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Am andern Morgen brach er frühe auf. Es war schon um sechs Uhr heiß und schwül. Die aufgebrochenen Birnenblüten zitterten an den Zweigen. Taulos war der Rasen.
In großer Beklommenheit ging Georg seines Weges. Je weiter er kam, desto langsamer ging er, nicht aus Müdigkeit, sondern weil ein sonderbares Bangen sein Herz gefangen hatte. Er vermied die Dörfer, in denen er einstmals Grabsteine gesetzt hatte, und machte so einen willkommnen Umweg. In einem abgelegnen Hofe hielt er Mittagsrast. Er erquickte sich an Birnenmost, Butter und Bauernbrot. Von hier hatte er noch zwei Stunden. Der Weg führte durch einen Fichtenwald. An dessen Rande legte er sich ins Moos und wartete, bis die Sonne weiter gerückt war. Endlich stand er auf, warf die Tasche um und ging weiter. Als er eine Strecke gewandert war, sah er den Gemarkungsstein, und dort, dort kam ihm der erste Mensch aus dem Städtlein entgegen. Es war ein alter Bauer, der mit seinen Kühen langsam daherfuhr.
Schönes Wetter! rief Georg.
Der Bauer nahm seine Mütze ab und behielt sie in der Hand, während er seinen Wagen vorüberlenkte in einen Feldweg hinein. Dann wies er mit seiner Peitsche rechts hinüber, wo über dem Bergwald ein blaugrauer Dunst lag, und mit der ausgespreizten Linken machte er eine drehende Bewegung. Als das Fuhrwerk langsam den Wiesenweg hinschlich, sah Georg, wie der Bauer, der immer noch die Mütze in der Hand hielt, hastig mit dem Kopfe schüttelte, sodaß ihm die langen, weißen Haare um die Stirne flogen.
Welch ein mürrischer Zug in dem schönen Gesicht, dachte Georg und sah dem Manne nach. Und nicht einmal einen Gruß! Nicht einmal ein Wort!
Unwillkürlich hob er den linken Arm, spreizte die Finger aus einander und drehte die Hand um ihr Gelenk.
Was hat er wohl damit sagen wollen? fragte er sich. Dort oben braut sich etwas zusammen? Oder: nichts gewisses weiß man nicht?
Eine halbe Stunde etwa war er weiter gewandert, da sah er den Kirchturm über die Bäume hervorschauen.
In tiefer Bewegung blieb er stehen.
So komme ich denn jetzt heim! sagte er laut.
Er ging langsam dahin, den Blick auf den Kirchturm geheftet.
Heim!
Er sah sich selbst, wie er mit der Hacke auf der Schulter heimschlenderte. Die Hosen waren in die Stiefel gesteckt, das Wams war über die Schulter geworfen. Freundlich grüßten ihn alle Leute, und er selber grüßte freundlich nach allen Seiten hin. Die Kinder sprangen her und gaben ihm die Hand, und die Männer tauschten gute, nachbarliche Worte mit ihm. So kam er in den Hof und schritt durch das Pförtlein in den Grasgarten. Oben stand eine Villa, nicht in städtischem Stil, sondern ein freundliches Schweizerhaus. Und unter dem Thore stand ein junges blühendes Weib. Wie war sie schön geworden, seit er sie nimmer gesehen! Ein Bild der Gesundheit und des Glücks! Und sie hielt einen blondlockigen Knaben an der Hand .....
Georg war immer langsamer gegangen und schließlich stehen geblieben. Er stand im Schatten eines alten Birnbaums. Die Bienen summten um die blütenschimmernde Krone. Aus dem Städtchen klang ein Hahnenruf, und aus weiterer Ferne noch einer.
Ach Gott, du bist es ja! rief Georg aus. Das Herz klopfte ihm hoch, Thränen traten ihm in die Augen.
Dort auf dem Aste, da ist es geschehen!
Er sah in den Baum hinein, und vor seinen Augen schwebte die liebliche Gestalt auf dem breiten Aste. Luise! flüsterte er.
Während er so dastand, tanzten die Bienen um die Blüten, entschwebten der duftenden Fülle, gleich als wollten sie Atem schöpfen, und tauchten dann wieder hinein in die wonnevollen Büschel.
