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Zurück nach Bonn

Denn dieses Rheinländertum des Rokoko ist doch hier unten nur zu Besuch; und im Begriffe abzureisen. Seiner adretten Leichtlebigkeit, der hinten noch ein Zöpfchen angebunden ist, wird es in Düsseldorf zu industriell; auch reichen seine Mittel nicht mehr aus. Es hatte nie die Taschen voll, war immer arg behelferig; so artig es die Bürgerhäuser zeigte: ein bisschen trocken blieb es immer, ein bisschen Zopf von vornherein, ein steifes Menuett zu graziösester Musik, am saubersten in Bonn getanzt. So französisches sich auch gebärdet, von Versailles trennt es doch viel.

Die Fürsten freilich hatten anderes Geld; sie konnten sich den Sekt verschreiben und brauchten keinen Schaumwein. So stehn denn zwischen Düsseldorf und Bonn die Schlösser Brühl und Benrath, von denen namentlich Schloss Benrath in seinem mit grösster Zirkelkunst (Pigage, der Mann von Schwetzingen) erwogenen Park eine seltene Blüte von Rokoko in Deutschland ist. Gleich Sanssouci überfällt uns seine Köstlichkeit ganz unvermutet: wenn man aus dem Fabrikdorf vor den grossen anscheinend runden Weiher tritt, von der Strasse her mit hohen Bäumen überschattet. Dahinter steht das Schlösschen frei in der Ansicht zwischen niedrigen Seitenflügeln, auch selber ohne Stockwerk: auffällig schlicht im Zierat, doch überfein erwogen in den Massen, vor allem in dem kapriziös geschwungenen Dach, davor das strenge Portal gering befremdet. Wer aber um den Weiher in den Park spaziert – er setzt die Schritte zierlicher als sonst – wo sich ein langes Lineal von Wasserbecken einwärts zieht: der sieht in seiner Gartenfront entzückt ein Bauwerk, an dem alles in leichtester Bewegung, vom Dach entlastet, in den Himmel zu tänzeln scheint. Nicht viele Dinge der Baukunst gibt es, die uns ein anderes Wesen so miterleben lassen, wie dieses Jagdschloss eines rheinischen Fürsten den Champagnergeist des Rokoko, der hier, schon überweht vom Rauch Benrather Fabriken und auch vom niederrheinischen Wolkenwerk zu sehr belastet, seine besondere Wehmut hat.

Man müsste es versetzen können, da irgendwo nach Bonn hinauf; dem Hügelland so vorgelagert, wie das bedächtige Schloss Brühl, doch nicht wie dies in einen allzu wasserreichen Park. Ein wenig mehr hinauf ins Bönnsche, vom rheinischen Wind umschnuppert wie das Schloss in Bonn. Das ist ein furchtbar langer Kasten, fünfhundertachtzig Meter lang, und ohne Zweifel noch viel langweiliger als Baukunst. Doch ist der Hofgarten davor von allen Gärten am Rhein der rheinischste; da kribbelt unter den hohen Bäumen, die sich schon längst über die Wegordnung wegsetzen, so dick und schief sind sie, der Frühling drängender als sonst, da müssen selbst die gelben Wände vom Schloss, so zwischen Grün und schwarzen Stämmen, vom Sonnenlicht ganz übersprenkelt, der Lustigkeit zu Dienste stehen. Man weiss nicht, ging es zu Zeiten der erzbischöflichen Residenz wohl lustiger als heute in der einquartierten Universität oder langweiliger zu? In Bonn studieren heisst mehr Herz- als Kopfzerbrechen haben. Es ist wahrhaftig Rokokogeist, der hier aus allen Gassen weht, selbst um den tufsteingrauen Münsterbau; meist aber auf dem Marktplatz mit seinem drolligen Rathaus: da wundert man sich sehr, dass Menschen noch ernsthaft dastehen, mit Kappes oder Bohnen oder »Irdenwar« zu handeln, wo doch die Luft ganz überzwerch aus all den unnütz abgezweigten Gässchen weht: ein Dialekt wie Knallbonbons; ernsthaft wie Selterwasser, schnuppernd in Lüsternheit wie sein Frühlingswind ist Bonner Art.

So hat der Schalk sie auch gepackt, als sie die Brücke bauten: mit kühnem Eisenbogen in einem Schwung den Rheinstrom überspannend, der erste seiner Art und Vorbild seiner Zwillingsbrüder von Düsseldorf. Da haben sie dem Ingenieur sein leichtes Wunderwerk in mittelalterliche Türme eingepackt und innen mit modernem Eisenblech derart vernarrt, dass man nichts mehr zu tadeln, doch auch nichts ernst zu nehmen weiss.

Wenn man nicht auf den alten Zoll geht: das ist die vielgerühmte Bastion dicht überm Rhein, wo drüben Beuel prahlen kann, die hässlichste Hinterfront am Rhein zu zeigen, und wo Ernst Moritz Arndt, der alte Herr aus Rügen, der hier nach den Befreiungskriegen noch schrecklich lange Professor war, schliesslich in nicht sehr schöner Bronze stehn geblieben ist, und wo der allerschönste Blick aufs Siebengebirge täglich von jungen Mädchen und ähnlichen Gemütern als Schleckerwerk genossen wird. Da sieht man denn das leichte Eisenwerk kühn hingespannt und sieht die starken Schlepper es grüssen mit heimatlichem Rauch; doch sieht man auch dahinter die alte Tufsteinkirche von Schwarzrheindorf ragen, schon ganz zum alten Köln gehörig, und sieht dem breiten Strom entlang die dunstig graue Ferne, die uns den alten und neuen Niederrhein gleich schwer verhüllt, und fühlt: Hier ist wahrhaftig seine Grenze und auch sein Grenztor. Wie sollte sich der Rhein aus der Romantik kleiner Winzerstädtchen in dieses ungeheuere, uralte, wilde Arbeitsfeld am Niederrhein hinunter finden, wenn nicht das heitere Bonn dazwischen läge mit seinem frechen leichten Wind.

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Druck von M. Müller & Sohn,
München V.

 


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