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Exodus cantorum.
Wer von Streitberg am Eingang zum höhlenreichen Muggendorfer Tal als Wanderer auszieht, kann in drei bis vier Tagen die sämtlichen von dieser Sängerfahrt bestrichenen Orte erreichen. Die Landschaft dieser burgenreichen Engtäler des dolomitischen Juragebirges bietet einen Wechsel von lieblichen, wildphantastischen und unheimlichen Eindrücken, der sich dem Gedächtnis scharf einprägt. Gotthilf Schubert, der sinnige Pilger in das Morgenland, fühlte sich im Gebirg von Juda lebhaft an die Felsenwildnis bei Rabenstein erinnert. Vergl. Walter, topische Geographie von Bayern, Seite 197 ff.
Ueber das im Jahr 1349 ausgestorbene Geschlecht der Grafen von Schlüsselberg und ihre Besitzungen vergl. Falkenstein, nordgauische Altertümer II. 335.
Bambergischer Domchorknaben Sängerfahrt.
Unbesungen sint diu tal,
da vil manik stimme erhal.
Walter von Klingen.
I.
Nun treibt der Frühling Blatt an Blatt
Und füllt die Welt mit Wonnen,
Fahr wohl, Altbamberg, fromme Stadt,
Samt Mönchen und samt Nonnen:
Die Fiedel lockt, die, Flöte girrt,
Die Rohrschalmeien blasen,
Fahrt wohl, Herr Bischof, strenger Hirt,
Die Böcklein wollen grasen.
Von Babenberk bischof Egebreht
den wil ich gerne gruezen,
er was an allen tugenden reht,
er kunde wol kumber buezen.
Der
Tanhuser bei
v. d. Hagen, Minnesänger II. 90.
Ob Vorchheim bei Kirchêrenbach
Woll'n wir zu Berge steigen.
Dort schwingt sich am Walpurgistag
Der Franken Maimarktreigen;
Der ist seit grauer Heidenzeit
Noch allem Landvolk teuer,
Schatzkind, halt Gürtel fest und Kleid,
Wir springen durch die Feuer!
Drauf schlendern wir talaufwärts hin,
Wo über Busch und Wiesen
Der Schlüsselberger Vesten kühn
Die Taleswindung schließen!
Mit Namen sind sie bös genannt,
Links droht der »Berg des Streites«,
Rechts brüstet auf der Felsenwand
Sich breit das »Eck des Neides«.
Am Streitberg ragt der Steinklotz schroff
Und weiß wie meerverwaschen,
Das Pilgerstüblein auf dem Hof
Weiß nichts von leeren Flaschen;
Noch blüht dem Talvogt Christian
Karfunkelrot die Nase,
Und Weihrauchdampf, der Burgkaplan,
Turniert mit ihm beim Glase.
Vor Neideck drüben wolln wir auch
Mit Schall die Fiedel streichen,
Daß die am Tor nach Hofburgsbrauch
Den Spielmannspfennig reichen.
Frau Wulfhild mit der Sammethand
Erscheint im Veilchenkränzlein:
»Die Herren trabten weit ins Land,
Wohlauf, ein Schülertänzlein!«
II.
Zum schwindelhohen Adlerstein
Versuch' ich früh ein Klettern,
Schau' rundum ins Gebirg hinein
Und laß die Laute schmettern.
Frühnebel spielt, von Wind gefacht,
Um Felsen, grobgestaltig ..
O Hochland, wilde Hochlandpracht,
O Täler, grün und waldig!
Das Rabeneck hangt keck und fest
An finstrer Felsenrippe,
Als zieme solch Raubvogelnest
Zum Schmuck jedweder Klippe ..
Und eh' wir es nur recht besahn
Erhob ein Knapp' schon Händel,
Er lief uns mit dem Wolfspieß an
Und pfändete die Mäntel.
Am Klausensteiner Kirchlein stand
Der Klausner in Gedanken
Und sprach: »Hier schaut ihr in das Land
Der
Steine und der
Franken.
Der Wende dacht', es wäre sein,
Wir nahmen's ihm als Sieger:
Auf jedem Berg ein schroffer Stein,
Auf jedem Stein ein Krieger!«
Gottlob, bald war der stolze Bau
Zum Rabenstein ereilet,
Dank, dreimal Dank der hohen Frau,
Die allen Kummer heilet.
