Friedrich Schiller
Don Carlos, Infant von Spanien
Friedrich Schiller

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zimmer der Prinzessin von Eboli.

Fünfzehnter Auftritt.

Prinzessin von Eboli. Gleich darauf Carlos.

Eboli. So ist sie wahr, die außerordentliche Zeitung,
Die schon den ganzen Hof erfüllt?

Carlos (tritt herein).         Erschrecken Sie
Nicht. Fürstin! Ich will sanft sein, wie ein Kind.

Eboli. Prinz – diese Ueberraschung.

Carlos.         Sind Sie noch
Beleidigt? noch?

Eboli.         Prinz!

Carlos (dringend).         Sind Sie noch beleidigt?
Ich bitte, sagen Sie es mir.

Eboli.         Was soll das?
Sie scheinen zu vergessen, Prinz – Was suchen
Sie bei mir?

Carlos (ihre Hand mit Heftigkeit fassend).
        Mädchen, kannst du ewig hassen?
Verzeiht gekränkte Liebe nie?

Eboli (will sich losmachen).
Erinnern Sie mich, Prinz?

Carlos.         An deine Güte
Und meine Undank – Ach! ich weiß es wohl!
Schwer hab' ich dich beleidigt, Mädchen, habe
Dein sanftes Herz zerrissen, habe Thränen
Gepreßt aus diesen Engelblicken – ach!
Und bin auch jetzt nicht hier, es zu bereuen.

Eboli. Prinz, lassen Sie mich – ich –

Carlos.                 Ich bin gekommen,
Weil du ein sanftes Mädchen bist, weil ich
Auf deine gute, schöne Seele baue.
Sieh, Mädchen, sieh, ich habe keinen Freund mehr
Auf dieser Welt, als dich allein. Einst warst
Du mir so gut – Du wirst nicht ewig hassen
Und wirst nicht unversöhnlich sein.

Eboli. (wendet das Gesicht ab).         O stille!
Nichts mehr, um Gottes willen, Prinz! –

Carlos.                 Laß mich
An jene goldnen Zeiten dich erinnern, –
An deine Liebe laß mich dich erinnern,
An deine Liebe, Mädchen, gegen die
Ich so unwürdig mich verging. Laß mich
Jetzt gelten machen, was ich dir gewesen,
Was deines Herzens Träume mir gegeben –
Noch einmal – nur noch einmal stelle mich
So, wie ich damals war, vor deine Seele,
Und diesem Schatten opfre, was du mir,
Mir ewig nie mehr opfern kannst.

Eboli.                 O Carl!
Wie grausam spielen Sie mit mir!

Carlos.                 Sei größer,
Als dein Geschlecht. Vergiß Beleidigungen!
Thu', was vor dir kein Weib gethan – nach dir
Kein Weib mehr thun wird. Etwas Unerhörtes
Fordr' ich von dir – Laß mich – auf meinen Knien
Beschwör' ich dich – laß mich, zwei Worte laß mich
Mit meiner Mutter sprechen. (Er wirft sich vor ihr nieder.)

Sechzehnter Auftritt.

Die Vorigen. Marquis von Posa stürzt herein; hinter ihm zwei Officiere der königlichen Leibwache.

Marquis (athemlos, außer sich dazwischentretend).     Was hat er
Gestanden? Glauben Sie ihm nicht.

Carlos (noch auf den Knieen, mit erhobener Stimme).     Bei Allem,
Was heilig –

Marquis (unterbricht ihn mit Heftigkeit).
        Er ist rasend. Hören Sie
Den Rasenden nicht an.

Carlos (lauter, dringender).         Es gilt um Tod
Und Leben. Führen Sie mich zu ihr.

Marquis (zieht die Prinzessin mit Gewalt von ihm).     Ich
Ermorde Sie, wenn Sie ihn hören. (Zu einem von den Officieren.) Graf
Von Cordua. Im Namen des Monarchen.
        (Er zeigt den Verhaftsbefehl.)
Der Prinz ist Ihr Gefangener.

(Carlos steht erstarrt, wie vom Donner gerührt. Die Prinzessin stößt einen Laut des Schreckens aus und will fliehen, die Officiere erstaunen. Eine lange und tiefe Pause. Man sieht den Marquis sehr heftig zittern und mit Mühe seine Fassung behalten.)
(Zum Prinzen.)

                Ich bitte
Um Ihren Degen – Fürstin Eboli,
Sie bleiben; und (zum Officier) Sie haften mir dafür,
Daß Seine Hoheit Niemand spreche – Niemand –
Sie selbst nicht, bei Gefahr des Kopfs!