Endlich raffte er sich zusammen und schickte sich zum Weitergehen an.
Das Herz war ihm weich geworden, und so freute er sich an dem Anblick eines Bübleins, das auf dem Rasen drüben am Abhange neben der Straße herum kletterte und Blumen suchte.
Was thust du hier, Kleiner? fragte er das Bübchen.
Das richtete sich auf, strich sich die blonden Locken aus dem Gesicht, sah den fremden Mann an und sagte: Nichts.
Suchst du Blumen?
Der Kleine schüttelte das Köpfchen und sagte: Nein.
Du hast ja einen ganz großen Strauß. Wem bringst du ihn denn?
Niemand, sagte das Büblein.
Wie heißt du denn?
Ich heiße gar nicht.
Wem gehörst du denn?
Niemand.
Ich weiß nicht. Ich wills nicht wissen.
Der kleine Mann stampfte mit dem gestiefelten Fuß auf den Boden und fügte hinzu: Ach, wozu das Gefrag da!
Georg mußte lachen.
Willst du mir ein paar Veilchen geben? Du hast so viele, und ich habe kein einziges.
Das Büblein krabbelte auf Händen und Füßen den Rain hinunter, kletterte den Grabenrand herauf und kam zutraulich zu Georg her. Es preßte den duftenden Strauß mit der linken Hand an sein Wämslein und zupfte mit der rechten Hand drei Veilchen von mäßiger Größe und Schönheit heraus.
Da, sagte es, aber nach einigem Besinnen that es eine von den drei Blüten wieder zu seinem Strauß und reichte die beiden andern dem Weggenossen.
Nur zwei? fragte Georg lachend. Du bist einmal ein Geizkragen!
Ach, sagte der kleine Bursche, du gehörst gar nicht unser!
Nach einer Weile, während der die beiden neben einander her gegangen waren, sah das Büblein begehrlich zu den zwei Veilchen empor, die sich Georg ins Knopfloch gesteckt hatte. Gelt, die sind schön? fragte es. Hebst du die auf?
Aber ehe Georg hatte antworten können, schoß das Büblein wie eine Kugel aus dem Rohre die Straße dahin.
Eine junge Frau kam ihm entgegen. Sie ließ sich zur Erde nieder, breitete die Arme aus und fing den Wildfang auf. Georg sah, wie sie das Büblein lobte und auf den Mund küßte und den Strauß bewunderte, den ihr der Kleine gab. Dann wies sie auf einen schlanken jungen Mann, der über die Wiese daher kam, und Mutter und Söhnlein machten einen Wettlauf dem Vater entgegen. Es war ein anmutiges Bild. Die liebliche Mutter hielt sich immer in gleicher Linie mit ihrem Partner, sodaß sich das Männchen jauchzend des Sieges freute. Aber als sie nun vor dem Manne angelangt war, sah die junge Frau nicht mehr auf das Söhnlein, sondern nur noch auf den Liebsten und stürzte sich ihm geradeso in die ausgebreiteten Arme, wie das Bübchen vorher ihr gethan hatte.
Georg sah, wie der Mann sein Weib an sich drückte und innig umschlungen hielt, und wie er dann den Sohn zu sich empor hob. Der Kleine griff nach dem Stocke des Vaters und ritt über den Wiesenplan der Landstraße zu. Die Frau hängte sich an des Mannes Arm, und so wandelten beide langsam hinter ihrem Vorreiterlein drein.
Georg hatte sich noch nie so einsam gefühlt, wie in diesem Augenblick. Unwillkürlich war er langsam gegangen, und so traf er mit der glücklichen Familie zusammen. Mit einem Gemisch von Neugier, Neid und Wohlgefallen schaute Georg nach dem Ehepaar hinüber. Die junge Frau prüfte den Fremdling mit forschenden Augen und wurde auf einmal rot bis zur Stirne hinauf. Es mochte ihr eingefallen sein, daß dieser fremde Mensch Zeuge ihrer Zärtlichkeit gewesen sei. Es kam Georg vor, als ob sie sich ängstlich an den Gatten schmiege. Und da durchzuckte ihn der lähmende Blitzstrahl des Erkennens. Er drückte den Hut tief ins Gesicht und sah zur andern Seite hinüber. So ging er vorbei. Und dann lief er im schnellsten Schritt dem bergenden Städtlein zu, gepeinigt von dem Gefühl, daß ihm die Leute dort hinten auf den Rücken schauten. Während er so dahineilte, erwürgte ihn fast der Ingrimm. Wie war des Bürgermeisters Töchterlein eine so schöne Frau geworden! Wie strahlte sie von Reiz und Fülle und Glückseligkeit! –
Was sind das für Leute, die dort herkommen? fragte er eine Frau, die den Korb voll Ziegenfutter auf eine Gartenmauer abgestellt hatte.
