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Drei Tage war Jakob Sindig noch unsicher in sich und ging der Bäuerin aus dem Wege. Die sagte nichts, das an seine ringende Seele gerührt hätte. Ihre Stimme war warm und voll. Da kam ein Stillesein und ein Warten über den Mann. Die Tage blieben trübe. Sturm und Regen gingen über das Land. Wenn sich die Sonne den Schlaf aus den Augen rieb, so hastete der Bauer von Tür zu Tür. »Steh auf, du, es tagt.« Und wenn sich das Licht auf schüchternen Füßen in den Nebel wagte, so klapperten auf der Tenne des Binsenhofes die Dreschflegel.
Jakob Sindig aber stand nicht unter den Dreschern. Lorenz und er waren an der Waldarbeit. Der Bauer hatte dem Schneidemüller in Niederau Holz versprochen. –
Der Weg wurde hinter dem Binsenhofe zur elenden Fahrrinne. In der fuhren Jakob und Lorenz dem Holze zu. Sie saßen auf dem Wagen.
»Du warst noch nicht droben am Moore?« begann Lorenz zu plaudern.
»Nein, aber ich habe schon allerlei davon gehört und kenne den Buckligen, der des öfteren auf den Hof kommt.«
»Ist sonderbar, daß du nie vom Hofe fortgekommen bist. Geht doch da jämmerlich genug zu. Wie der Bauer sein Weib behandelt, von uns gar nicht zu reden. Hätte er sie bei den Alten gelassen. Er wußte, daß sie ein Häuslerkind war. So ein Unmensch!«
So schwatzte Lorenz, aber Jakob Sindig gab kein Wort drein. Er hatte die Lippen hart aufeinander gelegt.
In dem Wege, den die Gewitterwasser arg zerrissen hatten, flog der Wagen von einer Seite zur anderen wie ein Schiff, das Not von den Wellen leidet. Lorenz begann zu fluchen.
»Warum bessert man den Weg nicht?« fragte Jakob.
»Der Bauer hat ihn zu erhalten, und der achtet die Zeit für verloren, die man an den Weg wenden müßte.«
»So aber schindet er das Vieh und kann wenig laden.«
»Ja. Er ist geizig und kann doch nicht rechnen.«
»Das müßte man ihm sagen.«
»Sage es ihm. Er gibt etwas auf dich. Du hast ihm die Arbeit vor die Füße geworfen, und er hat dich doch nicht davongejagt.«
Über Jakobs Gesicht ging eine heiße Welle. »Ich war dumm, und du mußt mich nicht daran erinnern.«
Lorenz lachte. »Uns hat es gefallen.«
Sie fuhren in den Wald ein. Der Weg wurde ebener, und nach einer Weile sah man durch die Stämme auf eine weite, waldumfriedete Lichtung, an deren Rande etliche Gebäude standen. Die Lichtung war das Moor.
Gegen den Fahrweg zu hatte es eine starke Erhöhung, die aussah wie ein langer Damm. Raschelnde, dürre Binsen standen in großen Breiten. Zwischen ihnen blinkten Tümpel braunen Moorwassers. Wollgräser ließen die nassen, gelb gewordenen Köpfe hängen. Auf Hügelchen wuchsen Birken, einzeln oder zu mehreren zusammen. Alte, halb vermorschte Weidenstümpfe trieben schlanke Gerten.
Der Weg führte auf die Gutsgebäude zu. Die umfaßten ein Wohnhaus, dessen Dach mit Schilf und verflochtenen Binsen gedeckt war, eine Scheune und ein Stallgebäude, das zugleich als Schuppen diente. Die Scheune war aus Holz. Ihre alten, grau gewordenen Bretter fingen gegen die Erde hin an zu zerbröckeln. Moos hing in kleinen, graugrünen Flechten herab. Hier und da fiel ein Brett aus dem Verbande, weil die Nägel abgerostet waren und keiner den Hammer schwang, neue hineinzuschlagen.
