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Neuer Aufstieg

Nun wurde ich auch immer häufiger in Filmen beschäftigt. Mit »Marianne, ein Weib aus dem Volke« begann es. Ich spielte mit Emil Jannings und Henny Porten zusammen, die sich beide noch im Anfangsstadium ihrer Laufbahn befanden. Für den ganzen Film erhielt ich tausend Mark, von denen ich alle Künstler und was sonst noch für den Film in Frage kam, bezahlen mußte. Damals wurde noch billig gedreht. Es war die Zeit, in der man schief angesehen wurde, wenn man erklärte: »Ich habe gefilmt.« Auch die hoch wohllöbliche Polizei schritt noch ein, wenn durch eine Aufnahme auf der Straße eine Menschenansammlung hervorgerufen wurde, und war noch nicht so recht darüber im Bilde, was das alles eigentlich zu bedeuten hatte.

In »Marianne, ein Weib aus dem Volke« kam, zum Beispiel, eine Hochzeit vor, die bei uns in Charlottenburg, in einer Kirche in der Nähe der Pestalozzistraße, aufgenommen wurde. Diese Aufnahmen erregten die allgemeine Neugier, zumal die Glocken läuteten und die Passanten einer wirklichen Hochzeit beizuwohnen glaubten. So standen sie zu Hunderten vor der Kirche, und erst, als sie bemerkten, daß die Szene öfters wiederholt wurde, ging ihnen ein Licht auf. Zum Schluß kam die hohe Polizei, erkundigte sich, was da los sei, und zerstreute die Menge, die inzwischen noch mehr angewachsen war. Nach der Trauung fuhren alle Hochzeitsgäste in ein Gartenlokal, wo die Hochzeit richtig gefeiert wurde.

»Die Beichte einer Verurteilten« folgte, und daran reihte sich nun Film an Film. Manchmal hatte ich drei Filme auf einmal zu drehen und spielte dabei noch Theater. Wie oft kam es vor, daß man im Theater Angst hatte, ich könnte zu spät zur Vorstellung erscheinen. Aber das gab es bei mir nicht. Zur rechten Zeit fing ich an zu »meckern«, daß ich fort müsse, und so kam ich auch stets pünktlich. Manchmal allerdings mit heraushängender Zunge, so hatte ich mich beeilt.

Einmal passierte etwas Aufregendes: Es war zeitig früh, das Auto, das mich ins Atelier bringen sollte, wartete bereits unten, und ich benutzte ausnahmsweise den Aufzug, um hinunterzufahren. Meine Haustochter begleitete mich bis an den Wagen, und Wilhelmine stand auf dem Balkon, um zu winken, wie es ihre Gewohnheit war. Sie wartete und wartete, aber ich kam nicht. Zehn Minuten vergingen. Wilhelmine wunderte sich, und der Chauffeur, der es eilig hatte, sah schon ungeduldig herauf. Als ich mich immer noch nicht blicken ließ, lief Wilhelmine zur Tür hinaus, hörte ein wildes Stimmengewirr und erfuhr zu ihrem Entsetzen, daß ich im Aufzug steckengeblieben sei und nicht so schnell herausgeholt werden könne. Sie stürzte zum Portier hinunter, den sie jedoch schon bei der Arbeit fand. Ich selbst war in Schweiß gebadet und konnte es kaum erwarten, an die frische Luft zu kommen.

Wilhelmine telephonierte inzwischen nach Babelsberg, beruhigte den Chauffeur, der absolut wegfahren wollte, und endlich, nach einer Stunde, durfte ich als halbe Leiche den Aufzug verlassen. Ich bekam Baldriantropfen aus der Hausapotheke, um mich zu beruhigen, wovon natürlich keine Rede sein konnte, doch die lange Fahrt nach Babelsberg, die frische Luft, eine Flasche Kölnisches Wasser und mein Flakon mit Riechsalz verfehlten ihre Wirkung nicht, und so kam ich denn totenbleich und aufgelöst vor Schreck, aber sonst einigermaßen auf der Höhe in Babelsberg an. Wilhelmine hatte es sich natürlich nicht nehmen lassen, mich zu begleiten, um mich besser umsorgen zu können. Es kam dann auch ein Arzt, aber es war weiter nichts passiert, und die einzige Folge blieb, daß ich nie mehr mit dem Aufzug fuhr. Ich hatte genug davon.

