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Gambetta hatte in der Kammer sein Ultimatum gegeben und damit sich und dem »grand ministère« das Todesurtheil gesprochen.
Ganz Paris discutirte die nahe Ministerkrisis, an der nur sanguinische Correspondenten der ausländischen Presse noch zweifelten.
An dem Sonntag nach der Kammerdebatte fuhr ich nach Passy zu Madame Rouvier. Die Gemalin des Handelsministers hatte ihren Empfangstag.
Es schien mir interessant, gerade in diesem Augenblick den Salon der vielgenannten und vielbesprochenen Dame kennen zu lernen. – Seither sind die Ereignisse im politischen Leben genau so eingetreten, wie man sie damals in der unmittelbaren Nähe Gambetta's vorempfand. Das Denkwürdigste, das von jenem Nachmittage in meiner Erinnerung haften blieb, ist das Bild der Herrin des Salons, Madame Rouvier, selbst.
Als das »grand ministère« ans Ruder trat, versicherte die Gambetta feindliche Presse, die Frauen der fremden Botschafter würden Paris fern bleiben, um nicht zur entente cordiale mit den Gemalinnen aller Minister gezwungen zu sein.
Wenn man mir aber von Madame Rouvier redete, empfand ich, daß diese Frau eine Individualität von Bedeutung sein müsse, die man mit anderem Maße zu messen habe.
Madame Noëmi Rouvier, née Cadiot, veuve Constant = Claude Vignon. In diesen verschiedenen Namen liegt ein Stück Biographie.
Magdalena wusch des Heilands Füße, und dieser verzieh ihre Sünden.
Die glückliche Aspasia aber bedurfte in ihrem heiteren Griechenland weder irdischer noch überirdischer Vergebung. Die Menschen waren zu allen Zeiten gleich. In jeder Epoche leben Tugend und Sünde. Verschieden ist nur die Auffassung der Zeit und das aus derselben entspringende Urtheil.
Die Charakterzeichnung, die man von lebenden Personen zu entwerfen wagt, ist eigentlich nur eine grausam-moderne Vivisection. Wie der Mensch aber gewöhnlich gegen das Thier barmherziger ist als gegen seines Gleichen, so verschafft er dem Thiere zum Mindesten Schmerzlosigkeit durch die Narkose. Unsere Nächsten, deren Seelenleben wir ebenso bloßlegen, wie die äußeren Vorgänge des Daseins, empfinden zumeist alles Leid der Operation, die durch einen einzigen Satz der Alten gerechtfertigt erscheint: »De mortuis nil nisi bene.« Somit haben wir die Pflicht, die Wahrheit, auch soweit sie Tadel in sich schließt, noch von den Lebenden zu sagen. Der alte Spruch adelt das Verfahren und gestattet nicht dasselbe als Indiscretion aufzufassen.
Claude Vignon gehört zu jenen Erscheinungen, die frappiren müssen, von denen man lange reden kann, auch ohne sich um die Details ihres Lebensganges zu kümmern.
Der Mädchenname Madame Rouvier's ist Noëmi Cadiot, ihre Geburt fällt in das Jahr 1832. Das junge, äußerst intelligente Mädchen zeigte große Anlage für die bildende Kunst.
Mit seinen Fingern formte es aus Wachs, aus Thon allerlei Figürchen, und bald gelang es dem interessanten blonden Mädchen die Aufmerksamkeit des großen Bildhauers Pradier auf sich zu lenken. In dem Atelier des berühmten Künstlers arbeitete Noëmi mit Fleiß und Talent, dort entzündeten ihre großen blauen Augen manches Feuer in den Herzen der jungen Männer, welche den spröden Stein in lebende Gestalten wandelten.
