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Ein Zimmer im königlichen Palast, durch eine eiserne Gitterthüre von einem großen Vorhof abgesondert, in welchem Wachen auf und nieder gehen.
Carlos, an einem Tische sitzend, den Kopf vorwärts auf die Arme gelegt, als wenn er schlummerte. Im Hintergrunde des Zimmers einige Officiere, die mit ihm eingeschlossen sind. Marquis von Posa tritt herein, ohne von ihm bemerkt zu werden, und spricht leise mit den Officieren, welche sich sogleich entfernen. Er selbst tritt ganz nahe vor Carlos und betrachtet ihn einige Augenblicke schweigend und traurig. Endlich macht er eine Bewegung, welche diesen aus seiner Betäubung erweckt.
Carlos (steht auf, wird den Marquis gewahr und fährt erschrocken zusammen. Dann sieht er ihn eine Weile mit großen starren Augen an und streicht mit der Hand über die Stirne, als ob er sich auf etwas besinnen wollte).
Marquis. Ich bin es, Carl.
Carlos (gibt ihm die Hand). Du kommst sogar noch zu mir?
Das ist doch schön von dir.
Marquis. Ich bildete
Mir ein, du könntest deinen Freund hier brauchen.
Carlos. Wahrhaftig? Meintest du das wirklich? Sieh!
Das freut mich – freut mich unbeschreiblich. Ach!
Ich wußt' es wohl, daß du mir gut geblieben.
Marquis. Ich hab' es auch um dich verdient.
Carlos. Nicht wahr?
O, wir verstehen uns noch ganz. So hab'
Ich's gerne. Diese Schonung, diese Milde
Steht großen Seelen an, wie du und ich.
Laß sein, daß meiner Forderungen eine
Unbillig und vermessen war, mußt du
Mir darum auch die billigen versagen?
Hart kann die Tugend sein, doch grausam nie,
Unmenschlich nie – Es hat dir viel gekostet!
O ja, mir däucht, ich weiß recht gut, wie sehr
Geblutet hat dein sanftes Herz, als du
Dein Opfer schmücktest zum Altare.
Marquis. Carlos!
Wie meinst du das?
Carlos. Du selbst wirst jetzt vollenden,
Was ich gesollt und nicht gekonnt – Du wirst
Den Spaniern die goldnen Tage schenken,
Die sie von mir umsonst gehofft. Mit mir
Ist es ja aus – auf immer aus. Das hast
Du eingesehn – O, diese fürchterliche Liebe
Hat alle frühen Blüthen meines Geistes
Unwiederbringlich hingerafft. Ich bin
Für deine großen Hoffnungen gestorben.
Vorsehung oder Zufall führen dir
Den König zu – es kostet mein Geheimniß,
Und er ist dein – du kannst sein Engel werden.
Für mich ist keine Rettung mehr – vielleicht
Für Spanien – Ach, hier ist nichts verdammlich,
Nichts, nichts, als meine rasende Verblendung,
Bis diesen Tag nicht eingesehn zu haben,
Daß du – so groß als zärtlich bist.
Marquis. Nein! Das,
Das hab' ich nicht vorhergesehen – nicht
Vorhergesehn, daß eines Freundes Großmuth
Erfinderischer könnte sein, als meine
Weltkluge Sorgfalt. Mein Gebäude stürzt
Zusammen – ich vergaß dein Herz.
Carlos. Zwar, wenn dir's möglich wär' gewesen, ihr
Dies Schicksal zu ersparen – sieh, das hätte
Ich unaussprechlich dir gedankt. Konnt' ich
Denn nicht allein es tragen? Mußte sie
Das zweite Opfer sein? – Doch still davon!
Ich will mit keinem Vorwurf dich beladen.
Was geht die Königin Dich an? Liebst du
Die Königin? Soll deine strenge Tugend
Die kleinen Sorgen meiner Liebe fragen?
Verzeih mir – ich war ungerecht.
Marquis. Du bist's.