In wieviel stummen Filmen ich mitgewirkt habe, weiß ich nicht, aber es waren eine ganze Menge. Einmal spielte ich mit Asta Nielsen zusammen. Der Film hieß »Der Absturz«, und die Außenaufnahmen fanden auf der Insel Rügen statt. Zwei Ereignisse stehen mir dabei noch lebhaft vor Augen: Wir mußten mit einem Motorboot zu dem Ort der Aufnahmen fahren, während Gepäck und Requisiten auf dem Landwege dorthin befördert wurden. Es war ein ziemlich großes Fischerboot, das aber trotz seiner Größe nicht wenig schaukelte. Ich klammerte mich an Wilhelmine fest und dachte angstvoll: Mein Gott, wie soll das enden? Endlich setzte sich das Boot in Bewegung. Die Gesellschaft war ziemlich lustig, es waren ja auch lauter nette Menschen beisammen.

Als wir ungefähr eine halbe Stunde gegondelt waren, blieb auf einmal der Motor stehen, und das Boot rührte sich nicht von der Stelle. Der Bootsmann versuchte aus Leibeskräften, den Motor wieder in Gang zu bringen, alles umsonst. Ich sah, wie er immer ängstlicher wurde, bekam es auch mit der Angst zu tun und fing laut zu schreien an: »Ich will an Land zurück! Ich will an Land zurück! Ich fahr' nicht weiter!« Wie das in solchen Fällen immer ist, wollten einige warten, bis der Motor wieder lief, aber ich war nicht zum Warten zu bewegen und dankte Gott, als ich, nachdem der Mann eine Weile gerudert und mit einer langen Stange herumgefuchtelt hatte, endlich meinen Fuß auf festen Grund setzen konnte. Nein, eine Heldin war ich nie. Die meisten, die auch ängstlich waren, gingen mit mir.

Nun hieß es, einen Wagen aufspüren, mit dem wir unsere Fahrt fortsetzen konnten. Endlich entdeckten wir so etwas wie einen Kremser, den ein Sonnendach mit Fransen schmückte. Der Wagen saß ziemlich locker in den Federn und gab sehr stark nach, so daß ein erhebliches Schaukeln und Stoßen die Folge war. Wir flogen uns gegenseitig in die Arme, denn jede Bewegung des Pferdes verursachte einen neuen Ruck, und dabei lachten wir ununterbrochen und waren vor Lachen fast ohnmächtig.

Nach zweieinhalb Stunden trafen wir mit verrenkten Gliedern an unserem Ziel ein. Wir waren wie gerädert, und an Arbeiten war zunächst natürlich nicht zu denken. Wir mußten uns erst ein Weilchen ausruhen. Asta Nielsen war sehr liebenswürdig und ließ mir genügend Zeit zum Erholen. Dann ging's mit der Arbeit los. Wir verblieben zwei Tage an Ort und Stelle, bevor wir wieder nach Rügen zurückkehrten. Als die Aufnahmen dort fast beendet waren, wurden wir alle von Asta Nielsen eingeladen, einen Abend bei ihr zu verbringen. Es gab Schwedenpunsch. Ich rührte mein Glas nicht an, weil ich die Wirkung dieses Getränks vom Hörensagen kannte. Meine Schwester Wilhelmine aber, die niemals Alkohol zu sich nahm, ergriff ein Glas und leerte es, bevor ich sie noch warnen konnte, auf Astas Wohl.

Es dauerte nicht lange, und die Wirkung trat ein. Mein solides Willichen wurde von einer unwiderstehlichen Lustigkeit erfaßt, fing an zu singen und zu lachen und wollte gar nicht mehr aufhören. Die ganze Gesellschaft freute sich über sie, nur ich machte ein bedenkliches Gesicht, weil ich sie noch nie in meinem ganzen Leben so gesehen hatte. »Willichen, geh doch ins Bett«, sagte ich ihr, »du lachst zuviel.« Aber schon ging es von neuem los, bis ich plötzlich energisch wurde. »So, nun ist es aber genug!« grollte ich. »Jetzt marsch ins Bett!« Darauf nahm ich ihren Arm und wollte sie auf die Beine stellen, aber sie rührte sich nicht vom Sofa fort, lachte nur immer und sagte: »Nein, nein, ich geh' nicht. Ich geh' nicht.« Schließlich mußte der Sache aber ein Ende bereitet werden. Ich machte Ernst und schaffte mein geliebtes Schwesterherz mit einem gehörigen Schwips ins Hotel zurück. Sonst brachte sie mich gewöhnlich zu Bett, und ihr letzter Gruß lautete: »Gute Nacht, du mein herziges Kind. Schlaf gut.« Ich paßte ihn der veränderten Lage an und sagte: »Gute Nacht, du betrunkenes Kind. Schlaf deinen Rausch aus.« Es war der erste, aber auch der letzte Schwips in ihrem Leben, und ich will nur hoffen, daß sie mir mein Aus-der-Schule-Plaudern nicht übelnimmt.