Schon 1853 stellte die junge Noëmi im Salon die Büste Romieux' aus, welche allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog. Romieux stand im Zenith seines Ruhmes: der imperialistische Präfect, der geistvolle Vaudevillist war eine Tagesgröße des beweglichen Paris. Noëmi schien keine gewöhnliche Frau. Ihre lebhafte Phantasie, ihr feuriger Geist, ihr eigenartiges Wesen schufen einen Nimbus um ihre Erscheinung. Viele hervorragende und bedeutende Männer zollten der Künstlerin Bewunderung und übertrugen diese in vielleicht höherem Grade auf das fesselnde schöne Weib, das in unruhiger Sehnsucht nach einem Ideal, in verzehrendem Grübeln sich plötzlich in die Kreise eines Mannes gebannt sah, der, ein Abenteurer-Leben führend, lange Zeit in der Gesellschaft von sich reden machte.
In der schwarzen Soutane des Priesters war Abbé Constant eine Wiederholung der leichtlebigen Abbés unter den französischen Königen. Das Priesterkleid deckte alle Sünden. Es lebte sich darin nur um so bequemer, es lebte sich um so freier. Abbé Constant, ein kleines und häßliches Männchen, gab sich als eine Art Cagliostro, als einen Wundermann, als einen Grafen St. Germain. Er nannte sich Professor der Magie; er war auf die Erde gekommen, um den Stein der Weisen sich dienstbar zu machen, um den blöden Augen der Menge die Wunder der Urkräfte zu enthüllen. Er war erschienen, um das sündige Weib zu erlösen, er schleuderte eine Anzahl von Schriften magischen, kabbalistischen Inhalts in die Welt, die gierig verschlungen wurden. Selbstverständlich barg sich ein Epicur unter der Maske, aber dieser Mann wußte zu fesseln. Noëmi Cadiot erlag seinem Einflusse und ward, als Abbé Constant das geistliche Gewand abgestreift hatte, dessen Gattin. Eine Zeit lang interessirte die junge schöne Frau sich lebhaft für die übersinnlich-sinnliche Philosophie und sie ward die aufmerksame Schülerin des genialen Schwindlers. Bald aber durchschaute sie das Spiel; ihre kühne Intelligenz, die Gradheit ihres Wesens scheuten vor der hohlen Lüge zurück, Constant war überdies ein aus Princip ungetreuer Ehemann, Noëmi klagte auf Scheidung, und die sonderbare Ehe wurde nach mehrjährigem Bestande gelöst.
Die junge Frau fand in der Arbeit Trost und Zuflucht.
Sie formte die Amoretten, welche mit lächelnden Mienen auf die spielenden Kinder im Parc Montholon schauen, sie schuf die Statuen der Heiligen in der Kirche St. Denis du St. Sacrement, und sie modelte den Kopf des gefeierten Thiers. Es darf wohl Niemand Wunder nehmen, daß die junge Frau nicht zur Asketin ward. In jenen Jahren verband innige Freundschaft Madame Adam und Claude Vignon. Madame Adam ist eine kühl berechnende Natur, Claude Vignon ein feuriger Geist, ein Geschöpf, das etwas Vulkanisch-Elementares in sich schließt. Claude Vignon griff zur Feder, und seit dem Anfang der sechziger Jahre veröffentlichte sie eine Reihe von Romanen, auf deren Bedeutung wir in der Folge zurückkommen werden.
Im Beginn des Jahres 1872 betrat Claude Vignon die Laufbahn eines politischen Correspondenten. Niemand war fleißiger in der Kammer, als die noch immer schöne, blonde, ernste Frau, die nach allen Richtungen hin Verbindungen pflegte, mit verzehrendem Eifer ihrem Beruf oblag, zu dem sie Beweglichkeit und Neugierde im Ueberfluß mitbrachte.
Drei Jahre später starb der Abbé Constant. Claude Vignon war frei – frei, ein neues Band zu knüpfen oder einem alten die Weihe zu geben. Maurice Rouvier, der Deputirte von Marseille, stand längst im Zauberbann der bedeutenden Frau, die großen Einfluß auf ihn ausübte. Wie das gewöhnlich der Fall ist, that die Welt sehr erstaunt, als das Natürlichste, Selbstverständlichste geschah, als Maurice Rouvier sich mit Claude Vignon vermälte.
