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Im königlichen Palast zu Madrid.
König Philipp unter einem Thronhimmel. Herzog Alba in einiger Entfernung von dem König, mit bedecktem Haupt. Carlos.
Carlos. Den Vortritt hat das Königreich. Sehr gerne
Steht Carlos dem Minister nach. Er spricht
Für Spanien – ich bin der Sohn des Hauses.
(Er tritt mit einer Verbeugung zurück.)
Philipp. Der Herzog bleibt, und der Infant mag reden.
Carlos (sich gegen Alba wendend).
So muß ich denn von Ihrer Großmuth, Herzog,
Den König mir als ein Geschenk erbitten.
Ein Kind – Sie wissen ja – kann Mancherlei
An seinen Vater auf dem Herzen tragen,
Das nicht für einen Dritten taugt. Der König
Soll Ihnen unbenommen sein – ich will
Den Vater nur für diese kurze Stunde.
Philipp. Hier steht sein Freund.
Carlos. Hab' ich es auch verdient,
Den meinigen im Herzog zu vermuthen?
Philipp. Auch je verdienen mögen? – Mir gefallen
Die Söhne nicht, die beßre Wahlen treffen,
Als ihre Väter.
Carlos. Kann der Ritterstolz
Des Herzogs Alba diesen Auftritt hören?
So wahr ich lebe, den Zudringlichen,
Der zwischen Sohn und Vater unberufen
Sich einzudringen nicht erröthet, der
In seines Nichts durchbohrendem Gefühle
So dazustehen sich verdammt, möcht' ich
Bei Gott – und gält's ein Diadem – nicht spielen.
Philipp (verläßt seinen Sitz mit einem zornigen Blick auf den Prinzen).
Entfernt Euch, Herzog!
(Dieser geht nach der Hauptthüre, durch welche Carlos gekommen war; der König winkt ihm nach einer andern.)
Nein, ins Kabinet,
Bis ich Euch rufe.
König Philipp. Don Carlos.
Carlos (geht, sobald der Herzog das Zimmer verlassen hat, auf den König zu und fällt vor ihm nieder, im Ausdruck der höchsten Empfindung).
Jetzt mein Vater wieder,
Jetzt wieder mein, und meinen besten Dank
Für diese Gnade. – Ihre Hand, mein Vater. –
O süßer Tag! – Die Wonne dieses Kusses
War Ihrem Kinde lange nicht gegönnt.
Warum von Ihrem Herzen mich so lange
Verstoßen, Vater? Was hab' ich gethan?
Philipp. Infant, dein Herz weiß nichts von diesen Künsten.
Erspare sie, ich mag sie nicht.
Carlos (aufstehend). Das war es!
Da hör' ich Ihre Höflinge – Mein Vater!
Es ist nicht gut, bei Gott! nicht Alles gut,
Nicht Alles, was ein Priester sagt, nicht Alles,
Was eines Priesters Creaturen sagen.
Ich bin nicht schlimm, mein Vater – heißes Blut
Ist meine Bosheit, mein Verbrechen Jugend.
Schlimm bin ich nicht, schlimm wahrlich nicht – wenn auch
Oft wilde Wallungen mein Herz verklagen,
Mein Herz ist gut –
Philipp. Dein Herz ist rein, ich weiß es,
Wie dein Gebet.
Carlos. Jetzt oder nie! – Wir sind allein.
Der Etikette bange Scheidewand
Ist zwischen Sohn und Vater eingesunken.
Jetzt oder nie! Ein Sonnenstrahl der Hoffnung
Glänzt in mir auf, und eine süße Ahnung
Fliegt durch mein Herz – Der ganze Himmel beugt
Mit Schaaren froher Engel sich herunter,
Voll Rührung sieht der Dreimalheilige
Dem großen schönen Auftritt zu! – Mein Vater!
Versöhnung! (Er fällt ihm zu Füßen.)
Philipp. Laß mich und steh auf!
Carlos. Versöhnung!
Philipp (will sich von ihm losreißen.)
Zu kühn wird mir dies Gaukelspiel –
Carlos. Zu kühn
Die Liebe deines Kindes?