»Der Absturz« war der netteste Film, den ich mit Asta Nielsen spielte, zumal auch sehr angenehme Menschen beisammen waren. Durch eine Unvorsichtigkeit wurde ein Teil der Streifen vernichtet. Nach Beendigung der Aufnahmen fuhren wir nach Berlin zurück, und damit waren die schönen Tage auf der Insel Rügen zu Ende.

In Berlin angekommen, ging die Arbeit weiter. Filme und Theaterengagements wechselten miteinander ab. Manchmal hatte ich auch beides, Theater und Film. Es war sehr anstrengend, aber die Arbeit machte mir Freude. Nichts war mir zuviel, und wenn ich mal einen Tag frei hatte, war er mit häuslicher Beschäftigung ausgefüllt. Dann saß ich an meiner Nähmaschine und nähte Hauswäsche, denn ich hatte jahrelang einen Schneiderkursus mitgemacht, so daß ich in allem Bescheid wußte und mir niemand ein X für ein U vormachen konnte.

Gibt es etwas Schlimmeres als eine Künstlerin, die in wirtschaftlichen Dingen keine Erfahrung hat? Einkaufen war mein Liebstes. Wilhelmine lobte mich immer, weil ich mir nichts in die Hände stecken ließ und auf jedem Gebiet zu Hause war. Kaufte ich Obst, Gemüse oder Zitronen, so prüfte ich genau, ob sich nicht etwa faule Früchte darunter befanden, und wenn ich merkte, daß ein Apfel, eine Birne oder eine Zitrone nicht ganz einwandfrei war, sagte ich: »Sachte, sachte, Frauchen, nicht so hastig. Ich muß sehen, was in die Tüten kommt.« Manchmal lag das schöne Obst vorn aufgestapelt und die minderen Früchte rückwärts, aber ich ließ mich dadurch nicht verblüffen. »Nehmen Sie ruhig die vorderen Früchte«, mahnte ich, und wenn sie es nicht taten, ging ich eben weiter, bis ich bekam, was ich wollte.

Ich fuhr auch stets mit der Stadtbahn oder mit dem Omnibus ins Theater. Sehr selten nur nahm ich mir ein Auto, und dann mußte das Wetter schon sehr schlecht sein. Wenn ich jedoch in der »Tribüne« oder im Kurfürstendamm-Theater spielte, ging ich fast immer zu Fuß dorthin. Oft wunderten sich meine Kollegen und sagten: »Aber liebe Adele, Sie könnten sich doch wirklich ein Auto anschaffen.« Worauf ich prompt erwiderte: »Erstens bin ich nicht mit einem Auto aufgewachsen, und zweitens brauchte ich, wenn ich eins hätte, einen Chauffeur, und wenn der nun mit meiner Köchin ein Verhältnis anfinge, könnte ich womöglich noch die Alimente bezahlen, und das wollen wir lieber bleiben lassen. Zum Filmen werde ich abgeholt, und wenn ich sonst mal ein Auto benötige, steht an jeder Straßenecke eins, und ich bin jeder Sorge enthoben.«

Damit wären wir wieder beim Thema angelangt, und mir fällt ein Film ein, »Manolescu« hieß er, in dem ich eine Fürstin spielte. Wir hatten Außenaufnahmen auf der Tauentzienstraße. Ich mußte in einem Juweliergeschäft Brillanten kaufen, die mir später, nachdem ich, ohne es zu wissen, von Manolescu verfolgt worden war, im Hotel wieder gestohlen wurden. Daß ich bei der Entdeckung dieses Diebstahls mit einem lauten Schrei in Ohnmacht zu fallen hatte, weiß ich noch. Auch die vielen Menschen, die sich vor dem Juweliergeschäft in der Tauentzienstraße ansammelten und ihre Bemerkungen machten, habe ich noch deutlich in Erinnerung. Der Aufnahmeleiter, der Spielleiter und der Operateur hatten nicht wenig Mühe, sie uns vom Leibe zu halten und dafür zu sorgen, daß sie nicht ins Bild hineinliefen. Der Film war ziemlich aufregend, aber sehr schön. Auch der Film »Patience« machte mir viel Freude. Er wurde in Babelsberg gedreht.