Die Fenster des Hauses waren wie trübe, glanzlose Augen. Kein Blümlein stand in bunt verziertem Scherben, und es lag über Land und Haus wie ein Leichentuch. Das Haus am Moore war aus Bohlen erbaut. Die Baumstämme waren dürftig behauen, die Fugen zwischen ihnen mit Lehm ausgefüllt. Hier und da hatte Kaspar Buschreuter Moos hineingestopft. Schilfstengel ragten zerzaust über den Rand des Daches, das weit herablangte. Ein breiter, klotziger Schornstein überragte kaum den Dachfirst.
Als das Geklirr der Wagenketten auf dem Gute hörbar wurde, kam Jeremias um die Hausecke. Er trat näher, weil der Fremde auf dem Wagen saß, aber als die Pferde gewohnheitsgemäß anhielten und Jakob und der Knecht abstiegen, da lief der Bucklige in das Haus. »Lisa, der Riese ist da, Kaspar, der Riese!«
Lorenz lachte, als er die Rufe hörte, Jakob aber achtete nicht darauf und schritt an den Häusern vorüber gegen das Moor hin.
Kaspar Buschreuter und sein Weib traten aus dem Hause.
»Tag, Lorenz. Was will der Jeremias? Wo ist der Riese?«
»Dort!« rief der Bucklige und wies auf Jakob Sindig.
»Ist das der Neue, von dem Jeremias erzählt hat?« fragte Kaspar.
»Ja. Und, Kaspar, er hat dem Bauern die Arbeit vor die Füße geschmissen. Der hat sie aufgehoben und hat den Aufsässigen doch nicht fortgejagt.«
»Hm.« Kaspar ging Jakob nach.
»Halt ein, du!« ruf er ihn an.
Jakob wandte sich. »Warum?«
»Du ersäufst.«
»Ist ja kein Wasser da.«
»Oben darauf nicht, aber darunter. Geh nicht weiter.«
Er stand an Jakobs Seite und hielt ihm die Hand hin. »Du hast dem Bauern die Arbeit vor die Füße geschmissen?«
»Wer sagt das?«
»Das sagte der Lorenz.«
»Er ist ein Dummkopf.«
Kaspar sah ihn an, und seine Augen glimmten.
»Du bist nicht aus dem Gebirge?«
»Nein, aber ich mag es wohl leiden.«
»Auch dies hier? Das Moor?«
»Das weiß ich nicht. Es liegt so still da und hat doch etwas an sich, das mich nachdenklich macht. Ich kann nicht sagen, wie das ist.«
»Es ist tückisch, und wenn du ihm traust, so frißt es dich auf. Gerade wie der Bauer.«
Darin lag ein Drohen, und Jakob verwunderte sich. »Hast du etwas gegen den Bauern?«
»Ach ja, etliches, aber es macht nichts aus. – Lorenz hat die Pferde ausgespannt. Er ist gewohnt, bei mir einzukehren, und wenn du magst, so wird es mich freuen, wenn du auch an meinem Tische niedersitzest.«
Sie gingen zurück und traten in das Haus. Die Tür aus groben, braun gewordenen Brettern quietschte in den Angeln. Der Hausflur war mit etlichen breiten, grauen Steinen uneben gepflastert. Zur Linken ging die Tür in den Stall, rechts in die Stube. Geradeaus führte eine steile Treppe zu dem Hausboden hinauf. Dort lagen die Kammern. Hinter der Haustür, gegen die Stube hin, stand ein Mengtrog, Hausgerät lehnte unordentlich herum, da eine Hacke, dort ein geschweiftes Eisen, mit dem sie den Schweinen das Futter stießen.
Jakob mußte sich bücken, als er durch die Tür schritt. Die Stube war niedrig, und Sindig stieß fast gegen den Deckenbalken. Darüber lachte Kaspar Buschreuters Weib.
Jakob übersah mit raschem Blick das Zimmer. Ein breiter, fast quadratischer Kachelofen auf eisernem Unterbau stand links neben der Tür. Um den Ofen hatte Kaspar eine rohe Bank gerichtet. Darüber war die Asenstange zum Trocknen der Wäsche. Die Balkenwände waren dunkelbraun von Rauch und Alter. Unregelmäßig verteilt, hing da ein Bild und dort eins. Schlechte, grelle Öldrucke. Christus aus dem Grabe erstehend, ein Gutshaus, in das Jäger eben von der Jagd zurückkehrten. In den Ecken der Bilder hingen Spinnweben in Fetzen.