Philipp. Vollends Thränen?
Unwürd'ger Anblick! – Geh aus meinen Augen.
Carlos. Jetzt oder nie! – Versöhnung, Vater!
Philipp. Weg
Aus meinen Augen! Komm mit Schmach bedeckt
Aus meinen Schlachten, meine Arme sollen
Geöffnet sein, dich zu empfangen – So
Verwerf' ich dich. – Die feige Schuld allein
Wird sich in solchen Quellen schimpflich waschen.
Wer zu bereuen nicht erröthet, wird
Sich Reue nie ersparen.
Carlos. Wer ist das?
Durch welchen Mißverstand hat dieser Fremdling
Zu Menschen sich verirrt? – Die ewige
Beglaubigung der Menschheit sind ja Thränen,
Sein Aug' ist trocken, ihn gebar kein Weib –
O, zwingen Sie die nie benetzten Augen,
Noch zeitig Thränen einzulernen, sonst,
Sonst möchten Sie's in einer harten Stunde
Noch nachzuholen haben.
Philipp. Denkst du den schweren Zweifel deines Vaters
Mit schönen Worten zu erschüttern?
Carlos. Zweifel?
Ich will ihn tilgen, diesen Zweifel – will
Mich hängen an das Vaterherz, will reißen,
Will mächtig reißen an dem Vaterherzen,
Bis dieses Zweifels felsenfeste Rinde
Von diesem Herzen niederfällt. – Wer sind sie,
Die mich aus meines Königs Gunst vertrieben?
Was bot der Mönch dem Vater für den Sohn?
Was wird ihm Alba für ein kinderlos
Verscherztes Leben zur Vergütung geben?
Sie wollen Liebe? – Hier in diesem Busen
Springt eine Quelle, frischer, feuriger,
Als in den trüben, sumpfigsten Behältern,
Die Philipps Gold erst öffnen muß.
Philipp. Vermeßner,
Halt ein! – Die Männer, die du wagst zu schmähn,
Sind die geprüften Diener meiner Wahl,
Und du wirst sie verehren.
Carlos. Nimmermehr.
Ich fühle mich. Was Ihre Alba leisten,
Das kann auch Carl, und Carl kann mehr. Was fragt
Ein Miethling nach dem Königreich, das nie
Sein eigen sein wird? – Was bekümmert's den,
Wenn Philipps graue Haare weiß sich färben?
Ihr Carlos hätte Sie geliebt. – Mir graut
Vor dem Gedanken, einsam und allein,
Auf einem Thron allein zu sein. –
Philipp (von diesen Worten ergriffen, steht nachdenkend und in sich gekehrt. Nach einer Pause).
Ich bin allein.
Carlos (mit Lebhaftigkeit und Wärme auf ihn zugehend).
Sie sind's gewesen. Hassen Sie mich nicht mehr,
Ich will Sie kindlich, will Sie feurig lieben,
Nur hassen Sie mich nicht mehr. – Wie entzückend
Und süß ist es, in einer schönen Seele
Verherrlicht uns zu fühlen, es zu wissen,
Daß unsre Freude fremde Wangen röthet,
Daß unsre Angst in fremdem Busen zittert,
Daß unsre Leiden fremde Augen wässern!
Wie schön ist es und herrlich, Hand in Hand
Mit einem theuern, vielgeliebten Sohn
Der Jugend Rosenbahn zurück zu eilen,
Des Lebens Traum noch einmal durchzuträumen!
Wie groß und süß, in seines Kindes Tugend
Unsterblich, unvergänglich fortzudauern,
Wohlthätig für Jahrhunderte! – Wie schön,
Zu pflanzen, was ein lieber Sohn einst erntet,
Zu sammeln, was ihm wuchern wird, zu ahnen,
Wo hoch sein Dank einst flammen wird! – Mein Vater,
Von diesem Erdenparadiese schwiegen
Sehr weislich ihre Mönche.
Philipp (nicht ohne Rührung). O, mein Sohn,
Mein Sohn! du brichst dir selbst den Stab. Sehr reizend
Malst du ein Glück, das – du mir nie gewährtest.
