur recht an«, sagte der Alte, es bemerkend. »So schaut einer aus, der im Ausschuß sitzt. Der Krätzer, der Leupold, der Schad, der Knobloch, Kern, der Buchdrucker, der lateinische Schulmeister und der alte Rektor Bessermayer sind auch darin und der Menzingen ist unser Obmann. Nu, was sagst Du? Ja, und der Ausschuß hat den Rat gezwungen, daß beide gemeinsam morgen früh eine Gesandtschaft an die Bauern nach Brettheim schicken. Nichts Gewaltsames, hat 'mal der Herr Ehrenfried hier in meinem Haus zu mir gesagt. Ne, nichts Gewaltsames, hab' ich ihm geantwortet, aber Recht muß Recht bleiben! Und jetzt krieg' ich mein Recht.«
»Nun, es wird der Baum wohl rechtschaffen geschüttelt werden müssen, bis daß die Pflaumen runterfallen«, meinte Kaspar trocken. Der Vater aber fragte in fast übermütiger Laune, indem er ihm seine Fäuste entgegenstreckte: »Was meinst, ob wir Rothenburger Meister den Baum ordentlich zu schütteln imstand sind?« 289