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Buchschmuck

Reinmar der Alte.

Herbstschwermut.

Der Tag verglüht, des Hochwalds Wipfel schweigen,
Derweil in goldnem Dunst die Halde schwimmt;
Ich steh' am Rain, wo wir den Frühlingsreigen
So oft aus hellsten Kehlen angestimmt...
Die Nachtigall schlug damals in den Zweigen
Und pries mit uns des ersten Veilchens Blühn,
Und manchen Mund sah man zum Kuß sich neigen,
Wenn sich die Tänzer lagerten im Grün.

Wer küßt ihn heut? Gelb sind der Blätter Farben,
Die Nachtigall flog aus ins andre Land,
Die Veilchen welkten und die Frauen starben,
Die klaren Ritter deckt der welsche Sand.
Gebeugt am Stab und wohlgeschult im Darben
Keuch' ich des Wegs, fahl und spätherbstiglich,
Und niemand weiß Bescheid, wo Wein und Garben
Gekeltert und gespeichert sind für mich.

Ich klag' es nicht. – Ich hab' mit meinem Pfunde
Gewuchert wie ein andrer frommer Knecht.
Zwar wuchs nur wenig Korn auf meinem Grunde
Und viel Geblüm zu Strauß und Kranzgeflecht...
Doch mancher dankt mir eine gute Stunde,
Manch goldnen Preis gewann mein Lautenklang
Und manch ein Herz schuf meine Kunst gesunde...
... Wo Reinmar singt, da währt kein Jammer lang.

Gute Sterne.

Schon tauscht die Herde, fröhlich heimwärts trabend,
Den Weidplatz mit der Hütten Unterschlauf,
Ihr Glockenläuten kündet Feierabend,
Und feierlich steigt er am Himmel auf.
Gewölk zerfließt. Der Luftraum klärt sich reine,
Neumand regiert mit wachsend halbem Scheine...
Wo tags im See nur leise Furchen zogen,
Schwillt, schier wie Meerflut, Berg und Tal von Wogen.

Nun funkelt in der fernsten Weltenferne
Lichtlein und Licht vieltausendfach empor,
Und schicksalwendend treten gute Sterne
Mit kräft'gem Schein aus dem Gewimmel vor.
Der Tremuntân weist unbewegt wie immer
Polum antarcticum mit klarem Schimmer, polus antarcticus, Nordpol. Tremuntâne, ital. Tramontana, der Polarstern.

Vergl. Parzival 715, 14 ff.

ich mac wol dîner guete jehn
staete âne wenken sus,
als pôlus artanticus
gein dem tremuntâne stêt
der neweder von der stete gêt.
Ein Aetherstrom, geheim durchs All gegossen,
Kommt zitternd in die Erdennacht geflossen.

Auch wer, entsagend jedem Wunsch und Sehnen,
Mit kühlem Mut das Herbstlaub fallen sah,
Fühlt Brust und Herz geheimnisvoll sich dehnen
Und einen Hauch Unirdischer ihm nah.
Gewohnt, die eignen Freuden viel zu missen,
Möcht' ich zur Stund die Welt glückselig wissen:
– Ein liebend Paar trat meinem Weg entgegen,
In Priestersweise gab ich ihm den Segen.

Einer Griechin.

Der Pilgrim naht ersehntem Heiligtume
Und beugt sein Knie vor dem geweihten Bild:
So möcht' ich dich begrüßen, fremde Blume,
Die unsern Wald mit seltnem Glanz erfüllt.
Ein schwer Geschick hat dich zu uns geleitet,
Wir danken's ihm, betraf es dich auch hart,
Denn keiner ist, dem nicht das Herz sich weitet,
Wenn seinem Aug' ein Strahl des deinen ward:
        Das Morgenland und mildrer Sonne Walten
        Will sich bei deinem Anblick uns entfalten.

Wem mag ich dich vergleichen und das Wesen,
Das wie ein stolz Geheimnis dich umschwebt?
Nicht einzle Künste hast du dir erlesen,
Dein ganzes Sein ist's, das uns andre hebt.
Wie Wallfahrthymnensang andächt'ger Beter,
Wie Sonne, die durch Wolkentrübnis bricht,
Wie Waldesgrün, wie blauer Himmelsäther,
Wie weites Meer, wie sanft Planetenlicht:
        So wirket deine Nähe – herzbeglückend
        Und jeden hoch dem Niedrigen entrückend.