Lisa Buschreuter war ein knochiges Weib, rothaarig, und die Sommersprossen in ihrem Gesichte wären zu großen Fladen zusammengeschossen. Ihre Augen lagen tief und gingen wägend an dem Riesen auf und ab.
»Wie heißest du?« fragte sie.
»Jakob Sindig.«
»Magst du einen Schnaps?« wandte sich Kaspar an Jakob.
»Das schon. – Ihr habt es warm in der Stube.«
»O ja. Ist ja rundherum Holz genug. Warum sollten wir sparen? Verfault dann nur desto mehr.«
Jakob zog sich einen alten, gemalten Stuhl mit herzförmigem Ausschnitt in der Lehne heran, ließ sich nieder, und Lisa setzte sich neben ihn.
Darüber lachte Kaspar. »Sie ist wie eine Katze,« sagte er, »merk' auf, bald schnurrt sie,« aber seine Worte waren bitter, obschon sie scherzhaft klingen sollten.
Das Weib schnitt ihm ein Gesicht. »Dummkopf, du!« rief sie.
»Ist es bei euch immer so?« fragte Sindig.
»Ja, warum?« Lisa war verwundert.
»O, dann dürfte die Stube – hm, ja, ich meine, wenn ihr,« er lachte leise, »übereinander kommt.«
Da kicherte Jeremias laut auf, und Lisa schlug nach ihm. Er duckte sich aber hinter Jakob Sindig.
Kaspar Buschreuter goß einen rotglühenden Schnaps ein. »Trink, Jakob. – Was mir Lorenz von dir sagte, das gefällt mir. Trink.« Er hatte ein kindhaftes Verwundern in seinen Augen.
Jakob Sindig lachte zornig auf. »Lorenz, du bist ein Schwätzer!«
Kaspar schlug sich bei dem Lachen auf die Schenkel. »Macht die Fenster auf, sonst splittern die Scheiben, wenn der lacht. – Lach noch einmal!«
»Ihr seid wunderliche Leute,« murrte Jakob, »als hättet ihr noch keinen Menschen gesehen.«
»Gibt auch Menschen hier,« sprach Kaspar. »Hast du die Leute schon kennengelernt?«
»Er ist noch nicht vom Hofe fortgekommen,« warf Lorenz ein. Und dann zu Jakob: »Es wird Zeit, daß das anders wird. Wir wollen heute abend zu Peter Reisiger gehn. Der hat einen guten Kirsch und Bier. Vielleicht sind auch Bauern da. Die anderen, die gewiß da sitzen, sind arme Leute. Kohlenbrenner und Flößer und Häusler. Es sind stille Menschen, aber wenn sie zu Reisiger kommen, so wachen sie manchmal auf und trinken, und dann haben sie ein großes Maul.«
Lisa Buschreuter lachte. »Laß dir nicht bange machen. Es kann auch lustig sein bei uns.«
»Ja,« Kaspar schleuderte die Worte hin, wie wenn er einen ekelhaften Wurm fortwürfe, »wenn der Bauer kommt.«
»So geh fort,« keifte das Weib, »geh fort.«
»Vielleicht tue ich es. An dem da könnte ich Mut kriegen.« Lorenz erhob sich.
»Wir wollen in das Holz. Hast du Zeit, Kaspar?«
»Ja,« rief der rasch.
Der Wagen, auf dem sie nun zu dritt saßen, fuhr langsam am Moore hin in mittelhohes Holz hinein und hielt dann am Fuße eines kleinen Hügels. Der Nadelwald war durchschossen von Laubhölzern, hier eine Buche, da eine Eiche, dort eine riesige Birke. Es war keine regelmäßige Pflanzung. Starke, verfaulende Stämme reckten sich heraus, Baumstümpfe standen, moosbewachsen, auf kleinen Lichtungen. Der Wald hätte etwas vom Urwalde haben können, wenn die Art nicht sinnlos geschlagen hätte. Zur Anpflanzung rührte sich keine Hand. Nur aus sich selber heraus erhielt sich der Forst.