Dem Mäntelräuber sang ich Fluch,
Die Gute hört's im Hofe,
Und bracht' fünf Ellen lündisch Tuch
Als Gottestrost die Zofe.
Dank auch, auf Albuines Schloß
Dir, tapfrer Pottensteiner!
Du nahmst uns auf, an Güte groß,
Sangfroh wie unsereiner.
Wie schwand die Nacht beim Becherruck,
Wie dröhnten deine Hallen
Beim Jägerlied vom Guiguck
Und den drei Nachtigallen!
III.
Schmal wohnt im Burgstall Tycherfelds
Ein Burgmann sonder Tadel,
Ob seinem Haus zackt sich ein Fels
Schmalspitz wie eine Nadel,
Schmalhans pflegt auch des Haushalts sein,
Wir wolln ihn nicht besuchen,
Bis daß die Asbach fließt von Wein,
Sein Fels ein Zimmetkuchen.
Wer dich, o Goswinstein, erbaut,
Verbrauchte manch Pfund Heller...
Sigiza, alte Knappenbraut,
Führt uns zum steilen Söller!
Wer hoch dort ob dem Abgrund schwebt,
Dem liegt die Welt zu Füßen,
Und wer vor Runzeln nicht erbebt,
Darf die Sigiza küssen.
Dem Fels entsprudeln stark und kühl
Drei nah vereinte Quellen
Und tragen bei der Stempfelmühl'
Zur Wisunt ihre Wellen...
Wo Wiesent einst und Elch und Ur
Vreîslich
vreîslich = schrecklich. S. Nibel.-Lied 1656, 2 zur Tränke trabte,
Dort war's – gottlob doch einmal nur,
Daß Wasser uns erlabte.
Wisunt, Bergströmlein frisch und gut
In enger Taleswildnis,
Wie spiegelst du in klarer Flut
Der weißen Felswand Bildnis,
Strömst tiefgrün wie ein Alpensee,
Durchsichtig bis zum Grunde...
Forellen schnalzen in die Höh',
Gern prüft ich sie im Munde.
Doch seh' ich hoch im Ahornwald,
Burg Gailenreut, dich wieder,
Läuft mir ein Rieseln schauerkalt
Als Warnung durch die Glieder:
An Hand' und Füßen eingepflöckt
Im finstersten Verließe,
Lernt' ich, wie man die Beine streckt
IV.
Herr Eberhart von Wickersstein,
Wo sind denn Eure Hallen?
Sonst fiel euch selten etwas ein,
Jetzt?... Alles eingefallen!
Von Nürenberg Frau Ebenhoch
Ebenhoch – ein auf Rädern beweglicher, den Mauern anschiebbarer, mit Fallbrücke versehener, zur Aufnahme bewaffneter Wallersteiger eingerichteter Belagerungsturm von Holz. Vergl. Parzival 206, 1 ff.
ir ebenhoehe unde ir mangen,
swaz ûf redern kom gegangen.
Hielt Tanz auf diesem Rasen;
Der Burgvogt hat die Schlüssel noch,
Die Burg... ist weggeblasen.
Von Moggast geht's durch steinig Feld
hinüber nach Drameusel,
Dort steht versteckt am End' der Welt
Ein wohlummauert Häusel;
Nachts reiten Reiter ein und aus,
Weiß nicht, was sie erschnappen...
Krispinus ist Patron im Haus,
Der Stegreif blinkt im Wappen.
Am Turm von Aufseß grüßt uns dann
Die Rose aus blauem Schilde,
Ein schriftgelehrter Rittersmann
Hegt sie in ernster Milde.
In der Kapelle hat er sich
Schon Gruft und Sarg bestellet,
Doch zecht er noch frisch tugendlich,
Wenn er den Hirz gefället.
Wer gern im Kloster in sich geht,
Der darf zu Lankheim gasten,
Allwo der Pilgrim wohl besteht,
Und müßt er ewig fasten;
Der Cellerarius Adelhun
Füllt jedem gern sein Kännlein
Und spricht: »Ihr müßt nicht ängstlich tun,
Es beißt euch nicht, ihr Männlein.«
... Und schaut der Zeh zum Schuh heraus,
Und blüht der Lenz zu Ende,
So schleicht der Mensch bestäubt nach Haus
Durchs grüne Maingelände.
Doch – ob von langer Wanderschaft
Die Saiten all zersprungen:
Im nächsten Jahr, schenkt Gott die Kraft,
Wird wieder frisch gesungen!