Sie brachte in diese Ehe einen etwa sechzehnjährigen Sohn mit, der den Namen »Vignon« führt und jetzt Correspondent der »Indépendance Belge« ist, die einst von seiner Mutter trefflich vertreten wurde. Claude Vignon ist eine zärtliche, treffliche Mutter, die stets mit inniger Liebe an ihrem Kinde hing. Sonderbar, Paris, welches einerseits den Freibrief aller Laster ertheilt, ist auf der anderen Seite zuweilen von einer erschreckenden Prüderie. Es thut, als mangele ihm der offene Blick für das Naturgemäße und gefällt sich in der kleinlichen Auffassung verknöcherter Kaffeeschwestern.
Claude Vignon ist geistvoll genug, um sich über manchen Angriff hinwegzusetzen, ihre ernste Arbeit ist ein Läuterungsproceß, wie ihn nur edle Naturen anstreben.
Die vielseitige Begabung der außergewöhnlichen Frau äußert sich auch in ihren literarischen Schöpfungen; sie hat nicht nur eine Anzahl phantasievoller Romane geschaffen, in denen sich ein starkes Talent ausspricht, sondern auch mit Glück das Feld der politischen Journalistik betreten. Im Beginn der sechziger Jahre arbeitete sie an mehreren französischen Journalen und zwar mit so viel Klarheit, Schärfe und Präcision, daß die in jener Zeit hochbedeutende »Indépendance Belge« auf die Dame aufmerksam ward und ihr in der Folge die Pariser Correspondenz übertrug. Claude Vignon war in den Couloirs der Kammer eine wohlbekannte Erscheinung. Sie hatte zahlreiche Beziehungen zu hervorragenden Deputiren, zu leitenden Staatsmännern, zu bedeutenden Personen. Nach einer interessanten Debatte sah man sie rasch auf und ab wandern, mit diesem und jenem heftig debattiren. Eine der aufmerksamsten Zuhörerinnen mit rascher Fassungsgabe, bemerkte und wußte sie Alles, verwerthete sie Alles, und verstand sie, die geistreichsten Aperçus an die einzelnen Vorfälle zu knüpfen. Ihr offener Blick begriff stets die Situation, für welche ihr niemals die realistische Anschauung mangelte. Dieselbe Frau, welche aus dem todten Stein Amorinen schuf, die in kühler, ruhiger und bestimmter Weise die Geschichte des Tages verfolgte, eilte an ihren Schreibtisch, und im Dämmerlicht ihres Gemaches entstanden ihre Roman-Gebilde, durch welche ein idealer Zug geht, der mit manchen Schwächen versöhnt. Keinesfalls gehören die Romane Claude Vignon's zu der Alltagswaare, selbst die Verzeichnungen und Fehler sind interessant, weil sie dem innersten Denken und Empfinden der Verfasserin entsprechen. Die meisten Romane Claude Vignon's sind von einer und derselben Idee getragen. Der sündigen Frau, welche in dem Bewußtsein ihrer Schuld untergeht und sich durch Entsagung, Aufopferung, Arbeit Entsühnung schaffen möchte, fällt die Hauptrolle zu. Am lebhaftesten spricht sich dieser Gedanke in »Elisabeth Verdier« aus. Die schöne Frau flüchtet mit ihrem Geliebten, einem jungen Schriftsteller, aus dem Hause ihres reichen Gatten, indem sie diesen glauben läßt, daß sie ertrunken sei. Kurzem Glück folgt die Reue. Der Geliebte verläßt Elisabeth, und diese bleibt stark genug, alle Versuchungen von sich zu weisen, als Unterlehrerin ihr Brot zu erwerben und in der Folge einen kleinen Kreis verlassener Mädchen zu tüchtigen Arbeiterinnen heranzubilden. Nur eine Jugendfreundin Elisabeths weiß um deren Existenz. Ihr ehemaliger Geliebter ist ein Mann von großer Stellung, er hat Elisabeths Marotten von Volksarbeit erst verlacht, dann empfunden, daß er Elisabeth immer noch liebe, und als deren Gatte stirbt, bietet er ihr seine Hand an: Elisabeth aber nimmt den Schleier, um fortan ganz ihrem Werke zu leben, und ihr ehemaliger Geliebter Armand – jagt sich eine Kugel durch den Kopf.
