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Freiheit

Göttin mit den leuchtenden Augen,
Du Sonne meiner Seele,
Die du mit leise waltenden Händen
Fesseln lösest, Freiheit,
Dir sag ich Dank.

Kalter Stein war mein Bett,
Ohne mildernde Streu;
Keines Fensters blinkende Scheiben
Kündeten Morgen und Abend,
Und als dunkle Decke allein
Lag auf meinen Gliedern die Nacht.
Doch unter der dunklen Decke
Gruben Frost und Hunger sich ein,
Nimmersatte Nager,
Gruben tief, tief in mein Gebein
Den zehrenden Zahn.

Niemals kam Schlaf,
Der lindernde Tröster,
Mit lieblichen Träumen
Mein Herz zu erquicken;
Zaudernd schlichen die Stunden
Mit träge klopfenden Pulsen
Am Lager vorüber;
Von fallenden Tropfen
Hallte die Wölbung –
Sonst kein Laut.
Doch. Horch, fern,
Ganz in der Ferne
Ein leises Lied, jubelndes Lied,
Als wenn eine Lerche
Von der sonnigen Heide
Aufwärts stiege
In den unbegrenzten
Himmel hinein.

O Sonne, Himmel, jubelndes Lied,
O du heilige, heilige Sehnsucht!
Da wollt' ich die Hände falten,
Die gefesselten Hände, –
Doch die Lippen beteten leise:
»All ihr Götter,
Errettet mich!
Eure gewaltigen Diener sendet,
Daß sie den Kerker zerbrechen,
Die Fesseln mir lösen.«

Horch, da kam es von draußen
Steinerne Stufen herab,
Ruhig und leicht;
In das eiserne Tor
Grub ein goldener Schlüssel sich ein,
Und widerwillig knarrte es auf.

»Göttin mit den leuchtenden Augen,
Du Sonne meiner Seele,
Die du mit leise waltenden Händen
Fesseln lösest, Freiheit,
Dir sag ich Dank.
Zerbrich, o zerbrich meine Ketten!«

Doch lächelnd verneint die Göttliche:
»Selber mußt du es tun.«
Und mit der Linken
Hebt sie das Haupt,
Das matte Haupt,
Vom Stein mir empor,
Und mit der rechten Hand
Setzt sie an die Lippen,
Die verdurstenden Lippen,
Eine silberne Schale,
Und daraus glänzt mir rötlich
Entgegen der labende Trunk.
»Trinke!«
Und ich trank.
Freude floß in meine Seele;
Die Kraft aller Götter
Glühte in meinen Adern
Und schwellte die Muskeln
Zu sieghafter Tat.
Klirrend zerbarsten die Ketten,
Fest stand ich wieder
Auf meinen Füßen,
Und an der Freiheit Hand
Stieg ich die Stufen empor,
Dem Licht entgegen,
Und so ließ ich die Gruft.

Sonne, sei mir gegrüßt,
Du Meer des Lichts,
Du Mutter des Lebens!

Nun schreiten wir Hand in Hand
Durch glänzende Auen.
Silberne Bäche leiten uns
Den Quellen entgegen,
Den weichen Töchtern
Der ragenden Felsen.
Hoch über die Felsen
Steigen wir auf,
Und von der höchsten Höhe des Berges,
Hochaufatmend,
Mit weiten Armen
Fassen die Welt wir ein,
Die weite Welt.

Sei mir gepriesen,
Erhabene Göttin!
Sieh, dir zu Füßen lieg' ich,
Stehn wir auch hoch,
Höher möcht' ich hinauf,
Den unendlichen Himmel
Möcht' ich erfliegen.

Und sie lächelt, die herrliche Göttin,
Gewährung winkt sie,
Und leichtbeschwingt
Über die singende Lerche
Steig' ich freudig empor,
Tief unter mir das Weh der Welt,
Die Last des Lebens, – –
Tief unter mir[*]
Die Sklaven alle,
Die harten Herren frönen –
O, daß es Sklaven noch gibt! –
Die gebundenen Seelen alle
Tief unter mir,
Die niemals fliegen werden,
Niemals! – –

Da versinkt der Tag,
In ein Meer von Glut
Gleitet die Sonne;
Doch finster wird es nicht,
Licht gebiert aus tausend Quellen
Die unendliche Ferne,
Und ihnen entgegen flieg' ich,
Den Sternen entgegen,
Die uns irrenden Menschen
Die Wege gewiesen
Zu Wahrheit und Freiheit. – –

Göttin mit den leuchtenden Augen,
Du Sonne meiner Seele,
Die du mit leise waltenden Händen
Die Fesseln lösest,
Dir gilt mein Lied,
Mein jubelndes Lied.


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