Damals dauerten die Aufnahmen vom frühen Morgen bis in die späte Nacht hinein. Ich wurde mit dem Auto um acht oder neun Uhr zur Fahrt ins Atelier abgeholt. Gefrühstückt hatten wir bereits um sechs, und Wilhelmine, die mich meistens begleitete, war sogar schon um fünf Uhr als erste aufgestanden, um die Kleider, die ich für den Film benötigte, einzupacken, denn ich hatte ja meinen eigenen Fundus noch von der Bühne her. Wenn ich mit einem neuen Film begann und fragte, was ich anziehen sollte, erhielt ich fast immer die Antwort: »Die Kleider, die Sie für diese Rolle brauchen, hängen bei Ihnen im Schrank.« Und es war auch so. Sie hingen ja wirklich im Schrank, nur für besondere Rollen wie etwa für »Englische Heirat«, »Amphitrion«, »Der Favorit der Kaiserin« oder »Das schöne Abenteuer« wurden mir die Kleider von den betreffenden Firmen geliefert.

Im Atelier angelangt, packte Wilhelmine gemeinsam mit meiner Garderobiere den Koffer aus, richtete alles genau her, die Kleider wurden aufgehängt, und ich ging zum Spielleiter, wünschte ihm einen guten Morgen und sprach mit ihm über meine Rolle. Dann mußte mir Alma, so hieß meine Garderobiere, zwei Tassen Kaffee holen, und dazu wurde eine Zigarette geraucht. Die Frühstücksbrote und was mir Wilhelmine sonst noch einpackte, brachte ich meistens wieder mit, weil ich nichts essen konnte, namentlich wenn ich vor einer großen Aufgabe stand. Nun kam der Friseur oder die Friseuse, manchmal auch der Maskenbildner, je nachdem ich geschminkt oder frisiert wurde. Danach wurde ich angezogen, und war ich einmal so weit, erschien auch schon der jeweilige Aufnahmeleiter und drängte: »Gnädige Frau, wie lange dauert es noch?« – »Bis ich fertig bin, junger Mann«, antwortete ich. »Nur keine jüdische Hast!«

Endlich konnte es losgehen. Ich kam in die Dekoration, natürlich noch immer viel zu früh, und durfte daher wieder kehrtmachen und warten, bis meine edlen Züge erschlafften und ich ununterbrochen mit Eisumschlägen nachhelfen mußte, um frisch zu bleiben. Es ist ja eine bekannte Tatsache, daß ein geschminktes Gesicht, vorzüglich bei großer Hitze, schnell ermüdet und der Maskenbildner an heißen Tagen allerhand zu tun hat, um seine Schutzbefohlenen jung und knusprig zu erhalten.

Während der Aufnahmen zu dem Film »Der Kongreß tanzt« passierte ein schweres Unglück: Das Kostüm einer jungen Tänzerin fing durch eine Unvorsichtigkeit Feuer und ging lichterloh in Flammen auf. Die Arme lief ins Freie hinaus, und bevor man ihr eine Decke überwerfen konnte, hatte sie bereits Brandwunden schwersten Grades erhalten und wurde sofort in die Klinik transportiert, wo sie lange liegen mußte. Ob das arme Mädchen wieder gesund wurde, habe ich nie erfahren können. Zum Glück hatte ich an diesem Tage keine Aufnahme.

Die Arbeit am Film ist nicht immer so schön, wie es dem Außenstehenden scheinen will. Was ereignet sich nicht alles, bis so ein Film fertiggedreht ist! Wieviel Aufregung, wieviel Tränen, welches Kopfzerbrechen kostet es oft, bis man seine Rolle so gestaltet hat, wie man es vom Theater her gewöhnt ist! Im Atelier muß man sich ja viel kürzer fassen. Man kann die Szene nie so ausspielen wie auf der Bühne und muß in Sekunden Stimmungen erzielen, die den Zuschauer mitreißen und packen. Die meisten Menschen behaupten, Filmen sei leicht, sie könnten das auch. Andere wieder meinen wegwerfend: »Filmen ist keine Kunst!« Ich behaupte, Filmen ist eine große Kunst. Man muß nur verstehen, seine Aufgabe künstlerisch anzupacken.