»Une femme romanesque«, eine der besten Schöpfungen Claudes, schildert eine edle Frauennatur, welche den Schein einer Untreue auf sich ladet, um einen Mann zu retten, der in den Banden einer anderen Frau liegt. In dem Novellen-Cyklus »La vie réelle« spricht sich frische Erfindungsgabe aus.
Zwei Romane Claudes sind, wie es heißt, bestimmten Pariser Persönlichkeiten auf den Leib geschrieben. »Un naufrage Parisien« und »Revoltée«. Beide sind reich an spannenden Situationen, in beiden erregt die Heldin, wenn auch in der verschiedensten Art, unsere Theilnahme. Beide fesseln durch die Kraft der Darstellung, durch die Gewandtheit der Form und die glatte, gefällige Sprache, aber beide sind im Grunde unwahr und nach Effecten haschend. Die Thatsache, daß ähnliche Ereignisse sich wirklich abgespielt haben, ändert nichts an der ästhetischen Unwahrheit. Im großen Ganzen gelingen Claude Vignon die Schilderungen von Frauencharakteren weit besser als die von Männernaturen. Ihre Frauen haben Herz, Nerven, Leben, ihre Männer sind Puppen, die entweder Marionetten des Edelsinns oder moderne Verschrobenheiten von Salonschablonen sind. Ob Claude Vignon thatsächlich die Männer unterschätzt, ob sie so wenigen begegnet ist, welche ihr zum Muster, für ihre idealen Gestalten werden konnten, wer weiß es?
So unumwunden Claude Vignon in ihren Romanen, welche gleich weit vom Materialismus der letzten Jahrzehnte, wie von dem Idealismus der Vergangenheit entfernt sind, alle Verhältnisse bespricht, so sehr sie die Dinge bei ihrem Namen nennt, so wenig sie das schlüpfrige Gebiet der Sensation scheut, so ernst bleibt ihre Auffassung, und indem sie die Frivolität schildert, perlt die Thräne in ihrem Auge, zuckt der Schmerz um ihren Mund. Sie spielt nicht mit laxer Moral, ihre Bücher sind keine Lecture für Töchterschulen, aber sie werden auf keine reife Frau mit süß schmeichelndem Gifte wirken. Sie hält an dem Grundgedanken jedes Dramas, an den Folgen der Schuld fest und zeigt dort, wo die Sünde ungeahndet bleibt, Hohlheit und Gemeinheit.
Wie alle modernen Franzosen hat auch Claude Vignon im Staatsleben manche Wandlung gesehen. Unter Napoleon III. mag sie schon durch ihre persönlichen Beziehungen dem Imperialismus nicht abgeneigt gewesen sein, heute ist sie eine eifrige Republikanerin, die für alle Freiheitsideen warm eintritt.
Ich hatte alle Romane der Dame gelesen, ihre Skulpturen gesehen, bevor ich ihren Salon betrat, bevor ich sie selbst kennen lernte.
Madame Rouvier ist noch immer eine stattliche schöne Frau; ihre Gestalt überragt die Mittelgröße und neigt zu einem leichten Embonpoint, der jedoch, da er sich nicht mit Indolenz verbindet, nicht stört. Das bewegliche Mienenspiel ist höchst interessant. Aus den klaren Augen blickt ernster Wille, zuweilen scheinen dieselben kalt und forschend, das ganze Gesicht verräth Energie, ohne darum der Liebenswürdigkeit zu entbehren. Die Zeit, in der die Dame eine reizende Frau genannt werden durfte, ist allerdings vorbei, ganz lassen die Jahre sich selbst bei der anmuthigsten Französin nicht zum Stillschweigen verurtheilen. Aber die ganze Erscheinung Madame Rouvier's ist durch den Stempel hoher Intelligenz ausgezeichnet. Eine sehr elegante Toilette, mit großer Sorgfalt gewählt und geordnet, that den Vorzügen der bedeutenden Frau keinen Eintrag. In langen Falten floß ein schweres, schwarzes Moirékleid nieder, dessen Leibchen im Glänze reicher Jetstickerei dunkel flimmerte; die schönen Arme schimmerten unter schwarzem Spitzengewebe, das den Unterarm bedeckte, dunkle Handschuhe umschlossen knapp die volle Hand, eine Art spanische Mantille aus Spitzen lag auf dem Haar und war dort mit einer dunklen Rose befestigt.