Lorenz spannte die Pferde ab, und Kaspar führte sie zurück auf das Moorgut.
»Was sollen wir schlagen?« fragte Jakob.
»Die überständigen Stamme und in den Dickungen,« erläuterte Lorenz.
»Warum kommt der Bauer nicht selber mit herauf? Man weiß nicht, wie er es haben will,« zürnte Sindig.
»Das weiß er selber nicht. Er hat dem Säger in Niederau fünfzig Festmeter versprochen. Die suchen wir heraus. Die Fichte da wäre recht, meine ich.«
Sie sägten, der Baum brach krachend in das Niederholz und schlug etliche dünnere Stämme zusammen.
»Was wird mit denen?« fragte Jakob.
»Die fahren wir auf den Hof zur Feuerung,« erklärte Lorenz.
»Das ist gewüstet!« grollte Jakob.
Kaspar war zurückgekommen.
Sie schlugen eine Anzahl Stämme nieder, aber Jakob schüttelte den Kopf.
Dann begannen sie, die Bäume auszuputzen. Unter Jakobs Axt flogen die starken Äste mit einem oder zwei Hieben zur Seite. Er hatte wieder die hungrigen Augen. Kaspar Buschreuter sah ihm zu, stieß Lorenz in die Seite und sagte: »Du, wenn der einmal so auf Menschen dreinschlüge. – Es geht mir kalt über den Rücken.« Hernach aber war es wieder eine Lust, dem Riesen zuzusehen. Die Sonne war durch die grauen Wolkenwände gebrochen, und ihr Licht ließ Blitze in der sausenden Art aufflammen.
Als sie aufluden, setzte Jakob den Hebebaum ein und wuchtete die Stämme auf den Wagen, daß sich seine Muskeln spannten, als wollten sie Ketten sprengen. Die harte Arbeit machte ihn froh. Sie brauchte seine ganze Kraft, und er hatte in den Augen das Licht des Sieges.
Der Wagen stand geladen.
»Es ist noch reichlich Zeit, wir wollen vorarbeiten,« schlug Jakob vor und strich über die schweißnasse Stirn, »aber wir wollen achthaben. Was hat uns der Wald getan, daß wir ihn verwüsten? – Lorenz und Kaspar, holt eine Leiter! Man muß die Bäume ausästen und köpfen, ehe man sie niederschlägt. Dann hauen sie nicht wie mit ungeschickten Tatzen die anderen zusammen.«
Die zwei gingen fort.
Jakob lehnte sich an einen Stamm und wartete.
›Was sind das für Leute hier,‹ dachte er. ›Daß ich dem Bauern die Arbeit vor die Füße geworfen habe, das tragen sie einander zu, als wäre es eine Heldentat. Und ich schäme mich darum. Was sind sie für Leute! – Und der Bauer läßt sich den Wald verwüsten. Er keift daheim und ist geizig und geudet mit dem Walde. Sie hassen ihn, auch Kaspar, und sie stehen doch da, als beugten sie den Rücken, sich schlagen zu lassen. – Es reißt mich hin und her. Ich muß mir die Zunge zerbeißen, um nicht aufzufahren, und ich muß die Fäuste in die Taschen stecken, um nicht dreinzuschlagen. – – Und das Weib steht neben dem Manne und ist doch nicht im kleinsten wie er.‹
Lorenz und Kaspar kehrten zurück.
»Warum willst du die Bäume ausästen, bevor wir sie schlagen? Tut dir der Bauer leid?« fragte Kaspar mißtrauisch.
»Nein,« setzte Jakob hart dagegen, »aber der Wald.«
Spielend faßte er die schwere Leiter, lehnte sie an, stieg hinauf, hieb die Äste ab und köpfte den Stamm. Hernach schlugen sie ihn nieder, und er legte sich, ohne Schaden zu tun, zwischen die anderen. So bei vielen. –
Sie fuhren heimwärts. Jakob nahm die Pferde, und Lorenz führte den Störz.