Swer minne und wîplich grüezen
alsô enpfienc
daz si sich muosen scheiden,
swaz du dô riete în beiden
do ûf gienc
der morgensterne, wahtær, swîc, dâvon niht gerne sienc.
Wolfram v. Eschenbach.
Blitz und blau Feuer! ... des Feindes Stadt
Schau, schau, wie die sich verborstet hat
Und aufgeknault wie ein Igel!
Spießbürger umschreiten den Wall und das Tor,
Der Hochgerichtsgalgen ragt drohsam empor,
Schanzpfähle umrammen die Hügel.
Schau, schau, Freund Pfeffersack duldet nicht mehr,
Daß wir Männer von Reinhart Zerbrechekopfs Heer
Sein Wackenpflaster begehen!
Schlupfpförtlein du, an der Münsterpfalz:
Ich landfremdes Brüderlein Wagehals
Möcht' doch mir das Städtlein besehen...
Ein Pilgermantel, ein Muschelhut
Taugt zu viel löblichen Dingen gut,
Man fühlt sich so fromm drin und sicher...
... Jetzt, heiliger Reineke, spende mir Heil!
... ... hier bin ich... trag' Rosen von Jericho feil,
Betkränze und Bücher und Tücher.
Gebrustschutzt sitzen die Schöffen beim Wein,
Sie spinnen wohl Kriegsrat und spinnen ihn fein,
Wie sie mich fangen und henken,
Mich und manch andern von waglicher Sitt'!...
»Pax Dei vobiscum! Ihr Herren, ich bitt',
Wollt mir einen Zehrpfennig schenken!«
Der Stadtschultheiß, der kreisrunde Wicht,
Noch flammt ihm die Schmarre im Angesicht,
Die einst mein Flamberg gehauen;
Vor die Füße warf er den Silberling mir:
»Du fremd Wallbrüderlein, scher dich von hier,
Deinen Plunder weis' unsern Frauen!«
... Und als ich hoch oben im Zwingergang stund,
Ein lachendes Taubenpaar wurde mir kund,
Das girrte und gurrte beständig...
Und als mich, ich sage nicht wer, ersah,
Da rief's: »O wohl mir, daß endlich du nah,
Waghälslein, Frechliebster, ich kenn' dich!«
Den Mummschanz, den Mantel, das Hütlein – man nahm's
Schmal schlupft' ich herfür im siglâtseidnen
Ciklat oder Siglât, ein orientalisches Wort, das einen kostbaren Seidenstoff mit eingewebtem Gold bezeichnet. Andere feine Zeuge waren der Baldekin, Blialt, Palmat, Rosat u. s. w. S. Weinhold, die deutschen Frauen. S. 424. Wams
In alten vielheimlichen Treuen...
Drauß' wachten die Burger mit grimmigem Schall,
Spätnächtig noch dröhnte ihr Rundgang vom Wall,
Sie schrien ihr »Werda?« wie Leuen.
... Im Sommer wenn's regnet, im Winter wenn's schneit,
Das Scheiden und Meiden schafft allemal Leid,
Sie weinte, derweil ich mußt' lachen:
»Schau, schau, die sorglich besperrete Stadt,
Wohl ihr, die solche Verteidiger hat,
Wenn andere schlafen, sie wachen!«
Und als ich entschleichend zum Wurzgärtlein kam,
Noch einmal bei Hand und bei Mund sie mich nahm,
Da bliesen die Türmer den Morgen.
Da stund ich am Graben... ein Sprung... hei gut Glück!
Frei schwing' ich mich über die Heide zurück;
Ihr Väter der Stadt: – Guten Morgen!
Irregang haiss ich
mang lant weiss ich,
min vatter Irrgang was genant
er gab mir das erb in min hant
ob ich in ainem lant verdürb
daz ich im andern niemer ze eren würb.
Liedersaal, Nr. CXXVII.
Die Berge schimmern weiß beschneit,
Eis deckt der Ströme Wogen;
Wer kommt im Faschingnarrenkleid
Mit Schall durchs Land gezogen?
Das ist der lange Irregang,
Zum Bergwerk will er zielen,
Der Knappschaft und den Grubenherrn
Zu einer Hochzeit spielen.
Die Braut trat vor den Spielmann hin:
»Noch einmal laß dich grüßen,
Noch einmal, eh' wir zur Kirche ziehn,
Den Singemund dir küssen!«
»Vergelt' dir's Gott,« sprach Irregang,
»Wie bist du fein geschniegelt!