Auch das Theater meldete sich wieder. Zwischen den Aufnahmen spielte ich sechsundsiebzigmal in dem Lustspiel »Der Lügner und die Nonne« von Kurt Goetz. Das Stück hatte großen Erfolg. Eines Abends war Fürst Donnersmarck im Theater, der ein großer Bewunderer meiner Kunst war und keine meiner Rollen versäumte. Nach der Vorstellung wartete er gewöhnlich im Parkett, bis sich das Publikum verlaufen hatte, hielt Cercle und sprach sich über meine wie über die Leistungen der anderen Künstler lobend aus. Auch Käthe Dorsch besuchte mich mit Graf Krafft Donnersmarck in meiner Garderobe, worüber ich mich sehr freute.

Den sechsundsiebzig Aufführungen von »Der Lügner und die Nonne« folgten im Künstlertheater dreiundachtzig Vorstellungen von »Sex-Appeal«. Zur selben Zeit etwa kam in Berlin der Film »Der Nächste bitte« heraus, der sich zu einem fabelhaften Erfolg für mich auswuchs. Es war der Film, in dem ich zu Pferd durch das Brandenburger Tor reiten mußte, das Gepäck hinten aufgeschnallt. Noch nie hatte ich ein solches Gelächter erlebt wie bei seiner Uraufführung.

Am Tage der Generalprobe zu »Sex-Appeal« war eine Filmaufnahme angesetzt, und infolgedessen kam es zwischen der Theater- und der Filmdirektion zum Streit. Es war für mich sehr unangenehm, aber zum Glück wurde der Film von einem sehr netten Regisseur inszeniert, der mir entgegenkam und sich damit einverstanden erklärte, meine Szene erst nachmittags zu drehen. Da es Juni war, schien auch die Sonne noch lange genug, und ich konnte zum Gaudium der Berliner Bevölkerung meinen Ritt durch das Brandenburger Tor noch bei bester Beleuchtung unternehmen.

Nicht ganz vier Wochen ruhte ich mich von der anstrengenden Arbeit in Bad Mergentheim aus, dann warteten schon wieder neue Filme auf mich. Man ließ mir keine Ruhe, ich wurde geholt, ich hatte nicht einmal soviel Zeit, meine Kur zu beenden.

Ich will nun einige der Filme nennen, in denen ich gespielt habe: »Marianne, ein Weib aus dem Volke«, »Die Beichte einer Verurteilten«, »Patience«, »Die Stadt der tausend Freuden«, »Die zärtlichen Verwandten«, »Der Flüchtling von Chikago«, »Der Herr ohne Wohnung«, »Ein Teufelskerl«, »Eva«, »Ich sing' mich in dein Herz hinein«, »Die englische Heirat«, »Das schöne Abenteuer«, »Der Kampf mit dem Drachen«, »Kirschen in Nachbars Garten«, »Alles hört auf mein Kommando«, »Der Favorit der Kaiserin«, »Die Geliebte«, »Der Raub der Helena«, »Amphitrion«, »Der Störenfried«, »Bunbury« (Liebe, Scherz und Ernst), »Die Töchter der Exzellenz«, »Die Puppenfee«, »Skandal um Eva«, »Morgenrot«, »Die große und die kleine Welt«, »Der Herr Senator«, »Alle Tage ist kein Sonntag«, »Königin Luise«, »Ich sehne mich nach dir«, »Glückliche Reise«, »Der blaue Diamant«, »Mach mich glücklich«, »Paganini« (Gern hab' ich die Frau'n geküßt), »Mein Himmel auf Erden bist du«, »Ich will nicht wissen, wer du bist«, »Der Absturz«, »Petersburger Nächte«, »Der Kongreß tanzt«, »Liebe auf den ersten Ton«, »Flitterwochen«, »Die Tochter des Regiments«, »Ihre Majestät, die Liebe«, »Der Erzieher meiner Tochter«, »Walzerparadies«, »Tausend Worte Deutsch«, »Kleines Mädel, großes Glück«, »Der große Bluff«, »Da stimmt was nicht«, »Zigeunerblut«, »Walzer im Schlafcoupé«, »Seitensprünge«, »Serenissimus und die letzte Jungfrau«, »Der Schrecken der Garnison« und viele, viele andere Filme. Leider habe ich sie mir nicht alle aufgeschrieben, so daß ich jetzt auf meine etwas lückenhafte Erinnerung angewiesen bin.