Als sie am Moorgute vorüberkamen, stand Lisa in der Haustür und hatte eine grellrote Schürze vorgebunden.
»Sie hat sich schön gemacht,« sagte Kaspar, aber Jakob achtete nicht auf sie. Er fuhr vorüber.
Da fragte ihn Lisa: »Willst du nicht wieder einkehren?«
Jakob schüttelte den Kopf, streckte Kaspar die Hand hin und verabschiedete sich. »Leb wohl, Kaspar, ich komme wohl morgen oder übermorgen wieder.« –
Das Holz lieferten sie in Niederau bei dem Sägemüller ab. Der stutzte, als er Jakob Sindig sah.
»He, du,« rief er ihn an, »ich könnte einen von deiner Art brauchen. Ich wage es und biete dir das Doppelte von dem, was Heidecker zahlt, und denke dabei nicht schlecht zu fahren. Schlag ein!«
Jakob entgegnete kurz: »Ich bleibe auf dem Hofe.«
Der Müller trat zur Seite und wiederholte sein Gebot dringender, als er sah, wie Jakob arbeitete. Der aber richtete sich hoch auf: »Müller, es bleibt bei dem, was ich sagte. – Fahr zu, Lorenz, wir sind fertig,«
Als die Nacht sank, kamen sie auf den Hof zurück. Der Bauer fragte nach dem Tagewerke.
»Wieviel hattet ihr geladen?«
»Der Sägemüller sagte, es seien fünf Festmeter,« berichtete Jakob.
Da lachte Heidecker schallend auf. »Fünf Festmeter? Wenn du lügen willst, Jakob, dann darfst du es nicht zu derb machen.«
»Lügen?« Es begann über Jakobs Gesicht zu brennen.
Davor duckte sich der Bauer. »Sie haben nie so viel geladen,« sagte er, sich rechtfertigend.
»Ach so. Ja, heute aber waren es fünf Festmeter, wenn der Müller recht gemessen hat, und warum sollte er das nicht?«
Jakob setzte sich an den Tisch, indes Lorenz die Pferde versorgte. Heidecker saß ihm schräg gegenüber.
»Bauer,« begann Sindig, »das ist eine Luderei.«
»Du verwüstest den Wald. Ich glaubte, du könntest rechnen, aber du kannst es nicht. Nicht am Felde, nicht im Walde, nicht an den Wegen.«
Der Binsenhofbauer wollte auffahren, Jakob aber legte ihm die Hand auf den Arm.
»Bleib sitzen, Bauer, es sagt dir sonst keiner, was du hören mußt, weil sie dich fürchten. – Den Acker läßt du hungern, den Wald verkrüppeln und die Wege zerfallen. Du willst ernten, nur ernten. Die Wege fressen das Pferdefleisch, und die Tiere können doch nicht ziehen, was man von ihnen verlangen muß.«
»Was geht das dich an?« fragte der Bauer mit erwachendem Hohne.
Die Bäuerin trat herein und setzte sich an die entfernte Ecke des langen Tisches.
Jakob Sindig strich mit der Hand über das Gesicht. »Du hast recht, es geht mich nichts an, aber es geht dich an. Ich will dir's bessern. Lasse mir meinen Willen. Es soll dich nicht gereuen.«
Der Bauer spürte, daß ein ehrlicher, guter Wille hinter Jakobs Worten saß. Er begann ernst zu nehmen, was der sagte.
»Was willst du tun? Laß hören.«
»Wir werden morgen anfangen, den Weg nach dem Moorgute zu bessern. Laß die Mädchen dreschen. Die Knechte und etliche der Häusler schicke mit mir.«
»Ist verlorene Zeit,« wehrte sich der Bauer.