Nun bleibt mein Mund dem Singesang
Für alle Zeit versiegelt!«
Der sechste Reigen war getan,
Den Kehraus wollten sie schwingen,
Da huben dem weidlichen Fiedelmann
Die Saiten an zu springen.
»Klipp, klapp, schabab!« sprach Irregang,
»Nun spann' ich keine andern,
Vergnügt euch am Schalmeienklang,
Ich muß noch weiter wandern!«
Die Braut und aller Jungfraun Schar
Geleiten ihn mit Leuchten,
Und als er am Scheidewege war,
Sein Auge wollt' sich feuchten.
»Der scharfe Wind,« sprach Irregang,
»Macht mir die Augen weinen,
Es ist um diesen Abschied nicht,
Daß sie betränt erscheinen!«
Und als er kam zum Stift am Bach,
Die Stiftsherrn winkten beim Becher:
»Es wettert jach! tu fein gemach!
Verkost unsern Sorgenbrecher!«
»Hei Mortnauwein!« sprach Irregang,
»Du heilst viel schwere Wunden,
Doch wem das Herz in Wermut schwimmt,
Dem mag kein Trunk mehr munden.«
Und als er kam zum Schloß am Berg,
Der Torwart rief vom Turme:
»Wohl her zur Burg! Dein Wanderwerk
Taugt nichts bei Nacht und Sturme!«
»Heil euerm Haus!« sprach Irregang,
»Dort spielt' ich in bessern Tagen,
Doch wenn die letzte Saite sprang,
Wird's schwierig, Laute zu schlagen.«
Und als er auf den Höhen stand,
Wild schnob des Windes Blasen,
Blies allen Schnee zuhauf im Land
Und deckte Joch und Straßen.
»Willkomm, Freund Schnee,« sprach Irregang,
»Herberg mich, kühler Geselle,
Die Stirne glüht mir heiß und bang,
Ich bin zur rechten Stelle!
Hier find' ich, wie ich nur wünschen mag,
Weichweißeste Linnen und Decken
Und Hochzeitschlaf!... bis zum jüngsten Tag
Soll mich kein Wächterhorn wecken!
Hei Irregangs letzter Irregang!
Was schauert ihr, Neidhartgesichter?
Er träumt, er halte die Braut im Arm,
Halai, wer löscht ihm die Lichter?«
Ich glaube, den Wandrer im Narrenkleid
Hat Schnee und Sturmnacht begraben;
Verschneit, verweht... verweht, verschneit!
Er wollt's nicht anders haben.
Du weidlicher Meister Irregang,
Sag an, wo bist du geblieben?
... Die Flocken fliegen in wirbelndem Drang,
Stäuben zusamm... und zerstieben...
Die fahrenden Schüler, welche in der vielseitigen geistigen Bewegung des XII. und XIII. Jahrhunderts eine scharfausgeprägte Richtung vertreten, nämlich eine auf klassischer Bildung ruhende, üppige Lebensheiterkeit und eine die Gebrechen der Berufsstände, besonders ihres eigenen, des geistlichen Standes scharf geißelnde Satire, haben in der inhaltsreichen Liederhandschrift der carmina burana (Publikationen des literarischen Vereins zu Stuttgart, Band XVI.) ein wichtiges Denkmal hinterlassen. Der Ernst und die Schalksnatur schreiten mit unbefangener Jugendfrische in der glücklich gewählten Verhüllung lateinischer Rhythmen einher.
Manche ihrer Schülerleistungen – besonders die Ergüsse des mit dem deutschen Reichskanzler Reinald von Dassel, Erzbischof von Köln (1156–67) nach Italien gezogenen Archipoëta Gualterus erheben sich zum Schwungvollsten, was je ein Meister jener Zeit hervorgebracht, und wer heutigentages sich an dem Lied mihi est propositum in taberna mori ergötzt, denkt dabei schwerlich daran, daß sich damit im Jahr 1163 oder 1164 im hohenstaufischen Hauptquartier zu Pavia ein leichtsinniger Schreibersmann seinem gestrengen geistlichen Gebieter entschuldigte, daß er bei dem süßen Wein und andern Lockungen des Südens den Amtsgeschäften der Schreibstube untreu geworden. Im Salzburgischen scheinen die Fahrenden unter Erzbischof Eberhard II. (1200–1249) gute Zeiten gehabt zu haben; sie ahmten in drolligen Schriftstücken den erzbischöflichen Kurialstil nach und forderten durch verschiedenen Uebermut die Geistlichkeit zu strengen Unterdrückungsmaßregeln heraus. Vergl. Giesebrecht, über die Vaganten oder Goliarden und ihre Lieder, in der Allgemeinen Monatschrift Januar und April 1853. – Büdinger, über einige Reste der Vagantenpoesie in Oesterreich. Wien, 1854.