Du weißt es nicht! – Du kommst und du verschwindest
In allzeit gleicher Unbefangenheit;
Kaum mit der Lippen feinem Lächeln kündest
Du das Bewußtsein deiner Herrlichkeit.
Du siehst es nicht, wie alle sich verklären
Vor dir, wie vor der Sonne Scheideblick,
Der Kühnste selber wagt kein kühn Begehren,
Verehrungsvoll und scheu tritt er zurück:
        Mag ihm auch sein, als müss' er dir zu Füßen
        Sich stürzend des Gewandes Saum dir küssen.

Selbst unser Wald fühlt dich und will sich neigen,
Wenn ihn der Jungfrau Fuß betreten will,
Durch alle Wipfel geht ein ernstes Schweigen,
Und stille wird es – feierlich und still...
Den Hasen, der den jungen Schoß benagte,
Das Eichhorn sah ich, das im Astwerk sprang,
Das Reh, das durch die Haselstauden jagte,
Reineke Fuchs auf schlimmem Weidmannsgang:
        Sie alle lauschten scheu dem Menschenbilde,
        Das da des Weges schritt in sanfter Milde.

Auch mir, der ich zur Waldeszunft gehöre
Als alter Jäger, schlug das Herz schier heiß...
Du kennst mich nicht... und daß ich dich verehre,
Mag dich nicht kümmern, denn mein Haar ist weiß,
»Am Gang sollt ihr die Göttliche begreifen« »Incessu patiut dea.« Virgil.
Las ich des Tags in einem alten Buch,
Dann sah ich dich im Forst vorüberstreifen
Und Wahrheit ward mir des Lateiners Spruch.
        Wie sich's geziemt, wo Himmlisches sich zeiget,
        Hab' ich, die Hände faltend, mich geneiget.

Wider Heinrich von Ofterdingen.

»Dines schalles ist nu gar ze vil,
Heinrich von Ofterdingen Reinmar will din vient wesen,
wan, swer sich selben dankes tœten will
wer hülfe dem genesen?«

       Wartburgkrieg, Str. 16.

Mich faßt ein Mitleid, stolzer Knabe,
Um deines Hochsinns Mückenflug,
Kennst du noch nicht der Dichtung Gabe,
Den Hexenschwamm voll Rauch und Trug?
Er platzt... und Moderwolken schänden
Der Schläfe Kranz, der Saiten Spiel...
So wird auch dein Triumph sich wenden,
Denn deines Schalls war gar zu viel!

Die Zukunft wirft dem kundigen Spürer
Ihr Schattendunkel weit voraus:
Du endigst bald als Bärenführer
Mit Gaukelspiel von Haus zu Haus!
Als dritter in dem Freundesbunde
Ein ledergelber Dromedar,
Seid jedem Jahrmarkt in der Runde
Ihr eine seltne Künstlerschar.

Wie heute, da du hoch in Ehren,
Des Reigens schönste Maid geführt,
Führst du am Halsband Mutz den Bären,
Das Maul vom Eisenkorb geschnürt;
Du trombonierst: zweibeinig steht er
Und neigt sein Haupt und beugt sein Knie...
Du wirfst den Stab: als Pilgrim geht er
Und tanzt... o schaue niemand wie!

Und mit der gleichen Sängertugend,
Um die dich heut der Hof begafft,
Singst du vor ungewaschner Jugend
Des Wüstenschiffes Eigenschaft:
Warum ihm Lipp' und Huf gespaltet,
Was seines Höckers Zweck und Brauch,
Und jenen Spaß, der nie veraltet:
Warum sein Leib ein Wasserschlauch.

Lohnheischend stehst du dann im Kreise,
Bis hoch ein Fenster auf sich tut –
Ein Frauenhandschuh wirft dir leise
Ein Geldstück in den leeren Hut...
Wohleingewickelt fleugt's hernieder...
Zeig her... ein Streiflein Pergament...
Ein Fetzen jener Minnelieder,
Um die man heut dich Meister nennt!


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