Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Der Junker von Middoge

Der Junker von Middoge war
Des Herrgotts Herr vorzeiten gar:
Kein Pfaffe war so kühn,
Daß er zur Kanzel stieg empor,
Bevor der Junker auf dem Chor
Im Herrenstuhl erschien. – –

Sein Hut lag auf dem Eichentisch,
Der Zinnkrug hält den Trunk so frisch,
Der Junker saß beim Wein.
Poch, poch, so klopft es an die Tür,
Die Dogge knurrt – »He, Bestie, hier!« –
Der Pfarrer trat herein.

»Ei Sakr, selten ist der Gast!« –
»Ja, Junker, ja, so selten fast
Als Ihr im Haus des Herrn.«
»Ein Spaß, wenn ich zur Höllen komm!
Mein Weib, Frau Käthe, ist ja fromm
Und hört euch Pfaffen gern.« –

»Euer blasses Weib trägt stillen Gram,
Aus ihren Augen wundersam
Ward tiefes Leid mir kund.« –
»Ihr Aug' ist wohl dein Bibelbuch!«
Der Junker ruft's mit derbem Fluch,
Und leise knurrt der Hund.

Der Pfarrer sprach: »Fiek Folkers lacht,
Hat wieder guten Fang gemacht
Und trägt fuchsrotes Haar.
Ums Haus ihr Rab' und Elster flog,
Ins Netz sie einen Junker zog
Und ist der Ehren bar.« –

»Quillt goldnes Haar aus ihrem Zopf,
Zwei Sonnen hat mein Lieb im Kopf
Und trägt ein rotes Kleid.
Mir wird in meinem Herzen weh,
Wenn ich zu Haus den Winter seh,
Bei ihr ist Sommerzeit!« –

»Aus Sommersonnen Sünde sprießt,
Frau Käthens Auge überfließt,
Wie läßt die Qual Euch ruhn!« –
»Ei, Pfaffe, wenn du's mutig wagst
Und frei mir's von der Kanzel sagst,
Dann will ich Buße tun.

Dein Recht ist dein, doch meines auch
Wahr ich nach altem Gült und Brauch,
So wie ich darf und kann.
Hör', Pfaff, wer auf die Kanzel steigt,
Eh sich im Stuhl der Junker zeigt,
Der ist ein toter Mann.«

*

»O Ewigkeit, du Donnerwort,
O Schwert, das durch die Seele bohrt,« –
Erschauernd singt's die Gemeine.
»Nimm du mich, wenn es dir gefällt,
Herr Jesu, in dein Freudenzelt,« –
So klagt sie, die Blasse, die Feine.

Die Blasse, die Feine, Frau Käthe allein
Im Herrenstuhl, das Herz voll Pein, –
Der Junker ist nicht erschienen.
Der Pfarrer harrt in der Sakristei,
Sein Antlitz bleich, die Brust nicht frei,
Und Sorgen in den Mienen.

Der Pfarrer harrt, das Lied verklang,
Zum zweitenmal ertönt der Sang,
Zum zweitenmal zu Ende.
Da schreitet er hinab den Chor,
Zur Kanzel steigt er leicht empor
Und faltet betend die Hände.

Frau Käthe bang' nach oben blickt,
Ihr Atem stockt, das Herz erschrickt,
Als er beginnt zu sprechen.
Ein Feuer aus seinem Munde loht,
Zum Texte nimmt er das sechste Gebot:
Du sollst nicht ehebrechen.

»Weh dem, der vor den Altar trat,
Ein liebes Weib zu Hause hat
Und bricht beschworen Treue!
Dem Manne wahrlich ist er gleich,
Der Perlen, echt und wunderreich,
Hinwirft, hin vor die Säue.«

Klirr, klirr tönt's von der Kirchentür;
In Waffen tritt er stolz herfür
Und schleppt am Arm die Metze.
Fiek Folkers geht so zag und scheu,
Der Junker schreitet keck und frei,
Daß er in Stuhl sich setze.

Dem Pfarrer stockt im Mund das Wort,
Frau Käthe sehnt in Scham sich fort
Und hat sich jäh erhoben.
Durch die Bänke geht surrend ein tiefes Gemurr,
Auf der Kanzel die Hände hebt er empor,
Und betend blickt er nach oben.

»Herr Gott im hohen Himmelszelt,
Gerechter Richter der ganzen Welt,
Man wagt es, dich zu höhnen
Und schleppt in dein geheiligt Haus
Mit Sporen klirrend den Sündengraus« –
Ein Schuß macht die Kirche erdröhnen,

Ein Schuß aus des Junkers rauchendem Rohr,
Und wilde Worte sprudeln hervor:
»So stopf' ich den Mund dir, Geselle!
Wer eh zur Kanzel zu gehn sich erfrecht,
Verletzt mein altes geheiligtes Recht
Und fahre im Feuer zur Hölle!« – –

Ein Sterbender lag auf den Fliesen bloß,
Frau Käthe nimmt sein Haupt in Schoß
Und stützt es in den Händen.
Lang' blickt er auf, sein Auge bricht,
Sein letzter Blick ruft zum Gericht, –
Der Junker will sich wenden.

Aufspringt sein Weib, ihr Auge flammt
Und »Mörder«, ruft sie, »Mörder, verdammt
Seist du für ewige Zeiten!«
Kurz lacht er auf, doch fahl wird und greis
Sein Antlitz; gewaltsam durchbricht er den Kreis
Von scheltenden, fluchenden Leuten. – –

Am Abend noch blies der Junker zur Jagd,
Doch einsam sprengt' er hinaus in die Nacht,
Und niemals kam er wieder. –
Des Pfarrers Grabstein ist im Chor,
Oft kniet ein blasses Weib davor,
Und Tränen tauen nieder.

 

*

 


 << zurück weiter >>