... vagi scholares per Salzburgensem
provinciam discurrentes...
Synode zu Salzburg.
Ad Thaliarchum.
Dies Lied sang einst Horacius,
Der Lehrer, wie man minnt und zecht,
Ein fahrender Scholasticus
Von Salzburg schuf es mundgerecht:
Vides ut alta stet nive candidum
Soracte; nec iam sustineant onus
silvae laborantes, geluque
flumina constiterint acuto?
Schau, wie von hoher Schneelast weiß
Der Wazmann steht, und wie der Wald
Sich seufzend biegt, und wie zu Eis
Die Salzach sich zusammenballt!
Dissolve frigus. Ligna super foco
large reponens, atque benignius
deprome quadrimum Sabina,
o Thaliarche, merum diota.
Hu hu, wie kalt! Heiz tapfer ein,
Hol aus dem Holzstall Scheit um Scheit,
Ein starkes Fäßlein Bozner Wein,
O Taldurchschnarcher, halt bereit.
Permitte Divis caetera. Qui simul
stravere ventos aequore fervido
deproeliantes, nec cupressi
nec veteres agitantur orni.
Das Weitre stell' in Gottes Hand.
Wo der gebeut, erschweigt das Meer,
Erschweigt der Sturm, und auf dem Land
Kracht keine alte Wirtsbank mehr.
Quid sit futurum cras, fuge quaerere;
quem sors dierum cunque dabit, lucro
appone, nec dulces amores
sperne puer, neque tu choreas.
Wer morgen zahlt, o frag mich nicht,
Nimm, was der Tag bringt, als Gewinn,
Dem Minnespiel entschlag dich nicht,
Und wo man tanzt, da geh du hin!
Donec virenti canities abest
morosa. Nunc et campus et areae
lenesque sub noctem susurri
composita repetantur hora.
Auch Abenteuer, jung, keck und frei,
Dort winkt der Nonnberg dir als Ziel!
Susurrend schleich zur Nachtzeit bei,
Wenn sich die Hora enden will.
Nunc et latentis proditor intimo
gratus puellae risus ab angulo,
pignusque dereptum lacertis
aut digito male pertinaci.
Und hörst du tief im Kreuzgang wo
Ein Nönnlein kichern, schnell schlupf' ein,
Erbeut ein Minnepfand dir froh,
Streif ihr den Ring vom Fingerlein.
Salutemus, socii
nos qui sumus bibuli
tabernam sicco ore ..
Carmina Burana Nr. 180.
Dich feiern die freudigsten Lieder,
Taberne zum lachenden Hecht,
Sind auch deine Hallen nur nieder,
Und Fahrenden sind sie gerecht.
Hier trink' ich bekümmernisledig
Lenzlüfte und sonnigen Schein,
Und wär' ich der Fürst von Venedig,
Mir könnt' nicht wohliger sein.
Eine enge Dachkemenate
Herbergt mich als Dogenpalast,
Un eine bretterne Lade
Mein Hab' und Besitztum umfaßt.
Ein Bänklein im Schatten der Linde
Ist mein heiliger Markusplatz,
Dort spielen die Fischerkinde
Mit der scheckigen Klosterkatz'.
Mir lagert als Kreuzzugsgaleere
Ein Einbaum im Arsenal,
Den steur' ich in friedliche Meere
Als mein eigner Admiral.
Ein Schaumtrunk braunrötlichen Bieres
Erquickt mich statt kyprischem Wein ..
Wen lustet des Malvasieres,
Wo Malz und Hopfen noch rein?
So horst' ich, von Frühlingsgnaden
Ein glücklicher Meermann, allhier;
Hoch weht ob den weißen Gestaden
Der fahrenden Schüler Panier.
Nicht neid' ich der Welt ihre Wonnen,
Noch allen neunfarbigen Dunst:
Still liegen und einsam sich sonnen,
Ist auch eine tapfere Kunst.
