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Seit dem Ende des fünften Jahrhunderts war das politische Schicksal Griechenlands hoffnungslos. In erstaunlich rascher Zeit war die griechische Kultur im siebenten und sechsten Jahrhundert zu einer Höhe emporgestiegen, die noch heute immer wieder die Blicke bewundernd auf diesem kleinen Volke ruhen läßt. Politik und Wirtschaft, Kunst und Philosophie lassen diese Höhe gleicherweise erkennen. Aber seit dem Ende des fünften Jahrhunderts war das politische Schicksal Griechenlands besiegelt: es führte zur Auflösung und zum Untergang. Dieselben Faktoren, welche es zur Höhe geführt hatten, wurden ihm zum Verderben: die räumliche Beschränktheit, die in den Stadtstaaten zum Ausdruck kam, und die Demokratie. Diese, die in der Blütezeit Griechenlands alle individuellen Kräfte mobil gemacht und zur Steigerung des Gesamtlebens nutzbar verwendet hatte, wuchs sich immer mehr zu einer demokratischen Massenherrschaft aus, in der unter der Maske der allgemeinen Gleichheit die Tyrannei der breiten Massen triumphierte oder derer, die durch Worte und Taten die Massen auf ihre Seite zu bringen wußten. Jene, die Konzentration des Staatsgedankens auf die Stadt, machte es den Griechen unmöglich, im gegebenen Moment über den Horizont des engen Raumes hinauszugelangen. Dieser Moment war dann eingetreten, als für Griechenland das Stadium der Weltpolitik gekommen war: während und nach den Perserkriegen. Allzusehr an die engen Grenzen des Stadtstaates gewöhnt und gebunden, war es zu dieser Weltpolitik nicht fähig. Beide Umstände brachten in die Politik der griechischen Staaten eine solche Unsicherheit und Verworrenheit, daß sich schließlich die besseren und höher gebildeten Elemente vom öffentlichen Leben gänzlich zurückzogen, und das Feld den gewerbsmäßigen Politikern und Stellenjägern überließen. Schon der thukydideische Perikles klagt über die »ruhigen Bürger«, die sich der staatlichen Mitarbeit entzögen Vergl. dazu Poehlmann, Grundriß der griechischen Geschichte, 4. Aufl. 1909, Kap. IX: Die innere Zersetzung der hellenischen Staatenwelt, sowie Kaerst, Geschichte des hellenistischen Zeitalters, II. Bd. 1909, V. Buch, Kap. 1: Die innere Umbildung der Kultur der Polis..
Diese politischen Zustände spiegeln sich bereits, negativ, in dem Staatsideal Platos wieder, das den Philosophen die Herrschaft im Staate zuspricht; auch Aristoteles erwartet noch das Heil vom Staate selbst. Aber gegen Ende des vierten Jahrhunderts war die Erkenntnis allgemein: die Griechen sind nicht mehr zu retten.
Diese Erkenntnis bildet den Hintergrund der beiden großen Philosophenschulen, welche das untergehende Griechenland hervorgebracht hat: der stoischen und der epikureischen. Beiden ist gemeinsam die Zurückziehung des Individuums auf sich selbst, das individualistische Lebensideal. Beide wollen im Grunde nichts geben als eine Anleitung zum glückseligen Leben, und beide kommen darin überein, die Glückseligkeit als von äußeren Dingen unabhängig ganz in den Bereich der Eigenpersönlichkeit zu legen. Nicht mehr, wie früher, in der staatlichen Gemeinschaft besteht das Ideal, sondern in der persönlichen Unabhängigkeit und Ungebundenheit des Individuums, das aus eigener Selbstbestimmung sich seine Lebenszwecke setzt.
Wie die Stoiker ihr Lebensideal begründeten, ausmalten und zu verwirklichen suchten, zeigen Epiktet, Seneca und Mark Aurel Vergl. die Ausgaben dieser Stoiker in Kröners Taschenausgabe.. Die Lehre Epikurs soll auf den folgenden Blättern ihre Darstellung finden.