Das ist der Herr Wiesenbauassistent; der ist seit fünf Jahren hier von wegen der großen Wasserleitung, die jetzt halb fertig ist. Der hat die liebste Frau von der ganzen Welt, unsers Altbürgermeisters Tochter. Aber er verdient sie auch!
Ohne Halt zu machen ging er an dem Hause seines verstorbnen Meisters vorbei. Er roch Lohduft und sah statt der alten Werkstatt eine Gerberei; es war ihm gleichgiltig.
Müd und erschöpft kehrte er im nächsten Gasthause ein. Es war der Wilde Mann.
Und da saß er nun, drückte sich in die finsterste Ecke des Gastzimmers, worein er wie ein Flüchtling getreten war, und betrachtete die beiden Veilchen, die der Sohn seiner einstmaligen Geliebten ihm als Almosen geschenkt hatte. Ich Narr, dachte er ingrimmig, wenn ich gewollt hätte, wäre der Strauß jetzt mein!
Es wurde rasch finster im Zimmer. Der Himmel hatte sich mit Wolken überzogen, und die Wirtin zündete die Lampen an. Da leuchtete das Messingbeschläg des Schenktisches, und eine bittere Erinnerung wachte mit einemmale bei Georg auf. Das war das Wirtszimmer, wo er am Abend vor dem Feste seine Kunstreise beendet hatte. Auf dem Schenktisch dort hatte sein Kunstwerk gestanden. Dann war es von Tisch zu Tisch gewandert. Auf welcher Bank, auf welchem Brett, in welchem Winkel es schließlich stehen geblieben war, das hatte niemand gewußt. Wohl aber wußte Georg noch, daß dort an jenem Tische Burschen gesessen hatten, und daß die ihm, als er mit seinem berauschten Meister an ihnen vorüber gewankt war, Michel, Michel! nachgerufen hatten.
Während er solch trüben Erinnerungen nachhing, füllte sich allmählich das Wirtszimmer mit Gästen. Georg fürchtete sich nicht, erkannt zu werden. Ein dunkler Vollbart und eine breite Wangenschramme hatten sein Gesicht verändert. Auf mehrere von den Gästen konnte er sich wieder besinnen. Männer, die zu seiner Zeit noch braun gewesen waren, waren jetzt grau geworden. Von den Gleichaltrigen und Jüngeren erkannte Georg keinen wieder.
Auch der Kunstschlosser trat herein. Auf seinen kurz geschornen weißdurchschimmerten Haaren saß stutzerhaft ein kleines, gelbes Strohhütchen mit blaugeflammtem Bande. Er nahm am mittleren Tische Platz, ließ seine Äuglein herumblinken und redete in getragnem Tone und mit spitzfindigen Worten von der neuen Wasserleitung.
Die Wasserleitung war der Gegenstand des Gesprächs an allen Tischen. Auch der Marktbrunnen wurde zuweilen genannt.
Georg horchte auf. Er bemerkte aus den Reden, daß die Gäste fast lauter Handwerker waren, solche aus der Stadt und solche aus der Umgegend, und daß an diesem Abend noch etwas bevorstand, was diese Leute anging. Als die Wanduhr die neunte Stunde schlug, tranken die Männer ihre Gläser aus und verließen das Zimmer.
Sind Sie nicht auch Liebhaber? fragte die Wirtin. Es ist jetzt Zeit. Gehen Sie nur diesen Herren nach. Die gehen alle zur Versteigerung aufs Rathaus.
Georg leerte sein Glas, nahm Hut und Stock und verließ gleichfalls das Zimmer. Die Tasche ließ er auf der Bank liegen.