Doch – dieses Vorwurfs nicht. Verdient
Ich einen, dann verdient' ich alle – und
Dann würd' ich so nicht vor dir stehen.
(Er nimmt sein Portefeuille heraus.)
Hier
Sind von den Briefen ein'ge wieder, die
Du in Verwahrung mir gegeben. Nimm
Sie zu dir.
Carlos (sieht mit Verwunderung bald die Briefe, bald den Marquis an).
Wie?
Marquis. Ich gebe sie dir wieder,
Weil sie in deinen Händen sichrer jetzt
Sein dürften, als in meinen.
Carlos. Was ist das?
Der König las sie also nicht? bekam
Sie gar nicht zu Gesichte?
Marquis. Diese Briefe?
Carlos. Du zeigtest ihm nicht alle?
Marquis. Wer sagt' dir,
Daß ich ihm einen zeigte?
Carlos (äußerst erstaunt). Ist es möglich?
Graf Lerma.
Marquis. Der hat dir gesagt? – Ja, nun
Wird Alles, Alles offenbar! Wer konnte
Das auch voraussehn? – Lerma also? – Nein,
Der Mann hat lügen nie gelernt. Ganz recht,
Die andern Briefe liegen bei dem König.
Carlos (sieht ihn lange mit sprachlosem Erstaunen an).
Weßwegen bin ich aber hier?
Marquis. Zur Vorsicht,
Wenn du vielleicht zum zweiten Mal versucht
Sein möchtest, eine Eboli zu deiner
Vertrauten zu erwählen.
Carlos (wie aus einem Traum erwacht). Ha! Nun endlich!
Jetzt seh' ich – jetzt wird Alles Licht –
Marquis (geht nach der Thüre). Wer kommt?
Herzog Alba. Die Vorigen.
Alba (nähert sich ehrerbietig dem Prinzen, dem Marquis durch diesen ganzen Auftritt den Rücken zuwendend).
Prinz, Sie sind frei. Der König schickt mich ab,
Es Ihnen anzukündigen.
(Carlos sieht den Marquis verwundernd an. Alle schweigen still.)
Zugleich
Schätz' ich mich glücklich, Prinz, der Erste sein
Zu dürfen, der die Gnade hat –
Carlos (bemerkt beide mit äußerster Verwunderung. Nach einer Pause zum Herzog).
Ich werde
Gefangen eingesetzt und frei erklärt,
Und ohne mir bewußt zu sein, warum
Ich Beides werde?
Alba. Aus Versehen, Prinz,
So viel ich weiß, zu welchem irgend ein
– Betrüger den Monarchen hingerissen.
Carlos. Doch aber ist es auf Befehl des Königs,
Daß ich mich hier befinde?
Alba. Ja, durch ein
Versehen Seiner Majestät.
Carlos. Das thut
Mir wirklich leid – Doch, wenn der König sich
Versieht, kommt es dem König zu, in eigner
Person den Fehler wieder zu verbessern.
(Er sucht die Augen des Marquis und beobachtet eine stolze Herabsetzung gegen den Herzog.)
Man nennt mich hier Don Philipps Sohn. Die Augen
Der Lästerung und Neugier ruhn auf mir.
Was Seine Majestät aus Pflicht gethan,
Will ich nicht scheinen ihrer Huld zu danken.
Sonst bin ich auch bereit, vor dem Gerichte
Der Cortes mich zu stellen – meinen Degen
Nehm' ich aus solcher Hand nicht an.
Alba. Der König
Wird keinen Anstand nehmen, Eurer Hoheit
Dies billige Verlangen zu gewähren,
Wenn Sie vergönnen wollen, daß ich Sie
Zu ihm begleiten darf –
Carlos. Ich bleibe hier,
Bis mich der König oder sein Madrid
Aus diesem Kerker führen. Bringen Sie
Ihm diese Antwort.
(Alba entfernt sich. Man sieht ihn noch eine Zeit lang im Vorhofe verweilen und Befehle austheilen.)>