Solis iubar nituit
nuncians in mundum
quod nobis emicuit
tempus laetabundum.
Carmina Burana Nr. 54
Heut wirft mich aus der Stube
Ein starker Sonnenschein,
Frischauf, mein Schifferbube,
Es muß gerudert sein.
Die Zither will ich holen,
Hol Stangen und Netz, Gesell,
So hat von uns jedweder
Sein Handwerkszeug zur Stell.
Die Wasserbahn steht offen,
Die Kampenwand glänzt blau
Und badet ihre Schroffen
In klarem Morgentau.
Und ob der Inselwaldung
Schaut weiß der Wendelstein
Als Jubelgreis im Eisbart
Ins farbige Bild hinein.
Kein Mensch kann das uns geben,
Die Minne selber nicht,
Das sonnenwarme Leben,
Das hier zur Seele spricht.
Laß unsern Kahn nur treiben!
Allum ist's fein und schön;
Hier ist vom Weltenbauherrn
Ein Meisterstück geschehn.
Hier prangen Gottes Wunder
In still beredter Pracht:
Fahr ab, verfluchter Plunder,
Der elend mich gemacht!
Qui potare non potestis
ite procul ab his festis
non est locus hic modestis.
Carmina Burana Nr. 179.
Heute schwirren Schelmenlieder,
Niemand bleibt verschont:
Ja, woher denn du schon wieder,
Bleicher Pilgram Mond?
Kaum ist uns die Sonn' entschwunden
Im verschilften Rohr,
Reckst du schon am Bergwald drunten
Dein Gesicht empor.
Willst du deinen Treuen helfen?
Heia, strahl nur zu!
Schwärmern, Minnern, Füchsen, Wölfen,
Giltst als Sonne du!
Und wir brauchen Kraft zum Trinken
Und noch viel – viel Wein...
Laß dem Wirt als Zahlung blinken
Deinen Silberschein.
Füll der Nönnlein Zellen drüben
Mit sehnsücht'gem Glanz...
Melde: bei den Linden hüben
Tost der Ringeltanz!
Strebst du aber, uns zu tauchen
In geheimes Weh,
Mond, dann bist du nicht zu brauchen,
Lösch dein Licht und geh.
Geh mit deinem zarten Flittern
Nach der Seufzer Land...
Schwermutbleich im Knie zu zittern,
Sind wir nicht imstand.
I.
Am Untersberg steigt Gewölk auf,
Die Staufen umziehen sich fahl,
Vom Ost gepeitscht, gichtschäumig
Jagen die Wellen zu Tal;
Graudunstig lagert ein Schleier
Um Himmel und Wasser und Land;
Der Fischer lupft hastig sein Netzwerk
Ins Boot und flüchtet zum Strand.
Sturmfinster ballt sich's zusammen
Und finstrer. Die Sonne erlischt.
Platzregen gießt. In die Seeflut
Zischt Blitzgefunk – und verzischt.
Vom Stiftsdach wirbelt's mit Schindeln
Dumpf knarrt am Kreuzgang das Tor..
Die Klosterfrauen psallieren
Im donnerumgrollten Chor.
II.
Und als das Wetter vertoset war,
Da wiegte der See sich wie blühend,
Da lachte der Himmel rosig klar,
Die Ferne färbte sich glühend.
Am Ufer blieben die Schiffer stehn,
Aus der Zelle lauschte die Nonne:
Noch niemals spielte im Tau so schön
Der Wundergluthauch der Sonne.
Bergelfen hatten ein Feierkleid
Gewebt um der Alpen Zinnen:
Der Hochgörn blinkend und frisch beschneit,
Wie ein Freier im Hochzeitslinnen,
Der Teisenberg, die Staufen auch
Getaucht in rotschimmernde Düfte,
Eisblau, durchsichtig wie ein Hauch,
Des Wazmann fernheimliche Klüfte.
Mit Worten läßt sich's erschildern nicht
Und nicht mit Farben ermalen:
Mich dünkt, so purpurgetempert und licht
Muß das heilige Land erstrahlen.
Drum sei, o Sturm, auch du gelobt;
Wenn deine Donner mir singen,
Sprech ich fortan: Nur zugetobt,
Die Welt braucht Tau, sich zu jüngen!
Nebel tanzen auf den Wellen
Und im Duft entschwand das Land...
Heute will der Tag nicht hellen
Mondbleich losch der Sonne Brand.