Carlos. Das richte der Allwissende! – Sie selbst,
Sie schlossen mich, wie aus dem Vaterherzen,
Von Ihres Scepters Anteil aus. Bis jetzt,
Bis diesen Tag – o, war das gut, war's billig? –
Bis jetzt mußt' ich, der Erbprinz Spaniens,
In Spanien ein Fremdling sein, Gefangner
Auf diesem Grund, wo ich einst Herr sein werde.
War das gerecht, war's gütig? – O, wie oft,
Wie oft, mein Vater, sah ich schamroth nieder,
Wenn die Gesandten fremder Potentaten,
Wenn Zeitungsblätter mir das Neueste
Vom Hofe zu Aranjuez erzählten!
Philipp. Zu heftig braust das Blut in deinen Adern.
Du würdest nur zerstören.
Carlos. Geben Sie
Mir zu zerstören, Vater. – Heftig braust's
In meine Adern – Dreiundzwanzig Jahre,
Und nichts für die Unsterblichkeit gethan!
Ich bin erwacht, ich fühle mich. – Mein Ruf
Zum Königsthron pocht, wie ein Gläubiger,
Aus meinem Schlummer mich empor, und alle
Verlornen Stunden meiner Jugend mahnen
Mich laut wie Ehrenschulden. Er ist da,
Der große, schöne Augenblick, der endlich
Des hohen Pfundes Zinsen von mir fordert:
Mich ruft die Weltgeschichte, Ahnenruhm
Und des Gerüchtes donnernde Posaune.
Nun ist die Zeit gekommen, mir des Ruhmes
Glorreiche Schranken aufzuthun. – Mein König,
Darf ich die Bitte auszusprechen wagen,
Die mich hieher geführt?
Philipp. Noch eine Bitte?
Entdecke sie.
Carlos. Der Aufruhr in Brabant
Wächst drohend an. Der Starrsinn der Rebellen
Heischt starke, kluge Gegenwehr. Die Wuth
Der Schwärmer zu bezähmen, soll der Herzog
Ein Heer nach Flandern führen, von dem König
Mit souveräner Vollmacht ausgestattet.
Wie ehrenvoll ist dieses Amt, wie ganz
Dazu geeignet, Ihren Sohn im Tempel
Des Ruhmes einzuführen! – Mir, mein König,
Mir übergeben Sie das Heer. Mich lieben
Die Niederländer; ich erkühne mich,
Mein Blut für ihre Treue zu verbürgen.
Philipp. Du redest, wie ein Träumender. Dies Amt
Will einen Mann und keinen Jüngling –
Carlos. Will
Nur einen Menschen, Vater, und das ist
Das Einzige, was Alba nie gewesen.
Philipp. Und Schrecken bändigt die Empörung nur.
Erbarmung hieße Wahnsinn. – Deine Seele
Ist weich, mein Sohn, der Herzog wird gefürchtet –
Steh ab von deiner Bitte.
Carlos. Schicken Sie
Mich mit dem Heer nach Flandern, wagen Sie's
Auf meine weiche Seele. Schon der Name
Des königlichen Sohnes, der voraus
Vor meinen Fahnen fliegen wird, erobert,
Wo Herzog Albas Henker nur verheeren.
Aus meinen Knieen bitt' ich drum. Es ist
Die erste Bitte meines Lebens – Vater,
Vertrauen Sie mir Flandern –
Philipp (den Infanten mit einem durchdringenden Blick betrachtend).
Und zugleich
Mein bestes Kriegsheer deiner Herrschbegierde?
Das Messer meinem Mörder?
Carlos. O mein Gott!
Bin ich nicht weiter, und ist das die Frucht
Von dieser längst erbetnen großen Stunde?
(Nach einigem Nachdenken, mit gemildertem Ernst.)
Antworten Sie mir sanfter! Schicken Sie
Mich so nicht weg! Mit dieser übeln Antwort
Möcht' ich nicht gern entlassen sein, nicht gern
Entlassen sein mit diesem schweren Herzen.