Er ging den Männern nach und mischte sich unter sie. Als er den Marktplatz erreicht hatte, senkte er die Augen. In der zerfahrenen und gedrückten Stimmung, in der er war, wollte er seinem Kunstwerke nicht ins Antlitz schauen. Im Trosse dahin schreitend kam er an eine Stelle, wo der Boden aufgerissen und ein tiefer Graben durch einige Bretter überbrückt war. Zur Rechten sah er die dunkeln Umrisse des Marktbrunnens. Er senkte das Haupt noch tiefer, und nach wenigen Schritten trat er ins Rathaus ein.
Er ging mit den andern in den großen Bürgersaal hinauf. Das weite Gemach füllte sich. Im Hintergrunde war ein Tisch, auf dem drei Stehlampen standen. Es waren dies die einzigen Lichter. Die Männer setzten sich auf Schrannen nieder oder standen an den Wänden umher. Georg begab sich in die hinterste und dunkelste Fensternische. Ein leises Gemurmel erfüllte den dämmerigen Saal. An dem Tische saß der altgewordne Stadtschreiber und schrieb, was ein junger Mann, wohl der neue Bürgermeister, ihm leise vorsagte.
Georg sah sich in dem düstern Raume um.
Wie war es hier doch so festlich und hell gewesen, so laut und fröhlich zu jener Stunde, als er sein Kunstwerk hierher gebracht hatte! Dort hatte es gestanden, auf dem Aktenschränkchen an der Thür, woran sich jetzt die wartenden Männer lehnten, und dort hatten sich die bewundernden Herren gedrängt. Georg lebte jene Augenblicke nochmals durch, sah den Chemiker und den Abgeordneten vor Augen. Von allen Seiten hatten sich ihm glückwünschende Hände entgegengestreckt. Und jetzt? Er war hereingekommen wie ein zugelaufner Hund. Wenn das Geschäft aus war, das diese Männer zusammengeführt hatte, so gingen sie auseinander, jeder nach Hause. Er aber, wenn er nur das Lokal verließ, ehe es der Ortsdiener zuschloß – das war das einzige, was man von ihm begehrte. Sonst konnte er sehen, wo er bliebe. Keiner sah ihm nach.
Da erfaßte ihn die Sehnsucht, sein Werk zu sehen. Alles war anders geworden, er selbst am meisten, keiner kannte ihn ja. Nur eins war geblieben, wie es damals war: das Gebilde, das zu schaffen ihm Gott vergönnt hatte. So lange der steinerne Kopf noch dort oben auf der Brunnensäule stand, so lange hatte sein Schöpfer auch noch eine Heimat auf Erden.
Mit plötzlichem Entschlusse wandte sich Georg um und sah auf den Marktplatz hinaus. Aber die Nacht war schwarz; er konnte nichts unterscheiden.
Unterdessen hatte die Versteigerung begonnen und war ihren Lauf gegangen. Georg hörte mit halbem Ohre, wie die einzelnen Arbeiten, die durch die Weiterführung der bisherigen Wasserleitung erfordert wurden, von den Handwerkern in lebhaftem Kampfe ersteigert wurden.
Aufmerksam wurde er, als der Bürgermeister, der die Verhandlungen leitete, auf den Marktbrunnen zu sprechen kam. Schon vorher hatte er von gußeisernen Brunnen gehört, und es war ihm haften geblieben, daß ihre Lieferung von dem Vertreter eines großen Eisenwerks ersteigert worden war.
Jetzt kommen wir zur Versteigerung des alten Marktbrunnens, sagte der Bürgermeister. Wer bietet etwas auf den Trog? Er besteht aus lauter guterhaltenen Sandsteinplatten.
Ein Steinhauer aus einem benachbarten Dorfe eroberte nach heftigem Ringen den Trog.
Die Röhren und die Kübelstäbchen werden als altes Eisen verkauft. Wer will die Brunnensäule? Die Liebhaber haben sie draußen vor dem Rathause liegen sehen.
Georg stutzte.
Mehrere Steinhauer und einige Maurer stritten sich darum. Ein Maurer aus dem Städtchen blieb Sieger.