(Er spricht noch Einiges leise mit dem Officier, darauf wendet er sich zum andern.)

                Ich werfe
Sogleich mich selbst zu des Monarchen Füßen,
Ihm Rechenschaft zu geben – (Zu Carlos.) Und auch Ihnen –
Erwarten Sie mich, Prinz – in einer Stunde.

(Carlos läßt sich ohne Zeichen des Bewußtseins hinwegführen. – Nur im Vorübergehen läßt er einen matten, sterbenden Blick auf den Marquis fallen, der sein Gesicht verhüllt. Die Prinzessin versucht es noch einmal zu entfliehen; der Marquis führt sie beim Arme zurück.)

Siebzehnter Auftritt.

Prinzessin von Eboli. Marquis von Posa.

Eboli. Um alles Himmel willen, lassen Sie
Mich diesen Ort –

Marquis (führt sie ganz vor, mit fürchterlichem Ernst).
        Was hat er die gesagt,
Unglückliche?

Eboli.         Nichts – Lassen Sie mich – Nichts –

Marquis (hält sie mit Gewalt zurück. Ernster).
Wie viel hast du erfahren? Hier ist kein
Entrinnen mehr. Du wirst auf dieser Welt
Es Niemand mehr erzählen.

Eboli (sieht ihm erschrocken ins Gesicht).         Großer Gott!
Was meinen Sie damit? Sie wollen mich
Doch nicht ermorden?

Marquis (zieht einen Dolch). In der That, das bin
Ich sehr gesonnen. Mach' es kurz.

Eboli.                 Mich? mich?
O ewige Barmherzigkeit! Was hab'
Ich denn begangen?

Marquis (zum Himmel sehend, den Dolch auf ihre Brust gesetzt).
        Noch ist's Zeit. Noch trat
Das Gift nicht über diese Lippen. Ich
Zerschmettre das Gefäß, und Alles bleibt,
Wie es gewesen – Spaniens Verhängniß
Und eines Weibes Leben! –
        (Er bleibt in dieser Stellung zweifelhaft ruhen.)

Eboli (ist an ihm niedergesunken und sieht ihm fest ins Gesicht).
        Nun? was zaudern Sie?
Ich bitte nicht um Schonung – Nein! Ich habe
Verdient zu sterben, und ich will's.

Marquis (läßt die Hand langsam sinken. Nach einem kurzen Besinnen).
                Das wäre
So feig, als es barbarisch ist – Nein, nein!
Gott sei gelobt! Noch gibt's ein andres Mittel!

(Er läßt den Dolch fallen und eilt hinaus. Die Prinzessin stürzt fort durch eine andere Thüre.)

 
Ein Zimmer der Königin.

Achtzehnter Auftritt.

Die Königin zur Gräfin Fuentes.

Was für ein Auflauf im Palaste? Jedes
Getöse, Gräfin, macht mir heute Schrecken.
O, sehen Sie doch nach und sagen mir,
Was es bedeutet.

(Die Gräfin Fuentes geht ab, und herein stürzt die Prinzessin von Eboli.)

Neunzehnter Auftritt.

Königin. Prinzessin von Eboli.

Eboli (athemlos, bleich und entstellt vor der Königin niedergesunken).
        Königin! Zu Hilfe!
Er ist gefangen!

Königin.         Wer?

Eboli.                 Der Marquis Posa
Nahm auf Befehl des Königs ihn gefangen.

Königin. Wen aber? wen?

Eboli.         Den Prinzen.

Königin.                 Rasest du?

Eboli. So eben führen sie ihn fort.

Königin.                 Und wer
Nahm ihn gefangen?

Eboli.         Marquis Posa.

Königin.                 Nun,
Gott sei gelobt, daß es der Marquis war,
Der ihn gefangen nahm!

Eboli.         Das sagen Sie
So ruhig, Königin? so kalt? O Gott!
Sie ahnen nicht – Sie wissen nicht –

Königin.                 Warum er
Gefangen worden? – Eines Fehltritts wegen,
Vermuth' ich, der dem heftigen Charakter
Des Jünglings sehr natürlich war.

Eboli.                 Nein, nein!
Ich weiß es besser – Nein – O Königin!
Verruchte, teufelische That! Für ihn
Ist keine Rettung mehr! Er stirbt!

Königin.                 Er stirbt!

Eboli. Und seine Mörderin bin ich!