Behandeln Sie mich gnädiger. Es ist
Mein dringendes Bedürfniß, ist mein letzter,
Verzweifelter Versuch – ich kann's nicht fassen,
Nicht standhaft tragen wie ein Mann, daß Sie
Mir Alles, Alles, Alles so verweigern.
Jetzt lassen Sie mich von sich. Unerhört,
Von tausend süßen Ahnungen betrogen,
Geh' ich aus Ihrem Angesicht. – Ihr Alba
Und Ihr Domingo werden siegreich thronen,
Wo jetzt Ihr Kind im Staub geweint. Die Schaar
Der Höflinge, die bebende Grandezza,
Der Mönche sünderbleiche Zunft war Zeuge,
Als Sie mir feierlich Gehör geschenkt.
Beschämen Sie mich nicht! So tödtlich, Vater,
Verwunden Sie mich nicht, dem frechen Hohn
Des Hofgesindes schimpflich mich zu opfern,
Daß Fremdlinge von Ihrer Gnade schwelgen,
Ihr Carlos nichts erbitten kann. Zum Pfande,
Daß Sie mich ehren wollen, schicken Sie
Mich mit dem Heer nach Flandern.
Philipp. Wiederhole
Dies Wort nicht mehr, bei deines Königs Zorn.
Carlos. Ich wage meines Königs Zorn und bitte
Zum letzten Mal – Vertrauen Sie mir Flandern.
Ich soll und muß aus Spanien. Mein Hiersein
Ist Athemholen unter Henkershand –
Schwer liegt der Himmel zu Madrid auf mir,
Wie das Bewußtsein eines Mords. Nur schnelle
Veränderung des Himmels kann mich heilen.
Wenn Sie mich retten wollen – schicken Sie
Mich ungesäumt nach Flandern.
Philipp (mit erzwungener Gelassenheit). Solche Kranke
Wie du, mein Sohn, verlangen gute Pflege
Und wohnen unterm Aug' des Arzts. Du bleibst
In Spanien; der Herzog geht nach Flandern.
Carlos (außer sich). O, jetzt umringt mich, gute Geister –
Philipp (der einen Schritt zurücktritt). Halt!
Was wollen diese Mienen sagen?
Carlos (mit schwankender Stimme). Vater,
Unwiderruflich bleibt's bei der Entscheidung?
Philipp. Sie kam vom König.
Carlos. Mein Geschäft ist aus.
(Geht ab in heftiger Bewegung.)
Philipp bleibt eine Zeitlang in düstres Nachdenken versunken stehen – endlich geht er einige Schritte im Saal auf und nieder. Alba nähert sich verlegen.
Philipp. Seid jede Stunde des Befehls gewärtig,
Nach Brüssel abzugehen.
Alba. Alles steht
Bereit, mein König.
Philipp. Eure Vollmacht liegt
Versiegelt schon im Kabinet. Indessen
Nehmt Euren Urlaub von der Königin
Und zeiget Euch zum Abschied dem Infanten.
Alba. Mit den Geberden eines Wüthenden
Sah ich ihn eben diesen Saal verlassen.
Auch Eure königliche Majestät
Sind außer sich und scheinen tief bewegt –
Vielleicht der Inhalt des Gesprächs?
Philipp (nach einigem Auf- und Niedergehen). Der Inhalt
War Herzog Alba.
(Der König bleibt mit dem Aug' auf ihm haften, finster.)
– Gerne mag ich hören,
Daß Carlos meine Räthe haßt, doch mit
Verdruß entdeck' ich, daß er sie verachtet.
Alba (entfärbt sich und will auffahren).
Philipp. Jetzt keine Antwort. Ich erlaube Euch,
Den Prinzen zu versöhnen.
Alba. Sire!
Philipp. Sagt an:
Wer war es doch, der mich zum ersten Mal
Vor meines Sohnes schwarzem Anschlag warnte?
Da hört' ich Euch und nicht auch ihn. Ich will
Die Probe wagen, Herzog. Künftighin
Steht Carlos meinem Throne näher. Geht.
(Der König begibt sich in das Kabinet. Der Herzog entfernt sich durch eine andere Thüre.)