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Hymnen

*

Heimat

Heimat, teure Heimat,
Du meiner Seelen Amme!
Als ich ein Kind war, seltsame Weisen
Sangst du mir sacht in das Ohr
Vom wilden Jäger, von Wodan und Donar
Und andern Gewaltigen.
O, deine Sagen und Märchen
Und bunten Geschichten, sie alle,
Wie sie das Herz mir durchglühten!
Dann konnt' ich nicht schlafen,
Und seltsam winkten
Durchs niedrige Fenster
Alle Sterne des Himmels herein
Und der leuchtende Mond,
Bis endlich das Rauschen der Eichen
Mich dennoch in Schlummer gewiegt.

Heimat, teure Heimat!
Als ich größer dann ward, alle Welt
Wollt' ich durchstürmen mit eilendem Fuß;
Da reichtest du lächelnd die Hand mir,
Ein sonniges Mädchen, und sprachst:
»Gemach, auch hier ist die Welt!
Ihren Widerschein sieh funkeln und strahlen
In meinen Augen. Wandre mit mir!«
Gehorsam war ich, und Hand in Hand
Über die weite Heide
Schritten wir sinnend dahin,
Grüßten leise die toten Helden,
Die unter dem Hünenstein schlafen,
Und tief im Dunkel des Waldes
Uralte, sturmzerrissene Eichen
Grüßten wir auch,
Die längst schon keimten und grünten,
Eh' hier in den Landen ringsum
Die erste der Glocken erklang.
Am Gestade des blinkenden Stroms
Wallten wir staunend hinab
Bis zur salzigen See:
Auftut seine Tore das Land,
Die Schätze der Welt zu empfangen
Und seine Güter zu schenken der Welt.

O du wogendes, ewiges Meer!
Deinen gewaltigen Atem,
Natur, fühlen wir hier,
Und das Herz wird uns weit,
Wenn von der Höhe des Deiches das Auge
Unendliche Fernen durchdringt
Und Zeichen der Zukunft erspäht.
Dann stehst du neben mir, Heimat,
Nicht ein lächelndes Mädchen mehr,
Behelmte Kämpferin bist du geworden,
Uns zum Schutze den Schild
Hältst du dräuenden Feinden entgegen.

Heimat, teure Heimat!
Arbeit hast du gegeben,
Nahrung dem Leib und Spiele
Der Seele; meinem Liede hast du gelauscht.
Nun ein Bestes gib noch:
Nach des Tages Arbeit
Gib Muße dem Herzen,
Das des Feierabends gern sich erfreut,
Wenn unter der Abendröte
Ein stiller Friede sich senkt
Über die früchtevolle Flur.
Doch wenn einstmals die Nacht gekommen,
Tiefe, dunkle Nacht,
Wenn das Licht der Augen erlosch
Und der Stab, der mich stützte, zerbrach,
Dann, o Erde der Heimat, empfange
Gern ein winziges Häuflein Asche,
Nicht zu ewiger Ruhe, –
Laß sie Nahrung sein
Den gewaltigen Eichen
Oder den lieblichen Kindern des Feldes,
Und in all' dem Wachsen und Blühen
Immer noch bin ich in dir,
Heimat, du teure Heimat!

 

*

 


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