Königin.                 Er stirbt!
Wahnsinnige, bedenkst du?

Eboli.         Und warum –
Warum er stirbt! – O, hätt' ich wissen können,
Daß es bis dahin kommen würde!

Königin (nimmt sie gütig bei der Hand).     Fürstin!
Noch sind Sie außer Fassung. Sammeln Sie
Erst Ihre Geister, daß Sie ruhiger,
Nicht in so grauenvollen Bildern, die
Mein Innerstes durchschauern, mir erzählen.
Was wissen Sie? Was ist geschehen?

Eboli.                 O!
Nicht diese himmlische Herablassung,
Nicht diese Güte, Königin! Wie Flammen
Der Hölle schlägt sie brennend mein Gewissen.
Ich bin nicht würdig, den entweihten Blick
In Ihrer Glorie empor zu richten.
Zertreten Sie die Elende, die sich,
Zerknirscht von Reue, Scham und Selbstverachtung
Zu Ihren Füßen krümmt.

Königin.                 Unglückliche!
Was haben Sie mir zu gestehen?

Eboli.                 Engel
Des Lichtes! Große Heilige! Noch kennen,
Noch ahnen Sie den Teufel nicht, dem Sie
So liebevoll gelächelt – Lernen Sie
Ihn heute kennen. Ich – ich war der Dieb,
Der Sie bestohlen. –

Königin.         Sie?

Eboli.                 Und jene Briefe
Dem König ausgeliefert –

Königin.         Sie?

Eboli.                 Der sich
Erdreistet hat, Sie anzuklagen –

Königin.                 Sie,
Sie konnten –

Eboli.         Rache – Liebe – Raserei –
Ich haßte Sie und liebte den Infanten –

Königin. Weil Sie ihn liebten –?

Eboli.         Weil ich's ihm gestanden
Und keine Gegenliebe fand.

Königin (nach einigem Stillschweigen).     O, jetzt
Enträthselt sich mir Alles! – Stehn Sie auf,
Sie liebten ihn – ich habe schon vergeben.
Es ist nun schon vergessen – Stehn Sie auf.
        (Sie reicht ihr den Arm.)

Eboli.                 Nein! nein!
Ein schreckliches Geständniß ist noch übrig.
Nicht eher, große Königin –

Königin (aufmerksam).         Was werd' ich
Noch hören müssen? Reden Sie –

Eboli.                 Der König –
Verführung – O, Sie blicken weg – ich lese
In Ihrem Angesicht Verwerfung – das
Verbrechen, dessen ich Sie zeihte – ich
Beging es selbst.

(Sie drückt ihr glühendes Gesicht auf den Boden. Die Königin geht ab. Große Pause. Die Herzogin von Olivarez kommt nach einigen Minuten aus dem Kabinet, in welches die Königin gegangen war, und findet die Fürstin noch in der vorigen Stellung liegen. Sie nähert sich ihr stillschweigend; auf das Geräusch richtet sich die Letztere auf und fährt wie eine Rasende in die Höhe, da sie die Königin nicht mehr gewahr wird.)

Zwanzigster Auftritt.

Prinzessin von Eboli. Herzogin von Olivarez.

Eboli.         Gott, sie hat mich verlassen!
Jetzt ist es aus.

Olivarez (tritt ihr näher).         Prinzessin Eboli –

Eboli. Ich weiß, warum Sie kommen, Herzogin.
Die Königin schickt Sie heraus, mein Urtheil
Mir anzukündigen – Geschwind!

Olivarez.                 Ich habe
Befehl von Ihrer Majestät, Ihr Kreuz
Und Ihre Schlüssel in Empfang zu nehmen –

Eboli (nimmt ein goldenes Ordenskreuz vom Busen und gibt es in die Hände der Herzogin).
Doch einmal noch ist mir gegönnt, die Hand
Der besten Königin zu küssen?

Olivarez.                 Im
Marienkloster wird man Ihnen sagen,
Was über Sie beschlossen ist.

Eboli (unter hervorstürzenden Thränen).         Ich sehe
Die Königin nicht wieder?

Olivarez (umarmt sie mit abgewandtem Gesicht).     Leben Sie glücklich!

(Sie geht schnell fort. Die Prinzessin folgt ihr bis an die Thüre des Kabinets, welches sogleich hinter der Herzogin verschlossen wird. Einige Minuten bleibt sie stumm und unbeweglich auf den Knieen davor liegen, dann rafft sie sich auf und eilt hinweg mit verhülltem Gesicht.)


 << zurück weiter >>