Gehört das Mundstück auch dazu? fragte er.
Der Kopf? Nein, der wird besonders versteigert, sagte der Bürgermeister. Und dann schickte er den Ratsdiener hinaus in den Rathausschuppen, den Kopf zu holen.
Nach einer Weile kam der Diener mit Georgs Kunstwerk zur Thür herein. Er trat an den Tisch und hielt es auf seiner Schulter.
Georgs einstmaliger Gönner, der Kunstschlosser, ergriff eine der Lampen und beleuchtete die Büste von rechts und von links.
Sind Liebhaber da? fragte der Bürgermeister.
Ja, rief eine Stimme dicht vor Georg.
Dieser neigte den Kopf vor und erkannte Luisens Gatten.
Sie? fragte sein Nachbar verwundert.
Ja, ich, antwortete der junge Mann kurz.
Die Versteigerung begann.
Eine Mark, rief der Liebhaber.
Eine Mark zehn, überbot eine fette Stimme.
Was will denn der Bachjörg damit? fragte einer.
Er will es als Vogelscheuche in den Garten stellen, sagte jemand lachend.
Nein, er will es als Gewichtstein in seinen Sauerkrautständer legen, meinte ein andrer.
Potz Blitz, rief ein dritter, ich brauche auch einen Gewichtstein, nämlich an mein neues Hofthor. Die Racker lassen es immer offen stehen, und da läuft das Geziefer der ganzen Welt herein. Eine Mark zwanzig.
Eine Mark dreißig, rief wieder der Wiesenbauassistent.
Und jetzt boten sich die drei Männer immer um zehn Pfennig in die Höhe, bis mit einer Mark und siebzig Pfennigen der erste Liebhaber das Feld behauptete.
Eine Mark siebzig zum zweiten und le ...
Aber ehe der Bürgermeister vollenden konnte, rief eine Stimme aus der Fensternische: Zwei Mark.
Mehrere Köpfe wandten sich um, auch Luisens Gatte. Aber die Gestalt dort hinten stand ganz im Finstern.
Drei Mark.
Drei Mark zehn.
Vier Mark.
Vier Mark zehn.
Georg hatte den Inhalt seiner Börse in die linke Hand geschüttet und die Barschaft rasch mit den Augen überflogen. Nur eine kleine Silbermünze behielt er in der rechten Hand zurück. Dreiundzwanzig Mark und vierzig Pfennige, rief er.
Eine Bewegung ging durch den Saal.
Und zehn Pfennig mehr, sagte der andre ruhig.
Dreiundzwanzig Mark und sechzig Pfennig, rief Georg und warf das Münzchen zu dem übrigen Geld.
Und siebzig Pfennig, bot der unerbittliche Gegner.
Dreiundzwanzig Mark und sechzig Pfennig und eine silberne Uhr und eine silberne Kette, rief Georg.
Es war totenstill im Saal geworden.
Luisens Mann war aufgestanden und zu Georg in die Nische getreten.
Ich ziehe mein letztes Gebot zurück, rief er, er soll es haben für dreiundzwanzig sechzig!
Das geht nicht, das geht nicht, rief ein Dutzend Stimmen. Der Gemeindesäckel kann alles brauchen, auch silberne Uhren und Ketten.
Georg schritt von seiner Nische an den Banken vorbei auf den Tisch zu. Alle Köpfe reckten sich, ihn zu betrachten. Die Männer, die im Gange standen, wichen scheu auf die Seite. Der Kunstschlosser griff an sein Hütchen, das er während der Verhandlungen auf dem Kopfe behalten hatte, und sagte mit unsicherer Stimme: Auch wieder hier?
Georg sah ihn nicht an und gab keine Antwort. Er zählte das Geld auf den Tisch, während der Kunstschlosser hinter seinem Rücken in die zu ihm hingestreckten Ohren muschelte. Dann legte Georg Uhr und Kette zu dem Gelde, packte sein Werk, umschlang es mit den Armen und ging zur Thür hinaus, die ihm der Ortsdiener öffnete.
Michel, Michel! rief eine Stimme hinter ihm, sodaß er es noch hörte. Der Ortsdiener aber rief ihm freundschaftlich nach: Stolpern Sie nicht! und machte die Thür zu.