Madame Rouvier bewegt sich mit der Sicherheit einer Weltdame, sie findet für Jeden ein freundliches Wort und conversirt mit blitzender Lebhaftigkeit in einer Viertelstunde über die verschiedensten Gegenstände; aber – sie vermag es auch, sich mit Ernst in eine Sache zu vertiefen, diese aufzugreifen, von allen Seiten zu beleuchten und sie gründlich zu erörtern. Ihr Urtheil in jener kritischen Zeit war vollkommen sicher und richtig, sie sagte mit Bestimmtheit die Wendung der Dinge vorher, sie gab selbst kein Urtheil über Gambetta, aber sie resumirte scharf Alles, was dessen Freunde und Feinde ins Treffen führten. »Enfin, ma grandeur d'un jour se passe bien vite,« bemerkte sie lächelnd.
Wenige Tage nach diesem Sonntag sah ich Madame Rouvier wieder. Sie fuhr eben in die Kammer, zur Entscheidung. – »Der gute Tact verlangte eigentlich, daß heute keine Abstimmung erfolgte,« meinte sie, »denn Abends sind die Minister bei Grévy zum Diner geladen, und nachher ist Empfang im Elysée. Die Minister wünschten nicht im Speisesaale Grévy's zu demissioniren.«
Madame Rouvier bot mir einen Platz in ihrem Wagen an, wir plauderten während der Fahrt von den Reformprojecten, die Gambetta und sein Ministerium in Bereitschaft hielten.
Madame Rouvier schien der Ueberzeugung zu sein, daß Gambetta fallen wollte, »und das,« bemerkte sie, »gelingt immer«.
Madame Rouvier und Madame Adam sind Feindinnen, sie haben einander einst genau gekannt – wahrscheinlich zu genau. Sie können es nun einander nicht vergeben, daß sie sich Beide aufgeschwungen haben, und keine das Mitleid der Andern braucht.
Die Charakteristik Madame Rouvier's bliebe unvollendet, wollte ich nicht ihre Gefühle für Deutschland erwähnen. Sie ist eine leidenschaftliche französische Natur – der Deutschenhaß ist also selbstverständlich –, aber die Politikerin empfindet die Nothwendigkeit des Friedens, und ihr klarer Verstand ist der nationalen Phrase abhold. Gelegentlich bedauerte sie, der deutschen Sprache nicht mächtig zu sein, und fügte hinzu: »Wir lernen überhaupt zu wenig, aber es wird besser, wir holen nach,« und dabei blitzte es wie Begeisterung aus ihrem Auge.
Der Wagen hielt, Madame Rouvier rauschte durch das von Menschenmassen gefüllte Haus in die Loge, um mit großer Aufmerksamkeit der Entwicklung des Kampfes zuzusehen. Ich schlenderte über die breite Seinebrücke in Gedanken verloren.
»Eine interessante Frau, eine jener Gestalten, wie sie auf dem heißen Moorboden der Pariser Gesellschaft sich leicht entwickeln, bis sie plötzlich im Moore spurlos versinken.« So hatte ein Pariser Freund, Pariser pur sang, Madame Rouvier beurtheilt. Ich konnte ihm nicht ganz Recht geben. Claude Vignon ist kein Frauen-Ideal, aber sie ist origineller als viele ihrer Zeitgenossinnen. Wir sind anspruchsvoll geworden, ich bezweifle, daß der Schimmer der Unsterblichkeit Claude Vignon umleuchtet, aber sie ist ein Charakterkopf, zu dem die Natur edlen Stein verwendete. Selbst im weißesten Marmor finden sich häufig dunkle Adern eingesprengt.