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Dido und Äneas

Aber die himmlische Mutter des Helden war nicht beruhigt über sein Schicksal, sie fürchtete die doppelzüngigen Tyrer und das betrügliche Königshaus. Auch daß Juno, die Todfeindin des Äneas, Schutzgöttin des Landes war, machte ihr schwere Sorge. Sie sann deswegen auf eine ganz neue List. Ihr Sohn, der Liebesgott, sollte die Gestalt des Knaben Askanius annehmen und an seiner Stelle in Karthagos Hofburg erscheinen. Würde nun Dido den holden Jungen beim königlichen Schmause auf den Schoß nehmen und ihn harmlos herzen und küssen, so sollte ihr Amor das heimliche Feuer und betörende Gift der Liebe einhauchen.

Der Liebesgott gehorchte dem Gebot seiner Mutter, er entledigte sich in aller Eile seiner Flügel und wandelte in kurzem, vergnügt über die Rolle, die er zu spielen hatte, dem kleinen Julus oder Askanius täuschend ähnlich, an der Hand des Achates, der keinen Betrug ahnte, der Königsstadt entgegen. Den wahren Askanius hatte Venus im Schlummer in ihr eigenes Gebiet, in den Hain Idaliums, entführt und ihn dort in duftenden Majoran unter kühle Schatten gelegt.

Als Achates mit dem kleinen Gott an der Hand in Karthagos Burg eintraf, hatte sich die Königin schon auf einem goldenen, mit köstlichen Teppichen gepolsterten Throngestelle in der Mitte des Saales niedergelassen; Äneas und die trojanischen Helden kamen von allen Seiten herbei und lagerten sich die Tische entlang auf purpurne Polster; Diener boten Reinigungswasser und Handtücher herum und langten das Brot aus den Körben hervor; fünfzig Mägde standen in langen Reihen in der Küche, vor den dampfenden Speisen an flammenden Herden; andere hundert Mägde und ebenso viele schmucke Diener türmten die Gerichte auf den Tischen umher und stellten die goldenen Becher vor die Gäste. Auch die Tyrier kamen jetzt scharenweise herbei und lagerten sich auf das Gebot ihrer Königin an den Tafeln. Die Geschenke des Äneas wurden herumgegeben und bewundert. Dann richteten sich aller Blicke auf den kleinen vermeintlichen Julus, der mit heuchlerischen Umarmungen sich an den Hals seines Vaters warf, seinen Mund mit Küssen bedeckte und wunderkluge Worte dazu sprach. Die arme Dido besonders, die schon von dem Gott ihrem Verderben geweiht war, konnte ihr Gemüt gar nicht sättigen und blickte bald den Knaben, bald die Geschenke mit immer funkelnderen Augen an. Der kleine Liebesgott riß sich endlich von dem erheuchelten Vater los und eilte auf die Königin zu. Diese nahm ihn arglos auf die Arme, blickte ihn liebreich an und herzte ihn zärtlich, ohne zu ahnen, welch ein mächtiger Gott sich ihr anschmiege. Amor aber, den listigen Befehlen seiner Mutter gehorsam, vermischte allmählich das Bild des verblichenen Gemahls in ihrem Geist und reizte die erstorbenen Gefühle ihrer Brust zu neuer lebendiger Neigung.

Der Schmaus ging zu Ende, die Gerichte wurden von den Tafeln genommen, gewaltige Weinkrüge aufgestellt und die Becher aufs neue gefüllt. Lautes Rauschen wälzte sich durch die Säle des Palastes; die Nacht war herbeigekommen, und flammende Kronleuchter hingen von dem goldenen Deckengetäfel herunter. Jetzt ließ sich Dido die herrlichste Schale, schwer von Gold und Edelsteinen, reichen und füllte sie bis zum Rande mit Wein; sie war längst der Mundbecher aller tyrischen Könige. Diese hielt die Königin, von ihrem Throne sich erhebend, hoch in der Rechten, und in diesem Augenblick verstummte der Lärm in den Sälen des Palastes. »Jupiter«, sprach sie mit feierlicher Stimme, »Mächtiger Beschirmer des Gastrechtes, laß diesen Tag den Tyriern und unsern trojanischen Freunden günstig sein, und unsere späten Enkel mögen desselben noch mit Lust gedenken! Auch du, Freudengeber Bacchus, auch du, huldreiche Juno, sei mit uns!« So sprechend, goß sie das Trankopfer auf den Tisch aus, nippte dann von der goldenen Schale selbst und bot sie dem tyrischen Häuptlinge, der ihr zunächst saß. Nun machte der Pokal bei Tyriern und Trojanern die Runde, und derweil sang ein lockiger Sänger zur goldenen Zither sinnvolle Lieder vom Ursprunge der Welt, der Menschen und der Tiere. Als der Gesang zu Ende war, hing Dido an dem Munde des erzählenden Äneas, vernahm seine Schicksale mit pochendem Herzen und schlürfte in langen Zügen das Gift der süßen Liebe ein.


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