Wie ein Spiegel, dran man hauchte,
Starrt die Flut umtrübt und fahl,
Und in gleiche Trübnis tauchte
Ferne, Strand und Mühlental.
Wilde Enten fliehn und fludern
Schwarmweis aus dem Schilfbereich...
Wohlgeordnet ist ihr Rudern,
Starken Schiffgeschwadern gleich.
In der uferlosen Weiten,
Silbergrauen Dämmerschein
Laß auch ich mein Fahrzeug gleiten,
Dämmrung hüllt mich selber ein.
Fische fangen, Vogelstellen,
Dichter sein... o Wind und Tand!
... Nebel tanzen auf den Wellen,
Und im Duft entschwand das Land!
... inveterati sectam suam non deserunt,
sic ut de eorum correctione nullus remaneat
locus spei.
Synode zu Salzburg.
I.
Der Archipräpositus Gumpo,
Auch kurzweg Archi genannt,
Saß schlummernd in schattiger Laube
Des Blumengärtleins am Strand.
»Gut Heil und Schlaf des Gerechten!«
So neckten wir ihn zum Verdruß.
»Gut Narrenspiel, Lotterpsalmisten!«
Verdankte er zürnend den Gruß.
Seither tobt Fehde in Worten.
Er donnert und wettert mit Bann;
Und wir vom fahrenden Orden
Lachen und singen ihn an.
II.
Der Archipräpositus Gumpo
War sehr beredt heut und rief:
»Euch, Menschheit, umflutet die Sünde,
Wie der See großmächtig und tief.
Glatt trügerisch lockt sie zum Bade,
Ihr folgt und versinket darin,
Bis
wir, die Bootsmänner Gottes,
Aus grausigem Abgrund euch ziehn.
Doch kommen wir, mühsam euch rettend,
Gerudert zum sicheren Port:
Ihr macht's wie der Pudel am Lande,
Ihr schüttelt euch – und springt fort.«
III.
Der Archipräpositus Gumpo
Schalt schnaubend: »Das Maß wird voll!
Die durchblümte Kunst meiner Rede
Verhöhnen sie. Dies ist zu toll!
Daß ich Barbar im Latein sei,
Ha'n sie zu beweisen versucht.
Sie werden am nächsten Sonntag
Dafür lateinisch verflucht!«
... Wir Lotterpsalmisten schrieben
Das ganz Dictamen ihm nach:
Vernehmt, wie der Archi im Zorne
Die Sprache Ciceros sprach:
IV.
»Cito, cito, relinquatis
viam nigrae pravitis
leccatores vagabundi!
desperata pestis mundi!
leccator, wohl in keinem Wörterbuch klassischer Latinität anzutreffend, scheint Schmarotzer zu bedeuten.
Vergl.
Archipoëta IV. 22: doleo cum video leccatores multos
penitus inutiles pentisque stultos,
nulla prorsus animi racione fultos
sericis et variis indumentis cultos.
Jakob Grimm in den Abhandlungen der Berliner Akademie uon 1843 »Gedichte des Mittelalters auf König Friedrich I. den Staufer, aus seiner sowie der nächstfolgenden Zeit« S. 196. – Eine noch gründlicher donnernde gereimte lateinische Strafpredigt ad vagos samt deutscher Uebersetzung ist dem aus dem Beginn des XIII. Jahrhunderts stammenden, dem Ingrimm des neu entstandenen Predigerordens gegen die Regungen üppiger Lebensfröhlichkeit Luft machenden »Buch der Rügen«, Kap. XIII zu entnehmen, welches von Karajan in Haupts Zeitschrift für deutsches Altertum Bd. II herausgegeben und erläutert hat. Der Kulturhistoriker wird den vielbescholtenen Leuten seinen Blick stets mit Teilnahme zuwenden. Ueber »die Fahrenden als die Vermittler zwischen Volkslied und Kunstlied« vergl. Schneider, das musikalische Lied in geschichtlicher Entwicklung. Leipzig 1863. Seite 193 ff.
Quorum sunt antiphoniae
tesserarum melodiae,
hos expectat Absolonis
sors, patibulum latronis!
Infernales citharistae,
veri Satanae psalmistae
jubet Deus; abeatis
ad sinistram cum damnatis.
Peccans cottidie studeat mox se reparare
Carmina Burana VIII, 10.
Im Seegrund liegt begraben
Ein Heiliger von Stein,
Den stürzten böse Knaben
Vom Uferkirchenschrein.