Nun wird man wohl auch gern wissen wollen, wer die Schauspieler waren, mit denen ich am liebsten zusammenspielte. Die Jugend natürlich voran: Wolfgang Liebeneiner, Wolf Albach-Retty, Viktor de Kowa, Hans Holt, Paul Kemp, Hans Söhnker, Hermann Thimig, Georg Alexander, Paul und Attila Hörbiger, mein lieber Ralph Arthur Roberts, Max Gülstorff, Harald Paulsen, Hubert von Meyrinck, Paul Henckels, Hans Moser, Gustav Waldau, Johannes Riemann und Harry Liedtke, der Schloßherr von Saarow. Ich habe ihn einmal angedichtet, als er Wilhelmine und mich eingeladen hatte, ihn zu besuchen, bei ihm Mittag zu essen und bei dieser Gelegenheit auch gleich seinen Besitz anzusehen. Er erwies sich übrigens als ein bezaubernder Hausherr und liebenswürdiger Kollege. Von seinem Besitz war ich begeistert. Neben ihm wohnte Alfred Abel, mit dem Liedtke lange Jahre hindurch wegen eines Hahnes verfeindet war. Der liebe, gute Hahn krähte, wenn Harry schlafen wollte, und war durch nichts von dieser unangenehmen Gewohnheit abzubringen. Überall hörte er den Hahn und fühlte sich dadurch in seiner idyllischen Zurückgezogenheit gestört. Auch als ich da war, krähte er. »Hörst du, was für einen Krach das Biest macht?« sagte er entrüstet. – »Aber Harry«, meinte ich, »das ist nun mal das Landleben. Hahn und Misthaufen gehören zusammen.«

Ich liebte ja nun besonders die Hühner, und das Krähen der Hähne erschien mir wie Sphärenmusik. Er war aber nicht meiner Meinung und wollte ernstlich, daß ich Abels Besitz mitsamt dem Hahn kaufen sollte, um das Übel aus der Welt zu schaffen. Ich habe mir den Besitz auch angesehen, aber für mich kamen ja solche Dinge nicht in Frage, weil ich ein viel zu beschäftigter Stadtmensch war. Ein Wochenende dort draußen hätte ich mir natürlich sehr nett denken können, aber wir zwei allein in einer so stillen und einsamen Gegend, das war mir nun doch zu gefährlich. Ich mußte immer einen Arzt schnell bei der Hand haben können, und eine Apotheke durfte ebenfalls in nächster Nähe nicht fehlen, wenn ich mich irgendwo wohl fühlen sollte. Sympathisch war es mir auch, wenn der nächste Bahnhof nicht weit war. Ging ich im Sommer auf Reisen, wollte ich keine großen Umstände machen müssen, bevor ich mich in den Zug setzen konnte. So hat jeder Mensch seine Eigenheiten, und was dem einen sin Uhl ist, ist dem andern sin Nachtigall.

Doch nun muß ich auch noch die Kolleginnen nennen, mit denen ich gern spielte: Ida Wüst, Käthe Dorsch, Olga Tschechowa, Asta Nielsen, Tilly Wedekind, Mady Christians, Anny Ondra, Olga Limburg, Gertrud Wolle, Olga Engel, Maria Paudler, Jenny Jugo, Luise Ullrich, Renate Müller und Carola Toelle. Paul Hartmann, Werner Krauß, Heinrich George, Emil Jannings, Paul Wegener, Fritz Kampers und Friedrich Kayßler schätzte ich gleichfalls sehr, aber ich kam leider im Film weniger mit ihnen zusammen.

Aus meiner ganzen langen Filmtätigkeit kann ich mich nur an einen Film erinnern, der mir zuwider war. Er hieß »Kirschen in Nachbars Garten«, und Max Gülstorff war es, der sich meiner liebevoll annahm, als mir ein »Witzbold« eine Maus auf den Hals setzte und ich vor Schreck und Ekel vollkommen fassungslos war.

Hier will ich auch noch die Filmregisseure erwähnen, mit denen ich viele Jahre harmonisch, manchmal auch unharmonisch zusammengearbeitet habe. Es waren Georg Jakoby, Karl Boese, Schönfelder, Emo, mein Liebling, Professor Froelich, Johannes Riemann, Viktor Janson, Gustav Ucicky, Friedrich Kayßler und viele andere. Sollte ich einen vergessen haben, so möge er es mir nicht übelnehmen.


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