»Das ist es nicht,« widersprach Jakob ruhig. »Soll ich dir vorrechnen, wieviel du zusetzest, wenn die Pferde drei Jahre vor der Zeit zusammenbrechen? – Und dann: Gib den Knechten mehr Hafer heraus, Bauer. Es geht nur um Tiere, aber man darf sie nicht karg halten.«
Das verdroß Heidecker. »Du nimmst dir viel heraus!«
»So darfst du das nicht ansehen, Bauer.«
»Was verstehst du auch davon? – Ich bewirtschafte den Hof länger als zwanzig Jahre. Es ist nie anders gewesen.«
»So muß es anders werden. – Ich möchte ernsthaft mit dir reden. Du kannst glauben, daß ich weiß, was ich sage. – Deine Ernte war gering.«
»Sie ist nie besser gewesen.«
»Es liegt an dir. Der Acker hungert. Verkaufe ein Jahr oder zwei kein Vieh, und du wirst haben, was deine Äcker brauchen. – Und, ja, Bauer, gib den Pferden reichlicheres Futter.«
Der Binsenhofbauer sah den Mahner unsicher an.
»Man weiß nicht, was man sagen soll. – Verstehst du denn so viel, daß du meinst, mir raten zu können?«
»Ja, Bauer, und ich meine es gut mit dem Hofe. – Übrigens: Der Sägemüller in Niederau hat mir heute unbesehen das Doppelte dessen geboten, was du mir zahlst.«
Heidecker legte die Arme breit auf den Tisch.
»Willst du mich damit kirren?«
»Das ist lächerlich, Bauer.«
»Wie kommt er dazu?«
»Ich habe mich ihm nicht angeboten, ihm zuletzt auf den Kopf zu gesagt, daß ich bleibe. – Bauer, die Pferde sehen ruppig aus. Laß sie nicht darben.«
Heidecker, der sich erhoben hatte, stand vor Jakob. »Was bist du früher gewesen?«
»Ein Bauer.« Jakob ging voraus und Heidecker hinter ihm drein.
Die Bäuerin hatte die gefalteten Hände auf den Tisch gelegt. Sie war froh, weil Jakob Sindig seine Seele sich entfalten ließ.
Nach einer Weile kam der Bauer allein zurück.
»Er ist ein Narr,« knurrte er, »und macht mich auch dazu.«
Als sein Weib nicht antwortete, fuhr er auf sie ein.
»Was kümmerst du dich nicht um die Mägde? Sollen sie auch stehlen?«
»Wer bestiehlt dich?«
»Merkst du nicht, wie der Neue sich mit den anderen zusammengetan hat? Sie werden den Hafer verkaufen.«
»Das sollte Jakob Sindig tun?«
Der Bauer blickte sie forschend an.
»Jakob Sindig?« fragte die Frau wieder mit starker Betonung.
»Was ist er anders als die Knechte?« keifte der Bauer.
»Ich rate dir, laß ihn dein Mißtrauen nicht sehen. Ich glaube, es würde dir leid sein nachher.«
Als Heidecker eben zur Antwort ansetzte, kam Marlene und stellte das Abendbrot auf den Tisch. Da schwieg er.
Während des Essens fragte er Jakob Sindig unvermittelt: »Was sagtest du vorhin vom Walde?«
Ehe Jakob antworten konnte, berichtete Lorenz von der Art, wie sie heute Holz geschlagen hatten.
»Warum tust du so?« fragte Heidecker.
»Weil es niederträchtig ist und dumm, anders zu tun,« antwortete Sindig und sah von ungefähr der Bäuerin in das Gesicht. Da sah er, daß das Licht in deren Augen warmer war als sonst.
Der Bauer aber gebot nach kurzem Sinnen den Knechten: »Ihr geht morgen mit Jakob auf den Weg nach dem Moorgute. Er wird euch sagen, was zu tun ist. Ich werde auch etliche der Häusler an die Arbeit schicken. Haben jetzt ihre faule Zeit.«
Die Knechte wunderten sich, aber es wurde keine Meinung laut.
Lorenz fragte Jakob nach dem Abendbrote: »Gehst du mit zu Reisiger?«
»Ja,« antwortete der. Da schloß sich auch Wilhelm an, und sie gingen hinab in das Tal.