Man tut so viele Scheltung,
Daß Unfugs wir nicht ruhn,
So wolln wir zur Vergeltung
Ein Sühnewerk heut tun.
Auf! fahrt mit Strick und Ketten
Zum klaren Grund hinab,
Daß wir den Steinmann retten
Aus fischumschnuppertem Grab...
Sô hôh!... er ist umschlungen!
Ein Ruck!... es packt ihn!... wohlauf,
Sô hôh! es ist uns gelungen,
Wir ziehen ihn heil herauf.
Schaut wie das Marmorgebilde
Emportaucht geisterhaft:
Sant Sixtus ist's, der milde,
Den wir zu Tag geschafft;
Die Rechte mit leisem Winke
Segnet Eiland und Flut,
Den Psalter hält seine Linke,
Drauf eine Traube ruht.
Noch bergen Schlamm und Versandung
Von Bart und Wangen ein Stück,
Auch blieb ein Saum der Gewandung
Samt Inful im Wasser zurück.
Wir waschen und fegen dich reine,
Sant Sixte, steinerner Abt,
Willkomm' nun im sonnigen Scheine,
Der lang dich nimmer gelabt.
Willkomm', und laß dich's nicht trüben,
Daß dir die Inful zerbrach;
Der Töpfer am Schilfgestad drüben
Formt neu von Tone sie nach.
Am Kellerportal vor den Fässern
Mauern wir sogleich dich ein...
Lagst allzulang unter den Wässern,
Steh fürder, ein Roland, beim Wein!
Als helflicher Trost und Erhalter
Schütz gnädig die Kellerei,
Die Traube auf deinem Psalter
Verkünde der Erzpropstei:
»Wer gottgefällig will leben,
Schließt zeitig die Bücher, wie wir,
Und labt sich am Goldgeist der Reben...
Das ist Sankt Sixtens Brevier!«
Loca vitant publica quidam poetarum
et secretas eligunt sedes latebrarum.
Gualterus Archipioëta.
Heia! der Meerfahrt sind wir entronnen.
Nie mehr verlockt uns ein Kreuzzugspanier;
Reutti im Winkel ha'n wir gewonnen
Und der Wildkaiser bergeinsam Revier.
Weidender Herden Glöckleingebimmel
Läutet zum Einzug grüßend und mild,
Und wie ein Arm aus dem siebenten Himmel
Winkt uns des Unterwirt gastlicher Schild.
Schau die Frau Wirtin! Wie kommt sie gehüpfet,
Blitzend und glitzend in fremdem Geschmeid:
Schier wie ein Turban das Kopftuch geknüpfet,
Schier sarazenisch ihr Blick und ihr Kleid.
Hier schlagt das Lager nach fröhlichem Wandern!
Schwinget die Zither statt Lanze und Schwert!
Syrische Lorbeern gönnen wir andern,
Denen die Seele von Sünde beschwert.
Laßt mit Gesängen zu Felde uns liegen;
Heia, Frau Wirtin, wir künden euch Streit,
Das heidnische Kopftuch wöll'n wir bekriegen,
Das griechische Feuer, das unter ihm dräut.
Scyphos crebros repetunt in sede maiestatis
in qua iugum inops perdit suae paupertatis
Carmina Burana Nr. 176.
Heia, das Schneegebirg ha'n wir erklommen,
Schau'n in der Täler vielfurchig Gewind ..
Schweben wie Adler, von Aether umschwommen,
Ueber den Wolken und über dem Wind.
Hier blitzt ein Städtlein und dort ein Gefilde,
Dort eines Stromes sich schlängelnder Lauf,
Dort auch ein See, wie ein Menschenaug' milde.
Aus der vernebelten Ferne herauf.
Flüchtig nur winkt es und flüchtig versinkt es
In das umflorende Dunstmeer zurück ..
So ist das Leben – sternschnuppig kaum blinkt es ...
So ist die Minne, die Hoffnung, das Glück.
Wir aber lagern am prasselnden Herde,
Wärmen den Leichnam und strecken ihn aus ..
Fragen nicht mehr nach der Erde Beschwerde,
Füllen mit Jubel das winzige Haus.
Hochlandluft zehret, doch Rebensaft nähret,
Heia, wer reicht mir das Trinkhorn geschwind?
... Dreifacher Durst ist dem Sänger bescheret
Ueber den Wolken und über dem Wind.