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Im Jahre 1856 trat die Bergbehörde, die das Bestreben hatte, einen bodenständigen Bergarbeiterstand heranzubilden, mit der Forstverwaltung wegen Überlassung von Baugelände zu einer Bergmannskolonie in Verbindung. Daraufhin wurde die Gemarkung Herrensohr entwaldet, und es entstanden so zwei kahle Bergkuppen, auf denen Bergleute aus der Eifel, dem Hunsrück, aus Hessen und Sachsen angesiedelt wurden. Der erste Ansiedler soll Jakob Wagner geheißen haben; ihm wird der auf den Ansiedlungsort bezügliche Ausspruch in den Mund gelegt: 169 »Wie das alles kalt und nackicht aussieht.« Daher soll die volkstümliche Bezeichnung des Ortes »Kaltnackicht« kommen.
Der Name Herrensohr geht auf das alte deutsche Wort »Sohr« zurück, das eine trockene dürre Stelle bezeichnet. Herrensohr muß der Platz genannt worden sein, weil der Wald herrschaftlich war. Vielleicht war auch dort ein Versammlungsplatz bei den herrschaftlichen Jagden.
Zwischen den Gruben Dudweiler und Jägersfreude gelegen, hat sich diese Bergmannskolonie rasch entwickelt. Im Jahre 1880 zählte man schon 249 Häuser mit 373 Haushaltungen und 1876 Einwohnern. Im Jahre 1908 hatte sich die Einwohnerschaft auf 4360 Köpfe vermehrt, also mehr als verdoppelt. Die Bewohner gehören der Mehrzahl dem katholischen Bekenntnisse 170 an, doch besteht auch eine zahlreiche evangelische Gemeinde. Im Jahre 1863 zählte man in Herrensohr 232, im Jahre 1904 2505 Katholiken gegen 1498 Evangelische. Die Angehörigen beider Bekenntnisse waren anfangs nach Dudweiler eingepfarrt. Die katholische Gemeinde baute zuerst ein eigenes Gotteshaus. Am 15. Dezember 1901 wurde die Kirche eingeweiht und im Jahre 1902 eine Pfarrvikarie, im Jahre 1908 eine Kapellengemeinde gegründet, deren Seelsorger der Pfarrer Karl Diedrich war. Sein Nachfolger war Pfarrer Seiss. Im Jahre 1906 wurde das Pfarrhaus gebaut. Die Kirchensteuer beträgt 37 v. H. der Grund-, Gebäude- und Einkommensteuer.
Die evangelische Kirchengemeinde versammelte sich anfangs in einem Betsaal. Ein evangelischer Kirchenbauverein wurde im Jahre 1893 gegründet, und am 30. Januar 1910 wurde die evangelische Kirche von dem Generalsuperintendenten Dr. Umbeck aus Coblenz eingeweiht. Der Vorsitzende der Rheinischen Provinzial-Synode Pfarrer D. Hackenberg hielt die Begrüßungsansprache, und der Vertreter des Gustav-Adolf-Vereins, der zu dem Bau wiederholt Mittel zur Verfügung beigesteuert hatte, beglückwünschte die Gemeinde zu ihrem Gotteshaus. Dann hielt der Ortsgeistliche Pfarrer Uhrmacher (vorher Pfarrer in Dudweiler) die Weihepredigt. Pfarrer Uhrmacher wirkte in Herrensohr bis zum Jahre 1913, wo er zum Pfarrer in St. Arnual gewählt wurde. Er machte sich u. a. dadurch verdient, daß er eine ambulante Krankenpflege durch eine Schwester ins Leben rief. Sein Nachfolger ist Pfarrer Römer. Am 20. Juni 1920 hielt der Gustav-Adolf-Verein sein Jahresfest in Herrensohr. Die Kirchensteuer beträgt 50 vom Hundert der Einkommensteuer. Die Kirche zählt 700 Sitzplätze.
Bei dem großen Unglück in Camphausen am 17. März 1885 fanden 37 Bergleute aus Herrensohr den Tod. Im Jahre 1887 erhielt Herrensohr eine Wasserleitung. Im Jahre 1875 wurde ein Doppelschulhaus gebaut, das eine Anleihe von 12 000 Mark nötig machte. Im Jahre 1908 gab es 9 katholische und 6 evangelische Schulklassen in Herrensohr. Ein neues Schulhaus wurde im Jahre 1910 erbaut. Es enthält 16 Klassen, Badeeinrichtung und Raum für eine Kochschule. Für 95 ältere Mädchen wurde im Jahre 1913 Haushaltungsunterricht in 5 Gruppen erteilt. Für Herrensohr-Jägersfreude wurde im Jahre 1912 eine Volks-, Jugend- und Schülerbibliothek eingerichtet, die 86 Bände zählte. Dem Geldverkehr dient die Spar- und Darlehnskasse. 171